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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Wie der Bauer in die Hölle kam

Einmal, schau, hat sich folgendes ereignet: Ich kam recht gründlich bezecht aus dem Kruge und fiel in einen Graben. Dabei wäre nun nichts weiter gewesen - im Rausch kann man ja wohl in den Graben fallen, wenn der einem vor die Füße kommt -, wenn ich nur nicht immer hätte weiter fallen müssen. So fiel und fiel ich also, und wißt ihr, wohin ich fiel? —Wahrhaftig geradeswegs in die Hölle. Sollte der Böse selbst mich in seine Klauen bekommen haben, dann hole der Teufel die Sauferei, meiner Treu, so dachte ich in meiner Angst, und der ganze Rausch war verflogen.

Was jetzt tun? Entdeckt dich der Teufel, so wirft er dich gleich in den Höllenkessel!

Aber wie ich mich dort versteckt hielt und kein Teufel sich um mich zu kümmern schien, da wurde ich ganz allmählich dreister, bis zuletzt alle Furcht vergangen war und nur der eine Gedanke mein Herz bedrückte: Die Schande, daß du durch den Suff bei lebendigem Leibe in die Hölle geraten bist! Aber was war da zu machen, man erlebt halt bisweilen sonderbare Dinge. Schließlich zerbreche ich mir den Kopf: Sollte es denn keine Möglichkeit geben, wieder aus der Hölle herauszukommen? Ich überlege mir: Wer sollte dich wohl aus der Hölle herauslassen? Die Gedanken laß lieber beiseite. Ich fange also an, mich umzuschauen, ob sich nicht irgendwo etwas für mich zu tun findet, denn immer nur durch die Hölle zu schlendern, das wurde mir auf die Dauer auch zu langweilig. Aber wart einmal, denke ich, sag gar nichts, vielleicht kann ich mir doch aus der Patsche helfen: ich war doch da



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droben immer ein großer Baumeister, und als ich in den Krug ging, habe ich mir auch den Zollstock in die Tasche gesteckt - an all das erinnerte ich mich - und in der Hölle gibt es keine Kirche, die muß ich jedenfalls bauen.

Und hurtig hole ich den Zollstock aus der Tasche und fange gleich an zu zeichnen und zu messen, was das Zeug hält. Ich zeichne und zeichne, aber sieh da! Wie ich den Platz für die Kanzel abmessen will, da will es der Teufel nicht erlauben.

(Die Kanzel kam nach meinem Plan just da zu stehen, wo des Teufels großer eiserner Thron stand, und wie ich den auf die eine Seite schiebe, reißt ihn mir der Teufel auf die andere Seite zurück, ungefähr eine Stunde mögen wir uns da versteift und gezankt haben.) Schließlich behauptete der Teufel gar noch, in der Hölle brauche man überhaupt keine Kirche, aber ich trumpfte ihm auf: »Doch, man braucht durchaus eine.« Zu guter Letzt wurde der Teufel so zornig, daß er mich an der Gurgel packte (ich glaubte wahrhaftig, er wolle mich erwürgen) und mich durch dasselbe Loch, durch das ich hereingefallen war, wieder hinauswarf, meine Mütze flog noch ein gutes Stück weiter. Ich wischte mir also den Dreck ab und ging heim. Aber die Heide hatte mir beim Werfen den Kopf kaputtgeschlagen: eine große Beule hatte ich gerade hier auf der Stirn, wahrscheinlich war ich an einen Stein gestoßen. Das, beschloß ich, dem Teufel auf jeden Fall heimzuzahlen: ich dachte mir aus, ein Gelage zu veranstalten und bei der Gelegenheit es ihm einzutränken. Gut, ich besorgte mir Getränke, kochte dicke Grütze, tat Butter in die Mitte und lud den Teufel und mit ihm Pehrkons zu Gaste. Wir zechten und zechten und wurden allmählich recht lebendig, und Pehrkons zuckte es in den Fingern: er wollte schießen. Als der Teufel das merkte, erschrak er und verkroch sich in einen Winkel, er fürchtete, Pehrkons könnte ihm im Rausch ein Auge ausschießen. Aber Pehrkons griff nach Stahl und Feuerstein und fing an, Feuer zu schlagen, daß die Funken nur so stoben. Zuletzt -das war noch gar nichts - grapste er auch nach dem Pulverfaß, um richtig zu laden und loszufeuern, dann werde man einen Knall zu hören bekommen. »Ist der Kerl verrückt?« brummte der Teufel, zitterte und bebte und fragte mich heimlich, wohin er entwischen könne. Ich sagte: »Drück dich gleich hier in den



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Strohhaufen!«Und der Teufel stob auch schleunigst zum Haufen und verkroch sich hinter das Gerüst, so daß nur noch die Schwanzspitze herausragte.

Aber der Teufel war noch nicht ordentlich ins Stroh geschlüpft, als auch schon Pehrkons zur Stelle war: jetzt habe er einmal tüchtig geladen, das ganze Pulverfäßchen in den Lauf gejagt, wohin er nun schießen solle? Ich sagte: »Brenn gleich hier den Haufen!« —Wollte doch sehen, was daraus wird. — Krach! donnerte der Schuß los, und vom Teufel war keine Spur mehr vorhanden: er war mausetot und zu Asche verpulvert. Seit der Zeit gibt es keinen Teufel mehr auf der Welt.


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