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Märchen

aus Polen Ungarn und der Slowakei

Märchen europäischer Völker


Der Fuchs, der Bär und der arme Mann

Es war einmal ein armer Mann. Der ging eines Morgens mit seinen zwei Kühen aufs Feld hinaus, um zu pflügen. Als er am Wald vorüberkam, hörte er mit einemmal ein lautes Gestampf und Gebrumm. Da ging er in den Wald hinein, um zu sehen, was das wohl sein könne. Und er sah, wie ein großer Bär sich mit einem kleinen Hasen balgte.

»Na, so etwas hab' ich mein Lebtag noch nicht gesehen!« sagte der arme Mann und mußte so herzhaft darüber lachen, daß er fast platzte.

»Ei, du Mensch, du verdammter! Wie kannst du es wagen, so über



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mich zu lachen?« brummte der Bär ihn an. »Das sollst du büßen: mitsamt deinen Kühen fresse ich dich auf!« Da verging dem armen Mann das Lachen. Inständig bat er den Bären, er möge ihn doch nicht auffressen, oder wenn es durchaus sein müsse, möge er wenigstens bis zum Abend warten, damit er sein Feld noch umpflügen könne, denn seine Angehörigen seien arme Leute, und sie sollten nicht ohne Brot zurückbleiben.

»Nun gut«, sagte der Bär, »bis heute abend tue ich dir nichts, dann aber fresse ich dich auf.« Damit ging der Bär seines Weges, und der arme Mann machte sich eifrig ans Pflügen.

Soviel er auch arbeitete und dabei grübelte, fiel ihm doch nichts ein, wodurch er den Bären hätte versöhnen können.

Gegen Mittag kam zufällig ein Fuchs aufs Feld. Dem fiel es auf, daß der arme Mann sehr bekümmert war, und er fragte ihn, was ihm denn fehle und ob er ihm vielleicht helfen könne. Der arme Mann erzählte ihm, wie es ihm mit dem Bären ergangen war. Drauf sagte der Fuchs: »Wenn das dein ganzes Unglück ist, so kann ich dir wohl helfen. Kein Haar wird dir gekrümmt werden, du bleibst am Leben und deine Kühe auch, und obendrein wirst du noch des Bären Fell bekommen. Aber was gibst du mir, wenn ich dir helfe?«

Der arme Mann wußte nicht, was er dem Fuchs versprechen sollte, denn er besaß ja nichts, und der Fuchs verlangte gewiß viel. Am Ende einigten sie sich darauf, daß der Fuchs neun Hühner und einen Hahn bekommen sollte. Der arme Mann entschloß sich nicht leicht dazu, weil er ja nicht wußte, woher er das Federvieh nehmen sollte, aber er versprach es schließlich doch.

»Nun denn, armer Mann, höre, was ich dir sage!«sprach der Fuchs. »Wenn der Bär gegen Abend hierherkommt, dann verstecke ich mich in einem Busch und tute genauso, wie die Jäger das Horn blasen. Drauf wird der Bär fragen: Was ist das? Und du mußt dann antworten: Es kommen Jäger! Dann wird der Bär Angst bekommen und dich bitten, du sollst ihn verstecken. Stecke ihn dann dort in den schmutzigen Sack und sage ihm, er solle sich nicht rühren. Ich werde dann aus dem Busch kommen und fragen: Was ist hier in dem Sack?



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Darauf mußt du antworten: Ein verkohlter Baumstumpf! Ich werde das nicht glauben und dann zu dir sagen: Hau mit dem Beil hier oben in die Spitze! Darauf nimmst du das Beil, haust zu und spaltest dem Bären den Kopf. Dann ist der Bär mausetot.«

Der arme Mann freute sich sehr über den guten Rat und befolgte ihn auch. Alles geschah genau, wie der Fuchs es gesagt hatte: der Bär ging in die Falle, und der arme Mann kam mitsamt seinen Kühen mit dem Leben davon. »Siehst du«, sprach der Fuchs, »habe ich dir nicht gesagt, daß es so kommen wird? Ziehe daraus die Lehre, armer Mann, daß Verstand über Kraft geht. Aber jetzt muß ich nach Hause eilen. Morgen komme ich zu dir und hole mir die neun Hühner und den Hahn. Gib mir recht fette! Und sei zu Hause, sonst wirst du's bitter bereuen!« Der arme Mann warf den Bären auf seinen Karren und kehrte fröhlich heim. Zu Hause ließ er sich ein feines Abendessen schmecken und schlief danach gut und lange, ohne sich viel vor dem Fuchs zu fürchten, denn er hatte ja von ihm gelernt, daß Verstand über Kraft geht.

Am Morgen hatte er kaum die Augen geöffnet, als der Fuchs schon an die Tür klopfte und die neun Hühner und den Hahn forderte. »Gleich, Freundchen, gleich, ich ziehe mich nur eben an!« rief der arme Mann.

Rasch zog er sich an, öffnete dann aber nicht die Tür, sondern stellte sich mitten in der Stube hin und fing an zu bellen. »Du, armer Mann, was macht da so? Doch nicht etwa ein Hund?«

»Fürwahr, Freundchen, du hast's erraten -zwei Hunde sogar! Hier unterm Bett haben sie geschlafen. Der Teufel mag wissen, wie sie hereingekommen sind! Jetzt haben sie deinen Geruch gespürt und wollen sich rausstürzen, ich kann sie kaum noch halten!«

»Halte sie nur noch, bis ich rasch weggelaufen bin! Und behalte meinetwegen die Hühner und den Hahn!«

Als der arme Mann die Tür öffnete, war der Fuchs schon über alle Berge. Der arme Mann brach in ein lautes Gelächter aus, und vielleicht lacht er heute noch.


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