Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen aus Dänemark Norwegen und Schweden

Märchen europäischer Völker


Der Zauberhut

Ein Hirtenbub saß eines Tages auf einem Hügel. Gerade an diesem Tag war ein großes Fest im benachbarten Dorf; und als es Mittag läutete -wie es immer in alten Zeiten geschah -, hörte er einen großen Tumult und Lärm drunten im Hügel und vernahm immer den gleichen Ruf: »Wo ist mein Hut? Wo ist mein Hut?« Das kam ihm sonderbar vor, und auf einmal fiel es ihm ein, auch zu rufen: »Ist nicht auch einer für mich da?« —»Nein!« rief eine Stimme. »Doch«, rief eine andere, »hier ist Vaters alter Hut!« und damit kam ein alter verschlissener Hut aus dem Hügel herauf für den Burschen. Er setzte ihn gleich auf, und nun konnte er sehen, daß eine unzählige Menge Zwerge auf das Dorf zu lief. Er begab sich auch heimwärts, um zu Mittag zu essen. Aber er konnte nicht begreifen, wie das zuging: alle Leute, denen er begegnete, gingen dicht neben ihm vorbei und traten ihn beinahe nieder; und wenn er einen anredete, so sah der sich verwundert um und gab ihm keine Antwort. Schließlich fiel ihm der Hut ein, und er vermutete, daß der schuld daran sein könne, daß ihn die Leute nicht sahen.

Kaum war ihm das aufgegangen, so fiel es ihm auch schon ein, daß es doch nett wäre zu sehen, wie es in dem Hause zuging, wo das Fest gefeiert wurde. Also ging er hin und konnte frei unter den Gästen herumgehen und alles sehen, ohne daß jemand ihn sah oder beobachtete. Wie sich nun die Gäste zu Tisch setzten, sah er eine unheimliche Menge Trolle zwischen ihnen sitzen und den Gerichten kräftig zusprechen, so daß die Leute durchaus nicht begreifen konnten, wo all das Essen hinkam, das aufgetragen wurde und das ihnen gleichsam unter den Händen verschwand. Der Bursche hielt sich nun auch dazu, wo es etwas gab, und verschaffte sich eine tüchtige Mahlzeit von den besten Speisen, die er auftreiben konnte.

Wie er schließlich für nichts mehr Platz in seinem Magen hatte, dachte er, seiner alten Mutter daheim könne ein bißchen gutes Essen auch nicht schaden. Er steckte Kuchen, Braten und Wein und andere gute Sachen zu sich und trug sie heim zu ihr. Sie freute sich natürlich sehr, als sie alle die guten Dinge sah, und dachte wie der Bursche, es wäre doch schön, wenn man am nächsten Tag auch noch von dem



Bd-05-071_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

feinen Essen hätte. Also machte sich der Bursche daran, heimzutragen, was er nur vom Besten erwischen konnte; und wo er zugriff, da gab's ein Loch auf der Schüssel, so daß der Festgeber bald aufs Trockene kam; aber das kümmerte den Burschen nicht; er hatte nur seine Sache im Kopf.

Schließlich gegen Abend sollte der Tanz beginnen. Der Bursche, der sich eben wieder einen gehörigen Arm voll Vorrat geholt hatte, bekam auch Lust zuzusehen und ging mit den anderen Leuten hinauf ins obere Stockwerk. Hier mußte er sich in den Ecken herumdrücken, wie es gehen wollte, und aufpassen, daß niemand ihn zertrete. Schließlich mußte er sich vor die anderen hinstellen, weil er sich in den dicken Menschenknäuel nicht hineingetraute. Da stand er und schaute zu und vergnügte sich sehr dabei; aber gerade als die Braut vorbeitanzte, flog ihr Rock recht munter und riß ihm den Hut vom Kopf, und als der Hut weg war, war es auch mit seiner Unsichtbarkeit aus. Da stand er nun, reich beladen mit allerlei Speisen; und als das Erstaunen der Leute sich gelegt hatte, mußte er ihnen genau erklären, wie das alles zusammenhing; und als er damit fertig war, mußte er eine gehörige Tracht Prügel in Empfang nehmen und sich fein still darein ergeben, das gestohlene Essen wiederzubringen; ausgenommen das gute Mittagessen, das er schon im Leib hatte, hatte er von der ganzen Mühe keinen weiteren Gewinn. Und von dem Hut hat man nie mehr was gesehen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt