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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Die Geschichte eines Dummkopfes

Es war einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Die hatten einen Sohn. Der war ein Dummkopf. Die Mutter wollte, daß ihr Sohn wenigstens ein bißchen klüger werde, und sagte daher einmal zu ihm: »Lieber Sohn, du mußt in die Welt gehen und unter die Leute treten. Dadurch wirst du hoffentlich etwas verständiger.« Der Sohn gehorchte. Er kam durch ein Dorf und sah auf einer Tenne die Leute Erbsen dreschen. Er näherte sich ihnen und begann bald den einen, bald den andern zu treten. Zunächst baten sie ihn im Guten, er solle von seinem Tun ablassen. Wie sie aber sahen, daß er nicht hörte, schlugen sie mit den Dreschflegeln auf ihn los, und sie schlugen so derb, daß er kaum noch nach Hause kam. Die Mutter sah ihren Sohn weinen und fragte ihn sogleich nach der Ursache. Der Sohn erzählte ihr sein ganzes Leid. »Ach, was bist du auch für ein Dummkopf!« antwortete ihm die Mutter. »Du hättest sagen müssen: Gott lohn's euch! Ich wünsche euch so viel, daß ihr es tragen könnt und es niemals ein Ende nehme, daß ihr es fahren könnt und es niemals ein Ende nehme. Dann hättest du Erbsen erhalten. Die hätten wir gekocht und gegessen.« Am nächsten Tage ging der Dummkopf wieder durch ein Dorf und traf Leute, die einen Toten begruben. Da schrie der Dümmling laut, wie es ihn die Mutter gelehrt hatte: »Gott lohn's euch! Ich wünsche euch so viel, daß ihr's tragen könnt und es niemals ein Ende nehme, daß ihr's fahren könnt und es niemals ein Ende nehme.« Da schlugen sie wieder auf den Dummkopf los, und als



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er nach Hause kam, war er böse auf seine Mutter, weil sie ihn einen so schlimmen Spruch gelehrt hätte. Da entgegnete sie ihm: »Du hast wieder unrecht gehandelt. Du hättest hinknien, beten und heftig weinen müssen.«

>Jetzt<, dachte der Dummkopf, >werde ich mich nicht mehr täuschen lassen. Jetzt weiß ich genau, was ich in Zukunft tun muß.<Nach einigen Tagen ging der Dummkopf wieder in ein Dorf. Da hörte er, wie sie in einer Hütte spielten, tanzten und sangen. Es war da nämlich eine Hochzeit.

Er ging in das Gehöft, nahm seinen Hut ab, fiel auf die Knie, weinte und betete Vaterunser: »Gott der Herr gebe euch die ewige Ruhe! —

»Was ist das für ein Mensch?« riefen die trunkenen Hochzeitsleute.

»Wir sind alle fröhlich, und er weint, wie wenn er seinen Vater umgebracht hätte.«Sie sprangen auf den Dummkopf los und gaben ihm wieder tüchtige Rippenstöße. Seit der Zeit schwur sich die Mutter zu, ihren Sohn nicht mehr unter die Menschen zu lassen, und bis heute geht er nicht mehr aus seinem Hofe.


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