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Zigeunermärchen

Herausgegeben von Walther Aichele und Martin Block

EUGEN DIEDERICHS VERLAG


67. Der alte Schmied

Ein alter Schmied, der nichts weiter verstand als Pflugscharen zu machen, lebte mit seinem Weibe und seiner Schwiegermutter auf dem Hügel. Seine Schwiegermutter nun besaß eine alte Stute.

Eines Tages kam ein junger Bursche dahergeritten und sagte: »Ich bitte dich, mein Pferd zu beschlagen.« — »Das kann ich nicht«, erwiderte der alte Schmied. »So gib mir das Werkzeug, ich werde es tun«, sagte der Reiter.

Der Bursche ging an die Arbeit und machte ein großes Feuer. Dann kam er heraus und schlug dem Pferde die vier Beine ab, wischte das Blut ab und legte die vier Beine auf das Feuer. Nachdem er lange Zeit in das Feuer geblasen hatte, nahm er die vier Beine wieder heraus, legte sie auf den Amboß und schlug sie eine geraume Weile mit dem Hammer. Dann warf er sie nieder, hob sie wieder auf und ging hinaus und stellte sie nunmehr unter den Pferderumpf.

Der alte Schmied beobachtete ihn dabei. Der Bursche fragte, was er zu zahlen habe, und gab ihm ein Goldstück.

Einige Tage später erinnerte sich der Schmied der alten Stute seiner Schwiegermutter. Er wollte sie beschlagen. Er



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ging also in den Stall, um sie zu holen, und zog sie durch die Tür. Dann schlug er ihr die vier Beine ab und ließ sie verbluten, denn er wußte nicht, wie er das Blut stillen sollte. Darauf ging er in die Schmiede, machte ein großes Feuer an, legte die vier Beine hinein und blies und blies. Als er aber nach einer Weile nach ihnen sah, war nichts mehr da. Er hatte sie ganz und gar zu Asche verbrennen lassen. Da ging er hinaus, nahm die tote Mähre und warf sie über die Hecke.

Die Schwiegermutter und ihre Tochter lagen in ewigem Streit miteinander. Der alte Schmied wußte nicht, was er mit ihnen noch anfangen sollte. Da kam nach einigen Tagen der Bursche mit zwei alten Frauen angeritten. »Willst du diese beiden Frauen jung machen?« fragte er, und der Schmied antwortete: »Nein, das kann ich nicht.« — »Willst du mir das Werkzeug geben? Ich werde es selbst tun.« — »Ja, nimm es.«

Der Bursche stieg vom Pferde; er warf die beiden alten Frauen nieder und band sie. Dann machte er ein großes Feuer an, legte die Beiden hinein und blies tüchtig ins Feuer. Darauf nahm er sie wieder heraus, legte sie auf den Amboß, hämmerte sie tüchtig und legte sie zur Erde. Da wurden sie zu zwei jungen, schönen Damen. Der alte Schmied hatte den jungen Burschen wieder bei seiner Arbeit beobachtet. Als dieser fertig war, gab er dem Alten ein Goldstück.

Einige Tage danach kam dem Schmied sein Weib und seine Schwiegermutter in den Sinn. Er nahm also die Beiden, band sie und legte sie auf das Feuer und blies immerzu hinein. Dann sah er nach ihnen, aber nichts war mehr da. Sie waren ganz und gar verbrannt. Da warf er den Hammer hin und ging hinaus. »Was habe ich getan! Ich habe meine alte Mähre und mein Weib und meine Schwiegermutter getötet.« Er kratzte sich den Kopf und wußte nicht, was er tun sollte. Schließlich machte er sich auf und verließ seine Heimstätte. Es lag tiefer Schnee und es war kalt, und er hatte nicht einmal einen Hut auf dem Kopfe.

Der junge Bursche aber folgte ihm und fragte ihn: »Soll



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ich mit dir kommen?« — »Nein«, antwortete der Schmied, du kannst mir auch nichts nützen.« — »Laß mich doch bei dir bleiben«, bat der Junge. Da behielt ihn der Schmied. Der Bursche aber war barfuß. Auf dem Wege kam er ins Gespräch mit dem Schmied. »Hier ist ein großes Schloß. Darin wohnt ein mächtiger Herr. Er liegt krank zu Bett. Laß uns zu ihm gehen«, sagte er. »Ich kann nichts für ihn tun«, erwiderte der Schmied. »Rede nicht. Mache keine Einwände und laß uns nur hingehen. Ich werde alles tun; sage den Leuten dort nur, daß ich dein Diener sei.«

Sie gingen also hin zu dem Schlosse und klopften an das Tor. Der Hausmeister kam heraus. >'Wir kommen hierher, um den Herrn zu heilen.« — »Kommt herein«, sprach der Hausmeister und führte sie hinein und ließ sie bei dem Feuer niedersitzen. Er fragte sie, was sie zu essen und zu trinken wünschten, und sie bekamen vollauf zu essen und zu trinken. Der alte Schmied vergaß darüber ganz ihr Vorhaben, doch der kleine Bursche sagte zu ihm: »Wenn nun der Hausmeister wieder hereinkommt, sage ihm, du wünschest zu dem Herrn zu gehen.«

Da gingen sie zu dem Herrn hinauf. Der kleine Bursche bat um ein Messer, einen Kessel mit Wasser und einen Löffel. Dann schnitt er dem Herrn den Kopf ab und spie auf seine Hand, um das Blut zu stillen. Hierauf legte er den Kopf in den Kessel und stellte ihn zum Kochen aufs Feuer. Er kochte eine lange Zeit. Dann rührte er mit dem goldenen Löffel darin herum. Hierauf nahm er den Kopf aus dem Kessel heraus und setzte ihn wieder auf den Hals des Herrn. Und wirklich, der Herr wurde gesund und stand auf.

Der Herr gab ihnen dafür einen Sack voll Gold, und sie zogen auf der Landstraße weiter. »Ich möchte nur neue Schuhe«, bat der kleine Bursche. »Nein, ich habe selbst keine. Es ist wenig genug für mich«, wies der Schmied ihn ab. Da ging der Bursche davon und verließ den Alten.

Der alte Schmied ging allein weiter. Ihm begegneten zwei



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Männer zu Pferde, die nahmen ihm das ganze Geld fort. Der Schmied ging nun immer weiter die Landstraße entlang. Unterwegs hörte er von einem großen Schloß, dessen Besitzer krank wäre, und dahin begab er sich.

Er klopft an das Tor. Der Hausmeister rief ihn herein und gab ihm reichlich zu essen. Nachdem der alte Schmied mit Essen fertig war, ging er zum Herrn hinauf.

Er verlangte einen Topf und Wasser und einen Löffel, schnitt dann dem Kranken den Kopf ab und ließ ihn verbluten, denn er verstand es nicht, das Blut zu stillen. Dann stellte er den Kopf in dem Topf aufs Feuer, um ihn kochen zu lassen. Er kochte lange Zeit. Schließlich nahm er den Löffel und rührte um. Aber er konnte nichts daran ändern, daß der Kopf in Stücke fiel; und auch der Körper des Schloßherrn war unterdessen völlig verblutet.

Jemand kam und klopfte an die Tür. Der Schmied erschrak. »Niemand darf hereinkommen«, sagte er. »Willst du den kleinen barfüßigen Burschen hereinlassen?« Da horchte der alte Schmied auf, öffnete die Tür, und der kleine Bursche trat ein. Als er drinnen war, ging er zuerst zu dem Herrn und stillte das Blut. Dann ging er zu dem Topf, nahm den goldenen Löffel und rührte den Kopf um. Es dauerte lange Zeit, ehe er den Kopf wieder zusammengefügt hatte, denn er war ganz in Stücke zerkocht.

Als er endlich heil war, nahm er ihn heraus und setzte ihn auf den Hals des Herrn, und der Herr stand auf und war gesund. Der Schmied und der kleine Bursche erhielten zwei Säcke voll Gold und machten sich wieder auf den Weg.

Unterwegs bat der Knabe: »Ich brauche Schuhe.« — »Ja«, antwortete der Schmied, »alles gehört dir.« Der Bursche sagte: »Ich brauche das Geld nicht, ich brauche nur Schuhe.« Da erhielt der Bursche die Schuhe.

Die beiden gingen weiter die Landstraße entlang. Der kleine Bursche sagte: »In der Nähe lebt ein anderer großer Herr. Bei diesem Herrn haust ein Zauberer, den niemand erschlagen



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kann. Laß uns dorthin gehen. Wir können drei Säcke voll Gold bekommen, wenn wir ihn umbringen.«

Da gingen sie zu jenem Hause, um mit dem Herrn zu sprechen. Nachdem sie gegessen hatten, gingen sie in das alte Haus des Zauberers. Darin standen zwei mächtige Blasebälge. Der Zauberer des Herrn blies die halbe See in Aufruhr. »Nun bist du an der Reihe, kleiner Bursche«, sagte der Schmied. Der Bursche fing an zu blasen und blies einen großen Fisch herauf, der trank das ganze Wasser.

Der andere fing wieder an zu blasen. Er blies Korn herbei, als ob es regnete. Der kleine Bursche aber blies Vögel heran, die fraßen das ganze Korn auf. Nun blies der Zauberer des Herrn viele Hasen herbei. Aber der kleine Bursche blies drei Windhunde herbei, die die Hasen erwürgten. Dann erschlug er den Zauberer, und sie erhielten dafür drei Säcke voll Gold.

Der alte Schmied wußte nicht, was er mit dem Geld anfangen sollte. Da kam ihm der Gedanke, eine neue Schmiede zu bauen. Er baute also mehrere neue Häuser, eine Werkstatt und drei Gasthäuser.

Einmal, als er ein wenig arbeitete, kam eine alte Frau nachts an die Türe und bat um Unterkunft. »Ja«, antwortete der alte Schmied, »ich habe für eine Nacht ein Bett für dich. Ich habe aber keine Dienerin. Gehe in das Haus, setze den Kessel aufs Feuer, und mache dir selbst Tee.« Die alte Frau aß und ging zu Bett. Am Morgen stand sie auf und frühstückte mit dem Schmied zusammen. »Ich will dir drei Dinge geben. Was wünschest du dir?« fragte die alte Frau. Der Schmied sagte: »Ich wünsche, daß der Mann, der meinen Hammer in die Hand nimmt, ihn nicht loslassen kann, bis ich es sage.« Der Wunsch wurde ihm erfüllt. »Was wünschest du dir sonst noch?« fragte die alte Frau. »Siehst du jenen alten Stuhl in der Ecke?« — »Ja«, sagte die alte Frau. »Ich wünsche, daß derjenige, der darauf sitzt, nicht eher aufstehen kann, als bis ich zu ihm komme.« — »Ja, dir soll der Wunsch erfüllt werden.« — »Drittens wünsche ich, daß das,



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was in meiner Tasche steckt, nicht eher herauskommen kann, als bis ich es zulasse.« —»Ja«, antwortete die alte Frau, dann dankte sie ihm und ging fort.

Ein paar Tage danach kam ein Mann in die Schmiede. Er fragte, wie es dem Meister ginge. »Sehr gut«, antwortete der Schmied, »wie geht es dir?« Sie unterhielten sich eine lange Weile, bis endlich der Mann den Schmied fragte, ob er sich ihm verkaufen wolle. Der Schmied überlegte ein wenig. »Ja«, erwiderte er, »wieviel Geld willst du mir geben?« — »Ich werde dir einen Sack voll Gold geben.« — »Gib es mir«, antwortete der Schmied, »nach fünf Jahren magst du dann zu mir kommen.« — »Ja, ich werde dann herkommen, um dich zu holen«, sprach der Teufel - denn er war es -, und ging wieder fort, der Schmied aber ging ins Wirtshaus, um zu trinken.

Eines Tages war er in der Schmiede mit einer kleinen Arbeit beschäftigt, als der Böse eintrat und sagte: »Nun mußt du mitkommen.« — »Ja, ich werde mitkommen, warte nur einen Augenblick, nimm meinen Hammer und schlage ein wenig auf den Amboß da. Ich komme gleich zurück, wenn ich dies kleine Geschäft beendet habe.« Der Schmied ging mit seiner Arbeit nach Hause, und nachher ging er ins Wirtshaus. Er trank dort tüchtig. Dann ging er weiter zum nächsten Wirtshaus. Er hatte schon einen Tropfen zuviel getrunken und strebte nach einer Weile wieder einer andern Schenke zu.

Sieh, da kam der Böse aus der Schmiede heraus, den Hammer in der Hand, und suchte den Schmied. Er fand ihn in dem am weitesten entfernten Wirtshaus mitten in fröhlicher Gesellschaft. Sowie der alte Teufel eintrat, sprang der Schmied auf und fragte: »Was hast du denn mit meinem Hammer vor?« — »Komm her«, antwortete der Teufel, »nimm dieses Ding weg, ich will dir fünf weitere Jahre gewähren.« Da nahm der alte Schmied den Hammer und ging zufrieden nach Hause.



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Die fünf Jahre gingen Tag für Tag dahin. Einige Tage, nachdem sie um waren, kam der Teufel zum Schmiede. »Wie geht es dir?«fragte er ihn. »Sehr gut, und wie geht es dir?« — »Aber jetzt mußt du mitkommen.« — »Ja, setze dich auf den alten Stuhl dort.« Der Teufel ging hin und setzte sich darauf. »Nun warte ein Weilchen«, sagte der Schmied, »ich muß noch etwas nach Hause bringen.«

Das tat er aber nicht, sondern ging zum Wirtshaus und trank tüchtig. Dem alten Teufel wurde das Sitzen langweilig. Er wollte aufstehen. Aber er konnte nicht. Schließlich nahm er den Stuhl hinter sich mit und ging so zum Wirtshaus. Er fragte, ob der Meister drinnen wäre. »Nein«, sagte die Frau, »er ist nicht hier.« Da ging er weiter zum nächsten Wirtshaus.

Dort fand er ihn in der Gaststube. Der Schmied erblickte ihn. »Was will jener Mann mit meinem Stuhl?« — »Komm her«, sagte der Teufel, »ich habe mit dir zu sprechen. Nimm den Stuhl fort. Ich will dir weitere fünf Jahre Frist geben.« Da befreite ihn der Schmied, und der Teufel ging hinaus. Und auch der Schmied ging dann wieder nach Hause.

Die fünf Jahre flossen wieder Tag für Tag dahin. — Sieh da! Der alte Teufel kam wieder. Es war niemand in der Schmiede, der Meister war zum Trinken ausgegangen. Der Teufel ging also auf die Suche nach ihm und fand ihn in der Wohnstube des Wirtshauses. Da setzte sich der alte Teufel zu ihm und unterhielt sich ruhig mit ihm. »Ich habe Bier bestellt, verwandle dich in meiner Tasche in ein Goldstück, damit ich es bezahlen kann.« Das tat der Teufel. Der alte Schmied aber trank, bis er genug hatte, ging dann nach Hause und legte sich ins Bett. Er wollte eben einschlafen, da lärmte etwas unter seinem Kopfe. Er stand wieder auf und ging in die Schmiede hinunter. Dann nahm er die Tasche, hielt sie auf den Amboß und schlug mit dem Hammer darauf, daß es laut dröhnte. »Laß mich gehen«, bat der alte Teufel, »ich will dich allein lassen. Ich werde dich nie wieder aufsuchen, wenn du mich jetzt losläßt.« Da ließ der alte Schmied ihn laufen.



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Nun starb der Schmied, und er klopfte an des Teufels Tür. Einer der bösen Geister kam heraus. »Melde deinem Vater, daß der Schmied da ist.« Der kleine Teufel ging fort und bestellte es seinem Vater. »Laß ihn nur nicht herein«, sagte der alte Teufel, »er würde uns alle töten.« Und zu seinem Diener sagte er: »Da, nimm diesen Strohwisch, zünde ihn an und leuchte ihm zum lieben Gott!« Das tat des Teufels Diener, und der alte Schmied ging hinauf zum lieben Gott. Da war er nun, und er spielte die Harfe, und wir alle werden ihn sehen, falls wir nicht zum Teufel kommen. Das ist nun alles, was ich zu erzählen habe.


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