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Märchen

aus Polen Ungarn und der Slowakei

Märchen europäischer Völker


Der Schuster und der Teufel

Es war einmal ein Schuster, der war so arm, daß er nicht aus noch ein wußte. Er saß bei Tag und Nacht bei seinem Leisten und arbeitete emsig, doch trotz allen Fleißes reichte sein Verdienst kaum für ein karges Mahl aus. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mitsamt seiner Frau und seinen Kindern dem Teufel zu verschreiben. Gesagt -getan! Der arme Schuster rief den Teufel herbei, verschrieb sich ihm mit Haut und Haaren und unterzeichnete den Pakt mit seinem eigenen Blute. Der Teufel lächelte zufrieden und fragte: »Was verlangst du nun von mir?«



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»Gib mir soviel Geld, daß ich und meine Frau sorgenfrei leben und unsere Kinder großziehen können.«

Der Teufel versprach das, und von diesem Tage an lagen allmorgendlich fünf silberne Dukaten auf des Schusters Türschwelle.

Es begab sich um diese Zeit, daß Unser Herr mit dem heiligen Petrus auf der Erde wandelte. Eines Spätnachmittags, als die Abendschatten zu fallen begannen, kamen sie zu dem Hause des Schusters, der sich und die Seinen dem Teufel verschrieben hatte. Sie klopften an die Tür und traten ein. Der Schuster wußte nicht, wer seine Gäste waren, noch woher sie kamen, doch als sie ihn um ein Nachtlager baten, gewährte er es ihnen gerne, und auch seine Frau trug das Ihrige dazu bei, um die Fremden zu bewirten. Sie kochte ein köstliches Mahl und bewirtete sie aufs beste. Als sich die Gäste gelabt hatten, bereitete sie für sie in ihrer eigenen Kammer ein weiches Lager vor, und sie selbst und der Schuster legten sich in der Scheune zur Ruhe. In aller Herrgottsfrühe war die Frau wiederum auf den Beinen, um den Fremden eine schmackhaftes Frühstück vorzusetzen. Als es zum Abschiednehmen kam, fragte Unser Herr:

»Was schulden wir dir, Schuster, für deine gute Bewirtung?«

»Mir?« fragte der Schuster verwundert. »Ich will kein Geld von Euch nehmen!«

»Doch wir wollen dich für deine Mühe entlohnen!« sagte auch der heilige Peter.

»Gut denn!« antwortete der Schuster, »wenn ihr es unbedingt wollt — erfüllt mir meine drei Wünsche!« Denn er dachte, daß dies die Fremden ohnehin nicht werden tun können! »Zu allererst wünsche ich, daß jedermann, der sich auf meinen, mit Schusterpech beschmierten, dreibeinigen Stuhl setzt, auf welchem ich zu sitzen pflege, wenn ich meine Arbeit verrichte, nicht früher aufstehen kann, bevor ich nicht dazu meine Erlaubnis gegeben habe. Mein zweiter Wunsch ist, daß jeder, der sich an mein Fenster lehnt und in meine Stube schaut, an seinen Platz gebunden bleibt, bis ich ihn befreie. Und als letztes wünsche ich mir, daß jedermann, der Kirschen von meinem Kirschbaume oder Birnen von meinem Birnbaume



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schüttelt, nicht früher vom Stamme loskommen kann, bis ich ihn erlöse!«

Da sagte der Sohn Gottes: »Es geschehe, wie du es wünschest!«Und er verließ, vom heiligen Peter gefolgt, das Haus des Schusters. Als die Zeit des Schusters gekommen war, kam der Teufel, um ihn zu holen. Er rief:

»Komm, Schuster, folge mir zur Hölle! Du weißt doch, daß deine Zeit um ist!«

»Ich weiß, ich weiß!« rief der Schuster. »Doch eile nicht so sehr! Warte doch noch so lange, bis ich und die Meinen das Abendbrot verzehrt haben. Setze dich dort auf meinen dreibeinigen Stuhl und ruhe dich ein wenig aus!«

Der Teufel war nicht ungeduldig und folgte der Einladung. Nach dem Abendbrote bereitete sich der Schuster mit seiner Frau und Kindern für die Reise zur Hölle vor. Als sie soweit waren, riefen sie den Teufel, um sie zu geleiten. Der Teufel versuchte sich vom Stuhle zu erheben, doch er klebte fest. Er krümmte sich nach allen Seiten, bis ihn sein Rücken jämmerlich schmerzte -doch all sein Bemühen blieb vergeblich, und er klebte fest. Endlich rief er:

»Hei, Schuster, was hast du für einen Stuhl in deiner Werkstatt? Ich kann ja nicht von ihm loskommen! Komm und hilf mir, ich will dir dafür etwas mehr Zeit geben, ehe ich dich mit zur Hölle nehme!« »Wenn du mir mehr Zeit auf der Erde versprichst, will ich dich befreien!« antwortete der Schuster.

Der Teufel versprach's und gewährte dem Schuster weitere sieben Jahre, nach deren Ablauf jedoch er ihn und seine Familie zu holen versprach.

Als nun die sieben Jahre um waren, kam der Teufel wiederum herbei. Er betrat diesmal die Stube nicht, sondern verharrte vor dem Hause, lehnte sich ans Fenster und schaute in die Stube hinein. Er sah den Schuster bei seiner Arbeit sitzen und rief ihm zu:

»Hei, Schuster, ich komme, um dich zu holen! Mach dich und die Deinen fertig!«

Der fleißige Schuster war eben daran, einen alten Schuh zu sohlen,



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und seine Frau stand beim Herd und kochte. Als er den Teufel beim Fenster sah und seine Stimme hörte, rief er:

»Ach, gib uns doch noch ein Weilchen Zeit, bis wir uns satt gegessen haben!«

Der dumme Teufel wartete geduldig beim Fenster. Als der Schuster und die Seinen zum Gehen bereit waren, rief er dem Teufel zu: »Gut denn, Teufel, komm und führe uns!«

Doch siehe da! Der Teufel konnte vom Fenster nicht loskommen! Seine Füße standen am Boden wie angewurzelt, und seine Arme lagen am Fensterbrett, und er konnte sie nicht wegziehen. Er begann den Schuster flehentlich zu bitten, ihm doch zu helfen, und rief: »Lieber Bruder, lasse mich frei! Ich will dir wiederum eine Spanne Zeit auf dieser Erde dafür geben!«

»Gut, gib mir noch ein wenig Zeit«, sagte der Schuster, »und schere dich hinweg. Aber eines sage ich dir - wenn du zum dritten Male kommst und ich nicht sogleich zur Reise bereit bin, wenn ich aber dann sage, ich wäre soweit und du nicht gehen willst, dann, ja dann will ich dir nie mehr folgen! Ich lasse mich nicht mehr von dir zum Narren halten!«

Der Teufel gab ihm weitere sieben Jahre Frist und ging nach Hause. Als auch diese Zeit um war, kam er von neuem und ging diesmal schnurstracks in des Schusters Stube. Der Schuster begrüßte ihn freundlich und rief:

»Wie freue ich mich, dich wiederzusehen! Du bist eben im rechten Augenblick gekommen! Unsere Früchte im Garten sind reif und süß und lecker wie Honig. Geh in den Garten und schüttle dir Kirschen und Birnen von den Bäumen. Iß, soviel dir beliebt! Meine Frau wird den Rest in einen Korb geben, und wir alle werden eine feine Wegzehrung für die Reise zur Hölle haben.«

Voll Freude sprang der Teufel auf, lief in den Garten und begann die Obstbäume zu schütteln. Er rüttelte und zerrte an den Stämmen aus Leibeskräften, so daß nicht nur die Früchte, sondern auch alle Blätter und Äste von den Bäumen fielen und nur die nackten Baumstämme übrig blieben. Inzwischen bereiteten sich der Schuster und



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seine Familie zum Verlassen des Hauses vor, und als sie das Treiben des Teufels im Garten sahen, rief der Schuster erbost:

»Was machst denn du? Willst du denn den ganzen Baum mitnehmen? Ich habe dir doch nur gesagt, die Früchte abzuschütteln, doch du tobst und wütest, als ob du in deiner Hölle wärest! Komm und geleite uns dorthin! Wir sind bereit, dir zu folgen!«

Der Teufel versuchte den Baum loszulassen, er zerrte und zog nach allen Seiten -doch seine Arme umschlangen den Stamm, als ob sie angenagelt wären! Da rief der Schuster höhnisch:

»Sagte ich dir denn nicht, wenn du zu bald kämest und dann, wenn ich zum Gehen bereit wäre, immer noch zögerst, du deine Ansprüche an mich aufgeben mußt? Ich bin nun bereit, mit dir zu gehen, und du willst nicht! Glaubst du denn, ich lasse mich von dir zum Narren halten? Warte nur, ich will's dir heimzahlen!«

Und er lief in die Stube, ergriff einen Lederriemen und eilte in den Garten zurück. Ihr hättet die Hiebe sehen sollen, die nun auf den armen Teufel von allen Seiten niederprasselten! Er schrie und brüllte so laut er nur konnte, bis die Nachbarn zusammengelaufen kamen und bald das ganze Dorf versammelt war. Wie erstaunt waren die Leute, als sie mit eigenen Augen sahen, wie der Schuster des Teufels Rücken bearbeitete! Als der arme Kerl blau und grün geschlagen war und kaum mehr einen Teufel glich, ließ der Schuster den Riemen fallen:

»Zurück zur Hölle mit dir!« rief er. »Und sieh nur, ob sie dich da unten wiedererkennen werden!«

Der Teufel lief, so schnell er nur konnte, davon, und ließ von nun an den Schuster unbehelligt.

Ehe des Schusters letzte Stunde gekommen war, bat dieser, man möge ihn in seiner Lederschürze zu Grabe tragen. Sein Wunsch wurde auch befolgt. Als er das Erdenreich verlassen hatte, begab er sich zum Himmel, klopfte an die Himmelspforte und begehrte Einlaß. Der heilige Peter öffnete mit seinem goldenen Schlüssel das goldene Tor, besah sich den Schuster genau und sprach:

»Oh, Schuster, hier ist kein Platz für dich und deinesgleichen! Was



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du gewählt hast -wurde dir gewährt! Wenn du das Himmelreich gewählt hättest, wäre es nun offen für dich! Doch jetzt ist es zu spät! Fort mit dir!« rief er und schloß die Himmelspforte wieder zu.

»Was soll ich denn nun beginnen?«sprach der Schuster zu sich. Er dachte ein Weilchen nach und beschloß, in der Hölle sein Glück zu versuchen. Doch sobald ihn die Teufel von weitem erblickt hatten, begannen sie aufgeregt zu schreien und zu rufen:

»Der Schuster ist am Wege zur Hölle! Schließt die Tore fest zu! Lasset ihn nicht herein, denn sonst ist es um uns geschehen!«

Der Schuster klopfte und klopfte, doch das Tor blieb verschlossen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wiederum auf den Rückweg zum Himmel zu machen. Er klopfte an die Himmelspforte, der heilige Peter öffnete und sagte:

»Schere dich hinweg -ich habe dir schon einmal gesagt, daß hier kein Raum für dich ist!«

So mußte denn der arme Schuster wiederum zurück zur Hölle wandern, und als ihn die Teufel von weitem kommen sahen, verschlossen sie die Tore und riefen:

»Wir dürfen den Schuster nicht einlassen! Wir dürfen den Schuster nicht einlassen!«

Nun eilte der Schuster zum dritten Male zum Himmel, und als der heilige Peter die Pforte mit seinem goldenen Schlüssel geöffnet hatte, nahm der pfiffige Schuster schnell seine Schürze ab und warf sie durch die Spalte in den Himmel.

»Wenn Ihr mich nicht einlassen wollt, so soll wenigstens meine Schürze im Himmel sein!«und er selbst wanderte zur Hölle zurück. Doch wie sehr er auch klopfte und an die Tore schlug, nichts half, die Hölle war mäuschenstill und schien wie ausgestorben.

»Ich muß nochmals zum heiligen Peter gehen, und dies soll mein letzter Versuch sein!« sagte der Schuster zu sich.

Als der heilige Peter die Pforte öffnete, schlüpfte der Schuster unter seinem Arm in den Himmel, breitete schnell seine Schürze aus und setzte sich darauf nieder. Der heilige Peter wies ihn zurück, denn es sei kein Raum für ihn im Himmel, und er müsse dorthin gehen, wohin



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er gehöre. Doch der schlaue Schuster blieb auf seinem Platze sitzen und rührte sich nicht von der Stelle.

»Siehe«, rief er, »ich nehme niemandes Platz ein, ich sitze auf meinem Eigentum!«

Da eilte der heilige Peter zum Herrn, um ihn um Rat zu fragen. »Herr, der Schuster will nicht von der Stelle weichen, obzwar er nicht in den Himmel gehört!«

Der Herr antwortete lächelnd: »Laß ihn ein! Er möge auf seiner Schürze beim Tore sitzen!«

Und dort sitzt er heute noch.


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