Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen aus Dänemark Norwegen und Schweden

Märchen europäischer Völker


Ederland, die Hühnermagd

Es war einmal eine Frau, die hatte drei Töchter. Sie war sehr krank und wartete jeden Tag darauf, daß der Tod an ihre Tür klopfen würde. Deshalb rief sie ihre drei Töchter zusammen und verteilte unter sie, was sie hatte. Aber sie teilte nicht gleichmäßig; den beiden ältesten, die immer hübsch und geputzt waren, gab sie ihre ganze Habe, und die jüngste, die kleine Ederland, bekam nur einen Teigtrog, einen Besenstiel und eine Schürze. Die Mutter lebte nur noch kurze Zeit, und als sie gestorben war, teilten sie das Erbe so, wie sie bestimmt hatte, und da sagten die beiden ältesten Schwestern zu Ederland: »Du kannst sehen, Ederland, daß die Mutter uns lieber gehabt hat als dich, denn dir hat sie nur den elenden Teigtrog, den Besenstiel und die Schürze gegeben.« Aber die kleine Ederland war still und geduldig und glaubte trotzdem, daß ihre Mutter sie geradeso lieb gehabt habe wie die beiden anderen.

Nach einiger Zeit kamen alle drei Schwestern in einem vornehmen Haus in Dienst. Die beiden ältesten waren im Hause selbst und hatten bei allen Arbeiten mitzuhelfen; aber die kleine Ederland war nur Hühnermagd. Doch dauerte es nicht lange, da merkte der Herr, daß sein Geflügelhof noch nie in so gutem Stand gewesen war, als seit Ederland dafür zu sorgen hatte, und deshalb lobte er sie beständig vor ihren Schwestern. Das hörten diese aber gar nicht gerne. Schließlich verfielen sie darauf, dem Herrn zu sagen, Ederland vermöge noch viel mehr, wenn sie nur wolle. Sie wüßten gewiß, daß sie einen Leuchter beschaffen könne, der ohne Licht leuchtete; wenn sie es leugne, so wolle sie eben nicht. Als der Herr das hörte, rief er sofort nach Ederland und sagte zu ihr: »Ich habe gehört, du könntest



Bd-05-010_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

mir einen Leuchter verschaffen, der ohne Licht leuchtet, den möchte ich furchtbar gern haben, und du mußt ihn mir verschaffen. Es hilft dir gar nichts, wenn du dich weigerst, denn ich weiß, du kannst, wenn du willst.«

Klein Ederland weinte und sagte, sie wolle ja gern, aber das sei eine Aufgabe, die sie schlechterdings nicht zu lösen vermöchte. Aber der Herr glaubte ihr nicht. »Hier hilft dein Reden nicht«, sagte er, »du mußt mir den Leuchter verschaffen, aber dafür bekommst du auch zwei Scheffel Gold!«

Klein Ederland ging weinend hinaus und gleich zum Grab ihrer Mutter; als sie nun da stand und weinte, kam die Mutter aus dem Grab hervor und sagte: »Du mußt nicht weinen; geh nur heim und verlange vom Herrn zwei Scheffel Salz, nimm deinen Besenstiel und setze ihn als Mast in den Teigtrog und binde die Schürze als Segel fest und fahre mit deinen zwei Scheffeln Salz aufs Meer; dann wirst du dahin kommen, wo du den Leuchter, der ohne Licht leuchtet, bekommen kannst!«

Damit sank die Mutter wieder ins Grab, und Klein Ederland ging heim und verlangte vom Herrn zwei Scheffel Salz. Das bekam sie, und dann richtete sie ihren Teigtrog mit dem Besenstiel als Mast und der Schürze als Segel, nahm ihre zwei Scheffel Salz und fuhr auf das wilde Meer hinaus, wohin die Wellen sie trugen.

Sie fuhr lange umher, aber schließlich landete sie auf der Trollinsel und ging mit ihren zwei Scheffeln Salz an Land. Irgendwo sah sie ein Haus. Sie ging hin, kletterte aufs Dach und schaute zum Schornstein hinunter.

Da unten stand die alte Trollmutter und kochte Brei für ihre Söhne. Und auf dem Herd neben dem Breikessel stand der Leuchter, der ohne Licht leuchtete. Den wollte Ederland ja haben, und als die alte Trolimutter sich umkehrte, schüttete sie ihre zwei Scheffel Salz hinunter in den Brei. Gleich darauf kam die Trollmutter wieder und versuchte den Brei, aber der war furchtbar versalzen. Da nahm sie den Eimer und wollte Wasser holen, um den Brei noch einmal aufzukochen. Aber Ederland ließ sich in einem Hui durch den Schornstein hinunter und lief hinter ihr drein, und als die Alte sich über den Brunnenrand beugte, um den Eimer aufzuziehen, gab ihr Ederland



Bd-05-011_Maerchen aus Daenekark Flip arpa



Bd-05-012_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

einen Stoß in den Rücken, daß sie kopfüber hineinfiel und nicht mehr lebendig zum Vorschein kam.

Ederland holte nun eiligst den Leuchter und lief zu ihrem Schiff. Und als sie gerade ein Stückchen vom Lande weg war, sah sie die Trolle heimkommen und gleich darauf an den Strand laufen. Dort riefen sie ihr nach: »Ederland! Ederland! du hast unsere alte Mutter in den Brunnen geworfen und unseren Leuchter genommen! Wenn du noch einmal hierherkommst, werden wir uns bitter rächen!«Und Ederland rief zurück: »Ja, ich komme noch zweimal wieder!« Dann fuhr sie vergnüglich heim.

Der Herr war voller Freude, als er den Leuchter sah, der ohne Licht leuchtete; Klein Ederland bekam ihre zwei Scheffel Gold, und da war auch sie froh. Aber ihre Schwestern ärgerten sich jeden Tag über ihr Glück und dachten nur daran, wie sie ihr die Freude versalzen könnten. Schließlich sagten sie wieder zum Herrn, Ederland könne noch viel mehr. Sie könne ein Pferd herbeischaffen mit Glöckchen an allen vier Beinen, das könne man hören, lange bevor es da sei, und finden, wie weit es sich auch verlaufen habe. Ein solches Pferd hätte der Herr nun noch viel lieber gehabt als den Leuchter, den er schon besaß. Er ließ Ederland sofort rufen und sagte zu ihr, er wisse wohl, daß sie ihm ein Pferd verschaffen könne, das an allen vier Beinen Glöckchen hätte und das man von weitem höre und das sich nie verlaufen könne, so weit es auch immer fort sei. Das Pferd solle sie ihm verschaffen. Ederland weinte und sagte, sie wolle ja gerne, aber sie könne nicht. Doch der Herr wollte sich damit nicht zufriedengeben. »Du kannst wohl, wenn du willst«, sagte er, »das Pferd mußt du mir verschaffen, ich will dir drei Scheffel Gold dafür geben.«

Ederland ging wieder ans Grab ihrer Mutter, weinte und war sehr betrübt. Aber die Mutter erhob sich wieder aus dem Grab und sagte zu ihr: »Weine nicht, Klein Ederland! Geh heim und bitte den Herrn um vier Büschel Werg und nimm sie mit und setze dich in deinen Teigtrog mit dem Besenstiel und der Schürze, wie das letztemal. Dann wirst du an einen Ort gelangen, wo du das Pferd mit den Glöckchen an allen vier Beinen bekommen kannst.«Darauf sank die Mutter wieder in ihr Grab, und Klein Ederland ging heim und verlangte vom Herrn die vier Büschel Werg. Sie bekam sie sogleich und



Bd-05-013_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

fuhr in ihrem Teigtrog auf das Meer, mit dem Besenstiel als Mast und der Schürze als Segel. Auch dieses Mal landete sie wieder auf der Trollinsel. Es

war gerade die Zeit, da die Trolle zu Hause waren und zu Mittag aßen, und auf der Wiese vor dem Haus graste das Pferd mit den Glöckchen an den Beinen. Ederland schlich zu ihm hin, band um jedes Bein einen Büschel Werg, so daß die Glöckchen nicht läuten konnten, und zog das Pferd an den Strand hinunter. Gerade als sie es ins Boot führte, löste sich von dem einen Bein der Wergbüschel, und gleich fing die Glocke zu klingeln an, und alle Trolle kamen an den Strand gerannt. Aber Klein Ederland hatte das Pferd glücklich ins Boot gebracht und war schon ein kleines Stück vom Lande weggekommen, als die Trolle am Ufer anlangten. Sie gerieten in greuliche Wut, als sie sahen, daß Ederland mit ihrem Pferd entkommen war, und riefen ihr nach: »Ederland! Ederland! du hast unsre alte Mutter umgebracht und uns unseren Leuchter genommen, und nun hast du unser Pferd gestohlen! Wenn du wiederkommst, werden wir uns bitter rächen!« Und Ederland rief zurück: »Ja, ich komme noch einmal!«

Als nun Ederland mit dem Pferd heimkam, war der Herr voller Freude und gab ihr gern die drei Scheffel Gold, die er ihr versprochen hatte, und sie war auch sehr froh. Aber ihre beiden Schwestern freuten sich gar nicht über ihr Glück: sie dachten Tag und Nacht an nichts anderes, als wie sie ihr Böses antun könnten, und einige Zeit darauf sagten sie zu dem Herrn: »Ederland könnte Euch noch etwas viel Besseres verschaffen, als was ihr bis jetzt habt, wenn sie nur wollte: nämlich ein Schwein, von dem man so viel Speck ausschneiden kann wie man will, es bleibt doch immer gleich viel dran.« Das schien dem Herrn das Allerschönste, und Ederland mußte gleich kommen, und er sagte zu ihr: »Ich habe gehört, daß du mir ein Schwein verschaffen kannst, von dem man so viel Speck abschneiden kann, wie man will, und das doch immer gleich fett bleibt; dieses Schwein muß ich haben!« Vergebens weinte Ederland und sagte: »Ich wollte ja gern, wenn ich nur könnte; aber ein solches Schwein kann ich Euch nicht verschaffen!« Doch der Herr wollte nichts davon wissen: »Du kannst und mußt mir das Schwein verschaffen!«



Bd-05-014_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

sagte er, »dafür will ich dir aber auch alle Herrlichkeit, die du hier siehst, schenken!«

Aber Klein Ederland war sehr traurig. Sie ging ans Grab ihrer Mutter und weinte bitterlich. Da stieg die Mutter aus ihrem Grab und sagte zu ihr: »Weine nicht, Klein Ederland! Geh nur heim und verlange vom Herrn zwei Speckseiten und setze dich in dein Boot und fahre aufs Meer. Dann wirst du schon dahin kommen, wo du dieses Schwein bekommen kannst!« Und als sie das gesagt hatte, sank sie wieder ins Grab hinunter. Aber Ederland ging nach Hause und bekam die zwei Speckseiten, setzte sich in ihren Teigtrog mit dem Besenstiel als Mast und der Schürze als Segel, und der Wind blies sie wieder übers Meer bis an die Trollinsel. Es war die Zeit, da die Trolle Mittagsschlaf hielten. Das Schwein war auf der Weide, aber die Trolle hatten einen kleinen Buben angestellt, der es hüten sollte. Ederland lief zu dem Buben hin und sagte zu ihm: »Diese zwei Speckseiten sind für die Trolle; willst du sie hinauftragen, so will ich unterdessen das Schwein hüten.«Der Knabe dachte sich nichts Böses dabei; er nahm den Speck und lief damit ins Haus. Aber als er den Trollen erzählte, auf welche Weise er zu den zwei Speckseiten gekommen war, dachten sie gleich, Ederland könne wieder die Hand im Spiel haben, und rannten, was sie konnten, an den Strand. Und da hatte Ederland das Schwein noch nicht ins Boot bringen können. Da packten die Trolle das Schwein und sie selber, und Ederland schleppten sie ins Haus und übergaben sie dem alten Trollvater und sagten, er solle sie schlachten und ihnen ein recht gutes Abendessen vorsetzen, wenn sie von der Arbeit nach Hause kämen. Dann gingen die Trolle fort, und Ederland blieb allein mit dem alten Trolivater zurück. Der schleppte einen großen Block herbei und stellte die Axt daneben und sagte zu ihr: »Nun leg deinen Kopf auf den Block, daß ich ihn abhauen kann!« —»Ja, das will ich schon«, sagte Ederland, »aber ich weiß gar nicht, wie ich mich dazu anstellen soll; du mußt es mir schon vormachen!« —»Ach«, sagte der alte Troll, »das ist doch ganz einfach, du brauchst es nur so zu machen«, und damit legte er seinen Kopf auf den Block. In einem Hui hatte Ederland die Axt ergriffen und hieb ihm mit einem Schlag das Haupt ab. Dem Kopf setzte sie dann die Zipfelmütze auf und legte ihn ins Bett, und den



Bd-05-015_Maerchen aus Daenekark Flip arpa

Körper tat sie in den Suppenkessel, der über dem Herde hing. Dann lief sie hinunter an den Strand, nahm das Schwein und fuhr damit auf ihrem Boot davon.

Aber bald darauf kamen die Trolle nach Hause und machten sich gleich über das Essen her, das auf dem Feuer stand. Sie wunderten sich sehr, daß das Fleisch so zäh war, obgleich es doch junges Fleisch war. Aber sie waren so hungrig und würgten es doch hinunter. Schließlich jedoch fiel einem von ihnen ein, daß ihr alter Vater auch dabeisein müßte. Und er ging hin und rüttelte ihn. Aber da gab es einen großen Schrecken, als sie sahen, daß nur sein Kopf im Bett lag. Nun merkten sie, wie die ganze Sache zugegangen war, und rannten vom Essen weg an den Strand. Aber da fuhr Ederland schon weit draußen auf dem Meer. Da kamen die Trolle in die höchste Wut und riefen ihr nach: »Ederland! Ederland! du hast unsere alte Mutter umgebracht, du hast unseren Leuchter genommen, du hast unser Pferd gestohlen, und nun hast du unseren alten Vater umgebracht und unser Schwein gestohlen! Wenn du noch einmal kommst, werden wir uns bitter rächen!«Aber Ederland rief zurück: »Ich komme nicht wieder, doch will ich euch zwei schicken, an denen ihr ebensoviel Freude haben sollt wie an allem, was ich euch gestohlen habe.«

So fuhr Klein Ederland heim, und der Herr empfing sie mit großer Freude, und bald darauf hielten sie Hochzeit und lebten in Glück und Zufriedenheit. Die Schwestern blieben bei ihr und grämten sich von Tag zu Tag mehr über Ederlands Glück. Da sagte eines Tages Ederland zu ihnen: »Wenn ihr Lust habt zu segeln, so könnt ihr gern meinen Trog haben!« Und die Schwestern wollten es gleich probieren. Sie stiegen in den Trog und fuhren drauflos und kamen auch auf die Trollinsel. Aber da packten die Trolle sie und kochten und brieten sie und freuten sich des guten Fanges.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt