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Märchen

aus Polen Ungarn und der Slowakei

Märchen europäischer Völker


Der starke János

Es war einmal eine Witwe. Die hatte einen Sohn, der war schon achtzehn Jahre alt und wollte immer noch nicht arbeiten. Er hieß János Seine Mutter war sehr traurig, denn was sollte aus ihrem Sohn werden, der kein Spierchen von der Stelle rücken wollte, immer nur im Ofenwinkel saß und in der Asche wühlte? Er war schon zwanzig Jahre alt, als man in der Nachbarschaft ein Haus baute. Sie waren eben dabei, die Balken aufzuziehen, da fragte Janos seine Mutter: »Was hämmern die da drüben so viel?«

»Sie bauen sich ein Haus, mein Junge. Jeder arbeitet, nur du nicht.« »Ich gehe hinüber und werde ihnen helfen«, sagte er. Und er ging wirklich. Da sah er denn, wie sie sich vergebens plagten, die Dachbalken hochzuziehen.

»Geht mal beiseite, ihr Jammerlappen, ich werde sie schon hinaufbringen, habt keine Angst!«

»Geh, du Aschenwühler, bist ja keine Zwiebel wert!« »Und ihr seid das Essen nicht wert!«

Er packte die Balken und warf sie hinauf aufs Dach. Von dieser Zeit an schätzte man ihn sehr; überall bekam er Arbeit für Tagelohn. Von dem, was er verdiente, konnten er und seine Mutter anständig leben. Der damalige Schulze des Dorfes, ein rechter Geizhals, sagte nun eines Tages zu Jänos:

»Komm zu mir, ich werde dich und deine Mutter ein Jahr lang erhalten. Lohn bekommst du nicht, wir wollen aber ausmachen, daß dem, der sich zuerst über den andern ärgert, Leder für ein Paar Schuhe und Schnürriemen aus dem Rücken herausgeschnitten werden.«



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»Meinetwegen, Herr Schulze, so soll es sein.«

Der Schulze besaß ein großes, mit Weidengestrüpp bewachsenes Feld und eine Menge Schafe. »Nun, János du hast nichts anderes zu tun, als die Schafe hinauszutreiben und die Sträucher bis zum Herbst auszutilgen.«

Am ersten Tag, als János die Schafe auf die Weide trieb, fand er in seinem Ranzen nicht den kleinsten Bissen. Er wußte sich aber zu helfen: er schlachtete zwei Schafe, die allerbesten, zog sie ab, machte Feuer, briet sie und aß sie auf.

»Nun, János hast du viel vertilgt?«fragte der Schulze am Abend.

»O ja, zwei sogar, die allerbesten.«

Der Schulze meinte natürlich, er habe Sträucher, die zwei schönsten Sträucher, vertilgt.

Als János am nächsten Tage die Schafe hinaustrieb, hatte man wieder nichts in seinen Futtersack getan. Er schlachtete also abermals zwei Schafe, briet sie und aß sich satt. Am dritten Tage machte er es genauso. Am vierten Tag ging auch der Schulze mit hinaus, um zu sehen, wie János arbeitete. Da sah er denn, daß von den Schafen sechs fehlten, von den Sträuchern aber kein einziger.

»Na, János was hast du gearbeitet?« fragte der Schulze.

»Was Sie sehen, Herr Schulze! Ärgern Sie sich etwa deswegen?« Der Schulze fand sich damit ab, daß János zu essen haben müsse, sonst würde er nicht arbeiten und alle Schafe aufessen. Am nächsten Tag tat er Brot, Speck, Zwiebeln und auch ein wenig Schnaps in den Futtersack. János machte sich an die Arbeit; er riß alle Sträucher aus, kein Stengelchen ließ er stehen.

Gestrüpp gab es nun nicht mehr. Darum begannen der Herr Schulze und János am nächsten Tag mit dem Pflügen. Mittags, als die Ochsen und der Herr Schulze futterten, sagte Jänos: »Herr Schulze, ich springe mal schnell nach Hause. Wenn ich pflüge, kommt es immer über mich, dann muß ich herumrennen.« Und er rannte, was er konnte, nach Hause.

Als die Frau des Schulzen, die eben ihren Buhlen, den Kantor, bei sich hatte, János von weitem kommen sah, sagte sie:



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»Herr Kantor, verstecken Sie sich schnell, sonst gibt es ein Unglück!«

Der Kantor versteckte sich hinter dem Ofen. Als János eintrat, fragte die Frau des Schulzen:

»Was ist geschehen, Jänos?«

»Der Herr Schulze hat gesagt, ich soll die Bohnenstangen hinter dem Ofen aufstapeln.«

Eben hatte man eine Menge Bohnenstangen vor dem Hause des Schulzen abgeladen. János machte sich eifrig daran, die fein zugespitzten Stangen mit der Spitze nach vorn hinter den Ofen zu schieben. Dem Kantor in seinem Schlupfwinkel erging es übel. Als alle Bohnenstangen verstaut waren, rannte János aufs Feld zurück.

»Na, hast du dich ausgetobt?«

»Ja, Herr Schulze, jetzt kann es wieder an die Arbeit gehen.«

Sie pflügten bis zum Abend. Zu Hause beklagte sich die Schulzin über Jänos; sie erzählte, wie er alle Bohnenstangen hinter den Ofen gesteckt hatte. Aber sie sagte nicht, daß der Kantor dabeigewesen war.

Am nächsten Tag gingen der Schulze und sein Knecht abermals aufs Feld, und um die Mittagszeit wurde János wieder rappelköpfig. Er rannte nach Hause, wo der Kantor bei der Schulzin war. Als sie ihn kommen sah, rief sie:

»Verstecken Sie sich schnell irgendwo, der János kommt schon wieder!«

»Der Teufel soll den Kerl holen! Entweder ist er ein Hellseher oder verrückt! Gestern hat er mich von oben bis unten zerstochen! Wer weiß, was mir heute blüht!«

»Verstecken Sie sich doch, er wird gleich hier sein! Schnell, hinter der Tür steht eine Wanne voll Wolle, kauern Sie sich da hinein, nur rasch!«

Als János eintrat, fragte die Frau: »Was gibt es?«

»Der Herr Schulze hat gesagt, ich soll zwei Kessel Wasser kochen und die Wolle in der Wanne hinter der Tür abbrühen.«

Und das tat er auch. Die Schulzin widersetzte sich, konnte aber nicht



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verhindern, daß János das Wasser kochte und es auf die Wolle schüttete. Dann machte er, daß er fortkam.

»Na, hast du dich ausgetobt?«

»Ja, Herr Schulze, jetzt kann es wieder an die Arbeit gehen.« Sie arbeiteten bis zum Abend und gingen dann heim. Diesmal beklagte sich die Frau, daß János die Wolle abgebrüht habe, und sie sagte, sie wolle ihn nun nicht länger im Hause haben.

»Wie aber kann ich ihn unschädlich machen? Wie kann ich ihn loswerden? Ich habe doch eine Abmachung mit ihm getroffen. Er wird mir unverzüglich Leder für ein Paar Schuhe und Schnürriemen aus dem Rücken schneiden.«

Der Schulze dachte sich nun aus, János in einen großen Wald zu schicken, und er sagte daher zu ihm: »Geh in den Wald, János ich habe dort eine Schweineherde und einen Hirten. Bringe ihm ein Hemd und eine weiße Pluderhose hinaus. Sage ihm, er soll das weiße Hemd und die weiße Pluderhose anziehen, denn er hat schon lange die Kleidung nicht gewechselt. Und dann treibt zusammen die Herde nach Hause.«

János machte sich auf den Weg. Der Schulze aber hatte gar keine Schweineherde im Wald; er hatte sich das nur ausgedacht, weil er hoffte, die wilden Tiere des Waldes würden János auffressen. János wanderte im Wald umher, fand aber nirgends eine Herde, nirgends einen Hirten, dem er doch Hemd und Pluderhose bringen sollte. Plötzlich erblickte er ein Rudel Wildschweine und einen Bären. Der Bär trieb die Wildschweine zusammen, und János meinte, der sei der Schweinehirt, und er sprach zu ihm:

»Warte, ich habe dir was mitgebracht: ein weißes Hemd und eine weiße Pluderhose. Hier, nimm und laß uns die Herde nach Hause treiben.«

Es fiel János ein, daß der Schulze ihm gesagt hatte, der Schweinehirt heiße Miklós.

»So warte doch, Onkel Miklós, wohin gehst du denn?«

Der Bär brummte: »Wrumm, wrumm, wrumm.«

»Darum, weil es der Schulze befohlen hat.«



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Der Bär tapste hin und her. János packte ihn und sagte:

»Hier ist das Hemd und die Pluderhose, Onkel Miklós, zieh dich an, und dann treiben wir die Schweine heimwärts.«

Aber der Bär wollte nicht. János gab ihm zwei Ohrfeigen; da fing der Bär wieder an zu brummen: »Wrumm, wrumm, wrumm.«

»Darum, weil wir jetzt sofort die Schweine heimwärts treiben müssen.«

Als der Bär merkte, daß es noch mehr Ohrfeigen geben würde, kletterte er auf einen Baum.

»Komm herunter, Onkel Miklós, komm, laß uns die Schweine heimtreiben, es wird bald Abend.«

Der Bär dachte gar nicht daran, vom Baum herunterzukommen. Da nahm János eine lange Stange und stieß damit so lange nach ihm, bis er herunterkam.

>Na, willst du noch immer nicht mitkommen, Onkel Miklós?«

Und wieder begann der Bär:

>Wrumm, wrumm, wrumm.«

»Warum, warum! Darum!« sagte János packte ihn bei den Ohren, gab ihm noch eine tüchtige Ohrfeige und zog ihn mit sich fort. Mit der Stange trieb er die Schweine an, mit der freien Hand hielt er Onkel Miklós fest. Als die Schweine merkten, daß das eine oder andere von ihnen den Stock zu spüren bekam, hielt das Rudel zusammen und ließ sich treiben. Nur eins von ihnen wollte sich durchaus nicht fügen, es lief immer wieder zu János um ihn zu beißen. Als es ihm zuviel wurde, erschlug er es mit seiner Stange, zog ihm das Fell ab, briet es und gab auch Onkel Miklós davon zu essen. Als sie gegessen hatten, machten sie sich wieder auf den Weg. János ließ nun Onkel Miklós los und schrie ihm zu, er solle die Schweine treiben. Der Bär aber tapste hin und her, er wollte einfach nicht arbeiten. Da packte ihn János bei den Ohren und zog ihn wieder mit sich fort. »Ich werde die Schweine ja doch allein heimtreiben müssen, und dich nehme ich auch mit, so wie es der Herr Schulze befohlen hat.«

Als der Schulze nun sah, wie die Schweine zum Tor hereingetrieben wurden, sagte er zu seiner Frau: »Ach, du lieber Gott! Da ist dieser



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János schon wieder, und er bringt auch noch einen Haufen Schweine mit!«

János aber sagte:

»Dieser Onkel Miklós ist keinen roten Heller wert. Ich habe ihm das weiße Hemd und die Pluderhose angezogen, und er wollte doch nicht mitkommen. Aber essen -das kann er, das halbe Brot hat er schon aufgegessen. Geben Sie dem nur keinen Lohn, er verdient keinen roten Heller.«

»Gut, mein Sohn, er bekommt keinen Heller, der untüchtige Kerl.«

»Aber wo sperren wir die Schweine ein?«

»Sperr sie in die Scheune und Onkel Miklós in den Schweinestall.« János tat, wie ihm befohlen. Er sperrte die Schweine in die Scheune, Onkel Miklós aber in den Schweinestall.

Am andern Tag sagte der Schulze: »Was soll ich diesen Schweinen nur zu fressen geben? Die fressen mir ja die Haare vom Kopf, wenn wir sie nicht in den Wald zurücktreiben. Wir müssen sie zurückjagen.«

»Ich will kein Schweinehirt sein«, sagte János darauf. »Aber wenn es dem Herrn Schulzen so gefällt, bitte, jagen Sie sie selbst zurück; wenn nicht, dann lassen Sie die Schweine von Onkel Miklós zurücktreiben und schlagen Sie drein, wenn er nicht arbeiten will.«

Der Schulze aber wollte keins von beiden; er wollte weder zu den Schweinen noch zu Onkel Miklós gehen. Er sagte daher: »Weißt du was, mein Sohn, wir wollen sie schlachten, aber alle.«

Sie begannen sie zu schlachten. Zwei Tage schlachteten sie die Schweine und sengten die Borsten im Strohfeuer ab. Am dritten Tag ging ihnen das Stroh aus; es war nichts mehr da, die Borsten abzusengen.

»Jänos, mein Sohn«, sagte der Schulze, »lauf und bitte den Nachbarn, uns Stroh zu leihen.«

János ging zum Nachbarn und bat, ihnen Stroh zu borgen. Der Nachbar sagte: »Dort hinten neben der Scheune liegt Stroh. Nimm dir, soviel du brauchst.«

János packte sich den ganzen Schober auf und wollte ihn über den



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Hof aus dem Garten schleppen. An der Ecke der Scheune aber blieb er hängen und konnte nicht weiter. Da fragte er den Nachbarn, ob er ihm erlaube, die Scheune ein wenig von der Stelle zu rücken. »Bitte, János nur zu!«

Der Nachbar meinte wohl, er habe gefragt, ob er mit dem Stroh weiterrücken dürfe. János aber packte die Scheune, gab ihr einen Stoß und schleppte das Stroh weg.

Sie sengten nun auch die übrigen Schweine im Strohfeuer ab und dachten dann darüber nach, wohin sie das viele Fleisch und den vielen Speck tun sollten.

Der Schulze aber zerbrach sich immer nur den Kopf, wie er János am besten umbringen könne. Im Hof war ein großer, ausgetrockneter Brunnen. Der Schulze meinte nun, man könne das Fleisch in diesem Brunnen unterbringen. Er ließ also János in den Brunnen steigen und legte einen großen Mühlstein über die Öffnung, damit sein Knecht nicht wieder herauskönne. Als der nun sah, daß man kein Fleisch mehr herabließ, spreizte er die Beine und kletterte hinauf bis zum Brunnenrand, wo der große Mühlstein ihm den Ausgang versperrte. Nun, das war gar nichts für János

Er steckte seinen Kopf in das Loch im Mühlstein, stieg aus dem Brunnen, ging zum Schulzen und sagte ihm guten Tag. »Grüß Sie Gott, Herr Schulze! So einen Hut hat der Herr Schulze noch nie gehabt! Aber nun möchte ich wissen, warum man kein Fleisch mehr heruntergelassen hat.«

Da sagte der Schulze: »Das übrige habe ich verkauft, János

Da kam mit einemmal die Nachricht, daß sich zwanzig bis dreißig Männer aus dem Dorf stellen sollten. Ein großer Krieg war im Gange, Feinde wollten das Land besetzen. Der Schulze geriet außer sich vor Freude, weil er János nun in den Krieg schicken konnte. Er ließ ihn kommen und sagte zu ihm:

»Jänos, mein Sohn, du mußt in den Krieg ziehen.«

»Was muß ich dort tun, Herr Schulze?«

»Nichts anderes, János als dich herumschlagen.«

»Gut, Herr Schulze, ich gehe«, sagte János



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Man packte ihm Maisbrei, Mehl und Schweinefleisch auf einer großen Pfanne in den Ranzen. Dann machte er sich auf den Weg.

Er kam dahin, wo Krieg geführt wurde, und sagte: »Zuerst koche ich Maisbrei, dann erst werde ich mich herumschlagen. Vorher muß ich noch tüchtig essen.«

Während er nun den Brei kochte, kamen die feindlichen Kanonenkugeln geflogen.

»Wenn ihr mich nicht in Ruhe laßt, wird es euch schlecht ergehen!« Aber der Feind schickte weiter seine Kugeln, die an ihm oder an dem Kessel vorbeiflogen.

»Die werden mir wahrhaftig noch meinen Breikessel umwerfen! Aber wartet nur, es wird euch schon an den Kragen gehen! Treibt nur ruhig euren Unfug!«

Und dann traf auch wirklich eine Kugel den Kessel. Der zerbrach in tausend Stücke, und es gab keinen Maisbrei mehr. Da wurde János böse. Inder Nähe stand ein Zelt. Er riß einen Zeltpflock heraus, warf sich auf den Feind und schlug ihn nach allen Regeln der Kunst. Der König hörte, daß da ein einzelner Mensch den Feind geschlagen hatte. Erließ ihn kommen, erwies ihm alle Ehren und gab ihm seine Tochter zur Frau.

Eine große Hochzeit wurde hergerichtet. Schüsseln und Löffel gab es genug, aber wer auch nur einen Tropfen Suppe bekam, konnte sich glücklich schätzen.

Ich bin auch hingegangen und habe um ein Stückchen Fleisch gebeten. Jemand warf mit einem Knochen nach meinem linken Bein - davon hinke ich heute noch. Hier in der Nähe wohnt ein Mann; der hat einen vollständig kahlen Kopf. Er heißt Marton Sámuel Fejér.. Der war auch da und bat um einen Tropfen Suppe. Jemand ärgerte sich darüber und goß eine Schüssel kochendheiße Suppe über ihn - davon ist er so kahl geworden, der arme Tropf.

Und wenn das junge Paar nicht gestorben ist, lebt es noch heute.


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