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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Das Märchen von Thorstein Hofkraft

Zu der Zeit, als Hakon Jarl Sigurdssohn über Norwegen herrschte, wohnte dort ein Bauer im Gaulartal, der Brynjulf hieß und Ufaldi genannt war. Das war ein Lehnsmann und ein großer Kämpe. Sein Weib hieß Dagny und war eine Tochter des Jarnskeggi auf Yrjar. Sie hatten einen Sohn, der Thorstein hieß, der war groß und stark, unbändig und ungebärdig gegen jedermann. Keiner sonst war so groß in Norwegen wie er, und selten fand sich eine Tür, durch die er bequem hätte hindurchgehen können. Darum wurde er Hofkraft genannt, denn er schien allzu groß zu sein für die meisten Häuser. Da er so unerträglich war, gab ihm sein Vater Schiffe und Mannschaft, und Thorstein war nun abwechselnd auf Heerfahrt oder auf Handelsfahrt, und mit beidem hatte er guten Erfolg.

Zu jener Zeit zog König Olaf Tryggwason in Norwegen das Reich an sich, aber dem Hakon Jarl war der Hals abgeschnitten worden von seinem Knechte, der Thormod Kark hieß. Thorstein Hofkraft wurde nun König Olafs Gefolgsmann; dem König schien er ein flinker Bursche zu sein, und dieser hielt viel von ihm; aber bei den andern Hof leuten war er nicht sehr beliebt, er dünkte sie streitsüchtig und unangenehm. Der König gebrauchte ihn besonders gern zu solchen Sendfahrten, um die



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sich die andern gern drückten; aber manchmal fuhr er auch Kauffahrten, um dem König Kleinodien zu erwerben.

Einmal lag Thorstein östlich von Balegard, und da er nicht segeln konnte, ging er bereits am frühen Morgen ans Land, und als die Sonne im Südosten stand, war Thorstein an eine Rodung gekommen, und ein schöner Hügel war auf der Rodung. Er sah einen kahlköpfigen Knaben auf dem Hügel und hörte ihn sagen: »Mutter, gib mir meinen Krummstab heraus und meine Handschuhe, denn ich will auf einen Zauberritt fahren, weil heute Festtag ist in der Unterwelt.« Da wurde aus dem Hügel ein Krummstab herausgeworfen, gleich einem Feuerhaken; jener stieg auf den Stab, zog sich die Handschuhe an und galoppierte davon, so wie es Kinder zu machen pflegen. Thorstein ging auf den Hügel und sprach dieselben Worte wie der Knabe, und sogleich wurde ein Stab und Handschuhe herausgeworfen und jemand fragte: »Wer will denn das?«

»Dein Sohn Bjalfi«, sagte Thorstein; dann stieg er auf den Stab und ritt davon hinter dem Knaben her. Sie kamen an einen Fluß, stürzten sich von oben hinein, und da kam es ihnen vor, als ob sie in Rauch wateten. Dann aber lichtete es sich ihnen vor den Augen, und sie kamen dorthin, wo Wasser aus den Felsen entsprang. Es erblickte dort Thorstein eine weite Siedelung und eine große Burg. Sie treten hinein in die Burg, und die Leute sitzen gerade beim Essen. Sie gehen hinein in die Halle, und die Halle war voll bemannt, und es wurde nur aus Silberbechern getrunken; ein viereckiger Schenktisch stand auf dem Estrich, alles glänzte von Gold, und das einzige Getränk war Wein. Da kam es dem Thorstein vor, als ob niemand sie sähe. Sein Gefährte lief zwischen den Tischen umher und nahm sich alles, was herunterfiel. Der König und die Königin saßen auf dem Hochsitz; die Leute waren froh in der Halle. Darauf sieht Thorstein, wie ein Mann in die Halle kommt, den König begrüßt und sagt, er sei gesandt zu ihm aus Indienland, aus dem Gebirge, das Lukanus heißt, von dem Jan, der darüber herrscht, und er sagt dem König, daß er zum Volk der Elben gehöre. Er brachte ihm einen Goldring, und der König glaubte, niemals einen besseren Ring gesehen zu haben. Der Ring aber machte die Runde in der Halle zum Ansehen, und alle lobten ihn, denn er war an vier Stellen auseinanderzunehmen. Noch ein anderes Kleinod sah Thorstein, das ihm ungemein wertvoll schien, das war ein Tuch auf des Königs Tisch mit goldenen Kanten, und die zwölf allerbesten Edelsteine waren darin befestigt.



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Dies Tuch hätte Thorstein gerne gehabt; es kam ihm auch in den Sinn, sich auf seines Königs Glück zu verlassen und zu probieren, ob er nicht in den Besitz des Ringes gelangen könne.

Nun sieht Thorstein, wie der König im Begriff ist, den Ring über seine Hand zu ziehen, da entriß er ihm den Ring und mit der anderen Hand nahm er das Tuch, und das ganze Essen fiel in den Schmutz. Thorstein rannte zur Tür, aber sein Krummstab blieb in der Halle zurück. In dem großen Tumult stürzten sie alle hinaus, sahen, wo Thorstein läuft, und rannten hinter ihm her. Als er sah, wie sie ihm nahe kamen, sagte er: »Wenn du so gut bist, König Olaf, wie ich mich auf dich verlasse, dann gewähre mir Hilfe.«Und so flink war Thorstein, daß sie ihn nicht eher erreichten, als bis er zu dem Fluß kam und stehenbleiben mußte. Sie schlugen einen Kreis um ihn, aber Thorstein wehrte sich gut und erschlug ihrer Unzählige, bis sein Fahrtgenosse kam und ihm den Stab brachte, und dann warfen sie sich sogleich in den Fluß. Sie kamen dann wieder an denselben Hügel, den wir vorhin erwähnten, als die Sonne im Westen stand. Da warf der Knabe den Stab hinein und einen Kleidersack, den er mit guten Leckerbissen gefüllt hatte, und so machte es Thorstein auch. Der Bursche schlüpfte auch hinein; aber Thorstein blieb an der Öffnung stehen, da sah er zwei Weiber, und die eine webte ein prächtiges Tuch, die andere wiegte ein Kind. Diese sprach: »Wo bleibt dein Bruder Bjalfi?« —»Er hat mich heute nicht begleitet«, sagte jener. »Wer ist denn dann mit dem Krummstab gefahren?« sagte sie. »Das war Thorstein Hof kraft«, sagte der Bursche, »der Gefolgsmann König Olafs. Er brachte uns in große Verlegenheit, denn er nahm aus der Unterwelt solche Dinge mit, derengleichen es nicht in Norwegen geben mag. Und wir waren nahe daran, daß wir sollten erschlagen werden, denn er hatte den Stab in ihren Händen gelassen, und sie jagten ihn bis an den Fluß, da brachte ich ihm den Stab, und sicherlich ist er ein tapferer Mann, denn ich weiß nicht, wie viele er getötet hat.« Da schloß sich der Hügel wieder. Thorstein fuhr nun zu seinen Leuten und segelte von dannen nach Norwegen und traf den König Olaf östlich in Wik. Er brachte ihm jene Kleinodien und erzählte von seinen Fahrten, und es kam den Männern nicht unerheblich vor. Der König wollte dem Thorstein ein großes Lehen geben, aber dieser wollte erst noch eine Reise nach Ostland machen. Er blieb aber beim König den Winter über.

Zum Frühjahr machte Thorstein sein Schiff fertig, er hatte bei sich vierundzwanzig



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Mann. Und als er nach Jämtiand kam und eines Tages im Hafen lag, ging er zur Kurzweil ans Land. Er kam auf eine Rodung, dort war ein großer Stein. Nicht weit davon sah er einen ungemein häßlichen Zwerg, der greinte laut vor sich hin. Dem Thorstein erschien sein Maulwerk bis zu den Ohren aufgerissen und die Nase herabhängend bis zum Kinn. Thorstein fragte ihn, warum er sich so schrecklich gebärde. »Du brauchst dich nicht zu wundern, guter Mann«, sagte er, »siehst du nicht den großen Adler, der dort fliegt? Der hat mir meinen Sohn geraubt, aber ich glaube, daß das Biest von Odin gesandt ist, und ich zerspringe, wenn ich mein Kind verliere.« Thorstein schoß nach dem Adler, traf ihn unter der Schwinge, und der Vogel sank tot nieder. Aber Thorstein ergriff das Zwergenkind in der Luft und brachte es dem Vater. Da war der Zwerg sehr froh und sagte: »Dir haben ich und mein Sohn unser Leben zu danken. Wähle dir nun den Lohn in Gold oder Silber.« — »Heile du nur erst deinen Sohn«, sagte Thorstein, »ich bin nicht gewöhnt, für meine Taten Bezahlung zu nehmen.« — »Dennoch muß ich dich belohnen«, sagte der Zwerg; »mein schafwollenes Hemd wird dir gewiß nicht sehr begehrenswert erscheinen, aber nicht wirst du beim Schwimmen ermüden und keine Wunde empfangen, wenn du es dicht auf dem Leibe trägst.« Thorstein fuhr in das Hemd, und es paßte ihm ganz gut, obschon es dem Zwerg reichlich eng zu sein schien. Er zog auch einen Silberring aus der Tasche und gab ihn dem Thorstein, hieß ihn gut darauf achten, und er sagte ihm, daß er niemals Geldmangel haben würde, solange er den Ring bei sich hätte. Dann nahm er noch einen schwarzen Stein und gab ihn dem Thorstein. »Und wenn du ihn in deiner Hand birgst, sieht dich niemand. Mehr habe ich nicht, was dir nützen könnte. Aber einen Feuerstein will ich dir noch zur Kurzweil geben.« Er nahm daraufhin einen Feuerstein aus seiner Tasche, ferner einen Feuerstahl. Der Stein war dreieckig, weiß in der Mitte, rot an den Seiten und ein goldner Rand war außen herum.

Der Zwerg sagte: »Wenn du mit dem Stahl auf den Stein schlägst, dort wo er weiß ist, so kommt ein Hagelwetter so groß, daß keiner wagt, ihm entgegenzusehen; wenn du nun diesen Schnee auftauen willst, so sollst du dorthin schlagen, wo der Stein golden ist, dann kommt ein Sonnenschein, daß alles brät; aber wenn du dorthin schlägst, wo er rot ist, dann kommen daraus Blitz und Donner und Funkenregen, daß keiner es ansehen kann. Du kannst auch damit treffen, was du willst, mit dem Stahl und dem Stein: er kommt von selbst wieder in deine Hand



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zurück, sobald du rufst. Nun habe ich dir für jetzt nichts weiter zu geben.« «

Thorstein dankte ihm für seine Gaben, fuhr nun zu seinen Leuten zurück, und es war ihm diese Fahrt besser gefahren als nicht gefahren. Bald darauf bekamen sie Wind und segelten nach Ostland. Es kamen nun über sie Finsternis und Irrfahrt und sie wußten nicht mehr, wo sie waren. Einen halben Monat dauerte diese Irrfahrt an.

Das war eines Abends, daß sie wieder Land gewahr wurden; da warfen sie die Anker aus und lagen dort die Nacht. Am Morgen war gutes Wetter und schöner Sonnenschein, sie waren in einen langen Fjord gekommen und sahen dort schöne Berghalden und Wälder. Es war da kein Mann an Bord, der dieses Land kannte. Auch sahen sie nirgends etwas Lebendiges, weder Tier noch Vogel. Sie errichteten nun ein Zelt auf dem Lande und bereiteten alles wohl. Am andern Morgen sagte Thorstein zu seinen Leuten: »Ich will euch jetzt meine Absicht kundtun; ihr sollt hier sechs Tage auf mich warten; ich aber will dieses Land erkunden.«Denen schien das eine große Sache zu sein, und sie wollten mit ihm fahren, aber Thorstein wollte das nicht. »Und wenn ich nicht zurückkomme, bevor sieben Sonnen vom Himmel gegangen sind«, sagte er, »dann sollt ihr heimsegeln und dem König Olaf sagen, daß es mir wohl nicht dürfte beschieden sein, wiederzukommen.« Sie gingen dann mit ihm hinauf bis zum Wald, dann wandte er sich von ihnen, sie aber gingen zum Schiffe zurück und machten es so, wie es Thorstein ihnen geboten hatte. Nun ist von Thorstein zu sagen, daß er den ganzen Tag durch den Wald ging und nichts wurde gewahr, aber bei sinkendem Tage kam er auf einen breiten Weg. Auf diesem Wege ging er bis zum Abend, dann verließ er ihn, ging zu einer großen Eiche und stieg hinauf. Da war Platz genug sich hinzulegen, und er schlief dort die Nacht. Als die Sonne heraufkam, hörte er laute Töne und Menschenstimmen. Dann sah er viele Männer reiten, zweiundzwanzig waren es, die ritten rasch weiter. Thorstein staunte mächtig über ihren Wuchs, niemals hatte er vorher so große Männer gesehen. Er zog sich an und es verging nun der Morgen, bis daß die Sonne im Südosten stand.

Da sah Thorstein drei Männer reiten, wohl bewaffnet und so groß, wie er keine vorher gesehen hatte. Der war der größte, der in der Mitte ritt in goldgestickten Kleidern auf einem weißen Pferde, aber die andern beiden ritten auf grauen Hengsten in scharlachroten Kleidern. Aber als sie dorthin kamen, wo Thorstein war, sprach der erste unter ihnen, indem



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er anhielt: »Was ist dort Lebendiges auf der Eiche?« Thorstein ging zu ihnen auf den Weg und begrüßte sie, sie aber brachen in ein lautes Gelächter aus, und jener große Mann sprach: »Selten sehen wir solche Leute. Wie ist dein Name und woher bist du?«Thorstein nannte sich und sagte, er wäre Hofkraft genannt: »Meine Familie ist in Norwegen, und ich bin ein Gefolgsmann des Königs Olaf.« Der große Mann lächelte und sprach: »Da hat man mir viel von seiner Hofherrlichkeit vorgelogen, wenn er keinen Stattlicheren hat. Mir scheint, du solltest eher Hofkind als Hofkraft heißen.«

»Gibst du mir einen Namen, so schenk mir auch was«, sagte Thorstein. Der große Mann zog einen goldenen Fingerring und gab ihn dem Thorstein, der wog drei Ore. Thorstein sprach: »Wie ist dein Name, welchen Standes bist du und in welches Land bin ich gekommen?« »Godmund heiße ich, ich herrsche über das Land, das Gläsiswellir heißt, dazu dient mir das Land, das Riesenland heißt. Ich bin des Königs Sohn, und meine Burschen heißen der eine Vollstark, der andere Allstark. Hast du hier heute morgen vielleicht Leute vorbeireiten sehen?«Thorstein sprach: »Hier ritten zweiundzwanzig Männer und gebärdeten sich nicht gering.« —»Das sind meine Knechte«, sagte Godmund. »Hier zunächst liegt das Land, das Jötunheim heißt. Dort herrscht der König, der Geirröd heißt. Ihm sind wir steuerpflichtig. Mein Vater hieß Ulfhedin der Kühne, aber er wurde Godmund genannt, wie alle, die auf Gläsiswellir gebieten. Aber mein Vater fuhr an Geirröds Gehöft, um dem Könige seine Steuern einzuhändigen, und auf dieser Fahrt kam er ums Leben. Es hat nun der König mir Botschaft geschickt, daß ich sollte das Erbbier trinken für meinen Vater und die gleichen Ehrentitel empfangen, wie mein Vater sie hatte. Doch sind wir übel damit zufrieden, den Jöten zu dienen.«

»Warum ritten denn eure Leute fort?«fragte Thorstein. »Ein großer Fluß scheidet unser Land«, sagte Godmund, »Hemra geheißen; der ist so tief und reißend, daß kein Hengst ihn durchwaten kann, außer denen, die wir drei Kumpane haben. Darum müssen jene um die Quelle des Flusses herumreiten, und am Abend treffen wir uns wieder.«

»Das müßte ein Vergnügen sein, mit euch zu fahren«, sagte Thorstein, »und zu sehen, was es da für Neuigkeiten gibt.« »Ich weiß nicht, wie sich das machen läßt«, sagte Godmund, »denn du wirst wohl ein Christ sein.«

»Dafür bin ich verantwortlich«, sagte Thorstein. »Ich möchte nicht, daß



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dir was zustößt um meinetwillen«, sagte Godmund, »aber wenn König Olaf uns sein Glück mitgeben will, dann würde ich viel Vertrauen darauf setzen, daß du mitfährst.«Thorstein sagte, das wolle er wohl verheißen. Godmund hieß ihn nun, hinter ihm aufzusitzen, und das tat er auch. Sie ritten nun zum Fluß, es war dort ein Haus, wo sie andere Kleider nahmen und sie sich und ihren Pferden anzogen. Diese Kleider waren von solcher Art, daß das Wasser an ihnen nicht haftete, aber das Wasser war so kalt, daß da sogleich der Schlag hineinfuhr, wenn etwas naß wurde. Sie ritten nun über den Fluß, die Hengste wateten stark, Godmunds Hengst stolperte, dem Thorstein wurde dabei die Zehe naß und sogleich fuhr der Schlag hinein. Als sie aus dem Wasser kamen, breiteten sie die Kleider zum Trocknen aus; Thorstein hieb sich die Zehe ab, da schien den andern seine Tapferkeit nicht gering zu sein. Als sie nun weiterritten, bat sie Thorstein, sich nicht zu verstecken: »denn ich versteh mich aufs Tarnkappemachen, daß mich keiner sieht.« Godmund sagte, das seien gute Künste. Sie kamen zur Burg, und die Leute Godmunds kamen ihnen schon entgegen. Sie ritten nun in die Burg und hörten dort allerlei Saitenspiel; aber dem Thorstein dünkte es nicht ganz nach den Regeln der Kunst gespielt. Geirröd, der König, kam ihnen entgegen und empfing sie wohl. Es wurde ihnen auch gleich ein Steinhaus oder eine Halle zum Schlafen angewiesen, und Leute wurden bestimmt, die ihre Pferde in den Stall führen sollten. Godmund wurde in des Königs Halle geleitet.

Der König saß auf dem Hochsitz und neben ihm der Jarl, der Agde hieß, der herrschte über den Bezirk Grundir zwischen Riesenland und Jötunheim. Er hatte seinen Wohnsitz zu Gnipaland und war zauberkundig. Seine Leute waren Trollen ähnlicher als Menschen. Godmund setzte sich auf den Schemel vor dem Hochsitz, dem König gegenüber. Es war ihre Sitte, daß des Königs Sohn nicht eher auf dem Hochsitz sitzen sollte, bevor er nicht den Titel seines Vaters empfangen hätte und der erste Becher getrunken sei. Es erhob sich nun dort das schönste Gelage, und die Männer tranken fröhlich und heiter, bis sie zum Schlafen gingen. Als aber Godmund in sein Haus kam, zeigte sich Thorstein, da lachten sie über ihn. Godmund sagte seinen Leuten, wer er war, bat sie, ihn nicht zum besten zu haben, und so schliefen sie nun die Nacht hindurch. Als nun der Morgen kam, waren sie früh auf den Beinen, und Godmund wurde zu des Königs Halle geleitet. »Wir wollen nun wissen«, sagte der König, »ob du mir auch solchen Gehorsam leisten willst



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wie dein Vater, dann will ich dir deine Würde erhöhen und du sollst Riesenland behalten, mir aber Eide schwören.«Godmund antwortete: »Das ist nicht gesetzlich, von so jungen Leuten Eide zu fordern.«

»Das mag sein«, sagte der König. Dann nahm er einen kostbaren Mantel, hing ihn dem Godmund um und gab ihm den Königsnamen; dann ergriff er ein großes Horn und trank Godmund zu. Dieser nahm das Horn und dankte dem König. Godmund stand auf, stieg auf die Stufe vor den Sitz des Königs und legte ein Gelübde darauf ab, keinem Könige zu dienen noch Gehorsam zu leisten, solange König Geirröd lebte. Der König dankte ihm und sagte, dies dünke ihm mehr wert, als hätte er einen Eid geschworen. Darauf trank Godmund aus seinem Horne, ging zu seinem Sitz, und die Männer waren fröhlich und heiter.

Zwei Männer gehörten zum Aufgebot des Jan Agde, der eine hieß Jökul, der andere Frosti, die waren recht mißgünstig. Jökul nahm einen Ochsenknochen und warf damit unter Godmunds Leute. Thorstein sah das, fing ihn in der Luft auf und sandte ihn zurück, er flog dem an die Nase, der Gust hieß, zerbrach ihm das Nasenbein und schlug ihm alle Zähne aus, daß er in Ohnmacht fiel. König Geirröd wurde zornig und fragte, wer da mit Knochen über seinen Tisch werfe. Er sagte, daß noch erprobt werden solle, wer der Stärkste im Steinwerfen wäre, bevor es zu Ende sei. Dann rief der König zwei Männer, Drött und Hösver: »Geht hin und sucht meine Goldkugel und bringt sie hierher!« Sie gingen und kamen wieder mit einem »Seehundskopf«, der wog wohl gut einen Zentner und war glühend, daß die Funken von ihm wie von einem Schmiedeherd stoben, und das Fett träufelte von ihm ab wie glühendes Pech. Der König sagte: »Nehmt nun die Kugel und werft sie einer zum andern! Wer sie fallen läßt, soll verbannt sein und seine Güter verlieren. Wer sie nicht zu ergreifen wagt, soll ein Lump sein!« Nun warf Drött die Kugel dem Vollstark zu und der ergriff sie mit der einen Hand. Thorstein sah, daß jener nicht stark genug war, und lief unter die Kugel. Dann warfen sie sie dem Frosti zu, denn die Kämpen standen zuvorderst vor beiden Bänken. Frosti stemmte sich stark dagegen, doch kam sie seinem Gesicht so nahe, daß sie ihm das Kinnbein zerbrach. Er warf die Kugel dem Allstark zu, der fing sie mit beiden Händen, aber beinahe wäre er umgefallen, bevor Thorstein ihn stützte. Allstark warf sie zum Jarl Agde, der griff sie mit beiden Händen, aber das Fett kam in seinen Bart, der geriet in Brand, da war ihm daran gelegen,



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die Kugel loszuwerden, und er ließ sie zu König Godmund fliegen, und Godmund warf sie dem König Geirröd zu. Der aber wich aus, und sie traf auf Drött und Hösver, die beide getötet wurden. Die Kugel flog an ein Glasfenster und so hinaus in einen Wassergraben, der um die Burg gegraben war. Es schlug das lohende Feuer auf.

Dies Spiel war nun zu Ende, und die Männer griffen zum Trunk. Der J an Agde sagte, es friere ihm immer sein Herz zusammen, wenn er zu dem Gesinde Godmunds komme. Am Abend gingen Godmund und seine Leute zum Schlafen, da dankten sie dem Thorstein für seinen Beistand, durch den sie schadlos davongekommen waren. Thorstein sagte, das wolle noch gar nichts heißen: »Aber was wird morgen für ein Spaß angestellt?« — »Der König will ringen lassen«, erwiderte Godmund, »und dabei wollen sie sich rächen, denn auf unsere Kraft ist wenig Verlaß.« — »Des Königs Glück wird uns stark machen«, sagte Thorstein, »achtet nur darauf, daß ihr nicht woanders hinkommt, als ich bin.« Da schliefen sie nun die Nacht; aber am Morgen fuhr jeder zu seinem Spiele und die Küchenknechte zum Tischdecken. König Geirröd fragte, ob die Leute nicht ringen wollten, und sie sagten, daß er zu bestimmen habe. Dann zogen sie sich aus und begannen den Ringkampf. Thorstein glaubte, niemals ein solches Aufeinanderlosgehen gesehen zu haben, denn alles erbebte, wenn sie hinfielen, und besonders wurde den Leuten des Jarl Agde mitgespielt. Frosti trat nun vor auf den Estrich und sagte: »Wer nimmt mich an?« — »Dazu wird sich wohl jemand finden«, sagte Vollstark. Sie kamen nun aneinander und gerieten in mächtige Schwingungen, und es zeigt sich Frosti um vieles stärker; so kamen sie bis zu Godmund; da hob Frosti ihn bis an seine Brust empor und legte sich flach hintenüber. Thorstein aber schlug ihn mit seinem Fuß in die Kniekehlen. Da fiel Frosti auf den Rücken und Vollstark oben auf ihn drauf. Nacken und Ellbogen sprangen dem Frosti entzwei, er stand langsam auf und sprach: »Bist du auch allein beim Spiel, ist denn eure Schar so vollzählig?«

»Kurz ist der Weg für die Nase zu erkennen, was aus den Kinnladen kommt«, antwortete Vollstark. Dann erhob sich Jökul, und Allstark nahm ihn an, und sie gingen gewaltig aufeinander los; aber Jökul war der stärkere und trug ihn auf die Bank, dorthin, wo Thorstein war. Jökul wollte den Allstark von den Bänken ziehen und riß mächtig, aber Thorstein hielt ihn fest. Jökul zog so stark, daß er bis zu den Knöcheln in den Estrich der Halle versank, da ließ Thorstein den Allstark los, und



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Jökul fiel auf den Rücken, und der Fuß ging ihm aus dem Gelenke. Allstark ging zur Bank, aber Jökul stand langsam auf und sprach: »Wir sehen nicht alles, was auf der Bank ist.« Nun fragte Geirröd den Godmund, ob er nicht ringen wolle. Der sagte, er habe zwar niemals gerungen, doch wolle er's nicht verweigern. Der König forderte den Jan Agde auf, seine Leute zu rächen. Dieser sagte, er habe zwar lange ausgesetzt, doch habe der König zu bestimmen. Sie zogen sich nun aus, und niemals glaubte Thorstein einen trollenähnlicheren Bauch gesehen zu haben als bei Agde, denn er war schwarz wie Hel. Godmund erhob sich ihm entgegen, er war weiß von Hautfarbe. Der Jan Agde warf sich auf ihn und schlug ihm so heftig die Klauen in seine Seiten, daß sich alles von den Knochen löste, und sie bewegten sich weit umher in der Halle. Als sie dorthin gelangten, wo Thorstein war, schwang Godmund den Jarl beim Ringen und drehte ihn scharf herum. Thorstein legte sich dem Jarl vor die Füße, da fiel er, stieß mit der Nase auf und zerbrach sich das Nasenbein und vier Zähne. Der Jarl stand auf und sprach: »Schwer ist der Fall alter Männer, aber dann am schwersten, wenn drei auf einen gehen.« Dann fuhren sie wieder in ihre Kleider. Danach gingen sie mit dem König zu Tisch; Jan Agde aber und seine Leute sagten, sie müßten einen Trick angewendet haben: »denn es überkommt mich immer eine Hitze, wenn ich zu ihrem Gesinde komme.«

»Wir wollen warten«, sagte der König, »der wird schon kommen, der uns dies kundtut.« Dann griffen die Männer zum Trunk. Es wurden zwei Hörner in den Saal gebracht, kostbare Kleinode, dem Jarl Agde gehörig, die hießen Hwitingar, sie waren zwei Ellen hoch und mit Gold beschlagen. Der König ließ ein Horn an jede Bank gehen: »Und jeder soll es auf einmal austrinken! Aber wer das nicht kann, soll dem Mundschenk ein Or Silber geben!« Keinem gelang dieser Trunk außer den Kämpen, aber Thorstein sorgte dafür, daß von denen, die mit Godmund waren, keiner straffällig ward. Es tranken nun die Männer fröhlich den Rest des Tages, aber am Abend gingen sie zum Schlafen. Godmund dankte dem Thorstein für seinen guten Beistand. Thorstein fragte, wann das Gelage zu Ende sein würde. »Morgen sollen meine Leute reiten«, sagte Godmund; »ich weiß, daß der König jetzt alles aufbieten wird, jetzt werden erst die Kostbarkeiten gezeigt, der König wird nun sein großes Horn bringen lassen, das Grim der Gute genannt ist, das ist ein großes Kleinod, aber voll von Zauberei und mit Gold



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beschlagen. Es ist nämlich ein Menschenkopf an der Trinkhornspitze mit Fleisch und Mund, der mit den Leuten spricht und Dinge voraussagt, die noch nicht eingetreten sind, auch drohende Gefahr weiß er vorher. Es wird aber unser Tod, wenn der König erfährt, daß ein Christ unter uns ist. Wir dürfen dem Grim gegenüber auch nicht geizig sein.« Thorstein meinte, Grim würde nicht mehr sagen, als König Olaf wolle: »aber ich glaube, daß Geirröd zum Tode bestimmt ist; es scheint mir nun ratsam, daß ihr meinen Rat von jetzt ab habt, daher werde ich mich morgen zeigen.«Sie aber nannten das einen gefährlichen Rat. Thorstein sagte, daß Geirröd sie umbringen wolle: »aber was ist sonst noch von Grim dem Guten zu erzählen?«

»Das ist von ihm zu sagen, daß ein mittelgroßer Mann unter seiner Buchtung stehen kann, aber eine Eile breit ist er über der Mündung; der ist der größte Trinker in der Gefolgschaft, der ihn austrinken kann, aber der König trinkt ihn in einem Zuge aus. Jedermann hat dem Grim irgendein Kleinod zu geben; aber die größte Ehre dünkte ihm doch, wenn er auf einmal ausgetrunken wird; ich nun weiß, daß ich ihn zum erstenmal zum Trunke bekomme, aber das kann doch kein Mensch vertragen, ihn auf einmal auszutrinken.«Thorstein sagte: »Du sollst in mein Hemd fahren, dann kann dir nichts schaden und wenn Gift in dem Trunke ist. Nimm die Krone von deinem Haupte und gib sie Grim dem Guten, sag ihm ins Ohr, daß du ihm mehr Ehre erweisen willst als Geirröd, und dann sollst du dich stellen, als ob du trinkst, aber Gift wird im Trunke sein, und du sollst es nahe bei dir niedergießen, es wird dir nichts schaden. Aber wenn der Trunk aus ist, dann laß sogleich deine Leute reiten.«Godmund sagte, er solle bestimmen: »Wenn aber Geirröd stirbt, dann habe ich ganz Jötunheim, wenn er jedoch länger lebt, wird das unser Tod.« Dann schliefen sie die Nacht hindurch.

Am Morgen waren sie schnell auf den Füßen und zogen sich an. Da kam König Geirröd zu ihnen und bat sie, ihr Fahrwohl noch zu trinken. Das taten sie auch. Zuerst wurden die Hwitingarhörner gebracht zum Gedächtnistrunk, und da wurde die Minne Thors und Odins getrunken, dann kam allerhand Saitenspiel herein und zwei Männer, etwas kleiner als Thorstein, die brachten Grim den Guten. Alle standen auf und fielen auf die Knie vor ihm. Aber Grim war verdrießlich. Geirröd sagte zu Godmund: »Nimm Grim den Guten, und das soll dein Gelöbnistrunk sein!« Godmund ging zu Grim, nahm sich die Goldkrone ab, setzte sie ihm auf und raunte ihm ins Ohr, wie Thorstein ihm



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gesagt hatte. Dann ließ er es aus dem Horne von oben in sein Hemd laufen, denn es war Gift darin. Er trank dem König Geirröd zu und küßte die Spitze, und Grim kam lachend von ihm. Dann nahm Geirröd das volle Horn, bat Grim ihm Heil zu bringen und ihm kundzutun, wenn irgendeine Gefahr nahe sei: »Ich habe dich übrigens oft in besserer Stimmung gesehen!«

Er nahm sich dann ein goldenes Halsband ab und gab es dem Grim, dann trank er dem Jan Agde zu; es war, als wenn eine Woge um Klippen brandete, als der Trank ihm im Halse niederrann, und er trank alles aus. Grim schüttelte den Kopf und wurde zum Jan Agde getragen, der gab ihm zwei goldene Ringe, bat ihn um Gnade, trank ihn dann in drei Zügen leer und gab ihn dem Mundschenk. Grim sprach: »Je älter, desto kraftloser!«Dann wurde das Horn wieder gefüllt, und es sollten diese zwei: Jökul und Vollstark trinken. Vollstark trank zuerst, dann nahm Jökul das Horn, blickte hinein, sagte, das sei nach kleiner Männer Art getrunken, und schlug den Vollstark mit dem Horn. Dieser aber hieb dem Jökul mit der Faust auf die Nase, so daß das Nasenbein brach und die Zähne heraussprangen. Da entstand ein großer Auflauf. Geirröd aber bat die Leute, doch das nicht berichten zu lassen, daß sie so übel schieden. Da waren sie sogleich ruhig, und Grim der Gute wurde hinausgetragen.

Wenig später kam ein Mann in die Halle gegangen; sie verwunderten sich alle darüber, wie klein er war. Das war Thorstein Hofkind. Er begab sich zu Godmund und sagte, die Hengste wären gesattelt. Geirröd fragte, was für ein Kind das wäre. Godmund sagte: »Das ist mein Kleinbursche, den mir König Odin gesandt hat. Er ist ein Kleinod für einen König, er versteht viele Kunststückchen, und wenn er euch zu etwas nütze dünkt, will ich ihn euch geben.«

»Das ist ja ein Hauptkerl«, sagte der König, »und seine Kunststücke möcht ich wohl sehen«, und er bat den Thorstein, ein kleines Kunststück zu machen. Thorstein zog Stahl und Stein hervor und klopfte dahin, wo er weiß war. Da kam ein so mächtiges Hagelwetter, daß keiner wagte, es anzublicken, und es entstand ein so großer Schneehaufen in der Halle, daß er bis an die Knöchel ging. Der König lachte dazu. Nun pochte Thorstein an den Stein, wo er golden war, da kam ein so heißer Sonnenschein, daß der Schnee in kurzer Zeit schmolz; dann folgte ein süßer Wohlgeruch, und Geirröd sagte, er wäre ein Künstler. Aber Thorstein sprach noch von einem weiteren Spiel, das heiße Schattenspiel.



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Der König sagte, er wolle es sehen. Thorstein stand auf dem Estrich mitten in der Halle und schlug auf den Stein, wo er rot war, da sprangen Funken heraus. Dann lief er in der Halle umher vor jedem Sitz, und es begannen die Feuerflocken zu wachsen, so daß jedermann seine Augen in acht nehmen mußte. Aber König Geirröd lachte dazu; es begann aber das Feuer zu wachsen, so daß es allen bedenklich schien. Thorstein hatte vorher zu Godmund gesagt, er solle hinausgehen und sich zu Pferde setzen. Nun lief Thorstein zu Geirröd und fragte: »Willst du noch mehr von dem Spiele sehen?« —»Jawohl, Bursche!« sagte er. Da pochte Thorstein noch fester, und es kam dem König Geirröd ins Auge. Thorstein lief zur Türe und warf mit Stein und Stahl, sie flogen dem König Geirröd in seine Augen, so daß er tot auf den Estrich stürzte, aber Thorstein ging hinaus. Da saß Godmund schon zu Pferde. Thorstein sagte, nun müßten sie reiten, »denn nun ist es für Schwächere nicht mehr behaglich hier«. Sie ritten nun zum Fluß, da waren Stein und Stahl zurückgekommen. Thorstein sagte, daß Geirröd tot sei. Sie ritten über den Fluß und dorthin, wo sie sich getroffen hatten. Da sagte Thorstein: »Hier werden wir uns nun trennen; es wird meinen Leuten Zeit dünken, daß ich zu ihnen komme.«

»Fahr mit mir heim«, sagte Godmund, »und ich werde dir deine gute Begleitung lohnen.«

»Später werde ich dich besuchen«, sagte Thorstein, »aber jetzt sollst du mit großer Gefolgschaft zurückfahren in Geirröds Gehöft; sein Land ist jetzt in eurer Gewalt.«

»Du hast über dich zu bestimmen«, sagte Godmund, »aber dem König Olaf selbst sollst du meinen Gruß entbieten.« Dann zog er einen Goldbecher und eine Silberschüssel hervor, dazu zwanzig golddurchwirkte Handtücher und sandte sie dem König. Er bat den Thorstein, ihn zu besuchen, und sie schieden in Freundschaft.

Aber nun sieht Thorstein, wie der Jarl Agde in mächtigem Riesenzorn davonfährt. Er fährt hinter ihm her, und da sieht er denn ein großes Landgut, das dem Agde gehörte. Um den Obstgarten war ein Gitterzaun, daran stand eine Jungfrau, das war die Tochter des Agde, die hieß Godrun, groß war sie und schön. Sie begrüßte ihren Vater und fragte nach Neuigkeiten. »Genug der Neuigkeiten«, sagte er, »König Geirröd ist tot, und Godmund von Gläsiswellir hat uns alle betrogen, er hatte dort einen Christenmann verborgen, der heißt Thorstein Hofkraft. Er hat uns Feuer in die Augen gegossen, aber ich werde jetzte seine Leute



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erschlagen.« Damit warf er die Hörner Hwitingar zu Boden und lief in den Wald wie ein Rasender. Thorstein ging zu Godrun. Sie grüßte ihn und fragte nach seinem Namen. Er sagte, daß er Thorstein Hofkind heiße, ein Gefolgsmann König Olafs. »Groß muß da der Größte sein, wenn du ein Kind bist.«

»Willst du mit mir fahren«, fragte Thorstein, »und den Christenglauben annehmen?«

»Wenig Liebes habe ich hier, von dem ich mich trennen müßte«, sagte sie; »denn meine Mutter ist tot, sie war die Tochter des Jarl Ottar von Holmgard. Die beiden waren sehr ungleich von Gesinnung, denn mein Vater ist voll von Zauberei, und ich sehe, daß er jetzt zum Tode bestimmt ist. Aber wenn du mir hierher zurückfolgen willst, so will ich mit dir fahren.« Dann nahm sie ihre Sachen, aber Thorstein nahm die Hwitingarhörner. Dann gingen sie in den Wald und sahen den Agde laufen. Der heulte gewaltig und hielt sich die Augen. Das war in dem Augenblick gekommen, wie er das Schiff Thorsteins gesehen hatte; da war ein solcher Schmerz in seine Augen gekommen, daß er nichts sah. Es war eben Sonnenuntergang, als sie zum Schiffe kamen. Und Thorsteins Leute waren eben fertig zum Segeln; als sie den Thorstein sahen, waren sie froh. Thorstein bestieg dann das Schiff und sie segelten fort, ohne daß etwas berichtet würde über seine Fahrt, bevor er heim nach Norwegen kam.

Diesen Winter saß König Olaf in Drontheim. Thorstein traf den König zum Julfest und brachte ihm die Kostbarkeiten, die Godmund ihm sandte, und die Hwitingarhörner und noch manche andere Kostbarkeiten. Er erzählte dem König von seinen Fahrten und stellte ihm Godrun vor. Der König dankte ihm, und sie lobten alle seine Tapferkeit und hatten einen großen Eindruck davon. Dann ließ der König Godrun taufen und im Christenglauben unterweisen. Zum Julfest spielte Thorstein sein Schattenspiel, und das dünkte den Männern ein großer Spaß. Die Hwitingar kreisten zum Minnetrunk, und es waren immer zwei Männer für jedes Horn. Aber den Becher, den Godmund dem Könige gesandt hatte, konnte keiner austrinken außer Thorstein Hofkind. Das Handtuch verbrannte nicht, auch wenn man's ins Feuer warf, und es war dann noch reiner als vorher. Thorstein teilte dem König mit, daß er nun wollte mit Godrun Hochzeit halten. Der König erlaubte ihm das, und es ward da ein herrliches Hochzeitsmahl. Und in der ersten Nacht, als sie in einem Bette lagen und der Vorhang niedergelassen



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war, brach ein Dielenbrett auf zu Häupten Thorsteins: da war Jan Agde gekommen und wollte ihn töten. Aber es schlug ihm eine so starke Hitze entgegen, daß er nicht wagte, hineinzugehen, und er machte sich wieder davon. Da kam der König hinzu und stieß ihm mit dem goldbeschlagenen Speer in den Kopf, und er versank schnell in die Erde. Es hielt dann der König Wache die Nacht hindurch, aber am Morgen waren die Hwitingarhörner verschwunden. Das Gastmahl ging weiter; Thorstein blieb den Winter über beim König, und er und Godrun liebten sich sehr. Im Frühling bat Thorstein um Urlaub, nach Ostland zu segeln und König Godmund zu besuchen. Aber der König wollte das nicht erlauben, außer er gelobe, wiederzukommen. Thorstein verhieß das. Der König bat ihn, seinen Glauben wohl zu bewahren, »und lege mehr Wert auf dich als auf die im Osten!« Sie schieden in Freundschaft und sie beteten alle für ihn, denn Thorstein war beliebt geworden. Er segelte nun nach Osten, und es wird nur erzählt, daß die Fahrt gut verlief. Er kam nach Gläsiswellir, und Godmund empfing ihn wohl. Thorstein fragte: »Was habt Ihr erfahren aus Geirröds Gehöft?«

»Dorthin bin ich gefahren«, sagte Godmund, »und sie gaben das ganze Land in meine Gewalt, und es herrscht jetzt Heidrek Ulfham, mein Sohn, darüber.«

»Wo ist Jarl Agde?«fragte Thorstein. »Er ließ sich einen Hügel machen, als ihr abfuhrt«, sagte Godmund, »und ging da hinein mit großem Schatz; aber Jökul und Frosti ertranken im Flusse Hemra, als sie vom Gelage fuhren, und ich habe jetzt die Gewalt über den Bezirk Grundir.«

»Nun hängt sehr viel davon ab«, sagte Thorstein, »wie du dich mit mir auseinandersetzen willst, denn mir scheint Godrun das ganze Erbe ihres Vaters, des Jarl Agde, beanspruchen zu dürfen.«

»Wenn du mein Gefolgsmann sein willst«, sagte Godmund.

»Dann darfst du keine Einwände gegen meinen Glauben erheben«, sagte Thorstein.

»Das will ich«, erwiderte Godmund. Dann fuhren sie nach Grundir, und Thorstein brachte den Bezirk unter sich.

Thorstein baute sich einen Hof in Gnipalund, denn Jarl Agde war wiedergekommen und hatte den Hof zerstört. Thorstein wurde ein großer Häuptling. Godrun gebar bald nachher einen Knaben, der Brynjolf hieß. Dagegen aber gab es keine Sicherheit, daß Jarl Agde nicht dem



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Thorstein zusetzte. Eine Nacht ging Thorstein von seinem Bett, da sah er ihn umgehen: er wagte sich nirgends hinein; denn es war ein Kreuz vor jeder Tür. Thorstein ging zum Hügel, der offen war, ging hinein und nahm die Hwitingarhörner weg. Da kam Jan Agde in den Hügel, aber Thorstein lief an ihm vorbei hinaus und setzte ein Kreuz vor die Tür. Da schloß sich der Hügel, und es ist seitdem mit Jarl Agde nichts wieder geschehen. Im Sommer danach fuhr Thorstein nach Norwegen und brachte dem König Ola die Hwitingarhörner. Dann empfing er Urlaub und segelte wieder heim. Der König gebot ihm, seinen Glauben wohl zu bewahren, und wir haben dann nichts mehr von Thorstein erfahren. Aber als König Olaf auf Orm dem Langen verlorenging, gingen auch die Hwitingarhörner mit verloren. Und damit schließen wir das Märchen von Thorstein Hofkind.


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