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Zigeunermärchen

Herausgegeben von Walther Aichele und Martin Block

EUGEN DIEDERICHS VERLAG


11. Die gefährliche Katze

Trgendwo lebte ein alter Mann, der hatte nichts zu essen und nichts zu trinken. Da begab er sich in Wüsteneien und Einöden. Er fand eine kleine Katze, steckte sie in einen Sack und kam in ein Land, wo es keine Katzen gab. Statt dessen gab es dort sehr viele Mäuse. Er wollte als Gast in einem der Häuser bleiben und setzte sich nieder, um Brot zu essen.

Da kamen zehn Leute, jeder mit einem Stock in der Hand. Der alte Mann, der die Katze hatte, fürchtete sich und sagte in seiner Angst: »Sie werden mich schlagen, weil ich Brot esse.« Doch sie antworteten: »Wir haben die Stöcke nicht deinetwegen, sondern wegen der Mäuse mitgenommen.« Da zog er aus dem Sack den Kopf der Katze heraus. Nun fürchteten sich die Männer ihrerseits, sie trieben die Mäuse heraus, und die Katze erwürgte sie. Dann ging sie wieder zu ihrem Herrn. Alsbald aber gelangte die Schreckenskunde zum König: »Zehn Männer hat die Katze erwürgt, zehn Männer.«

Der König ließ den Mann rufen. Der alte Mann kam, begrüßte ihn, und sie tranken eine Tasse Kaffee. Dann nahm er aus dem Sack den Tschampara-Büjüklü-Tschelebi-Mustafa 1. Der König sagte: »Ach, Alter, verkaufe den Herrn Mustafa mit dem großen Bart doch an uns.« Da überlegte er und sprach: »Nimm mein Herz, o König, aber laß mir den Herrn Mustafa mit dem langen Bart.« —»Was verlangst du denn?« — »Ich wünsche dir Gesundheit, ich verlange ein Schiff, das zur Hälfte aus Gold, zur Hälfte aus Silber ist. Und ich verlange von dir die Hälfte von dem Gelde der Stadt.« Der König türkisch: der Herr Mustafa mit dem großen Bart.



Zigeuner Maerchern-052 Flip arpa

sagte: »Es sei dein, es sei dein!« Da willigte der Alte ein. Der König nahm die Katze, und der alte Mann ging fort.

Der König sagte: »Wir haben ja nicht gefragt, was die Katze ißt. Geht doch, fragt ihn.« Der rief zurück: »Was Menschen essen, ißt sie auch.« Die Männer kamen wieder, und man fragte sie, was sie esse. Da berichteten sie: »Sie ißt jeden Tag einen Mann.« Da gingen sie vor die Stadt hinaus, wo die Zigeuner wohnen, und töteten einen Mann von ihnen. Sie warfen ihn der Katze vor. Die Katze aber aß nicht, weil es Zigeunerfleisch war. »Sie muß ärgerlich sein, man soll noch einen Mann töten.« Sie brachten den Mann. Die Katze aß wieder nicht.

Da wurde die Katze an eine Kette gebunden und die Tür mit einem Schlüssel verschlossen. Nun legten sie Rindfleisch vor sie hin, und die Katze fraß. Sie stellten Brot vor sie hin, sie nahm es. —Der Tag darauf war Freitag. Da holten sie die Katze heraus, damit sie mit den Soldaten auf den Markt ginge. Die Katze wurde an den Gürtel des Königs gebunden. Und der König befahl dem Kriegsvolk: »Achtet auf mich, daß die Katze mich nicht auffrißt.« Die Katze aber sprang aus Furcht auf seinen Rücken. »Die Katze will mich fressen«, schrie der König. Da verscheuchten sie die Katze, und sie lief davon.

Sie kletterte auf die Moschee. Die Muslime 1 waren gerade beim Beten. Als sie herauskamen und sich entfernten, blieben der Imam und der Hodscha 2 noch zurück. Der Imam meinte: »Was für eine schöne Moschee haben wir doch!« Da sah er die Katze oben auf der Moschee und sagte: »Wenn die Katze jetzt herunterkäme, würde sie uns auffressen.« Da erblickte sie auch der Hodscha und sprach: »Komm, laß uns in ein anderes Land ziehen«, und bestürzt liefen sie davon.

Die Katze aber kehrte zurück zu dem alten Manne.


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