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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 6

IM INSEL-VERLAG


Seefahrergeschichten

Die berühmte Geschichte von Sindbad dem Seefahrer (IV, 94, eins der bekanntesten und besten Stücke von Tausendundeiner Nacht, war ursprünglich ein selbständiges Buch. Wir sind auch in der glücklichen Lage, die Quelle für dieses Buch nachzuweisen. Ein persischer Kapitän namens Buzurg ibn Schahrijâr sammelte in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts Seemannsgeschichten, die er auf seinen Reisen und im Heimathafen Basra gehört hatte, und stellte sie zusammen zu einem Buch, das er »die Wunder Indiens«nannte, da es sich ja hauptsächlich um indische Dinge handelte. Er gibt für jede einzelne Geschichte seinen Gewährsmann, bei vielen auch die Zeit an. zu der sie ihm erzählt wurde. Es sind Seemannsgeschichten, wie sie wohl zu allen Zeiten in allen Häfen der Weit erzählt werden, sailors' yarn, die mancherlei Wahrheit und noch mehr Dichtung enthalten; in ihnen finden sich aber doch zahlreiche Angaben, die von hohem Werte sind. Eine französische Übersetzung dieses Buchs, dessen Verfasser man damals noch nicht kannte, wurde 1878 in Paris von L. Marcel Devic veröffentlicht unter dem Titel »Les merveilles de l'Inde«. Den arabischen Text nebst einer verbesserten französischen Übersetzung gab van der Lith im Jahre 1886 heraus. Ein begabter Schriftsteller, der wahrscheinlich im 11. oder 12. Jahrhundert in Baghdad lebte, schuf aus den einzelnen Geschichten ein einheitliches Kunstwerk. Dabei hat dieser Verfasser andere Berichte von



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arabischen Kaufleuten und Reisenden, vielleicht auch den arabischen Alexander-Roman und eine Prosabearbeitung von Homers Odyssee benützt. Seinem Sindbad dem Seefahrer gab er ein Gegenbild in Sindbad dem Landbewohner, und so spannte er die einzelnen Reisen in einen hübschen Rahmen ein. Die bunte Menge der einzelnen Abenteuer und Motive muß noch mit den »Wundern Indiens« und anderen Werken der Zeit, soweit sie uns erhalten sind, verglichen werden.

Eine Art von Seefahrerroman ist die Geschichte von Ab u Mohammed dem Faulpelz (III, 172); aber die Seereise bildet nur einen Teil dieser aus Märchenmotiven und Seemannsberichten zusammengewobenen Erzählung. Sie steht als selbständige Geschichte in der Stambuler Handschrift, wie oben S. 670 schon erwähnt wurde. Der Affe, der für Mohammed so wichtig ist, wird in der Handschrift als »ein König von den Königen der Geister«bezeichnet. Daß die Geschichte aus der Baghdader Zeit stammt, ist mit Sicherheit anzunehmen. — Über das Verhältnis der Sindbadgeschichte zu den Märchen von Saif el-Mulûk und von Hasan aus Basra ist schon oben S. 689 f. gesprochen worden.


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