Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Märdöll

Es war einmal ein Herzog und eine Herzogin. Die waren lange miteinander verheiratet und liebten sich sehr, aber sie bekamen kein Kind, so gern sie auch eins haben wollten. Darüber waren sie sehr bekümmert. Einmal ging die Herzogin in einem schönen Nußwalde spazieren. Es



Bd-06-038_Maerchen von Island Flip arpa

überkam sie eine große Müdigkeit, sie schlief ein, und im Traum begegnete sie drei hochgewachsenen Frauen in schwarzen Kleidern. Sie redete sie an und fragte sie, wie sie hießen. Da nannten sie sich Schwarzröcke und erklärten, sie brauchten nicht zu fragen, wie sie selber heiße, denn sie wüßten sehr gut, wer sie sei und was ihr fehle, und sie seien auch bereit, ihr zu helfen. Sie solle nur an einen bestimmten Bach in der Nachbarschaft gehen und eine Forelle essen, die sie darin finden werde. Davon werde sie ein Kind bekommen, zu dessen Taufe aber wollten sie alle drei sich im voraus eingeladen haben. Dann verschwanden die Frauen, und die Herzogin erwachte.

Sie folgte nun dieser Weisung, ging an den Bach, fand die Forelle, aß sie und fühlte sich auch bald guter Hoffnung. Zur rechten Zeit wurde dann auch das Kind geboren, und es war ein wunderschönes Mädchen. Sofort wurde die Schaffnerin beauftragt, alles zum Empfange der drei Schwestern herzurichten. Aber die war so unachtsam, daß sie nur zwei Gedecke auflegte, und als die Schwarzröcke kamen, mußte die Jüngste leer ausgehen. Die beiden älteren Schwestern gaben dem Kinde sofort den Namen ihrer eigenen Mutter Märdöll und hießen sie so schön werden wie die Sonne und nur pures Gold weinen, wenn ihr die Tränen kommen, und einen Königssohn zum Manne gewinnen. Die dritte aber konnte zwar von dem allen nichts wieder zurücknehmen, aber weil sie erzürnt war, fügte sie den Fluch hinzu, daß sie in der Brautnacht ein Sperling werden und in den ersten drei Nächten nur je eine Stunde die Sperlingshaut ablegen solle. Aber danach sollte sie auf ewig ein Sperling bleiben, wenn ihr nicht in der dritten Nacht jemand die Zauberhaut abnähme und verbrenne. Damit gingen die drei Schwestern von dannen.

Nun erfüllte sich an Märdöll zunächst der Segen der älteren beiden Schwestern. Sie wurde wunderschön, alle ihre Tränen wurden pures Gold. Der Herzog wurde sehr reich, die Sache sprach sich herum, und endlich kam auch ein Königssohn, um sie zu freien. Damit war aber auch die Zeit gekommen, wo der Fluch der dritten Schwester in Erfüllung gehen sollte. Es lebten in der Nähe des Königshof es ein alter Mann und eine alte Frau in einer schlechten Hütte, und diese beiden hatten eine Tochter namens Helga. Die Alte war die Amme der Märdöll gewesen, und Helga hatte ihre Milchschwester sehr lieb. Als nun Märdöll mit dem Königssohn wegziehen sollte, nahm sie ihre Milchschwester mit. Um nun dem bösen Fluch zu entrinnen, versuchte sie es unterwegs zunächst, die Milchschwester dem Königssohn zu unterschieben. Der



Bd-06-039_Maerchen von Island Flip arpa

aber schöpfte Verdacht, und um ins klare zu kommen, gab er den beiden Weibern ein paar tüchtige Ohrfeigen. Da weinten beide, aber nur die Tränen der rechten Braut waren von Gold. Inder Nacht aber gelang es den beiden, sich miteinander zu vertauschen. Helga ruhte im Arm des Königssohnes, Märdöll wurde zu einem Sperling und flog davon. Nun aber sollte Helga dem Königssohn über Nacht ein Tuch voll Gold weinen, und das konnte sie nicht. Da stach sie ihm einen Schlafdorn ein und ging hinaus zu dem Hügel und sprach:

»Komme, komme Märdöll,
komme meine Freundin,
komm du schönes Mädchen
auf den Heideweg.
Ich soll Gold geben,
doch ich kann's nicht weinen.«

Da kam nun der Sperling geflogen, nahm seine menschliche Gestalt wieder an und weinte eine Stunde lang pures Gold. Dann verwandelte er sich wieder und flog als Sperling davon. Helga aber legte sich ins Bett zum Königssohn, übergab ihm am Morgen das Gold, und damit war alles gut.

Wie in der ersten Nacht, so ging es nun auch in der zweiten und dritten. In dieser aber hatte Helga den Schlafdorn nicht fest genug eingestochen, der Königssohn war unruhig im Schlafe, und der Dorn fiel ihm aus den Kleidern. Davon erwachte er, und da er seine vermeintliche Frau von sich wegschleichen sah, ging er ihr unbemerkt nach und sah alles, was sich bei der Begegnung mit dem Sperling begab. Da erkannte er den Zusammenhang der ganzen Geschichte, sprang eilends hinzu, erfaßte das abgeworfene Sperlingskleid und verbrannte es. Damit war nun der Zauber gelöst. Es wurde aufs neue Hochzeit gehalten, und alles verlief aufs beste. Fortan lebte Märdöll mit dem Königssohn zusammen. Sie bekamen Kinder und waren lange Zeit glücklich miteinander.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt