Zigeunermärchen
Herausgegeben von Walther Aichele und Martin Block
EUGEN DIEDERICHS VERLAG
39. Der Teufel und der arme Zigeuner
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Die Zeit verging, das Jahr war bald um. Da gab der Teufel dem Knaben tüchtig zu essen, damit er recht wohlgenährt aussehe, wenn sein Vater käme, sein Kind wieder zu holen. Eines Abends, als der Teufel nach Hause kam, fragte er das Kind: »Sag mal, Junge, hast du etwas bei mir gelernt?« — »Ich weiß noch gar nichts, ebensowenig, wie ich vor einem Jahre wußte.« — »Aber Junge, wie ist denn das möglich, daß du bei mir nichts gelernt hast!« sagte ärgerlich der Teufel.
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»Es war doch niemand da, der mich etwas hätte lehren können«, erwiderte darauf der Knabe. »Na warte, morgen werde ich dich einmal gehörig vornehmen, und übermorgen wirst du sehen, daß du in der Ausbildung fertig bist und daß ich dir viel beigebracht habe.« Am nächsten Tage brach der Teufel in aller Frühe auf. Was machte das Mädchen in der Zeit? Es wußte, daß sein Vater den Knaben auffressen wollte. Daher sagte es zu seinem heimlichen Geliebten: »Mein lieber Junge, ich habe dir nun alle geheimen Künste gezeigt, jetzt gehe schleunigst nach Hause, denn heute abend will dich mein Vater fressen.« Da brach der Knabe sofort auf und zögerte auch nicht einen einzigen Augenblick. Freudestrahlend kam er wieder zu seinem Vater und sagte zu ihm: »Vater, ich werde mich in ein Pferd verwandeln, damit du nicht mehr zu betteln brauchst. Verlange für mich 1000 Frank, wenn einer mich kaufen will; mich kannst du ruhig verkaufen, aber um des Himmels willen gib die Halfter nicht weg. Denn wenn du die Halfter verkaufst, dann hast du mich verloren.« Bei diesen Worten verwandelte er sich in ein wunderschönes Pferd, über das sich alle Welt freute. Da kam viel Volks auf dem Markte zusammen, alle wollten das schöne Pferd sehen. Und siehe, da kam auch der Teufel auf den Markt. Er hatte wieder die Gestalt eines Popen angenommen, niemand erkannte ihn. Der Teufel näherte sich dem Alten mit dem Pferde und fragte ihn: »Na, Alterchen, was verlangst du denn für dein Pferd?« Der Alte antwortete: »20000 Frank.« — »Soviel kann niemand geben, das ist zu teuer.« Alle, die herumstanden, waren sehr begierig zu erfahren, ob der Pope das Pferd für den Preis wohl kaufen würde. Er zog seinen Geldbeutel und gab dem Alten 20000 Frank. Er nahm das Pferd beim Zügel und war eben im Begriff abzuziehen, als der Alte ihn zurückrief und sagte: »Aber die Halfter habe ich dir nicht mit verkauft, die gebe ich dir nicht.« Der Pope erwiderte: »Ja, ohne Zügel nehme ich das Pferd nicht.« Da redeten alle, die dem Kaufe mit beigewohnt hatten, dem Alten zu, er solle doch das
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Pferd mit Halfter verkaufen. Sie sagten: »Na, Alter, nun sei nicht so halsstarrig, der lumpigen Zügel wegen willst du nicht verkaufen, du bekommst doch so viel Geld, du mußt auch nicht allzu viel verlangen.« Der Alte ließ sich überreden und gab das Pferd mit den Halftern weg. Er war ganz berauscht, als er das viele Geld in seiner Hand sah. Die auf ihn losredenden Menschen und das Geld machten ihn ganz irre, so daß er jenes Wort seines Sohnes, die Halfter nicht wegzugeben, ganz vergaß. Der Teufel hatte sein Pferd, er bestieg es und ritt gemächlich nach Hause. Was sollte nun das arme Kind machen? Jetzt war es wieder in den Händen des Teufels. Es fluchte seinem Vater, daß er so töricht gewesen war. Aber alles Fluchen half nichts. Da versuchte das Pferd den Teufel herunterzuwerfen, es sprang von Berg zu Berg, aber der Teufel hielt sich zu fest an seiner Mähne. Da mußte es einsehen, daß alle Anstrengungen vergebens waren, es konnte auch nicht mehr, es konnte nun dem Teufel nicht mehr entrinnen. Während das Pferd nun so dahinflog, verwandelte es sich in einen Apfel. Der Apfel fiel in einen Schornstein und gelangte in ein Haus. Da verwandelte sich der Teufel sofort in einen lahmen Bettler und begab sich nach dem Haus, in das der Apfel gefallen war. »Ich bitte euch, ihr lieben Leute, gebt mir einen Apfel, gebt mir jenen dort, der ist gewiß soeben vom Baume durch die Esse gefallen, der ist für mich heruntergefallen.« Die Leute hoben ihn auf und warfen den Apfel aus dem Hause zur Tür hinaus. Wie der Teufel den Apfel durch die Luft fliegen sah, lief er hinter ihm her. Das Kind verwandelte sich nun in Hirse, als es sah, daß es dem Teufel nicht entrinnen konnte, denn der Teufel hätte den Apfel mit Strunk und Stiel verschlungen. Da verwandelte sich der Teufel in eine Glucke mit Küchlein. Diese fraßen die Hirse. Sie hatten fast alle Körnchen aufgepickt; nur zwei waren übrig geblieben, die hatten die Küchlein nicht gefunden. Da wunderte sich der Teufel, daß er das Kind doch noch nicht in seinem Besitze hatte, es mußte also doch noch ein Körnchen
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irgendwo liegengeblieben sein. Was sollte er nun machen? Dem Kinde wurde angst und bange, daß es doch noch aufgefressen würde, bevor es eine andere Verwandlung angenommen hätte. Doch schnell wurde es zu einem Fuchse. Und der Fuchs biß der Glucke den Kopf ab und tötete damit den Teufel. So war der Knabe doch dem Teufel entronnen. Da ging er zu seinem Vater nach Hause und machte ihm Vorhaltungen, daß er seinen Sohn in so große Gefahren gebracht hatte, nur weil er auf ihn nicht gehört hatte. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die Halfter nicht aus deinen Händen lassen?«
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