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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Wie die Katze die Füchse tötete

Einst erwarben sich eine Katze und ein Hahn eine Badehütte zu erb und eigen. Unweit der Badehütte hatte auch Gevatter Fuchs seine Höhle. Eines Tages ging die Katze auf die Jagd, der Hahn blieb indes zu Hause. Das sah Gevatter Fuchs. Er kam hinkend zur Badehütte geschlichen und jammerte: »O weh, wie mir meine Füße frieren, wie mir meine Füße frieren, und wie schön warm es da drinnen ist!« Der Hahn wurde mitleidig gestimmt, er ließ den Gevatter ein, sich zu erwärmen. Der Gevatter tat, als fröstele ihn, und er fragte den Hahn: »Nachbar, was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.« — »Kannst du mir nicht auch ein wenig davon zu essen geben? Du weißt nicht, wie grimmig es mich friert.«

»Weshalb nicht«, sagte der Hahn und schickte sich an, ihm von der Suppe einzuschöpfen. Aber das hatte Gevatter Fuchs, der Schläuling, eben gewollt: sowie der Hahn sich niederbeugt, sitzt ihm der Gevatter graps! im Nacken. Gleich schleppt er ihn in seine Höhle. Zum Glück kam die Katze gerade von der Jagd nach Hause, die begegnete dem Gevatter und befreite den Hahn. Der Hahn schüttelte sich und wunderte sich: »Gott weiß, wohin er mich geschleppt hätte.«

»Geh, geh, du Leichtfuß! Wohin er dich geschleppt hätte? Das Fell hätte er dir über die Ohren gezogen. Daß du mir morgen niemanden hereinläßt!«

Am nächsten Morgen ging die Katze wieder auf die Jagd, während der



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Hahn zu Hause blieb. Da war der Gevatter wieder zur Stelle: »O weh, wie mir meine Füße frieren, wie mir meine Füße frieren, und wie schön warm es da drinnen ist!«

Der Hahn bekam Mitleid, und er ließ ihn wieder ein. Der Gevatter tat, als zitterte er vor Kälte, und fragte den Hahn: »Gevatter, was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.«

»Kannst du mir nicht auch ein wenig davon zu essen geben? Du weißt nicht, was für eine Gänsehaut mir über den Rücken läuft.« — »Weshalb nicht!« erwiderte der Hahn und schickte sich an, ihm von der Suppe einzuschöpfen. Darauf hatte der Gevatter nur gewartet. Sobald ihm der Hahn den Rücken drehte, saß ihm der Gevatter graps! im Nacken.

Gleich schleppt er den Armen in seine Höhle. Fast hatte er sie erreicht, da erschien die Katze. Die nahm dem Gevatter den Hahn fort. Auf dem Heimweg sagte der Hahn: »Gott weiß, wohin er mich geschleppt hätte!« —»Dummer Kerl, was schwatzt du noch viel! Das sage ich dir, wenn du morgen wieder jemand hineinläßt, meiner Treu, dann gibt es Prügel!«

Am nächsten Morgen ging die Katze wieder auf die Jagd, während der Hahn zu Hause blieb. Da war auch schon der Gevatter: »O weh, wie mir die Füße frieren, wie mir die Füße frieren, und wie schön warm ist es da drinnen!«

Der Hahn bekam Mitleid, er ließ trotz aller Warnungen den Gevatter ein. Der Gevatter tat, als zittere und bebe er wie Espenlaub, und fragte den Hahn: »Was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.«

»Hähnchen, Nachbar, gib mir doch ein klein wenig von deinem Kohl!« Das Hähnchen ging nach einem Töpfchen, um dort hineinzuschöpfen, da packte ihn der Gevatter im Genick und schleppte ihn in seine Höhle.

Die Katze kam nach Hause, der Kohl kochte, aber vom Hähnchen war nichts zu sehen. Sie begriff sofort, was mit dem Hähnchen geschehen war. Lange, lange überlegte sie, wie man es noch aus den Krallen des Fuchses retten könnte. Zuletzt kam ihr ein guter Einfall. Sie eilte in die Stadt und kaufte eine Harfe und ein Schwert. Dann ging sie zu der Höhle des Gevatters und fing so schön zu spielen an, daß man Tränen vergießen mußte.



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Die Töchter des Gevatters, Daria, Paria und Maria kamen gleich hervorgekrochen, um den lieblichen Klängen zu lauschen. Aber sobald eine sich vor der Höhle blicken ließ, hieb ihr die Katze mit dem Schwerte schwapp! den Kopf herunter. Dann spielte sie weiter. Nach einer Weile kam die alte Füchsin hervorgekrochen. Schwapp! hieb die Katze auch ihr den Kopf ab. Dann spielte sie weiter. Nach einer Weile kam Gevatter Fuchs selbst zum Vorschein. Da schwang die Katze ihr Schwert und hieb ihm auch den Kopf ab. Die lagen nun da wie gefällt; aber die Katze säumte nicht lange, sondern eilte in die Höhle. Welch schrecklicher Anblick! Das Hähnchen lag mit gebundenen Füßen auf dem Rücken und hatte eben geschlachtet werden sollen. Wäre die Katze nur ein klein wenig später gekommen, so wäre das Hähnchen schon im Jenseits gewesen.

Von jenem Tage an hatten die Katze und das Hähnchen zwei Wohnungen: im Winter wohnten sie in der Badehütte, im Sommer dagegen in der Höhle des Fuchses.


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