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Das bunte Heidi-Buch


Die fernen Freunde regen sich

Der Mai war gekommen. Von allen Höhen strömten die vollen Frühlingsbäche ins Tal herab, und warmer Sonnenschein lag auf der Alp. Sie war wieder ganz grün geworden. Der letzte Schnee war weggeschmolzen, und von den lockenden Sonnenstrahlen geweckt, guckten schon die ersten Blümchen aus dem frischen Gras heraus. Heidi war wieder auf der Alp. Es sprang dahin und dorthin und wußte gar nicht, wo es am schönsten war.

Vom Schuppen hinter der Hütte hervor ertönte hie und da ein eifriges Klopfen und Sägen. Heidi lauschte auch einmal dorthin, denn das waren die alten, heimatlichen Töne, die es so gut kannte und die von Anfang an zum Leben auf der Alp gehört hatten. Jetzt mußte es aufspringen und auch einmal dorthin rennen, denn es mußte doch wissen, was beim Großvater vor sich ging. Vor der Schuppentür stand schon fix und fertig ein schöner neuer Stuhl, und der Großvater arbeitete mit geschickter Hand am zweiten.

"Oh, ich weiß schon, was das gibt!" rief Heidi freudig aus. "Das ist nötig, wenn sie von Frankfurt kommen. Der ist für die Großmama, und der, den du jetzt machst, für Klara, und dann - dann muß noch einer da sein", fuhr Heidi zögernd fort, "oder glaubst du nicht, Großvater, daß Fräulein Rottenmeier auch mitkommt?"

"Das kann ich nicht sagen", meinte der Großvater. "Es ist aber sicherer, einen Stuhl bereit zu haben, damit wir sie zum Sitzen einladen können, falls sie kommt."

Plötzlich erscholl von oben her Pfeifen und Rufen und Rutenschwingen. Heidi wußte sofort, woran es war. Es lief hinaus



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und war augenblicklich von den herabspringenden Geißen umringt. Denen mußte es auf der Alp so wohl sein wie Heidi, denn sie machten so hohe Sprünge und meckerten so lebenslustig wie noch nie. Aber Peter stieß sie alle weg, die eine rechts und die andere links, denn er hatte Heidi eine Botschaft zu überbringen. Als er zu ihm vorgedrungen war, hielt er ihm einen Brief entgegen.

Heidi sprang zum Großvater und streckte ihm in großer Freude den Brief entgegen: "Von Frankfurt! Von Klara! Willst du ihn gleich auch hören, Großvater?"

Das wollte er schon gern, und auch Peter, der Heidi gefolgt war, schickte sich zum Zuhören an. Er stemmte sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten, um einen festen Halt zu haben. So war es leichter, Heidi zu folgen, als es den Brief vorlas:

"Liebes Heidi!

Wir haben schon alles verpackt, und in zwei oder drei Tagen wollen wir abreisen, sobald Papa auch abreist, aber nicht mit uns, er muß zuerst noch nach Paris. Alle Tage kommt der Doktor und ruft schon an der Tür: ,Fort! Fort! —Auf die Alp!' Er kann es gar nicht erwarten, daß wir gehen. Du sollst nur wissen, wie gern er selbst auf der Alp war! Den ganzen Winter ist er fast jeden Tag zu uns gekommen; er sagte immer, er komme zu mir, er müsse mir wieder erzählen! Dann setzte er sich zu mir und erzählte von allen Tagen, die er mit Dir und dem Großvater auf der Alp zugebracht hat. Oft sagte er: ,Dort oben müssen alle Menschen wieder gesund werden.' Er ist auch selbst wieder so anders geworden, als er eine Zeitlang war, richtig jung und fröhlich sieht er wieder aus. Oh, wie freue ich mich, das alles zu sehen und bei Dir auf der Alp zu sein und auch Peter und die Geißen kennenzulernen!

Erst muß ich in Ragaz etwa sechs Wochen lang eine Kur machen, das hat der Doktor befohlen, und dann sollen wir nachher im Dörfli wohnen, und ich soll dann an schönen Tagen auf die Alp in meinem Stuhl hinaufgefahren werden und den Tag über bei Dir bleiben. Die Großmama kommt mit und bleibt bei



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mir. Sie freut sich auch, zu Dir hinaufzukommen. Aber denk nur, Fräulein Rottenmeier will nicht mit. Fast jeden Tag sagt die Großmama einmal: ,Wie ist's mit der Schweizer Reise, werte Rottenmeier? Genieren Sie sich nicht, wenn Sie Lust haben, mitzukommen.' Aber sie dankt immer furchtbar höflich und sagt, sie wolle nicht unbescheiden sein.

Aber ich weiß schon, woran sie denkt. Sebastian hat eine so schreckliche Beschreibung von der Alp gemacht, als er von Dir nach Hause kam, wie furchtbar die Felsen dort herunterstarren und man überall in Klüfte und Abgründe niederstürzen könne. Sie hat sehr geschaudert bei dieser Beschreibung, und seitdem schwärmt sie nicht mehr wie früher für die Schweizer Reisen. So kommen wir allein, Großmama und ich; nur Sebastian muß uns bis nach Ragaz begleiten, dann wird er wieder heimkehren.



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Ich kann es fast nicht erwarten, bis ich zu Dir kommen kann! Lebe wohl, liebes Heidi, die Großmama läßt Dich tausendmal grüßen!

Deine treue Freundin Klara."

Als Peter das gehört hatte, sprang er vom Türpfosten weg und hieb mit seiner Rute so rücksichtslos und wütend nach rechts und links, daß die Geißen alle die Flucht ergriffen. Hinter ihnen her stürmte Peter und hieb mit seiner Rute in die Luft hinein, als müsse er an einem unsichtbaren Feind einen unerhörten Zorn auslassen. Dieser Feind war die baldige Ankunft der Frankfurter Gäste.

Heidi war so voller Glück und Freude, daß es durchaus am anderen Tag der Großmutter einen Besuch machen und ihr alles erzählen mußte. Es zog auch am folgenden Nachmittag früh los, denn jetzt konnte es seine Besuche schon wieder allein unternehmen. Die Sonne schien ja wieder hell und blieb lange am Himmel stehen, und über den trockenen Boden ließ es sich herrlich bergab rennen.

Die Großmutter lag nicht mehr zu Bett. Sie war wieder in ihrer Ecke und spann. Es lag aber ein Ausdruck auf ihrem Gesicht, als habe sie es mit schweren Gedanken zu tun. Das war seit gestern abend so, und die ganze Nacht hindurch hatten sie diese Gedanken verfolgt und nicht schlafen lassen. Peter war in seinem großen Zorn heimgekommen, und sie hatte aus seinen abgebrochenen Ausrufen hören können, daß eine Schar von Leuten aus Frankfurt zur Almhütte hinaufkäme.

Jetzt sprang Heidi herein und gerade auf die Großmutter zu, setzte sich auf sein Schemelchen und erzählte ihr mit Eifer alles, was es wußte. Aber auf einmal hörte es mitten im Satz auf und fragte besorgt: "Was hast du, Großmutter, freut dich das alles kein bißchen?"

"Nein, nein! Es ist nichts, es ist nichts!" beruhigte die Großmutter. "Gib mir ein wenig deine Hand, Heidi, damit ich recht spüren kann, daß du noch da bist. Es wird ja doch zu deinem Besten sein, wenn ich es auch fast nicht überleben kann."



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"Ich will nichts von dem Besten, wenn du es fast nicht überleben kannst, Großmutter", sagte Heidi so bestimmt, daß dieser mit einmal eine neue Befürchtung aufstieg. Sie mußte ja annehmen, daß die Leute aus Frankfurt kämen, um Heidi zu holen, da es nun wieder gesund war.

"Ich weiß etwas, Heidi", sagte sie nun, "das tut mir wohl und bringt mir die guten Gedanken wieder. Lies mir das Lied, wo es gleich im Anfang heißt: ,Gott will's machen'."

Heidi wußte jetzt so gut Bescheid in dem alten Liederbuch, daß es auf der Stelle das fand, was die Großmutter wollte, und es las den Vers vor.

"Ja, ja, das ist's grad, was ich hören mußte", sagte die Großmutter erleichtert, und der Ausdruck von Kummer verschwand aus ihrem Gesicht.

So verging der Mai, und es kam der Juni mit seiner noch wärmeren Sonne und den langen lichten Tagen, die alle Blumen auf der Alp herauslockten. Als Heidi eines Morgens aus der Hütte herausgesprungen kam und um die Hütte herumrennen wollte, schrie es auf einmal aus Leibeskräften, so daß der Öhi aus dem Schuppen heraustrat, denn das war etwas Ungewöhnliches.

"Großvater! Großvater!" rief Heidi außer sich. "Komm hierher! Komm hierher! Sieh! Sieh!"

Der Großvater erschien, und sein Blick folgte dem ausgestreckten Arm des aufgeregten Kindes.

Die Alm herauf schlängelte sich ein seltsamer Zug. Zuerst kamen zwei Männer mit einem offenen Tragsessel, darauf saß ein junges Mädchen, in viele Tücher gehüllt. Dann kam ein Pferd, darauf saß eine stattliche Dame, die sehr lebhaft nach allen Seiten blickte und sich eifrig mit dem jungen Führer unterhielt, der neben ihr ging. Danach kam ein leerer Rollstuhl, von einem anderen Burschen gefahren, denn die Kranke, die hineingehörte, wurde den steilen Berg hinauf besser auf dem Tragsessel gebracht. Zuletzt kam ein Träger, der hatte auf seine Trage viele Decken, Tücher und Pelze gehäuft.



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"Sie sind's! Sie sind's!" schrie Heidi und hüpfte vor Freude hochauf. Sie waren es wirklich. Die Träger setzten ihren Sessel auf die Erde, Heidi sprang herzu, und die Kinder begrüßten sich mit großer Freude. Jetzt war auch die Großmama oben und stieg von ihrem Pferd herunter. Heidi rannte zu ihr hin und wurde mit großer Zärtlichkeit begrüßt. Dann wandte sich die Großmama zum Alm-Öhi, der näher gekommen war, um sie zu begrüßen. Da war keine Steifheit in der Begrüßung, denn sie kannte ihn und er sie so gut, als hätten sie schon lange Zeit miteinander verkehrt.

Gleich nach den ersten Worten der Begrüßung sagte die Großmama mit großer Lebhaftigkeit: "Mein lieber 0M, was haben Sie für einen Herrensitz! Wer hätte das gedacht! Mancher König könnte Sie darum beneiden! Wie sieht auch mein Heidi aus! — Wie ein Monatsröschen", fuhr sie fort und zog das Kind an sich und streichelte ihm die frischen Backen. "Was ist das für eine Herrlichkeit um und um! Klärchen, mein Kind, was sagst du dazu?"

"Oh, wie schön ist es hier! Oh, wie schön Estes hier!" rief Klara immer wieder aus. "So hab' ich mir's nicht gedacht. Oh, Großmama, hier möcht' ich bleiben!"

Der Öhi hatte inzwischen den Rollstuhl herbeigeschoben und einige Decken hineingelegt. Jetzt trat er an den Tragsessel heran, hob die kranke Klara mit seinen starken Armen aus dem Strohsessel und setzte sie auf den weichen Sitz hin.

Der Himmel lag dunkelblau und wolkenlos über der Hütte und über den Tannen und weit über den hohen Felsen. Klara konnte sich gar nicht genug umschauen, sie war voller Entzücken über alles, was sie sah.

"Oh, Heidi, wenn ich nur mit dir herumgehen könnte, hier rund um die Hütte und unter die Tannen!" rief sie aus. "Wenn ich doch alles mit dir ansehen könnte, was ich schon so lange kenne und doch nie gesehen habe!"

"Aber das ist noch gar nichts, Klara", sagte Heidi. "Wenn du einmal mit uns auf die Weide hinaufkommst, dann wirst du



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erst etwas sehen! Wenn man da sitzt, mag man gar nicht mehr aufstehen, so schön ist es!"

Heidis Augen funkelten vor Verlangen, das wiederzusehen, was es jetzt beschrieb. Klara war davon angesteckt, und aus ihren sanften blauen Augen leuchtete ein Widerschein von Heidis freudigem Verlangen auf.

"0 Großmama, kann ich wohl dahin kommen? Glaubst du, ich kann so hoch hinauf?" fragte sie sehnsüchtig. "Wenn ich nur gehen könnte, Heidi, und so mit dir auf der Alp herumsteigen, überallhin!"

"Ich will dich schon fahren", beruhigte Heidi sie und nahm nun zum Zeichen, wie leicht das gehe, einen solchen Anlauf um die Ecke herum, daß der Stuhl fast den Berg hinuntergeflogen wäre. Da stand aber der Großvater in der Nähe und hielt ihn eben noch rechtzeitig auf.

Während der Besuch unter den Tannen stattgefunden hatte, war der Großvater nicht müßig gewesen. Bei der Bank vor der Hütte standen jetzt der Tisch und die nötigen Stühle, und alles lag schon bereit, damit hier das Mittagsmahl eingenommen werden konnte.

Die Großmama war voller Entzücken über diesen Speisesaal, von dem man weit hinab ins Tal und über alle Berge weg in den blauen Himmel schauen konnte. Ein milder Wind fächelte den Tischgenossen Kühlung zu und säuselte so anmutig in den Tannen, als wäre es eine zum Fest bestellte Tafelmusik.

"So etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Es ist eine wahre Herrlichkeit!" rief die Großmama wieder und wieder aus. "Aber was sehe ich", setzte sie jetzt in höchster Bewunderung hinzu, "ich glaube gar, du bist an einem zweiten Stück Käsebraten angekommen, Klärchen!"

"Oh, das schmeckt so gut, Großmama, besser als an der Tafel in Ragaz", versicherte Klara und biß mit großem Appetit in die würzige Speise hinein.

"Nur zu! Nur zu!" sagte der Alm-Öhi wohlgefällig. "Das ist unser Bergwind, der hilft nach, wo die Küche zurückbleibt."



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So nahm das fröhliche Mahl seinen Verlauf. Die Großmama und der Alm-Öhi verstanden sich ausnehmend gut, und ihr Gespräch war immer lebhafter geworden. So ging die Zeit dahin. Auf einmal blickte die Großmama auf und sagte: "Wir müssen bald rüsten, Klärchen, die Sonne ist schon weit vorgerückt; die Leute müssen bald mit Pferd und Sessel wiederkommen."

Auf das eben noch so fröhliche Gesicht von Klara kam ein trauriger Ausdruck, und sie bat eindringlich: "Oh, nur noch eine Stunde, Großmama, oder zwei! Wir haben ja die Hütte noch gar nicht gesehen und Heidis Bett und die ganze Einrichtung. Oh, wenn der Tag noch zehn Stunden hätte!"

"Das ist nun nicht gut möglich", meinte die Großmama, aber die Hütte wollte sie auch gern noch ansehen. Man brach also gleich auf, und der Öhi lenkte den Stuhl mit fester Hand der Tür zu. Er hob Klara heraus und trug sie auf seinem Arm in die Hütte hinein.

Hier lief die Großmama hin und her und besah sich genau die ganze Einrichtung und hatte ihren großen Spaß an dieser Häuslichkeit, die so ordentlich und aufgeräumt aussah. "Das dort auf der Höhe ist ja wohl dein Bett, nicht wahr?" fragte sie jetzt und stieg gleich die Leiter zum Heuboden hinauf. "Oh, wie hübsch das duftet, das muß ein gesundes Schlafzimmer sein!" Und die Großmama ging zu dem Loch hin und guckte hindurch, und da stieg auch schon der Großvater mit Klara auf dem Arm nach, und Heidi hüpfte hinterher. Klara war von Heidis Schlafstätte hingerissen.

"Oh, Heidi, wie lustig hast du's doch! Vom Bett aus siehst du gerade in den Himmel hinein und hast einen so schönen Geruch um dich und hörst draußen die Tannen rauschen. So ein Schlafzimmer habe ich noch nie gesehen!" Der 0M schaute jetzt zu der Großmama hinüber.

"Ich habe so meine Gedanken", sagte er. "Ich denke, wenn wir das Töchterchen ein wenig hier oben behielten, so könnte es zu neuen Kräften kommen. Es sind so allerhand Tücher und



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Decken mitgekommen, aus denen machen wir hier ein schönes weiches Bett. Um die Pflege des Töchterchens brauchte die Frau Großmama keine Sorge zu haben, die übernehme ich."

Klara und Heidi jauchzten miteinander wie zwei freigelassene Vögel, und über das Gesicht der Großmama kam ein heller Schein.

"Mein lieber Öhi, Sie sind ein prächtiger Mann!" rief sie aus. "Was meinen Sie, was ich eben dachte? Ich sagte nur im stillen: Müßte nicht ein Aufenthalt hier oben das Kind besonders stärken? Aber die Pflege, die Unbequemlichkeit für den Wirt! Und Sie kommen und sprechen es aus, so, als wäre nichts dabei. Ich muß Ihnen danken, mein lieber Öhi, ich muß Ihnen von ganzem Herzen danken!" Und die Großmama schüttelte dem Öhi die Hand.

Sofort ging der Öhi zur Tat über. Er trug Klara in ihren Sessel vor die Hütte zurück, vom Heidi gefolgt, das nicht wußte, wie hoch es vor Freude springen sollte. Dann lud es gleich sämtliche Tücher und Pelzdecken auf seine Arme und sagte, wohlgefällig lächelnd: "Es ist gut, daß die Frau Großmama wie zu einem Winterfeldzug gerüstet hatte, das können wir brauchen."

"Mein lieber Öhi", antwortete die Hinzutretende, "Vorsicht ist eine schöne Tugend und schützt vor manchem Ärger."

Während dieses kleinen Gesprächs waren die beiden zum Heuboden hinaufgestiegen und begannen nun, die Tücher über das Bett hinzubreiten.

"Jetzt soll mir noch ein einziger Heuhalm durchstechen, wenn er kann", sagte die Großmama, indem sie noch einmal mit der Hand auf allen Seiten eindrückte. Sie stieg befriedigt die Leiter hinunter und trat zu den Kindern hinaus, die mit strahlenden Gesichtern nahe zusammensaßen und ausmachten, was sie nun vom Morgen bis zum Abend tun wollten, solange Klara auf der Alp bleiben durfte.

Aber wie lange würde das sein? Das war nun die große Frage, die augenblicklich der Großmama vorgelegt wurde. Die sagte,



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das wisse der Großvater am besten, ihn müßten sie fragen. Als dieser eben herzutrat und nun die Frage an ihn gerichtet wurde, meinte er, vier Wochen seien gerade recht, um beurteilen zu können, ob die Alpluft ihre Schuldigkeit an dem Töchterchen tue oder nicht.

Nun sah man von unten herauf wieder die Sesselträger und den Pferdeführer mit seinem Tier heranrücken. Die ersten konnten gleich wieder umkehren. Als sich die Großmama anschickte, ihr Pferd zu besteigen, rief Klara fröhlich aus: "Oh, Großmama, das ist nun gar kein Abschied, wenn du schon fortreitest, denn nun kommst du von Zeit zu Zeit zu uns zum Besuch auf die Alp, um zu sehen, was wir machen."

Die Großmama bestieg das feste Saumtier, und der Öhi ergriff den Zügel und führte das Pferd mit sicherer Hand den steilen Berg hinunter. In dem einsamen Dörfli wollte die Großmama, nachdem sie nun allein war, nicht bleiben. Sie wollte nach Ragaz zurückkehren und von dort aus von Zeit zu Zeit ihren Besuch wiederholen.

Noch bevor der Öhi wieder zurückgekehrt war, kam Peter mit seinen Geißen dahergerannt. Als diese merkten, wo Heidi



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war, stürzten sie alle der Stelle zu. Sofort waren Klara in ihrem Stuhl und Heidi mitten in dem Rudel drin, und drängend und stoßend guckte immer eine der Geißen über die andere her, und jede wurde Klara gleich von Heidi genannt und vorgestellt.

So kam es, daß sie in der kürzesten Zeit die lange erwünschte Bekanntschaft mit den sauberen Geißen des Großvaters und mit allen anderen gemacht hatte. Peter stand indessen abseits und warf drohende Blicke auf die vergnügte Klara.

Als nun die Kinder beide freundlich zu ihm hinüberriefen: "Gute Nacht, Peter!" gab er keine Antwort, sondern hieb mit seiner Rute so grimmig in die Luft, als wollte er diese völlig entzweischlagen. Dann lief er davon und sein Gefolge hinter ihm her.

Zu allem Schönen, was Klara heute schon auf der Alp gesehen hatte, kam nun noch der Schluß. Als sie oben auf dem Heuboden in dem großen weichen Bett lag, zu dem Heidi nun auch emporkletterte, da schaute sie durch das runde Loch gerade auf die schimmernden Sterne, und voller Entzücken rief sie aus:

"0 Heidi, sieh, es ist gerade, als ob wir auf einem hohen Wagen in den Himmel hineinführen!"


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