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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Thors Fahrt zu Utgarda-Lolei

Einmal als Thor unterwegs war, hat er seine Böcke zurückgelassen und die Fahrt ostwärts ins Riesenheim zu Fuß unternommen. Er kam bis ans Meer, fuhr hinaus über die hohe See, und als er wieder an Land gekommen war, da ging er hinauf, mit ihm Loki und sein Knecht Thialfi und seine Magd Röskwa. Als sie nun eine kleine Weile gegangen waren, erhob sich vor ihnen ein großer Wald, darin gingen sie fort den ganzen Tag bis zum Abend. Thialfi war aller Männer schnellfüßigster; er trug Thors Ranzen, denn an Nahrung gab es daselbst nichts Gutes. Als es nun dunkel geworden war und sie nach einem Nachtquartier suchten, sahen sie vor sich ein mächtiges Haus. Es war eine Tür an dem einen Ende, ebenso breit wie das ganze Haus. Dort richteten sie ihr Nachtlager her. Aber gegen Mitternacht kam ein gewaltiges Erdbeben, der Boden schwankte unter ihren Füßen und das Haus erbebte. Da stand Thor auf und rief seine Gesellen herbei und sie suchten weiter, bis sie rechts mitten im Hause einen Anbau fanden. Dort hinein gingen sie, und Thor setzte sich in die Tür, die andern aber gingen ganz hinein und waren in Angst. Doch Thor hielt den Hammerschaft und beschloß, sich zu wehren. Da hörten sie ein gewaltiges Gebrause und Getöse. Als es Tag wurde, ging Thor hinaus und sah dicht dabei einen Mann im Walde liegen. Der war nicht gerade klein und schlief und schnarchte gewaltig. Thor glaubte nun zu wissen, was mit dem Lärm gewesen war in der Nacht. Er umspannte sich mit dem Kraftgürtel und es wuchs ihm die Asenkraft -aber im selben Augenblick erwachte der Mann und erhob sich schnell. Es wird auch erzählt, daß da dem Thor dies eine Mal der Mut entsank, ihn mit dem Hammer zu schlagen. Er fragte ihn nun nach dem Namen. Der Mann nannte sich Skrymi; »dich brauche ich«, sagte er, »freilich nicht nach deinem Namen zu fragen; ich weiß, du bist Asa-Thor; aber hast du mir wohl meinen Handschuh weggenommen?« Dabei streckte er seine Hand aus und hob den Handschuh auf; und es merkte nun der Thor, daß er diesen Handschuh in der Nacht für ein Haus gehalten hatte, und der Anbau war der Däumling des Handschuhs



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gewesen. Skrymi fragte, ob Thor mit ihnen zusammen fahren wollte, und Thor antwortete mit »ja«. Da nahm Skrymi seinen Ranzen, machte ihn auf und fing an zu frühstücken. Thor und seine Genossen taten an etwas abgesonderter Stelle desgleichen. Skrymi schlug nun vor, sie sollten unter sich auch die Speisegemeinschaft herstellen, und Thor stimmte zu. Da band Skrymi ihre Reisekost alle zusammen in ein Bündel und nahm's auf den Rücken. Er ging den Tag über voran und holte mächtig aus, und spät am Abend suchte er für sie unter einer großen Eiche ein Nachtquartier. Er sagte zu Thor, daß er sich nun niederlegen wolle und schlafen, »aber ihr mögt den Ranzen nehmen und euer Abendbrot herrichten«. Darauf schlief Skrymi ein und schnarchte mächtig. Thor nahm den Ranzen und wollte ihn öffnen, aber gesagt werden muß nun, obwohl es unglaublich klingt, daß er nicht einen einzigen Knoten auf bekam und kein einziges Riemenende lockerer als zuvor. Und wie er nun sieht, daß die Sache nichts nützt, wird er zornig und ergreift seinen Hammer Mjöllni mit beiden Händen, geht nahe an Skrymi heran und schlägt ihm auf den Kopf. Aber Skrymi erwacht und fragt, ob ihm wohl ein Laubblatt auf den Kopf gefallen sei und ob sie nun mit dem Essen fertig wären und auch schlafen wollten. Thor sagte »ja«, das würden sie nun auch. Sie gehen unter eine andere Eiche, und das muß gesagt werden: sehr behaglich war es dort nicht zu schlafen. Aber um Mitternacht hört Thor, wie Skrymi schnarcht, daß es nur so im Walde dröhnt. Er steht auf und geht zu ihm, holt mit dem Hammer mehrmals mächtig aus und schlägt ihm mitten auf den Wirbel.

Er merkt, wie die Spitze des Hammers tief in den Kopf eindringt, aber Skrymi erwacht und fragt nur: »Was ist denn jetzt wieder los? Es ist mir wohl eine Eichel auf den Kopf gefallen? Und was treibst du denn eigentlich, Thor?«Thor ging schleunigst zurück und sagte, er wäre soeben erwacht - es war um Mitternacht - und es wäre noch Zeit zum Schlafen. Da überlegte Thor bei sich, wenn's ihm glücken möchte, zum drittenmal zuzuhauen, daß jener dann wohl sich niemals wieder erheben sollte. Er liegt nun und paßt auf, ob Skrymi wieder einschläft. Kurz vor Tagesanbruch hört er, daß Skrymi wieder eingeschlafen sein muß, steht auf und läuft zu ihm, schwingt den Hammer mit aller Kraft und schlägt auf die Schläfe, von der er wußte, daß sie nach oben gekehrt, und der Hammer dringt ein bis zum Schaft. Aber Skrymi setzte sich auf, strich sich die Schläfe und sprach: »Es müssen wohl Vögel im Baume über mir sitzen? Mir kam es vor, wie ich erwachte, als ob mir



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ein Stück von einem Zweige auf den Kopf fiele. Wachst du denn, Thor? Es wird wohl Zeit sein, aufzustehen und sich anzuziehen. Doch habt ihr nun keinen weiten Weg mehr bis zu der Burg, die Utgard heißt. Ich habe wohl gehört, wie ihr untereinander gewispert habt, ich wäre kein kleiner Mann von Wuchs, aber dort werdet ihr größere Kerle sehen, wenn ihr nach Utgard kommt. Ich will euch einen guten Rat geben: nehmt euch nur nicht allzuviel heraus dort, denn das werden die Leute Utgarda-Lokis wohl nicht dulden, große Worte von so kleinen Knirpsen. Sonst kehrt lieber um, und das wäre wohl überhaupt das beste für euch. Wollt ihr trotzdem weiter fahren, dann haltet euch nur nach Osten; ich selber muß nun vorwärts zu den Bergen dort, die ihr wohl sehen könnt.« Damit nahm Skrymi seinen Ranzen, warf ihn sich auf den Rücken und schlug sich seitwärts in den Wald; aber es wird nichts davon gesagt, daß die Asen ihm »auf Wiedersehen« gesagt hätten. Thor machte sich auf den Weg zusammen mit seinen Gefährten, und sie marschierten bis Mittag. Da sahen sie eine Burg stehen auf einem Felde und mußten den Hals weit zurückbiegen, damit sie ganz hinaufsehen konnten. Sie gingen zur Burg, aber es war ein Gitter vor dem Burgtor, und das war geschlossen. Thor ging zum Gitter und bekam es nicht auf. Sie gaben sich ernstlich Mühe hineinzukommen, klemmten sich zwischen den Gitterstäben hindurch und kamen so in die Burg. Dort sahen sie eine große Halle und gingen darauf zu; die Tür war offen; sie gingen hinein und sahen viele Männer auf den beiden Bankreihen und die meisten von reichlicher Größe.

Darauf kamen sie vor den König Utgarda-Loki und begrüßten ihn. Der aber sah sie gar nicht gleich an, grinste nur, daß man die Zähne sah, und sprach: »Es ist doch eine mißliche Sache um die Nachrichten von weit her! Oder meint jemand anders? Ist dieser Bursche hier wirklich der Wagen-Thor? Aber vielleicht steckt mehr hinter dir, als es scheint. Auf welche Kunst glaubt ihr euch zu verstehen, ihr Gesellen? Denn es kann keiner bei uns bleiben, der nicht in irgendeiner Art mehr kann oder versteht als andere Leute.«Da antwortete der, der zuletzt ging, und das war Loki: »Ich verstehe mich auf das Kunststück und bin bereit, darauf die Probe zu machen, daß keiner hier drinnen ist, der schneller seine Portion essen kann als ich.«Da sagte Utgarda-Loki: »Das ist in der Tat ein Kunststück, wenn du das kannst; und der Versuch soll sogleich angestellt werden.« Er rief zum Ende der Bank hinab, daß derjenige, der Logi heiße, näher an den Herdplatz heranrücken solle, um sich mit



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Loki zu messen. Ein Trog wurde gebracht und am Herdplatz der Halle niedergesetzt, der gefüllt war mit Fleisch. Es setzte sich Loki ans eine Ende und Logi ans andere, jeder von beiden aß nun so schnell er konnte und sie trafen sich in der Mitte des Trogs. Es hatte da Loki das ganze Fleisch von den Knochen gegessen, aber Logi hatte zu dem Fleisch auch noch die Knochen mitsamt dem Trog verzehrt. Es schien nun allen, als habe Loki das Spiel verloren.

Da fragte Utgarda-Loki, was denn der junge Mann für ein Spiel verstehe. Thialfi sagte, er wolle versuchen, um die Wette zu laufen mit einem, den Utgarda-Loki dazu bestimme. Utgarda-Loki sagte, daß sei wohl eine gute Kunst, aber er meinte, es komme ihm so vor, als müsse er schnell sein, wenn er dieses Kunststück gewinnen wolle. Doch auch hier ließ er sogleich die Probe machen.

Er steht auf und geht hinaus, und es war da eine gute Bahn zum Rennen auf ebenem Feld. Utgarda-Loki wandte sich an einen seiner jungen Burschen, der Hugi genannt war, und hieß ihn, mit Thialfi um die Wette zu laufen. Da machen sie den ersten Lauf, und Hugi ist um so viel voraus, daß er sich am Ende der Bahn bereits wieder wendet, jenem entgegenzulaufen. Da sprach Utgarda-Loki: »Du wirst es nötig haben, Thialfi, dich noch mehr ins Zeug zu legen, wenn du das Spiel gewinnen willst. Aber doch muß man sagen, daß hierher noch niemand gekommen ist, der mir flinker schien.« Nun machten sie sich an den zweiten Lauf, und wie Hugi zum Bahnende kam und wieder umdrehte, da war noch ein ganzer Bogenschuß bis zu Thialfi. Utgarda-Loki sprach: »Gut scheint mir Thialfi zu laufen; doch glaube ich nicht, daß er das Spiel gewinnen wird. Aber wir müssen nun noch probieren, wie sie zum drittenmal laufen.« Sie machten noch einen Lauf. Hugi rannte bis zum Bahnende und drehte um, und da war Thialfi noch nicht bis zur Mitte der Bahn gekommen. Alle sagten, daß diese Probe gemacht sei.

Nun fragte Utgarda-Loki den Thor, was seine Kunststückchen wären, die er sehen lassen wolle vor ihnen, wo doch die Menschen so viel Aufhebens von seinen Großtaten gemacht hätten. Thor antwortete, am liebsten wolle er es im Wetttrinken mit irgendeinem Manne probieren. Utgarda-Loki sagte, das könne wohl geschehen, ging hinein in die Halle und gebot das Horn zu holen, aus dem die Hofleute zur Strafe zu trinken gewohnt waren. Darauf kam ein Mundschenk mit diesem Horn und gab es dem Thor in die Hand. Da sprach Utgarda-Loki: »Aus diesem Horne wird dann gut getrunken, wenn es in einem Zug



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geleert wird; manche freilich brauchen zwei Züge dazu; aber keiner ist ein so schlechter Trinker, der es nicht in drei Zügen leerte.«Thor besah sich das Horn, das ihm nicht groß schien, und wenn es auch lang war, so war er doch sehr durstig. Er nimmt es, schluckt und schlürft gar gewaltig und meint, er wird es nicht nötig haben, zum zweitenmal anzusetzen. Aber als ihm nun der Atem ausging und er absetzen mußte und nachsah, wie's mit dem Trunke ging, kam's ihm so vor, als sei es jetzt nur um einen ganz winzigen Grad niedriger im Horn als vorher. Utgarda-Loki sprach: »Gut getrunken, aber doch eben nicht sehr viel! Ich hätte es nicht geglaubt, wenn es mir jemand vorher gesagt hätte, daß Asa-Thor keinen größeren Trunk trinken würde. Aber ich weiß, daß du zum zweitenmal wirst ansetzen wollen.« Thor antwortete nicht, setzte das Horn an den Mund, gedachte nun einen größeren Trunk zu tun und strengte sich an mit dem Trunk, solange ihm der Atem reichte. Und doch sieht er, daß die Spitze des Hornes nicht so hoch kommen will, wie er gern möchte. Und wie er das Horn vom Munde absetzt, da schien es ihm, als wäre noch weniger draus geschwunden als beim erstenmal: es war gerade ein Rand geworden, sodaß man das Horn nun gut tragen konnte.

Da sprach Utgarda-Loki: »Wie nun, Thor? Schonst du dich auch zu dem einen Trunk nicht etwa mehr, als du Vorteil davon haben wirst? Sicherlich wird, wenn du auch noch einen dritten Trunk aus dem Horne trinken wirst, dieser als der größte betrachtet werden. Aber keineswegs wirst du bei uns hier ein so großer Mann heißen können, wie die Asen dich nennen, wenn du nicht bei anderen Wettspielen mehr aus dir herausholst, als mich dünkt, daß es bei diesem der Fall ist.«

Da wurde Thor zornig, setzte das Horn an den Mund, trank so gewaltig er konnte und legte sich mächtig ins Zeug, aber als er ins Horn blickte, war eben nur ein gewisser Unterschied erreicht, da gab er das Horn zurück und wollte nicht mehr trinken. Utgarda-Loki sprach: »Man sieht nun leicht, daß deine Kraft nicht so groß ist, wie wir dachten; oder willst du noch weitere Proben ablegen? Denn man sieht ja, daß dir hier nichts mehr helfen wird.« Thor antwortete: »Versuchen kann ich schon noch weitere Proben; aber wunderlich würde es mich dünken, wenn ich daheim bei den Asen wäre und solche Trünke würden so klein genannt. Aber welche Probe wollt ihr mir jetzt anbieten?« Da sagte Utgarda-Loki: »Das machen hier die jungen Burschen, und es wird als keine große Merkwürdigkeit erscheinen, daß sie meine



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Katze von der Erde hochheben. Ich würde es aber nicht über mich bringen, solches zu Asa-Thor zu sagen, wenn ich nicht vorher gesehen hätte, daß du bei weitem schwächer bist, als ich dachte.« Alsbald lief eine graue Katze herein auf den Estrich der Halle, es war eine ziemlich große. Thor ging hinzu, faßte sie mit seiner Hand mitten unter den Bauch und lüpfte sie hoch; aber die Katze machte einen Buckel so hoch, wie Thor seine Hand auf reckte, und Thor mochte sich so hoch strecken, wie er konnte, die Katze hob doch nur einen Fuß, und er konnte auch in dieser Probe nicht mehr zustande bringen.

Da sprach Utgarda-Loki: »Auch diese Probe verlief, wie ich dachte. Die Katze ist ziemlich groß, aber Thor ist kurz und klein neben der Riesenmannschaft, wie ich sie hier habe.« Da sagte Thor: »So klein, wie ihr mich auch nennt, trete nur einer von euch hervor und ringe mit mir, denn jetzt bin ich zornig.« Da sprach Utgarda-Loki und blickte die Bänke entlang: »Ich sehe keinen Mann hier drinnen, dem das nicht eine Kleinigkeit dünkte, mit dir zu ringen«, und weiter sprach er: »Sehen wir erst zu! Man rufe mir das alte Weib herein, meine Ziehmutter Elli, und ringe Thor mit ihr, wenn er will; sie hat schon solche Männer zu Fall gebracht, die mir nicht schwächer zu sein scheinen als Thor.«

Alsbald trat ein altes Weib in die Halle, und Utgarda-Loki sagte zu ihr, daß sie mit Asa-Thor ringen solle. Kurz und gut, auch mit diesem Ringkampf verlief es so: je mehr Thor sich anstrengte, desto fester stand sie. Da wandte die Alte einige Kniffe an, Thor verlor den Halt unter den Füßen, die Bewegungen waren sehr heftig, und es dauerte gar nicht lange, so fiel der Thor auf das eine Knie. Da trat Utgarda-Loki hinzu, hieß sie mit dem Ringkampf aufhören und meinte, Thor würde es nicht nötig haben, auch noch die Männer aus seiner Gefolgschar zum Ringkampf aufzufordern. Inzwischen war es auch Nacht geworden. Utgarda-Loki wies ihm und seinen Gesellen ihre Bänke an, und sie blieben dort die Nacht lang und waren gut aufgehoben.

Aber am nächsten Morgen, sobald es tagte, standen Thor und seine Gesellen auf, kleideten sich an und waren zum Aufbruch bereit. Da kam Utgarda-Loki und ließ ihnen einen Tisch vorsetzen. Es fehlte da nicht an guter Bewirtung, Speise und Trank. Nachdem sie gegessen hatten, wandten sie sich zum Gehen. Utgarda-Loki begleitete sie hinaus und ging mit ihnen bis vor die Burg. Aber beim Abschied sprach er zu Thor und fragte, was er denn nun von seiner ganzen Reise denke und ob er je einen mächtigeren Mann getroffen habe als ihn selber?



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Thor meinte, er könne nicht anders sagen, als daß er große Schmach von ihrem Zusammentreffen erfahren habe, »und ich weiß, daß ihr mich für einen rechten Knirps halten werdet, und damit bin ich übel zufrieden.«

Da sprach Utgarda-Loki: »Jetzt will ich dir die Wahrheit sagen, nachdem du wieder draußen bist aus der Burg, und solange ich lebe und etwas zu sagen habe, sollst du auch niemals wieder hineinkommen, und das ist mal sicher, daß du überhaupt niemals hineingekommen wärest, wenn ich vorher gewußt hätte, über welche große Kraft du verfügst und daß du uns beinahe in rechte Verlegenheit bringen würdest. Ich aber habe dir Blendwerk bereitet. Zuerst, als ich mit euch im Walde zusammentraf und du dann den Ranzen öffnen solltest, da hatte ich ihn mit Eisendraht zugebunden, und du fandest die Stelle nicht, wo er zu lösen war. Sodann schlugst du mich mit deinem Hammer dreimal, und der erste Schlag war der schwächste, und doch war er so stark, daß er mich umgebracht hätte, wenn er auf mich gefallen wäre. Du hast ja dann wohl neben meiner Burg einen Bergkamm gesehen und oben drin drei viereckige Täler, eines davon ganz besonders tief: — das sind deine Hammerspuren! Mit jenem Bergkamm parierte ich deine Schläge, was du nicht bemerkt hast. Und so war's dann auch mit den Kraftproben, die ihr mit meinen Gefolgsleuten angestellt habt. Die erste war ja die, auf die Loki sich einließ. Er war stark ausgehungert und aß eifrig, aber der, welcher Logi heißt, das war das Wildfeuer und verbrannte ebensoschnell den Trog wie das Fleisch. Aber als Thialfi den Wettlauf anstellte mit dem, der Hugi heißt, war das mein Gedanke, und es war natürlich nicht möglich für Thialfi, schnellfüßiger zu sein als der. Und dann, als du selbst aus dem Horne trankst und dir das recht langsam zugehen schien -meiner Treu, da war das ein Wunder, daß ich es nicht für möglich gehalten hätte! Die Spitze des Horns lag nämlich draußen in der See, was du nicht bemerkt hast. Und wenn du jetzt an den Strand kommst, sd wirst du sehen, was für eine Ebbe, sozusagen, du der See angetrunken hast.«

Und weiter sprach er: »Nicht weniger gewaltig schien mir das zu sein, als du die Katze lüpftest, und ich will dir nur gestehen, es erschraken alle, die es sahen, als du sie von der Erde lüpftest mit dem einen Fuß. Denn das war gar keine Katze, wie es dir vorkam, sondern es war die Midgardschlange, die um die ganze Erde herumliegt, und trotzdem reichte ihre Länge nun kaum dazu hin, daß sie mit Schwanz und Kopf



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die Erde berührte, und so mächtig recktest du dich empor, daß sie fast den Himmel berührte. Und auch das mit dem Ringkampf war ein gewaltiges Wunder, als du so lange Widerstand leistetest und fielst dann nur auf das eine Knie und rangst doch mit dem Alter; denn es hat noch keinen gegeben und wird auch keinen geben: wenn sie alt werden, bringt sie das Alter alle zu Fall. Und ich muß nun gestehen, daß wir uns trennen müssen, und es wird für beide Teile besser sein, daß ihr nicht öfter kommt, mich zu besuchen. Ich werde ein andermal meine Burg mit solchen und andern Künsten verteidigen, daß ihr keine Gewalt über mich erlangt.«

Aber als Thor diese Rede hörte, da griff er nach seinem Hammer und schwang ihn hoch empor. Doch wie er zuhauen will, erblickt er den Utgarda-Loki nicht mehr, und da wendet er sich der Burg wieder zu und will sie zerbrechen: da war dort nur noch ein weites und schönes Feld zu sehen, aber keine Burg. Da drehte er sich wieder um und fuhr seinen Weg.


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