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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Von einem alten Mann und einer alten Frau

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Die lebten in großer Armut, und je älter sie wurden, um so schlechter ging es ihnen. Denn alle ihre Habe besaßen ihre Herren und die Armen mußten in Geduld alles tragen und auf Gottes Gnade warten. Wenn aber einer ganz ungeduldig seufzte oder etwas verschuldete, schon schlugen sie ihn, und das konnten sie tüchtig. Wenn aber einer Glück hatte, so freute sich nicht der, dem es zukam, sondern der Herr.

So lebte zur Zeit des Frondienstes - so erzählte unser Vater - am Waldesrande ein Gärtner, nicht weit vom Hofe und wie die Förster in der Nähe des Waldes und Flusses. Dieser Mann stellte im Walde Schlingen, und in das Wasser legte er Reusen, um auf diese Weise für seine schwere Arbeit einen Braten zu bekommen. Eines Tages fand er in der Erde unerwartet Geld versteckt, und es war so viel, daß er es nicht allein nach Hause tragen konnte. Er mußte es also seiner Frau sagen. So etwas kann aber nicht vom Glück sein. Drum dachte er nach, wie er seine Frau betrügen könnte. Er fand in der Schlinge einen Hasen, den nahm er und brachte ihn zu der Reuse. Dort fand er einen Hecht. Den nahm er heraus und steckte den Hasen hinein, und den Hecht legte er in die Schlinge. Dann kaufte er einen Sack voller Kringel, streute sie nachts im ganzen Hofe aus und steckte sie auf die Zaunpfähle. Als es ganz dunkel war, sagte der Mann zu seiner Frau, er habe Geld gefunden, und beide gingen hinaus, um das Geld nach Hause zu schleppen. Zunächst gingen sie zu der Schlinge. Da fanden sie einen Hecht. Dann gingen sie zu der Reuse. Da fanden sie einen Hasen. Danach gruben sie das Geld aus der Erde. Im Walde blökten aber die Kälber so sehr, daß es sich



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ganz furchtbar anhörte. Die Frau fragte: »Wer schreit da so? Ich fürchte, es kommt einer.« —»Du Dummkopf!« sagte der Alte. »Unsern Herrn haben die Leute an einen Baum gebunden und schlagen ihn, weil er nicht gut Gericht gehalten hat.«

Sie brachten das Geld nach Hause, versteckten es und legten sich dann schlafen.

Früh am Morgen stand der Alte zuerst auf, machte sich auf dem Felde zu schaffen, und als er zurückkam, schalt er seine Frau: »Weshalb schläfst du so lange? Weißt du nicht, daß es heute nacht Kringel geregnet hat. Andre haben schon gesammelt. Steh eilends auf und sammle auch!« Das tat die Alte und hatte einen ganzen Sack voll. Schließlich verbot der Alte seiner Frau, niemand davon zu sagen, daß sie Geld gefunden hätten. Und sie versprach es.

Sie lebten nun herrlich und kleideten sich hübsch. Da dachten die Nachbarinnen: >Wovon sind die so reich geworden?<Die eine und die andre fragte danach. Diesmal hielt sie es noch geheim, aber schließlich sagte sie: »Du Törin, du fragst, wovon wir so reich geworden sind! Weißt du denn nicht, daß mein Mann Geld gefunden hat? Warum sollten wir nicht in Freuden leben? Doch ich bitte dich, sprich zu niemand davon! Mein Mann schlägt mich sonst tot.« — »Aber wo werde ich denn?« Als sie nach Hause kam, erzählte sie es allen, und schließlich drang es bis zu den Ohren des Herrn.

Der Herr rief die Alte und fragte: »Hat dein Mann Geld gefunden?« —»Nein.« —»Aber du hast doch davon gesprochen?«Anfangs leugnete sie, aber als er mit der Hand nach den Ruten griff, bekannte sie. Der Herr rief den Mann und fragte ihn. Der antwortete: »Was könnt Ihr eine dumme Frau fragen? Wißt Ihr nicht, daß sie dumm ist? Sie soll sagen, wann das war!«Aber die Frau war böse auf ihren Mann und schrie: »Herr Richter, glaubt ihm nicht, er lügt! Wir haben das Geld in der Nacht gefunden, als es Kringel regnete.« — »Ihr seht ja, Herr, daß sie dumm ist«, erwiderte darauf der Alte. »Du Scheusal, weißt du nicht, daß es in der Nacht war, als wir einen Hecht in der Schlinge und einen Hasen in der Reuse fanden? Und da leugnet das Scheusal! Und auch Ihr, Herr Richter, könnt Euch daran noch erinnern. Es war jene Nacht, als Euch die Leute an den Baum banden und Euch schlugen, weil Ihr



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nicht gut Gericht gehalten habt.« Da ward der Herr sehr böse, gab ihr ein paar Faustschläge und warf sie aus dem Hause.


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