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Märchen aus Dänemark Norwegen und Schweden

Märchen europäischer Völker


Die drei guten Ratschläge

Es lebte einmal weiter im Norden ein Mann, der hatte nur einen einzigen Sohn, der einmal alles erben sollte, was er besaß. Vor seinem Tod ließ er seinen Sohn vor sich kommen und gab ihm drei Ratschläge. Wenn er sie befolgen würde, solle es ihm gutgehen. Zum ersten: wenn er seine Freunde besuchen wolle, so solle er es nicht zu oft tun; zum zweiten: wenn er etwas verkaufen wolle, solle er nicht zuviel dafür verlangen; und zum dritten: wenn er heiraten wolle, solle er sich die Braut nicht von weit her holen. Damit starb der Alte.

Der Sohn blieb nun einige Zeit allein auf dem Hof, aber schließlich wurde es ihm zu trübselig, und da er in einem anderen Dorfe Verwandte



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hatte, fuhr er dorthin zu Gast. Er wurde sehr freundlich aufgenommen; sie freuten sich so über seinen Besuch, daß sie nicht wußten, was sie ihm zuliebe tun sollten. Sie traktierten ihn aufs allerbeste, und am Abend, als er heimfuhr, baten sie ihn, ja recht bald wiederzukommen, je eher je lieber.

Am nächsten Tag fuhr er wieder zu Gast zu ihnen. Sie nahmen ihn sehr gut auf, aber doch nicht so gut wie das letzte Mal. Sie traktierten ihn auch gut, aber als er wegfuhr, hießen sie ihn wiederkommen, wann es ihm passe. Aber es lag ihnen doch nicht so viel daran, daß er so bald wiederkommen sollte, und kaum war er fort, so sagte der Herr des Hauses, es sei wohl das beste, wenn sie selbst nun irgendwohin zu Gast führen, dann träfe er niemanden zu Hause, wenn er morgen kommen sollte. Das taten die Leute auch, und als er zum drittenmal kam, war niemand zu Hause. Da mußte er den ganzen Tag bei der Dienerschaft bleiben und bekam von ihnen Essen, und als er abends heimfuhr, erhielt er, wie es in der Gegend Brauch war, ein Stück trockenes Brot und drei gesalzene Heringe. Das nahm er mit nach Hause, und die drei Heringe hängte er auf seinem Speicher auf. So oft er sie sah, wollte er daran erinnert sein, daß er den Rat seines Vaters nicht befolgt hatte.

Dann fiel es ihm ein, daß er einen Hengst verkaufen wollte, und er fuhr damit zum Markt. Unterwegs begegnete er einem Mann, der fragte, was er mit dem Hengst wolle; er wolle zum Markt und ihn verkaufen. Der Mann sagte, er wolle ihm hundert Taler dafür geben. Nein, sagte der Mann, darauf gehe er nicht ein, er wolle erst hören, was auf dem Markt für Preise geboten würden. Kurze Zeit darauf traf er einen anderen Mann, der bot ihm zweihundert Mark, aber nein, er wolle warten, bis er auf den Markt käme; und schließlich traf er noch einen Mann, der bot ihm hundert Mark; aber darauf wollte er erst recht nicht eingehen.

Schließlich kam er auf den Markt; aber er wartete den ganzen Tag, und es kam auch nicht einer und bot etwas für seinen Hengst, und am Abend mußte er wieder auf ihm heimreiten, ohne ihn verkauft zuhaben. Und als er am nächsten Morgen in den Stall ging, um nach dem Tier zu sehen und es zu füttern, da lag es da und war tot. Da zog er ihm das Fell ab und hängte es auf seinen Speicher neben die



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drei gesalzenen Heringe. Das war nun der zweite Rat seines Vaters, den er nicht befolgt hatte.

Nach einiger Zeit, im Winter, kam er auf den Gedanken zu freien. Er ging hinüber zu seinen Dreschknechten und fragte sie, ob sie ihm nicht jemand wüßten. Jawohl, einer von ihnen kannte ein Mädchen, sie war die Tochter eines Wirtes in einer weitentfernten Gegend. Das leuchtete ihm ein, und er ritt hin und stellte sich an, als ob er um Kälber handeln wollte. Er schaute sich den ganzen Viehbestand an, aber der war nicht nach Wunsch, und schließlich kam er auch ins Haus. Da saßen drei Töchter am Tisch, und als sie sich eine Weile unterhalten hatten, fragte er, ob noch eine von ihnen zu haben wäre? Ja, die jüngste war noch frei, die beiden anderen waren versprochen. Sie gefiel ihm, und es wurde ausgemacht, daß er sie heiraten sollte, und er ritt wieder heim und ging hin und her und besuchte sie, und sie war sanft und froh und machte ein großes Wesen mit ihm.

Einmal aber geschah es, daß im Wirtshaus ein Tanz sein sollte. Sie hatte ihm sagen lassen, er solle doch ja kommen. Aber er konnte es nicht einrichten, er hatte andere Geschäfte. Sie ließ ihm noch einmal sagen, er solle doch kommen, sonst würde sie an dem ganzen Fest keine Freude haben. An dem Tag, wo der Tanz stattfinden sollte, ging der Mann hinüber auf die Tenne; da hatte er unter den Dreschern auch einen Bettler. Den bat er, mit ihm die Kleider zu tauschen und ihm seinen Stock und den Bettelsack zu leihen; aber der Bettler wurde böse und gab zur Antwort, er solle Gott danken, daß er kein wirklicher Bettler sei, und ihn nicht zum Narren halten. Aber als der Mann ihm erklärte, es sei sein voller Ernst, er wolle wirklich Stock und Bettelsack für einen Tag haben, sobald er heimkomme am Abend, solle der Bettler das Seine wieder haben, erreichte er schließlich doch, was er wollte. In den Bettlerkleidern ging er in das Wirtshaus, wo seine Liebste wohnte und wo das Tanzfest sein sollte; das war am Nachmittag. Er setzte sich in der Wirtsstube an einen Tisch und verlangte einen Schnaps und ein Glas Bier, und dann blieb er sitzen und trank in aller Gemütlichkeit. Aber da kam die jüngste Tochter heran und war sehr ungehalten, daß ein Bettler am Tisch saß. Ihr Vater wollte sie zur Ruhe weisen und sagte, solange der Mann seine Zeche bezahle, könne man ihn doch nicht hinausjagen.



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Als es nun dunkel geworden war und die Gäste anfingen zu kommen, fragte der Bettler, ob er nicht da über Nacht bleiben könne. Da wurde die Tochter noch böser, aber der Wirt sagte, sie hätten kürzlich gebacken und der Ofen sei noch warm; man würde ihm Decken hinlegen, und da könne er übernachten. So wurde es auch gehalten, und der Bettler lag hinter dem Backofen und hörte, was für ein derbes Mundwerk seine Liebste hatte. Gegen Morgen kam sie in die Kammer, wo er lag, zog ihr Hemd aus und ein frisches an und rief zur Tür hinaus nach dem Knecht, er solle kommen, sie gehe jetzt ins Bett. Er kam auch und legte sich zu ihr. Der Bettler schlich inzwischen aus seinem Winkel heraus, nahm das Hemd, das sie ausgezogen hatte, und steckte es in seinen Bettelsack. Am Morgen bezahlte er seine Schuldigkeit, ging heim und hängte das Hemd auf seinen Speicher neben die drei Heringe und das Pferdefell, ließ anspannen und fuhr zu seiner Liebsten.

Als er kam, fand sie vor lauter Freude kein Ende und sagte, sie habe an dem Fest gar keine Freude gehabt, weil er nicht dagewesen war; sie habe so sehr Sehnsucht nach ihm gehabt. Ehe er heimfuhr, lud er sie, ihren Vater, ihre Mutter und ihre Schwester zu sich ein. Sie wollten gern kommen, und es dauerte nicht lange, so kamen sie angefahren. Er nahm sie freundlich auf, traktierte sie aufs allerbeste, und zuerst gingen sie in den Stall und sahen das Vieh an, dann schloß er ihnen alle seine Kisten und Kasten auf, und schließlich gingen sie auf den Speicher, um die Kornvorräte zu sehen. Auf der Treppe sagte die Mutter zu ihrer Tochter: »Eia, cia, Tochter, was kommst du in ein reiches Haus!« Und die Tochter sagte: »Eia, ja, Mutter!« Auf dem Speicher lag ein Kornhaufen größer als der andere, und sie bewunderten alles. Schließlich fiel der Blick des Wirts -der schaute in jeden Winkel -auch auf die drei Heringe und das Pferdefell und das Hemd, die am Giebelbalken hingen. »Aber was ist denn das da?« fragte er. »Das will ich euch sagen«, sagte der Hausherr, und er erzählte ihnen die Ratschläge seines Vaters und wie er zu den Heringen und dem Pferdefell gekommen war. »Aber was hat es mit dem Hemd für eine Bewandtnis?«fragte der Wirt. — »Erinnert ihr euch an den Abend, wo Tanz bei euch war, da kam doch ein Bettler, den ihr hinter dem Ofen übernachten ließet?«



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Ja, er erinnerte sich noch gut. —»Ja, der Bettler war ich« —und nun erzählte der Hausherr, was er gesehen und gehört hatte und wie er zu dem Hemd gekommen war, und zum Schluß sagte er, das Mädchen könne dahin gehen, von wo sie gekommen sei, er wolle sie nicht haben.

Es dauerte nun eine Weile, da fragte der Mann wieder seinen Knecht, ob er ihm nicht eine Frau wisse. Ja, hier in der Nähe auf einem Hof sei eine, die ihm vielleicht zusage. Der Mann fuhr hin und stellte sich an, als ob er Kälber kaufen wollte; aber sie kamen zu keinem Handel; er wurde ins Haus geführt, trank ein Glas Bier, und da saßen drei Mädchen am Tisch. Als sie sich eine Weile unterhalten hatten, fragte er, ob eines von den Mädchen noch zu haben sei. —Ja, die jüngste sei noch zu haben, die beiden älteren seien schon verlobt. Sie wurden bald einig, und sie gefiel ihm gut, nur war sie ein wenig bedächtig. Es dauerte nicht lange, so hielten sie auf dem Hof ihres Vaters Hochzeit.

Als er zur Hochzeit fuhr, hatte er seinen Leuten anbefohlen, wie sie sich verhalten sollten. Am Abend bei der Heimfahrt kamen sie durch ein kleines Wäldchen. Da rief der Mann auf einmal: »Halt, spring ab und schneide mir ein paar Zweige ab, aber schnell!« Der Knecht sprang mit Windeseile ab und ritschratsch, eins zwei drei, da hatte er auch schon einen Armvoll Zweige, eins zwei drei, so war er auch schon wieder auf dem Wagen und fuhr weiter. Da rief der Mann wieder: »Halt!«Da mußte der Knecht noch einmal Reiser abschneiden; das ging so schnell wie der Blitz. »Aber was willst du denn mit all den Stöcken«, fragte die junge Frau ganz erschrocken. Der Mann fluchte und sagte: »Ich will, daß bei mir im Haus alles blitzschnell geht!«

Als sie zu Hause vorfuhren, kamen die Dienstboten von allen Seiten angerannt. Der Mann sprang vom Wagen, und die Pferde wurden ausgespannt, noch ehe die junge Frau sich hatte umdrehen und ihre Sachen zusammensuchen können, um selbst auszusteigen; so rasch ging das alles.

Ihr Mann war freundlich gegen sie, und als ungefähr acht Tage vorbei waren, fragte er sie, ob sie nicht Lust habe, ihre Eltern zu besuchen. Ja, sie habe sehr Sehnsucht nach den Eltern, sagte sie. — »Also



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zieh dich an, ich lasse anspannen«, sagte der Mann, und einen Augenblick darauf hielt der Wagen vor der Tür, und der Mann rief: »Bist du fertig?« —»Nein, ich habe mich ja kaum erst ausgezogen!« —»Ja, dann geht es diesmal nicht; spannt wieder aus!« —und gleich war der Wagen wieder ausgespannt. Acht Tage darauf fragte er wieder, ob sie nicht heim wolle. Sie sagte ja; aber es ging wieder ebenso: sie wurde nicht zur Zeit fertig, und es ging nicht, obgleich sie weinte und sich beklagte. Da kam eine alte Frau und fragte, ob sie denn nicht mit ihrem Mann ausfahren wolle? Ja freilich wolle sie, sagte die Frau, aber sie könne nie zur Zeit fertig werden. »Wenn du meinen Rat hören willst«, sagte sie, »so will ich dir sagen, wie du fertig werden kannst.« Das wollte die Frau gern wissen. »Du mußt alle deine Kleider in Ordnung übereinander legen, damit du gleich nehmen kannst, was du brauchst; und wenn du nicht alles anziehen kannst, so mußt du das übrige in die Hand nehmen und erst im Wagen anlegen.«

Als wieder acht Tage vergangen waren, fragte der Mann wieder, ob sie nicht Lust habe, ihr altes Heim wieder aufzusuchen. Ja, sie habe große Sehnsucht danach. »Zieh dich rasch an, ich lasse anspannen.« Es dauerte nur einen Augenblick, da stand der Wagen schon vor der Tür. »Bist du fertig?« rief der Mann. »Ja«, rief sie und rannte die Treppe hinunter mit all ihren Kleidern über dem Arm, sprang auf den Wagen und zog erst da das letzte an, während sie schon fuhren. Da war der Mann zufrieden.

Ihre Eltern nahmen sie sehr gut auf, da waren auch die anderen Schwiegersöhne zu Besuch, und der Schwiegervater wollte die Mitgift verteilen. Die Männer saßen im Wohnzimmer, während die Frauen im guten Zimmer plauderten. Das Geld war in drei Teile geteilt und lag auf dem Tisch. Da schlug einer der Schwiegersöhne vor, daß das ganze Geld derjenigen Frau gehören solle, die am raschesten zur Stelle wäre. Das gefiel den anderen sehr gut, und nun rief er zuerst seiner Frau, sie solle schnell kommen. »Du kannst wohl warten, das hat doch Zeit!« war die Antwort. Dem anderen Mann ging es nicht besser: seine Frau meinte auch, es eile nicht. Da rief der dritte: »Komm rasch, Frauchen!« —gleich kam sie gerannt und sagte: »Hier bin ich, was soll ich?« —»Ach, du sollst nur das Geld da nehmen«,



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sagte der Mann und strich ihr alle drei Geldberge in ihre Schürze.

Er fuhr wieder heim mit seiner Frau und war sehr freundlich gegen sie; und sie lebten viele Jahre glücklich zusammen. Nun hatte sie ja gelernt, rasch zu sein, und seither brauchten sich die Dienstboten nicht mehr so sehr zu eilen.


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