Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen

aus Polen Ungarn und der Slowakei

Märchen europäischer Völker


Die neun Fragen des Teufels

Einen armen Burschen packte die Lust zu heiraten, und er platzte vor seiner Mutter damit heraus, was er im Schilde führte.

»Oh, du Nichtsnutz, du unverbesserlicher! Wie kommst du dazu, zu heiraten!« sagte die Mutter höchst aufgebracht. »Schlage dir das aus dem Kopf, werde nur lieber vernünftig und mache dich an die Arbeit.«

»Ob es dir gefällt oder nicht, ich werde heiraten«, sagte der Bursche keck. »Es gehört sich nicht für mich, so herumzusitzen.« — »Das fehlte noch, daß du mir eine junge Frau ins Haus bringst«, sagte die Mutter. »Hier koche und backe und wasche ich, solange ich bei Kräften bin. Sieh dir nur an, wie das freche Frauenzimmer drüben beim Nachbarn mit ihrer Schwiegermutter umgeht! Wie sie die gute Frau ohne jeden Grund beschimpft und in der ganzen Straße verklatscht. Dabei ist sie selbst so voller Fehler wie der Gemüsegarten der Frau Dudás voll Unkraut! Und doch zerreißt sie sich das Maul, die Schwiegermutter sei schuld, obgleich doch das ganze Dorf weiß, daß es nicht so ist. So könnte auch deine Frau mit mir umgehen. Das fehlte mir gerade noch, eine großmäulige junge Frau im Haus, die ständig zetert! Drum sage ich dir, fange mit mir gar nicht wieder davon an, denn du wirst es bereuen, wenn du keine Ruhe gibst.«

Dem Burschen verging die gute Laune, er sah seine Mutter nur groß an und polterte los:

»Mach doch kein solches Geschrei, Mutter! Alle Burschen im Dorf, die in meinem Alter sind, haben schon geheiratet. Jetzt bin ich wohl an der Reihe.«

»Du machst mir umsonst große Augen«, sagte die Mutter, immer noch ärgerlich. »Ich weiß nicht, was für ein böser Geist in dich gefahren



Bd-04-156_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

ist, daß dir die Haut zu eng geworden ist; aber ich sage dir, es wäre besser, wenn du den Mund hieltest.«

»In mich ist kein böser Geist gefahren«, sagte der Bursche schmollend, »es ist einfach an der Zeit, daß ich heirate.«

Und wieder fing die Mutter an:

»Nun, wenn du wirklich eine Frau haben willst, dann nimm sie und bringe sie, wohin du willst, meinetwegen in die Hölle, aber in unser Haus - so wahr mir Gott helfe -bringst du sie nicht; eher dreh' ich dir den Hals um, als daß ich das erlaube.«

Der Vater des Burschen sagte kein Sterbenswörtchen, denn die Hosen hatte die Frau an.

Der arme Bursche grämte sich sehr. Mürrisch ging er aus dem Haus, kam auch zum Abendessen nicht in die Stube, sondern legte sich im Hof auf ein wenig staubigem Heu zur Ruhe. Er konnte aber die ganze Nacht kein Auge schließen.

Beim Morgengrauen stand er auf und zog los, sich eine Braut zu suchen. Er ging ziemlich traurig und verärgert davon, weil seine Mutter so übel mit ihm umgegangen und ganz außer Rand und Band geraten war, nur weil er heiraten wollte.

Er wanderte mutterseelenallein mit einem leichten Stab und mit leerem Ranzen, denn die Mutter hatte ihm keine Wegzehrung mitgegeben. Er ging durch unbekannte Gegenden, über Berg und Tal, bis er schließlich nach langer, langer Zeit an eine blanke kupferne Brücke kam. Dort blieb er stehen und bewunderte die Brücke, wagte es aber nicht, sie zu betreten. Wie er so dastand, erblickte ihn ein alter Mann mit weißem Bart; der sagte zu ihm: »Geh doch, du armer Bursche, geh und hab keine Angst. Geh aber nur auf den Zehenspitzen über die Brücke, sonst geht es dir an den Kragen, denn diese Brücke nennt man die Teufelsbrücke. Geh also hinüber, aber so, daß deine Stiefel nicht knarren. Bisher sind hier neunundneunzig Menschen umgekommen, weil sie kecken Ganges und nicht fein still hinübergegangen sind. Einmal ist hier ein ganzer Hochzeitszug mit Wagen und Pferden, Bräutigam und Braut umgekommen, weil sie dröhnend und polternd über die Brücke jagten.«



Bd-04-157_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

Der arme Bursche scheute sich anfangs, die Brücke zu betreten; er hatte eine solche Angst, daß er am ganzen Leibe zitterte. Da man aber die Brücke von keiner Seite umgehen konnte, faßte er schließlich doch Mut und kam auch glücklich über die kupferne Brücke hinüber, genauso, wie es ihm der Alte mit dem weißen Bart geraten hatte. Kaum hatte er aber auf der anderen Seite zehn oder zwölf Schritte getan, da sprang ein Teufel unter der Brücke hervor und rief ihm zu: »Halt, halt, du armer Bursche! Hab keine Angst, ich möchte nur ein paar Worte mit dir reden.«

Der arme Bursche blieb gleich stehen, erschrak aber so sehr, daß ihm vor Angst der Atem stockte. Der Teufel trat an ihn heran und sprach zu ihm:

»Höre, du armer Bursche, ich weiß, weshalb du ausgezogen bist. Ich weiß, daß du heiraten willst, und auch, daß du arm bist. Und weil du so anständig über meine Brücke gegangen bist, mich nicht gestört und mir keinen Ärger verursacht hast wie andere Reisende, will ich dich belohnen, damit du, wenn du deine Braut heimführst, auch fürs Hochzeitsfest aufkommen kannst. Wenn du also mit deiner Braut zurückkommst, dann nimm keinen anderen Weg, sondern komm hier vorbei; dann gebe ich dir, was ich dir geben will. Nun aber geh, von dieser Stelle gerechnet, bis zum neunten Dorf; es heißt Frommdorf. Solltest du den Weg nicht wissen, dann frage nur alle Leute, denen du begegnest, wo Frommdorf liegt, sie werden dir schon Bescheid geben. In diesem Dorf wohnt gleich am Rande ein Bauersmann. Der hat drei Töchter. Freie um die Schönste. Wenn man sie dir nicht gibt, dann um eine andere.«

Der arme Bursche machte sich auf den Weg und rastete nicht, bis er Frommdorf erreicht hatte. Dort ging er in das Haus, in das ihn der Teufel gewiesen hatte. Der arme Bursche wurde freundlich aufgenommen. Die Mädchen ahnten, daß er auf der Brautschau war. Sie umgirrten ihn, zierten sich, verdrehten die Augen und bewirteten ihn mit Eierkuchen. Während sie sich dann unterhielten, rückte der Bursche damit heraus, daß er gekommen sei, weil er eine von den Töchtern zur Frau nehmen möchte, wenn man sie ihm gäbe.



Bd-04-158_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

»Welche von den dreien möchtest du denn haben?«fragte der Vater der Mädchen.

Der Bursche zeigte auf die Jüngste, denn sie war die Schönste, und sagte: »Diese möchte ich haben.«

»Ei, mein Junge«, antwortete der Vater, »und freite gar der reichste Prinz um meine Jüngste, ich gäbe sie ihm nicht, bevor ich nicht die beiden älteren unter die Haube gebracht hätte!«

»Dann gebt mir meinetwegen die Älteste, wenn es Euch so lieber ist«, sagte der Bursche.

Daraufhin versprachen ihm Vater und Mutter die älteste Tochter. Sie ließen gleich den Geistlichen holen, und der traute sie auf der Stelle. Nach der Trauung aßen sie zusammen zu Mittag. Dann machte sich das junge Paar auf den Weg. Als sie an die Teufelsbrücke kamen, gingen sie so fein still hinüber, wie es der Bräutigam getan hatte, als er allein über die Brücke gegangen war. Da sprang der Teufel unter der Brücke hervor und rief: »Halt, ihr da! Jetzt will ich euch geben, was ich versprochen habe.« Die jungen Leute blieben stehen, und der Teufel trieb neun fette Schweine unter der Brücke hervor und sagte zu dem Bräutigam: »Hier, diese neun Schweine schenke ich euch. Laßt sie schlachten, und aus einem Teil des Kleinzeugs richtet das Hochzeitsmahl. Den Speck von den neun Schweinen aber hängt auf den Boden und geht sparsam damit um. Dir aber, Bräutigam, sage ich nun: Heute in vier Wochen werde ich dich um Mitternacht heimsuchen, und wenn du mir auf meine neun Fragen nicht antworten kannst, verlierst du den Speck von den neun Schweinen und wirst auch noch sonstiges Ubel erfahren. Laß dir das gesagt sein!«

Dem Bräutigam ging diese Rede wie ein Mühlrad im Kopf herum. Nichtsdestoweniger nahmen die beiden die neun fetten Schweine und trieben sie nach Hause, aber nicht ins väterliche Haus, denn die Mutter hatte ja dem Bräutigam gesagt, er solle ihr keine Frau ins Haus bringen. Sie mieteten vielmehr im Dorf ein nettes Häuschen von dem Mitgebrachten der Braut, und da zogen sie ein. Sie ließen die neun fetten Schweine schlachten. Mit dem Kleinzeug von zweien



Bd-04-159_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

bereiteten sie das Festmahl, und den Speck von den neun Schweinen hängten sie auf den Boden. Dann gingen sie an die Feldarbeit.

Als die vier Wochen nach der Hochzeit um waren, bekam es der Bräutigam mit der Angst. Der Gedanke an die neun Fragen des Teufels, die er vielleicht nicht würde beantworten können, beunruhigte ihn sehr. Während er sich so abhärmte, kam ein schrecklich zerlumpter, wie ein Bettler aussehender Fremder und bat um Unterkunft für die Nacht. Sie nahmen ihn auf und gaben ihm auch ein gutes Abendessen. Dann legte sich der Fremde neben den Ofen, und als er da in der Asche lag, fragte er den Bräutigam, warum er so traurig sei, während doch Jungvermählte meistens gut gelaunt seien. »Ich habe Sorgen, große Sorgen«, sagte der junge Mann. »Schweres steht mir bevor, denn ich soll heute auf neun Fragen antworten. Wenn ich nur wüßte, was für Fragen das sind, dann sähe alles anders aus. Ich würde mich längst nicht so grämen. Das Schlimmste ist ja gerade, daß ich nicht weiß, um was für Fragen es sich handelt. Und wenn ich sie nicht beantworten kann, wird es mir übel ergehen.« »Deswegen brauchst du dich kein bißchen zu grämen«, sagte der Bettler neben dem Ofen. »Ueberlaß mir die ganze Sache. Du sei ganz still und sprich kein Wort. Ich werde an deiner Statt alle Fragen beantworten.«

Das tröstete den jungen Mann einigermaßen. Er ging mit seiner Frau zu Bett; einschlafen aber konnten sie beide nicht. Sie wälzten sich hin und her vor Sorge, was nun wohl kommen würde.

Als sie so ruhelos dalagen, klopfte es um die Mitternachtsstunde ans Fenster. Draußen stand der Teufel und rief mit lauter Stimme:

»Schläfst du, Bauer?«

»Ich schlafe nicht«, antwortete an Stelle des Bauern der Bettler neben dem Ofen.

»Traust du dir zu, meine neun Fragen zu beantworten?«fragte der Teufel weiter.

»Das trau' ich mir zu«, sagte der Bettler.

»Nun, und wenn ich zuallererst frage: Wovon gibt es immer nur eins auf der Welt?«



Bd-04-160_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

»Es gibt einen Gott im Himmel, eine Sonne am Himmel, und jeder

Mensch hat nur einen Kopf«, antwortete der Bettler.

Nun fragte der Teufel:

»Kannst du etwas auf >zwei<sagen?«

»Wer zwei gesunde Augen hat, ist glücklich, weil er alles unter der Sonne klar sehen kann.«

»Was kannst du auf >drei<sagen?«

»Ein Haus mit drei Fenstern ist innen ziemlich hell.«

»Laß hören, was du auf >vier< zu sagen hast.«

»Vier Räder an einem Wagen sind gerade genug, mehr sind nicht nötig.«

»Nun sag etwas auf >fünf<.«

»Fünf Finger genügen, um den Knauf eines Säbels zu fassen.«

»Sag etwas auf >sechs<.«

»Wer sechs gute Ochsen hat, mag pflügen, säen, eggen und Holz einfahren ohne fremde Hilfe.«

»Ich glaube nicht, daß du etwas auf >sieben< zu sagen weißt.«

»Wer sieben Töchter hat, dem mag der Kopf schwirren, bis er alle sieben an den Mann gebracht hat.«

»Nun sag etwas auf >acht<.«

»Wer acht Fuder Weizen in der Tenne hat, ist nicht auf anderer Leute Gnade angewiesen.«

»Was sagst du zuletzt auf >neun<?«

»Wer Speck von neun Schweinen auf dem Boden hat, braucht den Nachbarn nicht um Schmalz zu bitten.«

Der Teufel staunte über die passenden Antworten, denn er glaubte, es sei der Bauer gewesen, der ihm geantwortet hatte, und darum sagte er:

»So bleib denn ungeschoren; ich sehe, du weißt mehr als ich.« Und damit ging er dahin, woher er gekommen war. Der junge Bauer bewirtete am nächsten Morgen den Bettler mit Speise und Trank und schenkte ihm überdies einen feinen Schinken, Haxen und noch anderes. Er gab es aus frohem Herzen, denn der Bettler hatte ihn ja vor großem Kummer bewahrt. Die jungen Leute aber stellten sich



Bd-04-161_Maerchen aus Ungarn Flip arpa

so fleißig an, daß sie sich in kurzer Zeit einen hübschen Hof schaffen und sich ein Haus bauen konnten. Und die junge Frau half auch ihrer Schwiegermutter, als diese hinfällig wurde, und sie bäckt noch heute Palatschinken, wenn der Speck inzwischen nicht alle geworden ist.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt