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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Der Kampf mit dem Riesen

Es war einmal ein Junge, dem waren beide Eltern gestorben. Er hatte nicht einmal einen Platz zum Schlafen und wanderte darum in die weite Welt hinaus, vielleicht würde es irgendwo Unterkunft für sein Leben finden.

Für die Reise hatte er nichts weiter als einige runde Quarkkäslein und in der Hand einen kräftigen, eisenbeschlagenen Eichenstab. Auf seiner Reise fand er einen Vogel, der ermattet auf der Erde lag. Um ihn zu erwärmen, steckte er ihn in die Tasche. Da kam er an einen Berg und stieg hinauf, um sich umzusehen, wo er eigentlich sei. Oben begegnete er einem häßlichen Riesen, der ihn erschlagen wollte. Da stieß er rasch mit seinem Stöcklein auf eine Zehe des Fußes, daß jener vor Schmerz zu tanzen begann und um Hilfe schrie; er hatte ein Hühnerauge getroffen und sehr schmerzlich berührt.

»Na, na!« sagte dreist der Waisenknabe. »Was schreist du so gräßlich, ich habe noch kaum meinen Stock gebraucht! Was wird sein, wenn ich dir eins ordentlich über den Rücken ziehe?«und er hob schon drohend den Stock.

»Schlag nicht! Schlag nicht!«schrie der Riese. »Wir wollen miteinander reden wie Brüder. Dieser dein Knüppel ist so schmerzhaft, wenn er kaum berührt. Ich will sehen, ob du auch sonst Kraft hast. Wir wollen uns im Drücken versuchen.«

Er ergriff einen Holzklotz in der Mitte und drückte so fest, daß an beiden Enden der Saft zu fließen begann.

»Das ist nichts!« antwortete der Waisenknabe. »Ich werde einen Stein nehmen und drücken.«

Er ergriff einen Käse und drückte, daß das Wasser in Strömen zu Boden floß. »Das ist eine Kraft! —Nun wollen wir versuchen, wer am weite-



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sten wirft.« Der Riese ergriff einen Stein so groß wie eines Mannes Kopf und warf ihn ein gutes Ende; der Waisenknabe aber nahm den Vogel aus der Tasche, und als er ihn warf, flog dieser erschreckt weiter und weiter, bis er aus den Augen verschwand; keiner von beiden sah ihn fallen. »Das ist ein Werfen!« Der Riese erschrak, als er das sah, wollte ihn doch lieber als Freund haben und lud ihn sich in sein Haus zu seinen Brüdern, denen er alles erzählte. Diese erschraken und verabredeten, gemeinschaftlich in der Nacht ihn im Schlaf zu erschlagen.

Sie fühlten nach seinem Kopf, ergriffen eine dicke Eisenstange und hieben über das Kissen, daß auch das Bett zusammenfiel. So dachten sie, daß sie seinen Kopf zerschlagen hätten. Der Waisenknabe aber hatte sich wohlweislich aufs Fußende gelegt und an Stelle des Kopfes einen umwickelten Topf hingelegt. Als das Bett auseinanderbarst, sprang er auf und schrie: »Wer hat da mein Bettchen berührt, wo ist bloß mein Stöckchen?«Da liefen die Riesen erschrocken mit Gepolter hinaus und überließen ihm allein das Haus, wichen ihm auch wer weiß wie weit aus. Der Waisenknabe aber setzte sich in dem Hause fest und wohnte darin ohne alle Ängste, solange erlebte.


Copyright: arpa, 2015.

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