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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 6

IM INSEL-VERLAG


SCHLUSS

Nun hatte Schehrezâd in dieser Zeit dem König drei Knaben geboren, und als sie diese letzte Geschichte beendet hatte, erhob sie sich, küßte dann den Boden vor dem König und sprach zu ihm: »O größter König unserer Zeit, im ganzen Jahrhundert einzigartig weit und breit, siehe, ich bin deine Magd, und ich habe dich nun tausendundeine Nacht hindurch unterhalten mit Geschichten aus der Vergangenheit und lehrreichen Beispielen aus früherer Zeit. Darf ich jetzt an deine Majestät einen Wunsch richten und mir von dir eine Gnade erbitten? « Der König erwiderte ihr: »Bitte, es soll dir gewährt sein, o Schehrezâd!« Da rief sie die Ammen und die Eunuchen und sprach zu ihnen: »Bringet meine Kinder!« Jene brachten die Kinder in Eile; es waren drei Knaben, einer von ihnen ging, der andere kroch, und der dritte lag an der Brust. Und als sie nun bei ihr waren, nahm sie alle drei und



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brachte sie vor den König, küßte den Boden vor ihm und sprach: »O größter König unserer Zeit, dies sind deine Kinder, und ich flehe dich an, daß du mir den Tod erlässest um dieser unmündigen Knaben willen. Wenn du mich tötest, so sind diese Kleinen ohne Mutter, und sie werden unter den Frauen keine finden, die sie in rechter Weise erzieht. «Da weinte der König und drückte die Knaben an seine Brust. Und er sprach: »O Schehrezâd, bei Allah, ich hatte dich schon freigesprochen, ehe diese Kinder kamen; denn ich habe dich als keusch und rein, edel und fromm erfunden. Allah segne dich und deinen Vater und deine Mutter, deine Wurzel und deinen Zweig! Und ich rufe Allah zum Zeugen wider mich an, daß ich dich freigesprochen habe von allem, was dir schaden kann. «Nun küßte sie ihm die Füße und freute sich über die Maßen und sprach zu ihm: »Allah schenke dir ein langes Leben und mehre deine Majestät und deine Würde!«Alsbald verbreitete sich die Freude im Schlosse des Königs, und sie strömte auch durch die ganze Stadt. Jene Nacht zählte zum irdischen Leben nicht, und ihre Farbe war weißer als des Tages helles Angesicht. Am anderen Morgen erhob sich der König, von Freude berückt und über die Maßen beglückt; dann ließ er alle Krieger kommen und verlieh dem Wesir, dem Vater Schehrezâds, ein prächtiges, kostbares Ehrengewand, indem er zu ihm sprach: »Allah schütze dich dafür, daß du mir deine edle Tochter zur Gemahlin gegeben hast, sie, die der Anlaß war, daß ich mich vom Töten der Töchter des Volkes abgewandt habe. Ich habe sie als edel und rein, keusch und tugendhaft erfunden; und Allah hat mir durch sie drei Söhne geschenkt. Preis sei Ihm für diese reiche Huld!<( Darauf verlieh er Ehrengewänder an all die Wesire und Emire und Großen des Reiches und befahl, daß die Stadt dreißig Tagelang geschmückt werden sollte; und er gab



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Weisung, daß keiner von den Bewohnern der Stadt etwas von seinem eigenen Gelde ausgeben solle, sondern alle Kosten und Ausgaben sollten aus dem Schatze das Königs bestritten werden. So schmückten sie denn die Stadt in herrlichster Weise wie nie zuvor; die Trommeln wurden geschlagen, und die Flöten wurden geblasen, und alle Spielleute trieben ihre Kurzweil, während der König reiche Gaben und Spenden an sie austeilte und den Armen und Bedürftigen Almosen gab, und alle seine Untertanen, alles Volk seines Reiches mit seiner Huld umfaßte. Und erlebte mit dem Volke seines Reiches in Glück und Seligkeit, in Freuden und Fröhlichkeit, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und die Freundesbande zerreißt. Preis sei Ihm, über den der Kreislauf der Zeiten keine Macht der Vernichtung hat, dem nie etwas von allem Wandel naht; den nie ein Ding von einem andern Ding abwendet, der einzig ist, in sich vollendet! Und Segen und Heil ruhe auf dem Verkünder Seiner Herrlichkeit, dem Auserwählten unter seinen Geschöpfen, unserem Herrn Mohammed, zum Herrn der Menschheit ausersehen, durch den wir zu Gott um ein seliges Ende flehen!


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