Märchen aus Finnland und dem Baltikum
Illustrationen
von Ingeborg Ullrich
Märchen europäischer Völker
Die Frau, die böser war als der Teufel
In einem Dorfe lebte ein Mann mit seiner Frau, und beide vertrugen sich so gut, daß kein böses Wort bei ihnen zu hören war. Ein halbes Jahr arbeitete der Teufel dahin, sie irgendwie in Streit zu bringen, aber es gelang ihm nie, und er spie vor Ärger aus und ging aus ihrer Wohnung. Da begegnete ihm eine uralte Frau, die durch die Welt schweifte. Die fragte ihn: »Warum speist du so aus?« Der Teufel erzählte ihr sein Unglück. Da versprach die Alte für ein Paar neue Schuhe und Handschuhe, die Leute in Zwietracht zu bringen. Sie ging, um zu betteln, zu der Bäuerin gerade dann, als ihr Mann auf dem Felde pflügte, und bat anfänglich um eine milde Gabe. Als die Bäuerin ihr diese gegeben hatte, sagte sie: »Ach, meine liebe Wohltäterin, wie gut bist du doch! Ein Mann muß doch eine solche Frau von Herzen liebhaben. Ich weiß, ihr verträgt euch sehr gut wie niemand wieder auf der Welt. Aber, liebe Frau, ich will dich lehren, wie ihr euch noch mehr liebhaben könnt. Mitten auf dem Kopf von deinem Mann ist ein graues Haar. Das mußt du abschneiden, aber so, daß er es nicht sieht.« — »Wie könnte ich das tun?«fragte die Bäuerin. »Nun so«, antwortete die Alte, »wenn du deinem Mann das Mittagessen hinausträgst, dann sage ihm, er solle sich umlegen und auf deinen Knien sich ein wenig ausruhen, und sobald er einnicken will, nimm ein Messer aus der Tasche und schneide das graue Haar ab!«Die Bäuerin bedankte sich bei der Alten und gab ihr für die gute Lehre ein besonderes Geschenk. Dann ging die Alte aufs Feld und suchte den Bauern zu warnen, daß ihm kein Unglück geschehe. Denn seine geliebte Frau wollte ihn nach dem Mittagessen töten und danach einen Reicheren heiraten. Zur Mittagszeit brachte die Bäuerin ihm das Essen, und nach dem Mahl ließ sie ihn sich auf ihre Knie legen. Er stellte sich so, als ob er schliefe. Da nahm seine Frau ein Messer aus der Tasche, um das graue Haar abzuschneiden, wie es ihr die Alte gesagt hatte. Er
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aber, husch, sprang wütend auf sie los, faßte sie bei den Haaren und schlug sie unter lautem Fluchen.
Der Teufel hatte alles mit angesehen und traute seinen Augen kaum. Dann nahm er ein langes Scheit, hängte an das eine Ende die versprochenen Handschuhe und Schuhe, an dem andern Ende faßte er es an und reichte alles von ferne der Alten. Dabei sprach der Böse: »Um alles Geld in der Welt komme nicht näher heran, denn du bist viel klüger als ich.« Damit gab er ihr die Schuhe und die Handschuhe und verschwand schnell wie der Blitz.
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