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Märchen vom Balkan und den Mittelmeerinseln


Illustrationen von Eva Raupp Schliemann

Märchen europäischer Völker


Wie das Essen, so die Arbeit

Es waren einmal ein Pope und seine Frau, die hatten einen Knecht, der bei ihnen arbeitete, und ein Feld, das mit weißem Weizen besät war.

Der Pope und seine Frau waren sehr geizig. Sie sandten ihren Knecht mit einer Zwiebel und einem Stückchen trockenen Brotes aufs Feld. Auf dem Felde wuchs ein Birnbaum. Jeden Morgen, wenn der Knecht aufs Feld kam, blieb er unter dem Birnbaum stehen und sagte: »Guten Morgen, Birnbaum.«

Zur Antwort bekam er immer: »Auch dir einen guten Morgen, Knecht.«>Werden wir heute ernten oder schlafen? He, sehen wir doch



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einmal in der Tasche nach, ob Brot darin ist oder etwas anderes<, sagte der Knecht zu sich. Er sah in die Tasche und sah, daß nur eine Zwiebel und ein Stückchen Brot darin waren. >He<, sagte er sich, >da kein großes Stück Brot und kein gebratenes Huhn in der Tasche sind, werden wir schlafen.<

Sechs Wochen lang ging der Knecht aufs Feld, und stets sagte er dasselbe. Da sahen die Bauern, daß das Feld noch nicht abgeerntet war, und fragten den Popen: »Pope, warum erntest du dein Feld nicht ab?« Der Pope sagte ihnen: »Ich schicke meinen Knecht immer aufs Feld. Da dachte ich, er hätte schon geerntet. Was macht denn der Knecht, wenn er immer dorthin kommt?«

»Ja, was macht er wohl?« antworteten die Bauern. »Wenn du ihm ein gebratenes Huhn und ein großes Stück Brot gäbest, würde er ernten. Da du ihm aber nur eine kleine Zwiebel und ein kleines Stück Brot gibst, schläft er die ganze Zeit.«

Der Pope wollte es ihnen nicht glauben, er wollte mit eigenen Augen sehen, was der Knecht tat, und versteckte sich auf dem Felde. Als der Knecht wieder aufs Feld kam, sprach er wieder mit dem Birnbaum. »Guten Morgen, Birnbaum. Was tun wir heute, schlafen oder arbeiten? Warte, ich werde wieder einmal nachsehen, was in der Tasche ist.« Als er sah, daß wieder nur eine kleine Zwiebel und ein kleines Stück Brot in der Tasche waren, legte er sich unter den Birnbaum und schlief. Der Pope zeigte sich ihm nicht, sondern ging zu seiner Frau und erzählte ihr alles, was er gesehen hatte: Der Knecht arbeitete nicht und sprach nur mit dem Birnbaum.

Als der Knecht abends nach Hause kam, sagte ihm der Pope: »He, Sohn, das Feld ist noch nicht abgeerntet. Die Bauern sagten, morgen würden die Herren kommen, ihren Zehnten zu holen.«

Da sagte der Knecht zum Popen: »Wegen des Feldes, Pope, mache dir keine Sorgen. Das kann ich in einem einzigen Tage fertigmachen.«Der Pope entgegnete: »Vierzig Tage lang gehst du schon aufs Feld und hast es noch nicht abgeerntet. Wie willst du da in einem einzigen Tag fertig werden? Wahrscheinlich wünschest du dir etwas und arbeitest deshalb nicht.«

»Ja, und du weißt auch, was ich mir wünsche«, antwortete der Knecht. Da ging der Pope heimlich zu seiner Frau. »Jetzt aber, Frau, backe ihm ein großes Maisbrot, brate ihm ein Huhn und mache ihm einen Fladen.«



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Des Morgens früh, als der Knecht noch schlief, füllte die Frau die Tasche des Knechtes mit diesen Speisen. Der Knecht nahm seine Tasche, wie es seine Gewohnheit war, ging aufs Feld und sagte zum Birnbaum: »Guten Morgen, Birnbaum. Werden wir heute schlafen oder arbeiten? Machen wir einmal die Tasche auf und sehen wir, was darin ist und was nicht.«

Als er die Tasche öffnete, sah er ein großes Maisbrot, ein gebratenes Huhn und einen Fladen. »So«, sagte er, »warte, daß ich mich satt esse. Heute gibt's keinen Schlaf, heute wird gearbeitet.« Gleich des Morgens aß er alles auf, fühlte sich angenehm satt und zog sich dann aus. Bis zum Mittag hatte er den Weizen geschnitten, bis zum Abend gebunden.

So arbeitet der Mensch, wenn er satt ist. Gib dem Körper zu essen, auf daß er dir diene!


Copyright: arpa, 2015.

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