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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Bauer, Bär, Wolf und Hase

Ein Mann zimmerte sich im Walde eine Mulde. Eben war die Mulde fertig, da sah er zu seinem Schrecken ganz nahe von sich einen Bären angestapft kommen. Wohin nun? Sollte er auf einen Baum klettern? Der Bär würde ihm nachklettern. Nein, lieber wirft er sich schnell auf die Erde, stülpt die Mulde über sich und rollte sich, so gut er kann, in



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ihrer Höhlung zusammen. Der Bär kommt, hockt sich auf die Mulde und bemerkt gar nicht, daß darunter ein Mensch steckt. Er hockt und hockt eine Weile, da trifft es sich, daß der Wolf vorübergeht. »Wohin läufst du? Es eilt ja nicht!« rief ihm der Bär zu, »komm etwas plaudern!« Gut. Nicht lange darauf hüpft der Hase vorbei.

»Wohin so eilig?«rief ihm der Bär zu, »komm, wir wollen plaudern!« Gut, sie plaudern also alle drei. Da kommt dem Wolf der Einfall: »Hört, was ich sage: wir müssen etwas zu beißen haben. Ich will aus dem Stall des Bauern ein Schaf stehlen; was könntest du, Bär, herbeischaffen?«

»Ich will einen Bienenstock mit Honig herschleppen; was kannst du, Häschen, besorgen?«

»Ich will einen Kohlkopf schaffen.«

Gesagt, getan. Der Wolf geht, ein Schaf zu erbeuten, der Bär nach dem Honig, der Hase nach dem Kohlkopf. Aber unterdessen kriecht mein Bauer hurtig unter der Mulde hervor und eilt auf Umwegen dem Wolf voraus. Er läßt die Bäuerin kochendes Wasser besorgen und stellt sich hinter der Stallecke auf die Lauer.

Es währte nicht lange, so ist der Wolf da und schleicht sofort in den Stall, das Schaf zu rauben. Aber kaum ist er drin, so schlägt der Bauer die Tür zu und schreit aus vollem Halse: »Frau, kochendes Wasser, kochendes Wasser her!« Die ist auch sofort mit einem vollen Eimer zur Stelle. Der Bauer öffnet die Tür, und sowie nun der Wolf hervorspringt, gießt er ihm einen tüchtigen Guß siedenden Wassers aufs Fell und verbrüht ihn so furchtbar, daß er fast auf dem Fleck geblieben wäre. Und während sich nun der arme Tropf langsam fortschieppt, läuft der Bauer wieder auf einem Umwege zurück und verkriecht sich unter der Mulde.

Es war auch die höchste Zeit, denn schon nach einer kleinen Weile schleppte der Bär den Bienenstock heran und der Hase den Kohlkopf; nur vom Wolf war noch keine Spur zu sehen. Zuletzt sah man ihn wohl in der Ferne langsam, langsam antrotten. Da sagte der Bär: »Sieh da, was der Wolf für eine Last schleppt, er kommt ja kaum vom Fleck. Wie er aber näher kommt, trägt er gar keine Last, nur die Füße gehorchen ihm nicht. Die beiden wundern sich, aber der Wolf beginnt seine



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Erzählung: »Ach, ihr Freunde, wie schnell kann man dort sein Leben verlieren, mit genauer Not bin ich entwischt. Besonders hat man sich zu hüten, wenn man die Worte hört: >Frau, kochendes Wasser!< Ich sage euch, wenn ihr das hört, dann fackelt nicht mehr, sondern lauft, was ihr könnt.«

Kaum war der Wolf zu Ende, als der Bauer unter der Mulde aus Leibeskräften schrie: »Frau, kochendes Wasser!« Kaum hörten der Wolf, der Bär und der Hase die Worte, da war es wie wenn Feuer ins Werg gerät: alle stoben davon in den Busch. Aber der Bauer nahm vergnügt den Honig, den Kohlkopf und seine Mulde und ging singend heim.


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