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Märchen aus Dänemark Norwegen und Schweden

Märchen europäischer Völker


Hans mit den goldenen Haaren

Es war einmal ein Fischer, der von seinem Fischerhandwerk lebte. Eines Tages war er draußen beim Fischen und geriet in ein böses Wetter. Da kam ein Meermann zu ihm und fragte ihn, ob er gerne heim wolle. Ja, das wolle er wohl, sagte er, aber es sehe nicht danach aus, denn das Wetter war schlimm, und er war in seinem kleinen Boot allein. —Nun, sagte der Meermann, wenn er ihm das Jüngste in seinem Hause geben wolle, wenn er heimkomme, so könne er gutes Wetter und Fischerglück haben; und das Jüngste wolle er erst in zwölf Jahren haben. Der Mann sagte: Ja, das wolle er ihm gern überlassen, denn er dachte sich, an dieser Bedingung ließe sich wohl noch manches ändern. Da wurde das Wetter wieder schön, und der Mann fing so viele Fische, daß es ganz unerhört war; dann fuhr er in eine Handelsstadt, verkaufte sie und fuhr abermals aus, um zu fischen. Er kam noch mehrere Male in die Handelsstadt zurück, verkaufte seine Fische und nahm viel Geld dafür ein. Als er zuerst zum Fischen ausgefahren war, war seine Frau schwanger gewesen; aber sie hatte im Kindbett einen großen Kummer: ihr Mann kam nicht mit den anderen Fischern heim, und sie glaubte, er wäre tot. Die anderen Fischer fuhren wieder hinaus, als das Wetter wieder gut war, und da trafen sie ihn, wie er im Boot stand und Fische einheimste, soviel er nur konnte. Da sagten sie zu ihm: »Ach Gott! Da bist du! Deine Frau ist ins Kindbett gekommen und macht sich große Sorgen um dich; sie glaubt, du wärest ertrunken!« —»Ja, sie soll sich keine Sorgen machen«, sagte der Mann, »ich komme jetzt bald wieder heim zu ihr.«Geld hatte er, Fische hatte er auch und sonst alles mögliche, was er in der Stadt gekauft hatte, und so kam er heim. Aber er sagte nichts davon, daß das Kind irgendwohin sollte. Er hatte beständig Glück beim Fischen und verdiente viel Geld. Mit der Zeit kaufte er sich einen kleinen Hof und hielt sich zwei Pferde.

Der Bub, der während seiner Abwesenheit auf die Welt gekommen war, wuchs auf und wurde groß. Er hieß Hans, und als er groß genug war, um den Pflug zu führen, tat er das; aber so oft der Vater mit dem Knaben allein ging, mußte er weinen.

Als der Bursche bald zwölf Jahre alt war, wollte er einmal von seinem



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Vater wissen, warum er so weinte. Der Vater sagte, es helfe doch nichts, wenn er es länger verschweige; er sei in bösem Wetter draußen gewesen und habe einem Meermann das Jüngste versprechen müssen, das in seinem Hause sei, wenn er heimkomme. Aber der Meermann wolle ihn erst haben, wenn er zwölf Jahre alt wäre.

Der Tag, an dem sie den Knaben hergeben mußten, kam näher, und er mußte es seiner Frau sagen. Sie war ganz untröstlich; sie hätten nur das eine Kind, und das sollten sie verlieren, und noch dazu auf diese Art! Aber Hans sagte: »Ich habe gar nichts dagegen; wenn er mich haben will, wird er mir wohl nichts zuleide tun.« Als er am Fortgehen war, meinte seine Mutter, er solle doch seine guten Kleider anziehen; aber Hans sagte: »Nein, wenn er mich haben will, soll er mich auch nähren und kleiden.« Der Vater fuhr aufs Meer hinaus mit ihm an die bestimmte Stelle, wo ihn der Meermann in Empfang nehmen sollte. Der Meermann kam auch und nahm den Knaben mit, und der Vater fuhr wieder heim; er hatte forthin immer Glück und Erfolg beim Fischen.

Als Hans nun hinunter zu dem Meermann kam, hatte er keine andere Aufgabe, als ein Pferd und einen Löwen zu hüten; er sollte ihnen Feuer vor die Nase und Hafer hintenhin legen. Der Meermann trieb seine Ziegen jeden Tag in den Wald, und mittlerweile war Hans allein und mußte, wie gesagt, die Tiere hüten. Da sprach das Pferd zu ihm: »So mußt du es nicht machen; du mußt das Feuer hintenhin und den Hafer vor unsere Nasen legen.« —»Was! Du kannst reden?« rief Hans dem Pferd zu. —»Ja«, sagte das Pferd, »das habe ich schon viele Jahre gekonnt; aber wenn du uns treu sein willst, kannst du uns und dich befreien.« —»Ja, das will ich schon«, sagte Hans. Da sagte das Pferd: »Geh in die große Stube; da stehen drei Flaschen auf dem Tisch, und da hängt ein großes Schwert an der Wand. Trink zuerst aus der einen Flasche, dann aus der anderen und schließlich aus der dritten! Und dann sieh zu, ob du das Schwert heben kannst. Es liegt auch ein Kamm auf dem Tisch, damit mußt du deine Haare kämmen. «

Hans tat, wie das Pferd gesagt hatte; er ging in die Stube und erblickte die Flaschen; auf der ersten stand: »Trinkst du von dieser Flasche, so wirst du stark!« Da trank er einen guten Schluck daraus;



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nun konnte er das Schwert an der Wand ein wenig von der Stelle rücken. Dann nahm er die andere Flasche; darauf stand: »Wer aus mir trinkt, wird stärker!« Als er daraus getrunken hatte, konnte er das Schwert von seinem Platz an der Wand herabheben. Darauf nahm er die dritte Flasche; darauf stand: »Trinkst du aus mir, so wirst du unermeßlich stark!« Als er daraus getrunken hatte, ging er hin und versuchte sich an dem Schwert; und nun konnte er es mit Leichtigkeit schwingen. Dann nahm er den Kamm und kämmte sich damit die Haare; da bekam er Haare so lang, daß sie ihm bis zu den Fersen reichten und glänzten wie Gold. Dann ging er hinunter und sagte dem Pferd, er habe nach seinem Auftrag getan, und nun könne er das Schwert schwingen. Da sagte das Pferd: »Nun mußt du alle Eßwaren zusammentragen und Gold und Silber, so viel wir mitnehmen können, und dann mußt du den Kittel anziehen, der dort an der Wand hängt, und das Schwert umgürten.« Hans tat so, setzte sich auf das Pferd, machte den Löwen los und ritt davon, und der Löwe lief hinterdrein.

Am Abend kam der Meermann mit seinen Ziegen heim; da war Hans fort und das Pferd und der Löwe auch. Nun wurde der Meermann so wütend, wie er nur sein konnte, und wollte ihnen nachlaufen. Da sprach das Pferd zu Hans: »Wende dich um und schau zurück!« —»Es kommt mir vor, als ob es ganz schwarz und grau hinter uns würde«, sagte Hans. »Ja, das ist der Meermann, der hinter uns drein kommt«, sagte das Pferd, »reiß ein Haar aus meinem Schwanz und eines aus meiner Mähne und sag, daß hinter uns ein so großer Wald wachsen soll, daß der Meermann nicht durchkommen kann und heimgehen muß und erst Axt und Säge holen, um sich durchzuhauen.«

Da kam der Meermann an den Wald; und wenn er nicht schon zuvor wütend gewesen wäre, so wurde er es jetzt; denn er mußte wieder umkehren und sich Axt und Säge holen, um sich einen Weg durchzuhauen. Nun hatten sie einen langen Vorsprung; aber auf einmal sagte das Pferd: »Dreh dich um und schau zurück!« — »Ja«, sagte Hans, »nun kommt es mir wieder vor, als ob es hinter uns schwarz und grau würde, noch viel schlimmer als das erstemal.« — »Reiß ein Haar aus meinem Schwanz und eines aus meiner Mähne!« sagte das



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Pferd, »und sag, es soll ein solches Meer hinter uns werden, daß der Meermann nicht durch kann, ehe er nicht mit seinen Geißen kommt, daß sie es austrinken.« Als der Meermann an den See kam, wurde er noch viel wütender, rannte heim und brachte seine Geißen mit, damit sie ihn austränken. Nun hatten sie wieder einen langen Vorsprung. Dann sprach das Pferd: »Schau einmal zurück, ob du etwas siehst!« —»Ja«, sagte Hans, »nun kommt es mir vor, als ob hinter uns oben in der Luft ein Feuer brenne.« — »Ja«, sagte das Pferd, »jetzt ist der Meermann erst recht wütend; jetzt ist er so wütend, daß man Funken aus seinen Augen schlagen kann. Reiß ein Haar aus meinem Schwanz und eines aus meiner Mähne und sag, daß hinter uns ein solches Feuer brennen soll, daß der Meermann nicht darüberkommen kann, wenn er nicht heimgeht und seine Stahlstange holt, um darüberzuspringen.« Also mußte der Meermann wieder umkehren und seine Stahlstange holen, und die hätte er fast nicht gefunden; er suchte in allen Winkeln und in allen Ecken und Enden; schließlich kam er zu seiner alten Mutter, die saß in einer Ecke. »Was hast du denn, mein Söhnchen?«fragte sie, »warum bist du denn gar so böse?« Denn er fuhr überall herum und teilte Püffe und Hiebe aus. Ja, sagte er, das sei auch kein Wunder: der Bursche, den er habe aufziehen lassen, habe ihm sein ganzes Hab und Gut gestohlen; und wenn er ihm auch nachlaufe, so könne er doch nie zu ihm gelangen; das erstemal habe er ihm einen Wald vor die Nase hingepflanzt, das zweitemal einen See, und diesmal ein Feuer, und da könne er nicht hinüberkommen, wenn er nicht die Stahlstange finde, um hinüberzuspringen. »Ach Gott, mein Söhnchen!«sagte da die Alte. »Soll ich denn nicht mitgehen? Ich glaube, ich springe leichter als du.« Da nahm er sie auf den Buckel und schleppte sie mit. Wie sie an das Feuer kamen, setzte er die Stange mitten hinein, damit die Alte sich daran halten und hinüberspringen könne; und sie sprang zu und sprang mitten ins Feuer; da saß sie und schrie: »Ach Gott, mein Söhnchen, komm doch und hilf mir aus dem Feuer!« Er sprang zu ihr ins Feuer, und da saßen sie beide und verbrannten.

Da sagte das Pferd: »Nun sind wir den Meermann los, denn jetzt sitzt er im Feuer und verbrennt. Kannst du uns wohl etwas zu essen geben? Denn wir haben Hunger, und was du essen kannst, das können



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wir auch essen.« Als sie nun gegessen hatten, sagte das Pferd: »Hier, bei diesem Wald ist ein Königsschloß, da kannst du hingehen und in Dienst treten; aber jeden Abend mußt du hier herauskommen und uns etwas zu essen bringen.«

Hans ging in das Schloß und wurde da als Stallbursche angenommen. Er mußte die Pferde waschen, striegeln und putzen, und der Stallmeister war sehr zufrieden mit ihm. Wie er sein Abendbrot bekam, ging er damit hinaus in den Wald zu dem Pferd, und das fragte ihn: »Nun, wie ist dir's gegangen, Hans?« —»Ich bin im Stall«, sagte Hans, »und ich habe es ganz ungeheuerlich gut.« — »Das taugt nichts«, sagte das Pferd, »da kannst du nicht bleiben; morgen, wenn du die Pferde gewaschen hast, mußt du sie mit Mist beschmieren.« Und so tat Hans auch. Als er am nächsten Morgen die Pferde gewaschen und gestriegelt hatte, nahm er Mist und beschmierte sie wieder. Da kam der Stallmeister und sah es; darüber wurde er zornig, nahm eine Peitsche und prügelte Hans ganz erschrecklich. Als der Koch auf dem Schloß das sah, dauerte ihn der Bursche, und er sagte: »Das ist doch sündhaft, den kleinen Buben so unbarmherzig zu schlagen. —»Nein«, sagte der Stallmeister, er habe sich auch danach aufgeführt: zuerst die Pferde gestriegelt und dann wieder mit Mist beschmiert. »Gib mir den Burschen!« sagte der Koch, »ich kann so einen Kleinen gut brauchen.«Also kam Hans in die Küche; da hatte er es noch besser; er bekam Reste und Brocken von Fleisch und Brot, und noch dazu sein Vesperbrot; das konnte er alles dem Pferd hinausbringen.

Am Abend ging er hinaus in den Wald und erzählte ihm, wie es ihm ergangen war; er sei nun in der Küche, und da habe er es sehr gut. Aber das Pferd sprach: »Das taugt auch nichts; da kannst du auch nicht bleiben; morgen, wenn du aufgewaschen und gespült hast, mußt du die Schüsseln wieder schmutzig machen, damit du davongejagt wirst.« —»Aber da bekomme ich so viel Prügel«, sagte Hans. »Darum darfst du dich nicht kümmern«, sagte das Pferd, »du wirst schon noch entschädigt werden für deine Prügel.« Hans tat, wie das Pferd gesagt hatte. Am nächsten Tag, als er gespült hatte, machte er das Geschirr wieder schmutzig. Wie der Koch das sah, kam er in Wut, packte den Schürhaken und prügelte den Jungen gehörig



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durch. Hans schrie und jammerte. Da kam der Gärtner dazu und hörte das. »Aber, wie kannst du den armen Kerl so schlagen!« rief er. »Ach, der ist böse«, sagte der Koch, »erst spült er das Geschirr, und dann macht er es wieder schmutzig.« — »Gib mir den kleinen Burschen hinunter in den Garten!« sagte der Gärtner, »ich könnte ihn gut brauchen.«Also kam Hans in den Garten zum Gärtner, und am Abend, als er sein Abendbrot bekommen hatte, lief er hinaus in den Wald zu dem Pferd. »Nun, wo bist du jetzt, Hans?«fragte das Pferd. »Nun bin ich im Garten, und da habe ich es sehr gut«, sagte Hans. »Ja, du mußt nun sehen, daß du auch dort bleibst«, sprach das Pferd. Und Hans war froh, denn er hatte keine Lust, noch einmal auf diese Weise den Dienst zu wechseln.

Nun blieb Hans auch bei dem Gärtner, hatte es recht gut und ging jeden Abend hinaus zu dem Pferd. Der König hatte drei Töchter, und es war Sitte, daß der Gärtner an jedem Samstag für jede von ihnen einen Blumenstrauß binden mußte. Am ersten Samstag, als Hans da war, bat er, ob er nicht auch einen davon binden dürfe. Aber der Gärtner wollte es nicht wagen; er hatte Angst, Hans könnte es nicht richtig machen, und er hatte nicht mehr Blumen, als er gerade brauchte. Aber Hans bat so lange, bis er schließlich doch durfte, und nun band er ein Sträußchen, das war viel schöner als irgendeines, das der Gärtner je gebunden hatte. Nun mußten sie die Sträußchen hinauftragen, denn Hans wollte das seine persönlich abliefern, oben an einer Tür, wo die Prinzessinnen zu einer bestimmten Stunde herauskamen und die Blumen in Empfang nahmen. Hier sah Hans die Prinzessinnen das erstemal und paßte auf, welcher von ihnen er am liebsten seinen Strauß geben wollte, und da war es die jüngste von ihnen. Hans hatte eine alte schmutzige Kappe auf und sein prächtiges Haar daruntergestopft, und diese Kappe nahm er niemals ab. Als er an die Tür kam, wo die Prinzessinnen und vornehmen Herren standen, sagte man ihm, er solle seine Kappe abnehmen. »Ich bin grindig«, sagte Hans, und von der Zeit an hieß man ihn nur Grindhans. (Wenn die königliche Familie in den Garten herunterkam und spazierenging, machten sie sich oft den Spaß, zu Hans zu sagen: »Nimm deine Kappe ab!«, denn dann sagte er immer: »Ich bin grindig.«) Er gab also der jüngsten Prinzessin seinen Blumenstrauß, und



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sie gab ihm Goldstücke als Trinkgeld. Die zeigte er dem Gärtner und sagte, es sei doch komisch, daß sie ihm Rechenpfennige gegeben habe.

Da nahm ihm der Gärtner die Goldstücke ab und gab ihm Kupfermünzen dafür, denn die kannte er. Als es nun wieder Samstag war, wollte der Gärtner, daß Hans alle drei Blumensträuße binden solle. Aber Hans wollte nur den einen binden, und den gab er der jüngsten Prinzessin. Sie sagten wieder zu ihm, er solle seine Kappe abnehmen, und er sagte wieder nein, er sei grindig. Auch Goldstücke bekam er wieder als Trinkgeld, und der Gärtner gab ihm wieder Kupfermünzen dafür. Die Zeit verging, und indessen fingen die Leute an, die Prinzessin mit Grindhans aufzuziehen, und sie mußte zu jeder Stunde seinen Namen hören.

Nun traf es sich, daß ein Krieg ausbrach, und das ganze Land wurde von dem feindlichen Heer belagert. Alle, die nicht mit in den Krieg gezogen waren, wollten auch ausrücken, und jeder bekam ein Pferd. Auch Grindhans bat um ein Pferd; aber es war keines mehr da außer einer alten Mähre, die nur noch auf drei Beinen gehen und stehen konnte. Die bekam Hans. Also ritt er auf dem Dreibeinigen davon, und alles lachte und grinste hinter ihm drein. Er kam abseits von den anderen in den Wald, wo das Pferd und der Löwe sich aufhielten und wo er sein Schwert und seinen Kittel hatte. Da versteckte er seine alte lumpige Jacke und die alte Kappe, band den Dreibeinigen an einen Baum und setzte sich auf das Pferd des Meermannes; seine goldenen Haare hingen ihm über den Rücken hinunter, das Schwert hatte er an seiner Seite, und der Löwe wandelte hinter ihm drein, und so ritt er gegen den Kampfplatz, machte in geringer Entfernung halt und sah, wie die Sache stand. Der Feind war so stark, daß er nahe daran war, die Oberhand zu behalten. Da sprach das Pferd zu Hans: »Blas in den Handgriff deines Schwertes!«Und da kamen so viele Soldaten zu Fuß und zu Roß, daß man den Boden nicht mehr sehen konnte. Hans hieb und schlug mit seinem Schwert, der Löwe biß und kratzte, und so töteten sie eine Menge Feinde.

Als der Feind dann besiegt war, sprach das Pferd zu Hans: »Nun blas in das andere Ende deines Schwertes!« Da waren sie verschwunden, alle die Soldaten. Nun gab es einen Waffenstillstand bis



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zum nächsten Tag - da sollte der Kampf weitergehen. Der König rief seinen Leuten zu, sie sollten ihm den bringen, der die Schlacht gewonnen hatte. Aber Hans ritt wieder in den Wald, und man wurde seiner nicht habhaft. Wie er in den Wald kam, sattelte er das Pferd ab, versteckte sein Gewand und sein Schwert und stopfte sein schönes Haar unter seine Kappe, setzte sich auf den alten Dreibeinigen und ritt wieder ins Schloß. Er war der erste, der heimkam, und konnte erzählen, wie es gegangen sei: es sei einer gekommen mit vielen, vielen Soldaten und habe den Feind geschlagen.

Am anderen Tag ging es ebenso. Hans kam und wollte auch ein Pferd haben und hinausreiten und zusehen. Ja, sagte der König, da er nun doch einmal sein Schwiegersohn werden wolle, so könne er nicht anders, als ihm ein Pferd geben. Das war nämlich der Spaß, den sie immer mit der jüngsten Prinzessin trieben, sie sagten, sie solle den Grindhans heiraten. Also bekam er wieder den alten Dreibeinigen, ritt hinaus in den Wald, band ihn an einen Baum, kleidete sich um und bestieg sein eigenes Pferd, das Schwert an der Seite, das goldene Haar über den Rücken und den Löwen hinterdrein.

So ritt er hin, hielt beim Heer des Königs und sah zu, wie die Feinde des Königs Soldaten erschlugen. Da sprach das Pferd zu ihm: »Blas in den Griff deines Schwertes!« Da kamen so viele Soldaten zu Fuß und zu Pferd, daß man es gar nicht zählen konnte. Hans hieb und schlug, und der Löwe biß und kratzte so viele, daß sie den Feind besiegten wie gestern. Da sprach das Pferd: »Blas in das andere Ende deines Schwertes!« Da verschwanden sie wieder bis auf den letzten Mann.

Der König und seine Leute merkten wohl, daß ihnen derselbe wieder geholfen hatte, und sie ritten ihm nach; aber keiner konnte ihn einholen, bevor er wieder im Wald war. Der König verstand nicht, wo die Leute hergekommen sein könnten, denn er hatte kein anderes Volk gebeten, ihm beizustehen. Hans sattelte sein Pferd wieder ab, versteckte sein Gewand und sein Schwert, stopfte sein Haar unter die Kappe, zog seine alten Lumpen wieder an und ritt auf dem Dreibeinigen nach Hause. Er kam am ersten nach Hause, und alle drängten sich um ihn, um zu hören, wie es gegangen sei.

Hans berichtete, es seien wieder fremde Truppen gekommen, hätten



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ihnen geholfen und den Feind besiegt. Nun gab es einen Waffenstillstand bis zum dritten Tag, dann sollte der Kampf weitergehen.

Als die anderen fortritten, wollte Hans auch mit und zusehen. Der König sagte dasselbe wie das letztemal: Hans solle ein Pferd bekommen, da er doch sein Schwiegersohn werden wolle. Es war nur noch der Dreibeinige da, und den bekam er. Er ritt in den Wald hinaus, zog seinen alten Kittel aus und den Kriegsmantel an, setzte sich auf sein eigenes Pferd, das Schwert an der Seite, das goldene Haar über den Rücken und den Löwen hinterdrein, so hielt er bei dem Heer und sah zu. An diesem Tag war der König selbst mit in der Schlacht, denn der Krieg sollte beendet werden. Da hätten sie fast den König gefangengenommen.

Da sprach das Pferd: »Blas in deinen Schwertgriff!« Gleich kamen da so viele Soldaten zu Fuß und zu Roß, daß man den Boden nicht mehr sehen konnte. Hans ritt auf den Feind zu, hieb und schlug, und der Löwe biß und riß in Stücke, was ihm in die Nähe kam. Das ging so lange, bis keiner von den Feinden mehr übrig war; sie waren alle gefallen. Da sprach das Pferd: »Blas in das andere Ende deines Schwertes!« Da waren die Soldaten alle verschwunden bis auf den letzten Mann. —Der König ließ Alarm blasen, sie sollten ihn einkreisen, wer es auch sei; denn es wäre der gleiche, der nun zum drittenmal erschienen war. Und sie schlossen einen so dichten Ring um Hans, daß er keinen Ausweg mehr sah. Doch er meinte neben dem König eine kleine Lücke zu erspähen; da wollte er ausbrechen; aber der König hieb so kräftig nach ihm, daß er ihn am Bein verwundete. Doch ritt Hans rasch in den Wald, sattelte das Pferd ab, verbarg sein Schwert, zog seine alten Kleider an, stopfte sein Haar unter die Kappe, stieg wieder auf den Dreibeinigen und kam als erster ins Schloß zurück.

Wie er heimkam, stand die jüngste Prinzessin unter der Tür und fragte, wie es ihrem Vater gegangen sei; denn sie wußte wohl, daß es schlimm stehen mußte, weil er selber in die Schlacht gezogen war. Hans berichtete, daß derselbe, der schon zweimal gekommen war, auch heute dagewesen sei und die Feinde bis auf den letzten Mann vernichtet habe; aber niemand wisse, wer er sei. Hansens Bein blutete, und er fragte, ob sie nichts habe, das man darumbinden



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könne? Der alte Dreibeinige sei mit ihm im Wald angerannt, sagte er. Die Prinzessin hatte ein seidenes Taschentuch in der Hand, in dem ihr Name stand; das gab sie ihm, um sein Bein zu verbinden. Dann kamen die anderen aus dem Krieg zurück, der König auch. Und jetzt war der Krieg aus.

Der König wußte nun durchaus nicht, wo er den suchen sollte, der ihm geholfen hatte, denn er wollte doch wissen, wer es war. Da ließ er im Land und in anderen Reichen ausrufen, wer am Bein verwundet sei, solle seine Tochter und das halbe Reich haben, und nach seinem Tode das ganze, wenn er in dem Aufzug erscheinen könne, in dem der Unbekannte gekommen war. Da kam hoch und niedrig aus seinem Land und aus den fremden Ländern. Manche verwundeten sich am einen Bein, andere am anderen; sie dachten, es könne vielleicht stimmen, und sie bekämen die Prinzessin und das ganze Reich und könnten König werden.

Nun hatten sich alle gezeigt; aber keiner konnte die Wunde aufweisen, die von des Königs Hand herrührte. Nun wußte man niemanden mehr außer Grindhans, der hatte ja auch zugesehen und war auf dem Dreibeinigen geritten. Also hieß man ihn auch sich zu zeigen; Hans sagte zwar, das habe doch keinen Sinn; er habe ja nur gehalten und zugesehen auf dem alten Dreibeinigen. Aber er mußte sich doch zeigen.

Als er hinauf ins Schloß kam, sagten die Leute zu ihm: »Hans, nimm deine Kappe ab!« — »Ich bin grindig!« sagte Hans. Er ging weiter und kam näher zum König. »Nimm deine Kappe ab, Hans!« sagten die Leute, »du sollst mit dem König reden!« — »Ich bin grindig«, sagte Hans. Die Prinzessinnen waren in dem gleichen Saal, wo er sich zeigen sollte; die beiden älteren pufften einander in die Seiten und lachten die jüngste aus: hier käme Grindhans, der sei es gewiß gewesen, der den Feind besiegt hätte, und nun könne er seine Prinzessin bekommen. Der König begrüßte Hans und sagte, hier komme sein Schwiegersohn, er sei ja auch mit im Krieg gewesen und solle sich nun auch sehen lassen. Ein paar Leute standen dabei und halfen ihm sein Bein vorzeigen. Ja, sagte er, er habe wohl ein schlimmes Bein, der alte Dreibeinige sei mit ihm im Wald an einen Baumstamm angerannt. Der König wollte die Wunde sehen, und als sie



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sie bloßlegen wollten, war das Taschentuch der Prinzessin darum gewickelt. Hatte man sie vorher noch nicht genug mit Grindhans aufgezogen, so geschah das jetzt gründlich, und jeder hatte etwas zu lachen.

Als der König das Bein sah, merkte er, daß es die gleiche Wunde war, die er gemacht hatte. Da gab er Hansens Kappe einen Puff, daß sie bis an die Tür fortrollte, und das goldene Haar wallte über seinen Rücken hinunter. Da sagte der König: »Du bist auch nicht der, für den wir dich gehalten haben!«

Nun wurde sein Bein richtig verbunden, daß es wieder heilen konnte, und der König sagte, er solle doch in demselben Anzug kommen, wie er im Krieg gewesen war. Denn er sah, daß der sein Befreier gewesen war; und er könne sich von seinen Töchtern aussuchen, welche er wollte. Hans bat sich eine kleine Frist aus, er wolle ein wenig in den Wald gehen, er sei gleich wieder da. Nun ging er hinaus in den Wald und warf seine alten Lumpen weg, denn die brauchte er nun nicht mehr. Dann ging er zu dem Pferd und erzählte ihm, wie alles zugegangen sei. Das sagte ja, es wisse schon. Dann fragte er das Pferd, welche von den Königstöchtern er nehmen solle? »Die jüngste mußt du nehmen«, sagte das Pferd, »sie ist deinetwegen ausgelacht worden; die mußt du nehmen.« Darauf zog er sein Gewand an und setzte sich auf das Pferd. Das Schwert an der Seite, das Goldhaar über den Rücken hinunter und den Löwen hinterdrein, so kam er ins Schloß. Und nun konnte jeder sehen, daß er es war, der das Heldenstück im Krieg vollbracht hatte. Alle gingen ihm entgegen, und der König fragte, welche von seinen Töchtern er nun haben wolle. Hans antwortete, wie das Pferd ihn geheißen hatte, er wolle die jüngste haben; sie habe sich seinetwegen solange auslachen lassen, daß sie ihm nun die liebste sei. Die Hochzeit wurde festgesetzt, und Hans wurde König.

Das Pferd und der Löwe wurden in den Stall geführt, und Hans kam jeden Tag zu dem Pferd und unterhielt sich mit ihm, und es bekam dasselbe Essen wie Hans. Am Hochzeitstag war Hans auch unten bei dem Pferd, da sagte es: »Nun habe ich dich von dem Meermann erlöst und dir dazu verholfen, daß du König geworden bist. Willst du nun auch mich erlösen?«Ja freilich, sagte Hans, wenn er irgend



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könne. »Nun mußt du mir den Kopf abhauen und ans Schwanzende ansetzen und den Schwanz abhauen und ihn da ansetzen, wo der Kopf war!« — »Das kann ich nicht«, sagte Hans, »du bist so gut mit mir gewesen, daß ich dir das nicht antun kann.« — »Wenn du das nicht tust«, sagte das Pferd, »sollst du wieder so unglücklich werden, wie du warst, als der Meermann hinter uns her war.« Da mußte Hans es tun.

Kaum war es geschehen, so verwandelte sich das Pferd in den schönsten Prinzen, den man sich denken kann. Er ging mit Hans ins Schloß hinauf und zum König, und der König erkannte ihn gleich, er war nämlich ein Erbprinz seines Reiches. Der König erschrak sehr, denn nun hatte er das Reich Hans gegeben. »Das macht nichts«, sagte der Prinz, »denn wäre Hans nicht gewesen, so wäre ich nie erlöst worden. Und wenn ich nicht gewesen wäre, so wäre Hans nicht König geworden; also gönne ich Hans gern das Reich.« Also blieb der Prinz sein Freund und treuer Berater. Der Löwe war ein Löwe und blieb ein Löwe, der mit ihnen in den Krieg zog; und er überwand alle, mit denen er kämpfte. Seit der Zeit traute sich niemand mehr, mit ihnen Krieg zu führen, denn des Schwertes wegen waren sie in einen erschrecklichen Ruf gekommen, und sie lebten ihr Leben lang in Ruhe und Frieden.


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