Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen vom Balkan und den Mittelmeerinseln


Illustrationen von Eva Raupp Schliemann

Märchen europäischer Völker


Das Froschmädchen

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die waren schon ziemlich bejahrt und hatten kein Kind. Sie beteten immer zu Gott, er möge ihnen doch ein Kind geben; zuletzt gingen sie auf eine Wallfahrt und baten wieder Gott, er möge ihnen auch ein Kind schenken, und wenn es auch ein Frosch wäre. Sie kehrten dann nach Hause zurück, und wirklich merkte die Frau, daß sie in Hoffnung sei, und gebar nach neun Monaten ein Kind. Aber was für eins? Einen Frosch! Aber auch damit waren sie zufrieden, als wenn sie nichts gehabt hätten. Der Frosch hielt sich immer im Weinberg auf und kam selten nach Hause; der alte Mann arbeitete immer in dem Weinberg, und die Frau brachte ihm jeden Tag das Mittagessen dahin. Aber da sie schon alt war, fing sie eines Tages an zu klagen, daß sie nicht mehr von der Stelle könne, erst recht nicht dem Manne das Essen bringen könne, ihre Füße wollten nicht mehr.

Da kam die Froschtochter von draußen -sie war schon vierzehn Jahre —und sagte: »Mutter, ich sehe, Ihr seid alt und könnt nicht mehr fort, könnt auch dem Vater nicht das Essen bringen, gebt es her, ich geh damit.« —»Meine liebe Froschtochter, wie könntest du mit dem Essen gehen, da du's doch nicht tragen kannst, du hast ja keine Hände, den Topf anzufassen»« —»Ich kann ihn tragen«, antwortete der Frosch, »setzt mir nur den Topf auf den Rücken und bindet ihn mir an den Beinen fest, dann seid unbesorgt.« — »Nun, so versuch's, ob du's kannst.« Darauf setzte die Alte dem Frosch den Topf auf den Rücken, band ihn an den



Bd-01-116_Maerchen aus dem Balkan Flip arpa

Beinen fest und schickte ihn ab. Der Frosch trug seine Last den Weg entlang, aber als er an das Gittertor des Weinbergs kam, wo der Vater war, konnte er es nicht öffnen und auch nicht hinübersteigen. Da rief er seinem Vater zu, der kam, nahm ihm den Topf ab und aß. Darauf sagte ihm der Frosch, er solle ihn auf einen Kirschbaum heben. Der Vater hob ihn hinauf, und der Frosch fing an zu singen; sang, daß alles widerhallte, und das so schön, daß man hätte sagen mögen, die Vilen singen dort. Da kam dort ein Königssohn vorüber, der auf die Jagd gegangen war, und hörte lange auf den Gesang; und als der Gesang nicht mehr zu hören war, ging er zu dem Alten und fragte ihn, wer da so schön sänge. Der Alte antwortete, er wisse nicht, habe keinen gesehen noch gehört, nur die Krähen über sich fliegen sehen. »Aber sagt mir doch, wer es ist; wenn es ein Mann ist, soll er mein Kamerad sein, wenn ein Mädchen, soll es mein Liebchen sein.« Aber der Alte schämte und scheute sich und sagte, er wisse es nicht. Darauf ging der Königssohn nach Hause.

Am andern Tage brachte wieder der Frosch dem alten Vater das Mittagessen, der setzte ihn wieder auf den Kirschbaum, und er fing wieder an zu singen; und sieh da! wieder kam der Königssohn absichtlich dorthin auf die Jagd, nur um wieder den Gesang zu hören und zu sehen, wer es ist. Der Frosch sang auf dem Kirschbaum, daß das ganze Tal widerhallte. Als der Gesang aufgehört hatte, kam wiederum der Königssohn zu dem Alten, er solle ihm sagen, wer da singt. Der Alte antwortete, er wisse es nicht. »Wer hat dir denn das Mittagessen gebracht?« fragte ihn der Königssohn. »Ich bin selber nach Hause gegangen«, antwortete der Alte, »war aber so müde, daß ich nicht essen mochte, und habe es deswegen selbst mitgebracht.« —»Aber der Gesang ergreift mir das Herz, Ihr wißt sicherlich, Alter, wer da singt, sagt es mir, wenn es ein Mann ist, soll er mein Kamerad sein, wenn ein Mädchen, soll es mein Liebchen sein.« Da antwortete der Alte: »Ich möchte es Euch wohl sagen, aber ich schäme mich, und es würde Euch auch verdrießen.« —»Habt nur keine Angst, sagt es mir nur.« —Darauf erzählte der Alte ihm, daß es ein Frosch ist, der da singe, und daß es seine Tochter sei. —»So sagt ihr, daß sie herabkommen soll.« —Da kam der Frosch herab und hub noch einmal an zu singen. Dem Königssohn hüpfte das Herz vor Vergnügen, und er sagte zu ihr: »Sei mein Liebchen! Morgen kommen die Liebchen meiner beiden Brüder, und welche von ihnen die



Bd-01-117_Maerchen aus dem Balkan Flip arpa

schönste Rose bringt, der hat der König versprochen, ihr und ihrem Verlobten das Königreich zu hinterlassen. Geh du als mein Liebchen dahin und bringe eine Rose, wie du sie ausgesucht hast.« Der Frosch antwortete: »Ich werde kommen, wie du wünschest, aber du mußt mir vom Hofe einen weißen Hahn schicken, auf dem will ich hinreiten.«

Darauf ging er und schickte ihr vom Hause den weißen Hahn. Sie aber ging zur Sonne und bat um Sonnenkleider. Am nächsten Morgen bestieg der Frosch den Hahn und nahm die Sonnenkleider mit. Als sie in diesem Aufzug an die Stadtwache kam, wollte die sie nicht hereinlassen, aber als sie sagte, sie werde sich bei dem Königssohn beklagen, wenn man sie nicht hereinlasse, ließ man sie gleich ein. Sowie sie die Stadt betrat, verwandelte sich ihr Hahn gleich in eine weiße Villa, und aus dem Frosch wurde das schönste Mädchen von der Welt; sie zog die Sonnenkleider an, statt einer Rose aber trug sie eine Weizenähre und ging so in den Königspalast. Da kam der König erst zu dem Liebchen des ältesten Sohnes und fragte sie, was für eine Rose sie gebracht habe. Sie zeigte ihm eine wirkliche Rose. Darauf ging er zu dem Liebchen des zweiten Sohnes und fragte sie, was für eine Rose sie denn gebracht habe. Sie zeigte ihm eine Nelke. Dann wandte er sich zu dem Liebchen des jüngsten, bemerkte gleich an ihr die Weizenähre und sagte: »Du hast uns die schönste und nützlichste Rose gebracht; man sieht, du weißt, daß man ohne Weizen nicht leben kann und daß du zu wirtschaften verstehst. Was sollen uns andre Rosen und solches Gepränge? Werde die Frau meines jüngsten Sohnes, dessen Liebchen du bist, und ich will ihm mein Königreich hinterlassen.« Und so wurde die Froschtochter Königin.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt