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Märchen aus Dänemark Norwegen und Schweden

Märchen europäischer Völker


Südlicher als Süden und nördlicher als Norden und in dem großen Goldberg

Es war einmal ein Bauer, der hatte einen Weizenacker, und der wurde in jeder Samstagnacht niedergetreten. Nun hatte der Bauer drei Söhne, und jeden hieß er eine Samstagnacht auf dem Acker zubringen und aufpassen, wer ihn denn niedertrample. Zuerst sollte der älteste es versuchen. Er legte sich oben an den Ackerrain, und als er eine Weile gelegen hatte, schlief er ein. Am Morgen war der ganze Acker niedergetreten, und der Bursche konnte überhaupt keinen Bescheid geben.

Nun mußte es der zweite Sohn versuchen; aber dem ging es ebenso. Als er eine Weile gelegen hatte, schlief er ein, und am Morgen konnte er nicht sagen, wie der Acker niedergetreten worden war.

Jetzt kam der Aschenhans an die Reihe. Er legte sich nicht oben an den Feldrain, sondern unten hin und hielt sich wach. Als er eine Weile gelegen hatte, kamen drei Tauben geflogen. Sie ließen sich auf dem Acker nieder, und im selben Augenblick schüttelten sie alle Federn von sich. So wurden sie zu den schönsten Jungfrauen, die man sehen kann. Sie tanzten miteinander über den Acker hin, und während sie das taten, sammelte der Bursche alle Federn. Als es gegen Morgen ging, wollten sie ihre Federn wieder anziehen, konnten sie aber nirgends finden. Da bekamen sie Angst und weinten und suchten und suchten und weinten. Schließlich entdeckten sie den Burschen und baten ihn, er möge ihnen die Federn wiedergeben. »Warum tanzt ihr denn in unserm Weizenfeld?«fragte der Bursche. »Ach, daran sind wir nicht schuld«, sagten die Mädchen, »der Troll, der uns verzaubert hat, schickt uns jeden Samstagabend hierher, damit wir den Acker zertreten. Aber nun gib uns unsere Federn, es geht gegen Morgen!« Und sie baten so wunderschön darum. »Ich weiß doch nicht«, meinte der Bursche, »ihr habt den Acker gar so häßlich zertreten; vielleicht wenn ich eine von euch wählen und bekommen dürfte?« — »Das wollten wir ja recht gerne«, gaben die Mädchen zurück, »aber es wird nicht gehen, denn drei Trolle hüten uns, einer mit drei Köpfen, einer mit sechs Köpfen und einer mit neun Köpfen, und sie bringen alle Menschen um, die den Berg be



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treten.« Aber der Bursche sagte, die eine von ihnen gefalle ihm so ausnehmend, daß er es doch versuchen wolle. Also wählte er sich die mittlere aus, denn die schien ihm die schönste, und sie gab ihm ihren Ring, und er steckte ihn an seinen Finger. Gleich darauf legten die Jungfrauen das Taubengewand wieder an und flogen zurück in Wald und Berg.

Als der Bursche heimkam, erzählte er, was er gesehen hatte. »Und jetzt muß ich ausziehen und mein Glück versuchen«, sagte er, »ich weiß nicht, ob ich wiederkomme, aber versuchen muß ich es doch.«

—»Ach, du Aschenhans«, sagten seine Brüder und lachten ihn aus.

»Oh, das ist einerlei, wenn ich auch zu nichts tauge«, gab der Aschenhans zurück, »versuchen muß ich mein Glück.«

Der Bursche zog aus und wollte nach dem Ort wandern, wo die Jungfrauen wohnten. Sie hatten gesagt, er liege südlicher als Süden und nördlicher als Norden und in dem großen Goldberg. Als er eine Zeitlang gegangen war, begegnete er zwei armen Burschen, die stritten sich um ein Paar alte Schuhe und einen Rohrstock, die sie von ihrer Mutter geerbt hatten. Der Bursche sagte, es sei doch nicht der Mühe wert, um diese Dinge zu streiten, er habe bessere Schuhe und bessere Stöcke zu Hause. »Das darfst du nicht sagen«, gaben die Streitenden zurück, »denn wer diese Schuhe anhat, kann in einem Schritt tausend Meilen zurücklegen, und was man mit diesem Rohrstock anrührt, muß sogleich sterben.« Der Bursche fragte weiter, ob sie die Sachen verkaufen wollten. Sie sagten, da müsse man ihnen schon sehr viel Geld dafür geben. »Aber das ist ja gar nicht wahr, was ihr da behauptet«, meinte der Bursche darauf. »Doch freilich, das ist wahr und gewiß«, gaben sie zurück. »Laßt mich einmal versuchen, ob die Stiefel mir passen!« sagte der Bursche. Sie erlaubten, daß er sie anzog. Aber kaum hatte der Bursche die Stiefel an den Füßen und den Stock in der Hand, so machte er einen Schritt, und weg war er, tausend Meilen weit.

Eine Weile darauf traf er zwei junge Leute, die stritten sich um eine alte Fiedel, die sie geerbt hatten. »Ist das auch der Mühe wert?« fragte der Bursche, »ich habe eine blitzbianke neue Fiedel daheim.« — »Aber sie hat wohl keinen solchen Ton wie die unsere«, meinten die jungen Leute darauf, »denn wenn einer tot ist und du auf dieser



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Fiedel spielst, so wacht er gleich wieder auf.« —»Das ist freilich viel«, sagte der Bursche, »darf ich einmal einen Strich darauf tun?« Das wurde ihm zugestanden, aber kaum hatte er die Fiedel in der Hand, so machte er einen Schritt - und da war er auf einmal tausend Meilen weit weg.

Eine Weile darauf traf er einen alten Mann; den fragte er, ob er wisse, wo der Ort sei »südlicher als Süden und nördlicher als Norden und in dem großen Goldberg.« Der Mann meinte, ja, das wisse er schon, aber es werde dem Burschen nicht viel nützen, wenn er hinkomme, denn der Troll dort bringe alle Leute um. »Ach, ich muß es doch versuchen, ob es nun zum Leben oder zum Tod führt«, sagte der Bursche, denn er hatte die mittlere von den drei Jungfrauen so über alle Maßen gern. Also erfuhr er von dem alten Mann den Weg und kam schließlich an den Berg. Da mußte er durch drei Gemächer gehen, bis er in den Saal zu den Jungfrauen kam, und es waren starke Schlösser an allen Türen, und an jeder stand ein Wächter. Aber der Bursche machte sich auf den Weg. »Wo willst du hin?«fragte der erste Wächter. »Hinein zu den Jungfrauen«, sagte der Bursche. »Hinein kannst du schon kommen, aber heraus kommst du nicht mehr«, sagte der Wachtmann, »denn jetzt kommt bald der Troll.« Der Bursche meinte, er wolle es doch versuchen, und ging weiter. Da kam er zum zweiten Wächter. »Wo willst du hin?«fragte der. »Hinein zu den Jungfrauen«, sagte der Bursche. »Hinein kannst du schon kommen, aber heraus nicht mehr«, sagte der Wächter, »denn jetzt kommt gleich der Troll.« —»Ich will es doch versuchen«, sagte der Bursche, und der Wächter ließ ihn durch. Da kam er zum dritten Wächter. »Wo willst du hin?« fragte der. »Hinein zu den Jungfrauen«, sagte der Bursche. »Hinein kannst du schon kommen, aber heraus kommst du nicht mehr, denn jetzt kommt gleich der Troll«, sagte der Wächter. »Ich will es doch versuchen«, sagte der Bursche, und auch dieser Wächter ließ ihn durch. Da kam er in das innerste Gemach, wo die Jungfrauen saßen. Und sie waren so schön und fein, und das Gemach war so voller Gold und Silber, wie es dem Burschen nie in den Sinn gekommen wäre. Da zeigte er den Ring und fragte, ob die Mädchen ihn kannten. Freilich erkannten sie ihn und auch den Ring. »Aber du Ärmster, nun ist es aus mit dir und mit uns auch«,



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sagten sie. »Jetzt kommt gleich der Troll mit den drei Köpfen, da ist es am besten, du verkriechst dich hinter die Tür!« —

»Ach, ich fürchte mich so, ich fürchte mich so«, jammerte die Jungfrau, die der Bursche haben wollte. »Hör nur auf zu weinen«, sagte der Bursche, »ich denke, es soll uns schon glücken.«

In dem Augenblick kam der Troll und steckte seine drei Köpfe zur Tür herein. »Uff, hier riecht's nach Christenblut!« sagte er. Der Bursche hieb mit dem Rohrstock nach den Köpfen, und gleich war der Troll tot. Da trugen sie den Leichnam hinaus und versteckten ihn. Eine Weile darauf kam der Troll mit den sechs Köpfen nach Hause. »Uff, hier riecht's nach Christenblut!« sagte er. »Da hat sich wohl einer hereingeschlichen! Aber wo ist denn der andere Troll hingekommen?«sagte er, als er den Troll mit den drei Köpfen nicht sah. »Er ist noch nicht heimgekommen«, sagten die Jungfrauen. »Er muß doch gekommen sein«, sagte der Troll, »er ist vielleicht gegangen und sucht den, der sich eingeschlichen hat.« In dem Augenblick schlug der Junge alle sechs Köpfe mit dem Rohrstock, und gleich fiel der Troll tot zu Boden. Dann schleppten sie den Leichnam hinaus. Eine Weile darauf kam der Troll mit den neun Köpfen. »Uff, hier riecht's nach Christenblut!« sagte er und war sehr zornig. »Wo sind denn die zwei anderen?«sagte er. »Die sind noch nicht heimgekommen«, sagten die Jungfrauen. »Freilich sind sie gekommen«, sagte der Troll, »aber die suchen wohl nach dem Christenmenschen, der sich hier eingeschlichen hat.« Sofort sprang der Bursche hinter der Tür hervor und schlug mit dem Rohrstock einen Kopf nach dem anderen. Aber er kam nur bis zum achten, da schien es ihm, als ob der Troll die Oberhand gewinne, und er rannte zur Tür hinaus. Der Troll war so wütend, daß er gleich alle Jungfrauen packte und sie umbrachte und dann hinausfuhr hinter dem Burschen drein. Der Bursche hatte sich hinter einem großen Stein versteckt, und als der Troll herbeigeschossen kam und vor Zorn Funken sprühte, da schlug er auch nach dem neunten Kopf, und der Troll fiel tot auf den Rücken. Dann sprang der Bursche wieder hinein, nahm seine Fiedel und spielte, und da wurden alle Jungfrauen gleich wieder lebendig. Nun wollten sie heimwärts ziehen, aber sie wußten nicht, wie sie den langen Weg finden sollten. »Ich weiß schon, was zu tun ist«, sagte



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der Bursche, »ich werde euch auf den Rücken nehmen, eine nach der anderen, dann wird uns der Weg nicht lang werden.«Und so tat er's nun. Alles Silber und Gold, das er im Berge fand, trug er auch nach Hause, und dann hielt er mit der mittleren Jungfrau Hochzeit, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.


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