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Zigeunermärchen

Herausgegeben von Walther Aichele und Martin Block

EUGEN DIEDERICHS VERLAG


14. Das Patenkind des lieben Gottes

Es war einmal ein Kaiser. Und dieser Kaiser hatte bis in sein hohes Alter nur ein einziges Kind, und dieses Kind war ein Held. Als es geboren wurde, konnte es gleich sprechen und sagte zu seinem Vater: »Lieber Vater, hast du nicht für mich einen Dolch oder eine Keule?« — »Nein, mein Kind, aber ich werde befehlen, daß man dir einen Dolch oder eine Keule mache.« Da sagte der Knabe: »Befiehl es nicht, lieber Vater, denn ich gehe auch so.« Der Knabe machte sich auf; und es verging viel Zeit, bis er an einen großen Wald kam. In diesem Walde setzte er sich unter einen Baum, um auszuruhen, denn er war müde. Er verweilte dort kurze Zeit. Da stiegen der heilige, liebe Gott und der heilige Petrus zu dem Knaben herab; denn er war noch nicht getauft. Da fragte ihn der liebe Gott: »He, Knabe, woher kommst du und wohin



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willst du?« — »Liebes Väterchen, ich bin auf Heldentaten ausgezogen.« Da dachte der liebe Gott nacht: es entstand sogleich eine Kirche. Er schläferte den kleinen Knaben ein und setzte den heiligen Petrus in die Kirche, nahm den Knaben an der Hand, und sie gingen beide in die Kirche. Er taufte ihn und gab ihm den Namen Handac 2 Der liebe Gott sagte ihm: »Junge, so ein tüchtiger Held wie du soll nicht wieder in der Welt sein. Nimm meine Tochter!« Er hatte nämlich eine Tochter, die ebenso heldenhaft war und gleichfalls von ihm getauft war. Er sagte zu ihm, er solle sie nehmen, und er gab ihm eine Wunderkeule und einen Dolch. So gab er ihm Kraft und ließ ihn unten zurück. Und der, der ihn getauft hatte, ging in den Himmel wie der heilige Gott selbst, der er war. Handac fühlte, daß ihn Gott mit Kraft ausgestattet hatte, und brach auf, um Heldentaten zu vollbringen. Wieder verging eine große Zeit. Da kam er in einen großen Wald, und darin lebte ein Ungeheuer von 300 Jahren. Seine Augenbrauen reichten bis zur Erde, und sein Haar ebenso. Und da ging der Knabe zu ihm und grüßte ihn: »Wohl habe ich dich gefunden.« — »Willkommen seist du mir Als der Held seine Stimme hörte, da fühlte er, daß er das Taufkind des lieben Gottes sei. Da fragte ihn der Knabe Handac: »Wohnt das Patenkind des lieben Gottes weit?« — »Nein, es wohnt nicht weit, es sind aber doch noch drei Tage Weges.« Da machte sich der Knabe auf, und es vergingen drei Tage, bis er endlich zum Mädchen gelangte. Kaum sah es ihn, als es erkannte, daß er das Taufkind seines Paten sei, und das Mädchen ließ ihn zu sich. Es deckte ihm den Tisch, es aß mit ihm und fragte ihn: »Was suchst du hier, Handac?« Er sagte: »Ich bin gekommen, um dich zu heiraten.« — »Wen? Mich?« — »Wenn du willst.« — »Ich will nicht so mir nichts, dir nichts



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ohne Kampf.« Und der Knabe antwortete: »Gut, laß uns kämpfen.« Und sie kämpften drei Tage, und der Knabe besiegte es. Er nahm es und führte das Mädchen zu seinem Paten. Der hat sie getraut, und sie machten Hochzeit. Sie aber blieben Herrscher über alle Länder.

Und woher ich gekommen bin, habe ich euch erzählt.


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