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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

I. BAND


WEISHEIT

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EINBANDZEICHNUNG VON VON F. H. EMCKE


Das Hinschmelzen der Berber in den Oasenländern

er Araber ißt den Berber!" lautet ein kleinafrikanisches Sprichwort. Es sagt die Wahrheit. Eine Oase nach der andern, ein Landstrich nach dem andern büßt das "Tamazirt" und "Schelha" (Berbersprache) ein. Die arabische Sprache ist fast überall siegreich. Der Vorgang ist charakteristisch. Die Araber sind zunächst Nomaden, die mit ihren Kamelen nur dann und wann in den von Berbern bewohnten Oasen auftauchen. Die Oasenberber hatten früher überall, und haben jetzt noch in den Gebirgsgegenden burgähnliche Wabendörfer inne, von denen aus sie in einem unterbrochenen



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Kleinkriege, in einem ständigen Streit der einen gegen die andren lebten. Sowie nun irgendwie eine arabische Nomadensippe, in den Streit hineingezogen, ein arabischer Priester zum Schlichten berufen oder aber eine bedrohliche Stammesschwäche dem Araber bekanntgeworden war, begann die arabische Vorherrschaft. Dann wurden die Araber die Herren der Berber; sie selbst zwar siedelten sich nicht in der Oase an, kehrten vielmehr in ihre Wüste in der Halbwüste und zu ihren Herden zurück, waren aber Besitzer der Oase geworden, und was der Berber in Zukunft nun auch im Schweiße seines Angesichtes erarbeitete, das mußte er fürderhin dem Araber überlassen.

Nach der Ernte kam der Araber aus der Wildnis, um nach "seiner" Ernte Umschau zu halten und "seine" Datteln, "seine" Feigen. "seine" Gerste, "sein" Olivenöl in die Stadt zu führen und zu verkaufen. Nur das zum Leben Allernötigste behielt der Berberbauer. Der Berber, der früher selbst Sklaven und Hörige gehabt hatte,. wird dergestalt selbst Höriger. War der Lohn des Fleißes und der Sorgfalt früher sein eigener, so floß er jetzt den Arabern zu. Die Oasenwirtschaft Nordafrikas mit ihrer kniffligen Berieselungswirtschaft, mit ihren sehr zartbesaiteten Bäumen fordert einen großen Aufwand an Fleiß und Sorgfalt. Sorgfalt und Fleiß ließen aber naturgemäß mit dem Aufhören des Besitzrechtes nach.

So findet man denn im größten Teil der Oasen eine Verwilderung der Bäume, Unregelmäßigkeiten in der Bewässerung, um sich greifende, weil nicht mehr künstlich gehinderte Versandung und Bodenverschlechterung. Wo noch vor wenigen Jahrhunderten mächtige Steinburgen stolzen Berberhäuptlingen als Sitz dienten, da wohnen verarmte Bauern in elenden Lehmbuden neben den Burgtrümmern. Wo einst kilometerlange Bewässerungskanäle durch üppige Pflanzungen führten, sproßt heute aus alten Kanalfugen kümmerlicher Kameldorn. Der stolze Berber bettelt in arabischer Sprache um einen Backschisch.

Der Araber hat den Berber "gegessen"!

Dieser Vorgang spielt sich vor unseren Augen zwischen der Ammonsoase und der atlantischen Küste Marokkos ab. Das Berbertum schmilzt schnell dahin; der Vorgang wickelt sich um so schneller ab, je flacher das Land ist, je geeigneter für Kamelzucht; um so langsamer, je felsiger und gebirgiger und damit für die Viehzucht ungeeigneter. Am Nordrande Afrikas hat sich demnach das alte Berbertum in leidlicher Eigenart nur noch im östlichen Marokko



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und um das Djurdjuragebirge herum, in der sogenannten Kabylie erhalten. In Marokko haben nun die Berber aber jahrhundertelang unter islamischer Kaiserhoheit gelebt; in der Kabylie blieben sie dagegen selbständig so selbständig, daß sie sich sogar der Herrschaft des hier einst so gewaltigen Byzanz zu entziehen vermochten.

Erst den Franzosen gelang es, die Kabylen zu unterwerfen; auch ihnen war das ein schweres Werk.


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