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Die deutschen Volks-Bücher

wiedererzählt von Gustav Schwab II


Fortunat und seine Söhne

Mit Bildern von Oskar Pletsch



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Auf der Insel Zypern liegt eine Stadt, Famagusta genannt. In dieser war ein edler Bürger, namens Theodor, ansässig, von alter löblicher Herkunft, dem seine Eltern großes Gut hinterlassen hatten. So war er reich und gewaltig, dazu jung und freien Mutes; dachte nicht viel daran, wie seine Eltern zuzeiten das Ihrige gespart und gemehrt hatten; denn sein Gemüt war ganz und gar auf zeitliche Ehre und irdische Lust gerichtet. Er führte deswegen auch ein köstliches Leben mit Stechen, Turnieren, den Königen Zuhofereiten und vertat damit viele Habe. Dies verdroß seine Freunde, und er wurde ihnen unwert. Deswegen dachten sie darauf, ihm ein Weib zu geben, weil sie hofften, ihn dadurch von seiner unordentlichen Lebensweise abziehen zu können. Sie machten ihm diesen Vorschlag, der ihm wohlgefiel, und er verhieß wirklich, ihnen in dieser Hinsicht Folge zu leisten. Die Freunde sahen sich um und stellten allenthalben Nachfrage an; auch fanden sie endlich in Nikosia, der Hauptstadt der Insel, wo die Könige gewöhnlich hofhielten, einen Edelmann, der eine schöne Tochter hatte, mit Namen Gratiana: diese wurde ihm vermählt, ohne daß weiter darnach gefragt worden wäre, was für ein Mann Theodor sei; sondern nur auf den Ruf hin, daß er so groß und mächtig wäre, wurde ihm vergönnt, , die Jungfrau heimzuführen. Es ward eine köstliche Hochzeit gefeiert, wie es denn gewöhnlich ist, daß reiche Leute ihre Herrlichkeit besonders bei solchen Gelegenheiten beweisen. Als nun das Fest vorüber war und jedermann sich wieder zur Ruhe begab, da fing Herr Theodor an, tugendlich mit seiner Frau zu leben, so daß es den Freunden der Braut gar wohlgefiel; denn sie meinten ein gutes Werk vollbracht zu haben, weil sie den Theodor, der so wild gewesen, mit einem Weibe so zahm gemacht hätten. Leider aber wußten sie nicht, daß, was die Natur einmal getan hätte, nicht leicht zu wenden sei.

Inzwischen gebar Gratiana, noch ehe das erste Jahr nach ihrer Vermählung umwar, dem Herrn Theodor einen Sohn, über dessen Geburt die beiderseitigen Verwandten und Freunde hocherfreut wurden, und der in der Taufe den Namen Fortunatus erhielt. Theodor war hierüber auch in großen Freuden; doch fing er bald darauf sein altes Wesen mit Stechen



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und Turnieren aufs neue an, hielt viel Knechte und köstliche Rosse, ritt dem Könige zu Hof, ließ Weib und Kind daheim und fragte nicht, wie es zu Hause gehe. Heute verkaufte er einen Zins, morgen den andern, und das trieb er so lange, bis er nichts mehr zu verkaufen und zu versehen hatte. So kam er bald in Armut, hatte seine jungen Tage unnütz verzehrt und ward am Ende so arm, daß er weder Knechte noch Mägde zu halten vermochte und die gute Frau Gratiana zuletzt selber kochen und waschen mußte wie die ärmste Taglöhnerin. Als sie nun einmal zu Tische saßen und essen wollten, hätten sie sich gerne gütlich getan und gut gelebt, wenn sie es nur gehabt hätten. Der Vater sah seinen Sohn gar ernstlich an und seufzte von Herzens Grund. Fortunatus, sein Sohn, sah dieses. Er war nun achtzehn Jahre alt; dennoch konnte er noch nichts als seinen Namen schreiben und lesen; aber aufs Weidwerk und Federspiel verstand er sich trefflich: denn das war sein Kurzweil. Dieser nun fing an und sprach zu seinem Vater: "Lieber Vater, sage mir, was liegt dir doch auf dem Herzen? Ich habe gar wohl an dir gemerkt, wenn du mich ansiehst, daß du da betrübt wirst; so bitte ich dich, sage mir, habe ich dich denn auf irgendeine Weise erzürnt? Laß es mich wissen; denn ich bin ja doch willens, ganz und gar nach deinem Gefallen zu leben!" Der Vater antwortete: "D lieber Sohn, um was ich traure, daran hast du keine Schuld; auch sonst niemand kann ich darum beschuldigen; denn die Angst und Not, in der ich schwebe, die habe ich mir selbst gemacht. Wenn ich daran denke, wieviel Ehre ich genossen, wie viele Güter ich besessen habe, und auf wie unnütze Weise ich dessen losgeworden bin, was mir meine Voreltern so treulich erspart haben; was ich von Rechts wegen auch hätte tun und meiner Vorfahren Würde hierin bewahren sollen: wenn ich alsdann dich ansehe und daran denke, wie ich dir weder raten noch helfen kann: so empfinde ich großes Herzeleid und habe Tag und Nacht keine Ruhe. Auch schmerzt es mich, daß alle diejenigen mich verlassen haben, mit denen ich einst mein Gut so mildiglich teilte, und denen ich jetzt ein unwerter Gast bin."

Fortunat antwortete auf diese Klagen: "Liebster Vater, laß ab von deinem Trauern und sorge nur gar nicht für mich; ich bin tung, stark und gesund, ich will in fremde Lande gehen und dienen; es ist noch viel Glück in dieser Welt; ich hoffe zu Gott, mir werde auch noch ein gutes Teil davon. Auch hast du ja einen gnädigen Herrn an unserem König; gib dich untertänig in seine Dienste; er verläßt gewiß dich und meine Mutter nicht bis an euer Ende. Wegen meiner aber sei unbekümmert, ich bin erzogen



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und sage euch dafür großen Dank!" Damit stand er auf und ging mit seinem Federspiel, das ihm auf der Faust saß, aus dem Hause dem Meergestade zu, indem er daran dachte, was er anfangen sollte, damit er seinem Vater nicht mehr vor die Augen käme und dieser durch seinen Anblick nicht länger beschwert würde. Als er nun so am Meere hin und her ging, da sah er im Hafen eine venezianische Galeere liegen, die von Jerusalem gefahren kam. Auf dieser befand sich ein Graf von Flandern, dem zwei Knechte gestorben waren, und weil nun der Graf kein Geschäft mehr beim König hatte und der Schiffspatron auch fertig war, so blies man eben, daß alles zu Schiffe gehen sollte, damit man die Anker lichten könnte: und der Graf mit vielen andern Edelleuten kam, das Schiff zu besteigen. Fortunat sah dem allen mit großer Betrübnis zu. "Ach", dachte er, "dürfte ich doch ein Knecht des Herrn werden und mit ihm fahren , so weit weg, daß ich gar nie mehr nach Zypern käme!" Mit diesen Gedanken trat er dem Grafen unter den Weg und machte ihm eine tiefe Reverenz. Der Graf merkte bei seinem Gruße wohl, daß er nicht eines Bauern Sohn war; Fortunat aber hub an und sprach: "Gnädiger Herr, wenn ich recht gehört habe, so sind Euer Gnaden Knechte mit Tod abgegangen , und könnten dieselben wohl eines andern bedürfen." — "Was



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kannst du denn?"fragte der Graf. Er antwortete: "Ich kann jagen, beizen und was zum Weidwerke gehört; dazu, wenn es nötig ist, die Dienste eines reisigen Knappen versehen." Der Graf erwiderte hierauf: "Du wärest mir eben gefüge: aber ich bin von fernen Landen, und ich fürchte, du ziehest nicht gerne mit mir so weit von dannen!" — "Oh, gnädiger Herr", antwortete Fortunat, "und wenn Ihr noch so ferne zöget, ich wollte viermal so weit mit Euch fahren!" — "Was muß ich dir zu Lohne geben?" sprach darauf der Graf. Fortunat sagte: "Ich begehre keinen Lohn, gnädiger Herr! Je nachdem ich diene, so lohnet mir!" Dem Grafen gefielen die Worte des Jungen wohl, er sagte: "Aber die Galeere will gleich abfahren! Bist du fertig?" — "Ja Herr", erwiderte jener, warf das Federspiel, das er auf der Hand trug, in die Lüfte, ließ es fliegen und ging ungesegnet, und ohne Urlaub von Vater und Mutter genommen zu haben, mit dem Grafen in die Galeere als sein Knecht. So fuhren sie vom Lande, ohne daß Fortunat viel Geld in der Tasche gehabt hätte, und kamen glücklich nach Venedig.



***
Als sie in Venedig angekommen waren, hatte der Graf kein Gelüste, länger da zu verweilen; denn er hatte die Herrlichkeit dieser Stadt schon zuvor gesehen; seine Begierde stand wieder nach seinem Lande und seinen guten Freunden. Denn er war entschlossen, wenn ihm Gott aus Heiligen Lande wieder heim helfe, eine Gemahlin zu nehmen. Dies war die Tochter eines Herzogs von Kleve, eine junge und gar schöne Fürstin; auch war alles verabredet bis auf seine Zurückkunft. Um so sehnlicher begehrte er nach Hause, ließ sich kostbare Pferde kaufen und rüstete sie sich zu, erstand zu Venedig Kleinodien und herrliche Gewande von Gold und Seide, und was sonst zu einer köstlichen Hochzeit gehört. Wiewohl er nun viel Knechte hatte, so verstand doch keiner die welsche Sprache außer Fortunat; der war denn gar geschickt zu reden und einzuhandeln, weswegen der Graf ein großes Wohlgefallen an ihm hatte und ihn liebgewann . Das merkte Fortunat und befleißigte sich, je länger; je besser seinem Herrn zu dienen. Immer war er abends der Letzte und morgens der Erste bei ihm; und dies merkte sein Herr wohl. Als man nun dem Grafen viel Rosse gekauft hatte, worunter auch etliche Schelmen waren, wie man sagt, -wie dies nicht fehlen kann, wo viele Rosse beieinander stehen, da mußte man dem Grafen alle mustern, und er teilte sie unter seine Diener; Fortunat aber erhielt eines der besten. Dies verdroß die andern Knechte, und sie fingen gleich an, ihn zu hassen. "Sehet", sagte



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einer zu dem andern, "hat uns nicht der Teufel mit dem Welschen betrogen? " Nichtsdestoweniger mußten sie es geschehen lassen, daß er mit seinem Herrn ritt, und keiner durfte ihn bei dem Grafen verlästern oder verunglimpfen.

So kam der Graf von Flandern mit Freuden heim und wurde von all seinem Volke gar herrlich empfangen: denn sie hatten ihn lieb; es war ein frommer Herr, der seine Untertanen auch wert hielt. Als er angekommen war, versammelten sich die Umfassen und seine guten Freunde und begrüßten ihn aufs beste. Sie lobten Gott, daß er seine Reise so glücklich vollbracht hätte, und fingen auch an, sich mit ihm von seiner Vermählung zu unterreden; das gefiel dem Grafen gar wohl; er bat sie deswegen, die Sache schnell zu Ende zu führen. Dies geschah auch, und in wenigen Tagen hielt er Hochzeit mit der Tochter des Herzogs von Kleve. Diese Festlichkeit wurde sehr herrlich begangen; es ward scharf gerannt, turniert, Ritterspiel aller Art getrieben, alles unter den Augen der schönen und edeln Frauen. Soviel Fürsten und Herren aber Edelknechte oder sonstige Diener mit auf die Hochzeit gebracht hatten, so war doch keiner unter ihnen, dessen Dienst und ganzes )Wesen Frauen und Männern besser gefallen hätte als Fortunats. Alle fragten den Grafen, von wannen ihm denn der höfliche Diener käme. Er sagte ihnen, wie er zu demselben gekommen wäre auf der Rückfahrt von Jerusalem, und wie derselbe ein so trefflicher Jäger sei; kein Vogel in der Luft und kein Tier im Walde sei vor ihm sicher; auch verstehe er sonst wohl zu dienen und wisse, jedermann zu behandeln, je nachdem er wäre. Weil ihn nun sein Herr so sehr liebte, so erhielt Fortunat viel Geschenke von Fürsten und Herren, auch von den edeln Frauen.

Als nun die Herren und Edeln gestochen hatten, wurden der Herzog von Kleve und der Graf sein Tochtermann, einig, auch den Dienern der Herren, die aus der Hochzeit zugegen waren, zwei Kleinode, die bei zweihundert Kronen wert, vorzusetzen; um die sollten sie siechen, und wer es am besten machte, der sollte eines der Kleinode davontragen. Darüber waren die Diener alle froh; denn jeder gedachte sich am ritterlichsten zu halten. Wie sie nun den ersten Tag stachen, da gewann auf der einen Seite der Diener des Herzogs von Brabant den Preis, auf der andern Seite gewann ihn Fortunat. Dem größern Teile der Diener mißfiel dieses; alle baten den Knecht des Herzogs von Brabant, der Timotheus hieß und das eine Kleinod gewonnen hatte, daß er den Welschen herausfordern möchte, mit ihm zu siechen, und sein Kleinod an das seine setzen sollte; das wollten



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sie ihm alle und jeder insonderheit danken. Timotheus konnte die Bitte, die an ihn gerichtet war, um so vieler guten Gesellen willen nicht wohl ausschlagen und bot Fortunat den Kampf an. Der bedachte sich nicht lange, obwohl er noch wenig gestochen hatte. Die Herren, vor welche die Märe kam, vernahmen es auch gerne. So rüsteten sich denn beide, kamen auf den Plan und ritten mannlich gegeneinander; jeder hätte gern das Beste getan; aber beim vierten Ritt rannte Fortunat den Timotheus eine ganze Lanzenlänge hinter sich vom Gaule und gewann so die zwei Kleinodien, die wohl zweihundert Kronen wert waren. Jetzt erhob sich erst recht großer Neid und Haß, am allermeisten unter den Dienern des Grafen von Flandern. Dieser aber sah es sehr gerne, daß einer seiner Diener die Kleinodien gewonnen hatte mit den zweihundert Kronen an Wert. Von dem Unwillen jedoch, den seine Knechte gegen Fortunat gefaßt hatten, wußte er nichts, und es wagte auch kein Diener, ihm davon zu sagen.

Nun war ein alter listiger Reiter unter ihnen, der sich Rupert nannte; der sprach, hätte er zehn Kronen bar, so getraute er sich, den Welschen dahin zu bringen, daß er, ohne Urlaub von seinem Herrn und sonst jemand zu nehmen, eilends von hinnen ritte; dies wolle er so zustande bringen daß keiner unter ihnen dadurch beargwöhnt werden könne. Alle sagten zu ihm: "O lieber Rupert, wenn du das kannst, warum feierst du denn?" —"Ohne Geld", erwiderte er, "kann ich nichts zuwege bringen; gebe jeder eine halbe Krone: und wenn ich ihn nicht vom Hofe wegbringe, so will ich jedem eine ganze Krone dafür geben." Alle zeigten sich willig; wer das Geld nicht bar hatte, dem liehen die andern; so brachten sie fünfzehn Kronen zusammen, die gaben sie dem Rupert, und dieser sprach: "Nun rede mir niemand in meine Sache, und tue jedermann in allen Dingen wie zuvor!"Hierauf gesellte sich Rupert zu Fortunaten und tat freundlich gegen ihn; er erzählte ihm von den alten Geschichten, die sich in dem Lande ereignet hatten; das hörte Fortunat gar gerne. Da sandte Rupert auf der Stelle nach Wein und köstlichen Speisen aus; denn er wußte wohl, was zu solchem Leben gehört; auch lobte er den Jüngling sehr, pries seine Schönheit und edle Geburt: dem Fortunat behagte solches ganz gut, doch wollte er zuweilen auch etwas auftischen, aber Rupert ließ es nie zu; er versicherte ihm, daß er ihm lieber sei als ein Bruder; was er ihm tue, das würde er keinem andern tun; und solcher guten Worte gab er ihm viel.

Dies lustige Leben trieben sie so lange, bis es die übrigen Diener verdroß und sie endlich sprachen: "Meint Rupert, den Fortunat mit solchem



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Leben wegzubringen? Fürwahr, wenn er noch jenseits des Meeres wäre Zypern und wüßte solches Leben hier: er dächte darauf so bald als möglich herzukommen l Rupert hat nicht vollbracht, was er uns verheißen hat; er muß uns dreißig Kronen geben, und sollte er nichts weiter auf Erden besitzen!" Rupert erfuhr das, spottete seiner Gesellen und sprach: "Ich versichere euch, ich weiß sonst keinen guten Mut zu haben als mit eurem Geld!" Als sie aber das Geld ganz verbraucht hatten, an einem Abende ganz spät, da der Graf mit seiner Gemahlin sich zur Ruhe begeben und niemand mehr auf den Dienst warten durfte, kam Rupert zu Fortunat auf sein Zimmer und sprach: "Ach, lieber Fortunat, mir ist von meines Herrn Kanzler, der mein insonders guter Freund ist, ingeheim etwas gesagt worden; wiewohl er mir aufs ernstlichste verboten hat, so lieb mir seine Freundschaft sei, es wieder zu sagen, so mag ich es doch dir, meinem guten Gönner, nicht verbergen: denn es ist ein Handel, der dich besonders betrifft. Du weißest doch, daß der Herr, unser Graf, von der Eifersucht geplagt ist; und daß dich unsere Gräfin nicht haßt, das ist auch ausgemacht. Hat sie doch eine besondere Freude an deinem hellen Gesang und hat dir manchmal deswegen freundlich zugenickt. So hat nun der Graf geschworen, und der Kanzler hat es gehört, er wolle dir einen eisernen Vogelbauer machen lassen, da sollst du drin gefangen sitzen wie ein Kanarienvogel oder eine Nachtigall und sollst nichts als Zuckerbrot



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zu essen kriegen; auch wird er es schon zu machen wissen, das deine Stimme hübsch fein bleibt; und da will er dich aufhängen lassen, zuoberst auf dem Boden des Schlosses, und sollst da singen dürfen Tag und Nacht und sollst im übrigen es herrlich haben! Und das soll morgen in aller Frühe geschehen. Denn der Käfig ist fertig; heute mittag hat der Kanzler, mein Freund, ihn gesehen!"

Als Fortunat diese Worte hörte, zitterte er am ganzen Leibe und fragte ihn, ohne sich lange zu besinnen, ob er nirgends einen Ausgang aus der Stadt wüßte; wüßte er einen, so wollte er ihn bitten, ihm den zu weisen. "Von Stund an will ich hinweg", sagte er, "und meines Herrn Vorhaben nicht warten, und gäbe er mir all sein Gut, und könnte er mich zum König von England machen, und ich sollte dabei ein Vogel sein, im Käfig gefangen, so will ich ihm keinen Tag mehr dienen! Darum, lieber Rupert, hilf und rate mir, daß ich hinwegkomme!" — "Lieber Fortunat", sprach Rupert, "wisse, daß die Stadt an allen Orten beschlossen ist und niemand weder aus noch ein kommen kann bis morgens frühe, wenn man zur Mette läutet: da schließt man zuerst das Törlein, das die Kuha pforte heißt, auf. Aber bedenke, Fortunat, wenn es so um dein Schicksal steht, so hast du es am Ende doch gut, du wirst besser gehalten als alles Gesinde im ganzen Haus. Der Vogelbauer ist so hoch und lang, daß du bequem darin stehen, sitzen und liegen kannst; es ist dir auch, der Kanzler hat mir's anvertraut, ein feines Bett von Eiderdunen drin zugerichtet, und ein schönes Gewand bekommst du auch, aus lauter gelben und blauen Vogelfedern niedlich zusammengeleimt!" — "Eher wollte ich betteln gehen", rief Fortunat, "und eine Nacht nicht liegen da, wo ich die andere gelegen!" —Rupert sprach: "Mir ist leid, daß ich dir diese Dinge geoffenbart habe; denn ich sehe wohl, daß du von hinnen willst l Hatte ich doch all mein Hoffen auf dich gesetzt, daß wir wie Brüder miteinander leben wollten! Ja, der Kanzler hatte mir schon heimlich versprochen, daß dir niemand anders dein Essen und Trinken in dein Vogelhaus sollte bringen dürfen denn ich. Wenn du aber durchaus von hinnen willst, so darf ich dich nicht halten!" —"Freilich will ich", sprach Fortunat ganz ängstlich, "und versprich mir nur, Rupert, daß du meine Abreise nicht offenbaren willst, bis ich drei Tage hinweggeritten bin!" Rupert verhieß ihm dies und nahm einen ganz kläglichen Abschied von ihm, küßte und segnete ihn und wünschte ihm das ganze himmlische Heer zum Schutz. Judas war ein frommer Mann gegen diesen Rupert.

Inzwischen war es Mitternacht geworden, wo gewöhnlich jedermann



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schläft. Nur unserm Fortunat kam kein Schlaf in den Sinn; tede Stunde deuchte ihm von Tageslänge; immer besorgte er, der Graf möchte nach ihm schicken und ihn noch vor Tagesanbruch in den Vogelbauer stecken. Mit Angst und Not wartete er, bis der Himmel sich rötete. Ehe die Sonne aufging, war er gestiefelt und gespornt, nahm sein Federspiel und seinen Hund, als ob er auf die Jagd gehen wollte, und ritt so spornstreichs hinweg: wäre ihm ein Auge entfallen, er hätte sich nicht die Zeit genommen, es aufzuheben.



***
Als Fortunat bei zehn Meilen Weges geritten war; kaufte er ein anderes Pferd, setzte sich darauf und ritt eilends weiter. Jedoch sandte er dem Grafen sein Roß, seinen Hund und sein Federspiel alles wieder heim, damit dieser keine Ursache hätte, nach ihm zu senden. Als der Graf erfuhr, daß Fortunat ohne Urlaub fortgegangen war, während er selbst ihm doch weder einigen Unwillen bewiesen noch ihm seinen Sold ausbezahlt hatte, befremdete ihn dies sehr; er fragte alle seine Diener und jeden insbesondere, ob keiner wüßte, was doch die Ursache seines Entweichens sei. Aber alle sagten, sie wüßten es nicht, und schwuren, daß sie ihm kein Leid getan hätten. Der Graf ging selbst zu seiner Gemahlin in die Frauengemächer und fragte sie und alle andere Hoffrauen, ob ihm jemand irgendeinen Verdruß gemacht. Die Gräfin und andere sagten: "Sie wüßten , daß ihm nie ein Leid geschehen wäre, weder mit Worten noch mit Werken; nie sei er fröhlicher gewesen, als wenn er am Abend von ihnen gegangen; er habe ihnen von seinem Lande erzählt, wie da die Frauen bekleidet gingen, und von andern Sitten und Gewohnheiten. Das alles", erzählten sie, "sagte er in so bösem Deutsch, daß wir das Lachen nicht verhalten konnten; und da er uns lachen sah, fing er auch an zu lachen, und so ist er mit lachendem Munde von uns geschieden." Darauf sprach der Graf: "Kann ich's jetzt nicht innewerden, warum Fortunat so heimlich entflohen ist, so erfahre ich es doch später; und fürwahr, wird mir kund, daß einer der Meinen schuld an seiner Entfernung der soll es mir entgelten. Ich weiß, daß er bei fünfhundert Kronen gutstehen hatte, solang er hier gewesen; und hätte ich geglaubt, er würde sein Leben lang nicht von mir wegbegehren. Ich merke aber wohl, daß er den Mut nicht gehabt hat wiederzukommen, wenn er seine Kleinode, und was er sonst Guts hat, mit sich genommen."

Da nun Rupert merkte, daß es seinem Herrn so leid um Fortunat sei, befiel ihn eine Furcht, und er besorgte, einer seiner Gesellen möchte verraten,



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wie er denselben hinweggeschafft hätte: er ging daher zu jedem besonders und bat sie alle, daß sie doch nirgends melden sollten, wie er der eigentliche Urheber seiner Entweichung sei; sie gelobten ihm auch, das getreulich zu tun. Doch hätten sie gerne gewußt, mit was für List er ihn dazu gebracht habe, daß er so eilig und ohne Urlaub — als hätte er ein Verbrechen begangen — davongeflohen sei. Da war einer unter ihnen, der vor allen andern gut mit Rupert stand; dieser lag ihm mit Fragen an und hätte gerne erfahren, wie er ihn hinweggebracht hätte. Wie nun dieser mit Fragen nicht ablassen wollte, sagte ihm Rupert, Fortunat habe ihm das Schicksal seines Vaters anvertraut, wie dieser in Armut gekommen sei und an dem Hofe des Königs von Zypern diente: "Dann", sprach Rupert, "hab ' ich ihm gesagt, daß ein reitender Bote zum König von England eile, ihm zu sagen, wie der König von Zypern tot sei; denn sie wären Geschlechtsfreunde; der habe mir gesagt, daß der König, solang er noch bei Leben und gesundem Leib gewesen, seinen Vater Theodor zum Grafen gemacht und ihm die Herrschaft eines andern ohne Leibeserben verstorbenen Grafen geschenkt habe. Als ich das sagte, schenkte mir jener Fortunat nicht viel Glauben; nur sprach er: ,Ich wollte wohl, daß es meinem Vater wohl erginge', und damit ist er weggeritten." Als die andern Diener diese Worte vernahmen, sprach einer zu dem andern: "Wie ist doch Fortunat so unweise gewesen, wenn ihm wirklich ein solches Glück zugefallen, daß er es unserm Herrn nicht gesagt hat! Der hätte ihn wohl ehrlich ausgerüstet und unser drei oder vier mit ihm gesandt; so wäre er mit großen Ehren von hinnen gekommen und hätte sein Leben lang einen gnädigen Herrn gehabt!"



***
Wir lassen nun den Grafen mit seinen Dienern, der nicht ahnte, mit welchen Lügen Rupert umgegangen war, und vernehmen, wie es Fortunat weiter ergangen ist. Als er ein anderes Roß kaufte und seinem Herrn das alte wiedersandte, hatte er immerdar noch Sorge, man möchte ihm nachreiten, und sputete sich daher, so gut er konnte, bis er nach Calais kam. Hier fand er ein Schiff, mit dem er nach England fuhr; denn er fürchtete den Verlust seiner Freiheit so sehr, daß er nirgends sicher zu sein glaubte als jenseits des Meeres, und erst, als er auf englischem Boden war, fing er an, wieder guten Mutes zu werden. So kam er gen London, in die Hauptstadt Englands, wo Kaufleute aus allen Gegenden der Welt am gesessen sind und ihr Gewerbe treiben. Da war denn auch eine Galeere aus Zypern angekommen mit köstlichem Kaufmannsgut und viel Hanselsleuten;



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darunter waren zwei Jungen, die reiche Väter in Zypern hatten, und denen viel treffliche Waren anbefohlen waren. Dieselben waren früher nie außer Lands gewesen und wußten nicht viel, wie man sich in fremden Landen zu verhalten hätte, außer soviel sie von ihren Vätern gehört. Als nun die Galeere die Güter ausgeladen hatte und dem Könige der soll entrichtet war, damit jeder kaufen und verkaufen könnte, fingen die zwei Jungen an, ihr Gut zu verkaufen, und lösten viel Geld, was ihnen große Freude machte; denn sie waren nicht gewohnt, mit barem Geld umzugehen. Zu denen kam Fortunat, und sie empfingen einander gegenseitig als Landsleute gar herzlich in dem fremden Lande und wurden gute Freunde. Leider aber fanden sie auch gleich eine Rotte unnützer Buben, zu welchen sie sich gesellten, und die ehrliche Leute in schlechte Gesellschaft zu locken und mit Wohlleben und Spielen zu körnen wußten, und wenn einer etwas Schönes überkam, so wollte der andere noch Schöneres haben, es koste, was es wolle. Das trieben sie bis zu einem halben Jahr; da kam es allmählich so weit, daß sie nicht mehr viel Bargeld hatten. Doch war einer desselben mehr entblößt worden als der andere.

Fortunat, der hatte am wenigsten und ward auch am ersten fertig; ebenso geschah es den andern; was sie in London gelöst hatten, war alles bald vertan; als sie nun nichts mehr hatten, war auch die Liebe ihrer englischen Freunde aus, ja, sie spotteten ihrer und sprachen: "Fahret hin und holet mehr!" Die andern Kaufleute von Zypern waren auch mit



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Kaufen und Verkaufen fertig, und der Patron schickte sich an, wiederabzufahren . So gingen auch die zwei jungen Kaufleute in ihre Herberge und fanden wohl, daß sie viel Geldes gelöst hätten, aber nicht viel darum gekauft , wie ihr Vater doch vorgeschrieben. Vielmehr war alles, wie man sagt, um nassen Zucker gegeben; und wär ' es auch noch mehr gewesen, es wäre alles davongegangen. Doch setzten sie sich auf die Galeere und fuhren ohne Kaufmannsgut wieder heim. Wie sie aber von ihren Vätern empfangen worden, dafür lassen wir sie sorgen.

Als Fortunat wieder allein war ohne Geld, dachte er bei sich selber: "Hätte ich nur zwei, drei Kronen, so wollte ich wohl in Frankreich einen Herrn finden!" So ging er zu einem seiner alten englischen Kumpane und bat, daß er ihm zwei oder drei Kronen leihen möchte er wolle nach Flandern gehen zu einem Vetter, der vierhundert Kronen für ihn aufbewahre; die wolle er holen. Der Geselle aber sprach: "Weißest du Geld zu holen, das magst du immerhin tun, nur mir ohne Schaden!" Fortunat merkte wohl, daß er hier kein Geld zu erwarten hätte. Da dachte er: "Ich muß wohl dienen, so lange, bis ich zwei oder drei Kronen überkomme!" So ging er des Morgens auf den Platz, den man die Lombarderstraße nennt, wo alles Volk sich versammelt, und fragte da, ob jemand einen Knecht bedürfte. Da war ein steinreicher Kaufmann von Venedig, der sich einen köstlichen Hof von Knechten hielt; denn er brauchte sie alle in seinem Gewerbe und Handel, der dingte unsern Fortunat und verhieß ihm je für einen Monat zwei Kronen und führte ihn mit sich heim. Hier fing er früh über Tisch zu dienen an. Der Herr des Hauses, Geronimo Roberto, sah ihm wohl an, daß er schon mehr bei ehrsamen Leuten gewesen war; er verwandte ihn daher dazu, das Gut auf die Schiffe zu führen und ebenso es, wenn die Schiffe ankamen, zu entladen; denn die großen Schiffe konnten bis auf eine Entfernung von zwanzig Meilen nicht zu der Stadt kommen. Was nun sein neuer Herr Fortunaten befahl, das richtete er wohl aus.



***
Nun gab es damals einen Florentiner, eines reichen Mannes Sohn, mit Namen Andreas, dem sein Vater großes Gut gegeben und ihn damit nach Brügge in Flandern gesandt hatte. Der junge Mann verschleuderte dieses in kurzer Zeit und begnügte sich nicht damit, sondern nahm Wechsel auf seinen Vater auf, indem er demselben schrieb, er wolle ihm großes Gut senden. Der gute Vater glaubte das und bezahlte also für den Sohn so lange, bis er nichts mehr hatte, indem er fest auf die Kaufmannsgüter



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wartete, die ihm sein Sohn schicken sollte. Als nun der Bube gar nichts mehr hatte, sein Kredit bei den Kaufleuten verloren war und ihm niemand mehr borgen wollte, da gedachte er, nach Florenz heimzugehen, ob er nicht etwa eine alte reiche Witwe fände, die ihn aus der Not reißen und ehelichen wollte. Auf dem Heimwege kommt er in eine Stadt in Welschland, Turin genannt; hier lag ein reicher Edelmann gefangen, der aus England und gerade aus London war, das hörte Andreas von seinem Wirt. "Mein Lieber", sprach er zu diesem, "könnte ich nicht zu dem gefangenen Mann kommen?" — "Ich kann Euch wohl zu ihm führen", sagte der Wirt, "er liegt aber gar hart eingeschmiedet, daß es Euch erbarmen wird!" Als Andreas zu dem Gefangenen kam, redete er ihn auf Englisch an. Des ward dieser froh und fragte jenen, ob er nicht zu London den Geronimo Roberto kenne. — Ja, den kenne ich gar wohl", sprach Andreas, "er ist mein guter Freund." — "Lieber Andreas", erwiderte der Gefangene, "tut mir den Gefallen, ziehet hin gen London zu Roberto und sagt ihm, er soll helfen und raten, daß ich ledig werde; er kennt mich und weiß wohl, was ich vermag; ich will ihm das Geld, das er für mich anwenden wird, dreifältig wiedergeben. Darum, lieber Andreas, befleißige dich und sei mir hilfreich in meiner Lage; ich will dir für deine Mühe fünfzehn Kronen geben, die Reise bezahlen und noch überdies dir ein gutes Amt schaffen; sag auch meinen Freunden, daß du hier bei mir gewesen seiest, und daß sie Bürge für mich bei Geronimo werden sollen."

Andreas versprach dem Gefangenen, getreulich in seiner Sache zu arbeiten, zog nach London und brachte seinen Auftrag vor Roberto. Dem Kaufmann hätte die Sache ganz wohl gefallen, wenn er nur gewiß gewußt hätte, daß er drei Kronen für eine erhalten werde. Aber den Andreas kannte er als einen bösen Buben. Nichtsdestoweniger sagte er zu ihm: "Gehe hin zu seinen Freunden und an des Königs Hof; findest du Mittel und Wege, mir Bürgschaft zu verschaffen, so will ich das Geld darleihen." Andreas fragte nach des Gefangenen Freunden und sagte ihnen, wie es um ihn stehe, wie er so hart in Banden liege. Ihnen aber machte das wenig Kummer; sie wiesen ihn an den König oder dessen Räte: diesen sollte er es vorhalten; denn der Engländer sei in seines Königs Dienste versendet gewesen. Als Andreas an den Hof kam und mit seiner Sache nicht gleich vorkommen konnte, hörte er sagen, daß der König von England seine Schwester an den Herzog von Burgund verheiratet habe und diesem noch schuldig sei, die Brautkleinodien zu senden; selbige habe er



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auch mit Mühe zusammengebracht; denn es seien gar köstliche Kleinode, und sie einem frommen Edelmann aufzubewahren und zu überbringen gegeben, der zu London mit Weib und Kind ansässig sei.

Dieses ließ sich Andreas nicht zweimal sagen; er eilte hin zu dem Edelmann , den er am Hofe antraf, und sagte, wie er vernommen hätte, daß der König dem Herzog von Burgund durch ihn köstliche Kleinode senden wollte; er bäte ihn daher gar freundlich, daß er ihn, wo es möglich wäre, die Kostbarkeiten sehen ließe; denn er sei ein Goldschmied, der mit solchen Kleinodien umgehe, und habe schon zu Florenz gehört, daß der König solchen Köstlichkeiten nachfrage. Deswegen sei er aus so großer Ferne hergekommen in der Hoffnung, der König werde ihm auch einige Stücke abkaufen. Der fromme Edelmann erwiderte: "Wartet nur, lieber Herr, bis ich gerichtet bin; dann kommet mit mir, ich will sie Euch sehen lassen." Und als er fertig war zu gehen, führte er den Andreas mit sich heim. Es war eben Mittag, daher sagte der Edelmann: "Laßt uns zuvor speisen, so wird meine Frau nicht unwillig!" So aßen sie zusammen; der Edelmann tischte dem Florentiner tapfer auf, und sie saßen lange miteinander über der Tafel. Als sie satt gegessen hatten und fröhlich gewesen waren, führte der Edelmann den Gast in seine Schlafkammer und schloß einen schönen Kasten auf; daraus zog er eine Lade mit den Kleinodien hervor und hieß ihn dieselbe zu Genüge sich beschauen. Es waren fünf Kleinode, fünfzigtausend Kronen an Wert; je länger man sie besah, desto besser gefielen sie einem. Andreas lobte sie nicht wenig und sprach: Ich habe wohl auch einige Stücke; wären sie so gefaßt, sie sollten etliche von diesen hier beschämen!" — Der Edelmann hörte dies gar gerne. "Hat der Welsche", dachte er, "so köstliche Kleinode, so muß unser Herr König noch mehr kaufens " So gingen beide wieder gen Hof. Andreas aber sprach: "Morgen zu Mittag, edler Herr, sollet Ihr mit mir essen im Hause des Geronimo Roberto; dann will ich Euch meine Kleinode sehen lassen." Das gefiel dem Edelmann wohl.

Nun ging Andreas zu Geronimo Roberto und sprach zu diesem: "Ich habe meinen Mann gefunden an des Königs Hof, der wird mir helfen, daß wir den Gefangenen ledig machen, und wird Euch für gute und gewisse Bürgschaft sorgen auf des Königs Zölle." Geronimo Roberto war damit zufrieden. Da sprach Andreas weiter: "Bereitet morgen nur eine stattliche Mahlzeit, so bringe ich ihn, daß er mit uns ißt!" Dies geschah, und zur Mittagszeit brachte Andreas den Mann; ehe sie jedoch zu Tische saßen, flüsterte Andreas dem Roberto ins Ohr, man sollte nicht viel pou



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dem gefangenen Manne reden; denn die Sache müßte geheimbleiben. So aßen sie und waren fröhlich, waren lang über Tische, und als die Mahlzeit vorüber war, ging Geronimo wieder auf seine Schreibstube. Jetzt sagte Andreas zu dem Edelmann: "Kommt mit mir hinauf in meine Kammer, , so will ich Euch meine Kleinode auch sehen lassen." So gingen sie miteinander in eine Kammer, die war gerade über dem Saal, in dem sie gesessen hatten; und als sie in die Kammer eingetreten, stellte sich Andreas an, als wollte er eine große Truhe aufschließen, zückte ein Messer und stach nach dem Edelmann mit solcher Macht, daß dieser zu Boden fiel; dann schnitt er ihm die Gurgel ab, zog ihm den goldenen Siegelring, den er am Daumen hatte, vom Finger, nahm die Schlüssel aus seinem Gürtel, ging eilends in des Edelmanns Haus und zu seiner Frau und sprach zu ihr: "Edle Frau, Euer Gemahl sendet mich zu Euch, daß Ihr ihm die Kleinodien schicket, die er mich gestern sehen ließ; zum Wahrzeichen sendet er Euch hiebei Ring und Siegel und die Schlüssel zu dem Kästchen, darin die Kleinode liegen." Die Frau glaubte diesen Worten und schloß das Kämmerlein auf, in welchem das Kästchen sich sonst befand. Sie fanden jedoch die Kleinode nicht. Der Schlüssel waren drei, aber an diesem Bunde fanden sie auch keinen, der für das Kästchen bestimmt war. Die



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Frau gab dem Welschen alles wieder und sagte: "Gehet hin, Herr, und saget meinem Mann, wir können Schlüssel und Kasten nicht finden, er solle selbst kommen und sehen, wo beide seien."

Während nun Andreas in des Edelmanns Haus gegangen war, floß das Blut durch die Dielen in den Saal und von da hinunter in Robertos Schreibstube. Das sah der Herr, rufi auf der Stelle seinen Knechten und spricht: "Von wannen kommt das Blut?" Diese liefen und sahen nach und fanden endlich den frommen Edelmann zuoberst in der Kammer tot liegen. Da erschraken sie sehr und wußten vor großem Schrecken nicht, was sie anfangen sollten. Wie sie nun so dastanden, kommt der Schalk Andreas daher. "Was hast du getan", schrien sie auf ihn zu, "daß du diesen Mann ermordet hast?"Er sprach kaltblütig: "Der Bösewicht wollte mich ermorden; denn er glaubte, Kostbarkeiten bei mir zu finden; so ist es mir lieber, daß ich ihn ermordet habe als er mich! Darum schweiget still und macht kein Geschrei, so will ich den Mann in den Hausbrunnen werfen, und wenn jemand nach ihm fragt, so saget: ,Als die Herren gegessen hatten, gingen sie hinweg; seither haben wir keinen gesehen. ' Damit warf er den Leichnam in den Brunnen und eilte Tag und Nacht, daß er aus dem Lande kam; an keinem Orte durfte er bleiben; denn immer meinte er, es wären Boten nach ihm geschickt und die Strafe seines Mordes werde ihn ereilen. So kam er nach Venedig, verdingte sich dort als Ruderknecht auf eine Galeere und fuhr nach Alerandrien. Kaum dort angekommen, verleugnete er den christlichen Glauben; dafür wurde der Schalk gut gehalten und war auch sicher vor der Missetat, die er getan; ja, hätte er hundert Christen ermordet, so wäre er geborgen gewesen.



***
Der Tag, an dem der Mord geschehen, ging zu Ende, als Fortunat von der Stätte, wo er seines Herrn Gut in ein Schiff geladen hatte, nach London zurückkam. Als er auch hier das ihm anbefohlene Geschäft wohl verrichtet hatte und in seines Herren Haus kam, da wurde er nicht so schön begrüßt und empfangen als die andern Male, die er ausgewesen war. Auch dünkte ihm, Herr, Gesellen, Knechte und Mägde seien nicht so fröhlich, wie er sie verlassen hatte. Es bekümmerte ihn dieses nicht wenig, und er fragte die Kellnerin des Hauses, was sich denn während seiner Abwesenheit begeben hätte, daß sie alle so traurig wären. Die gute alte Haushälterin , die auch dem Herrn sehr lieb war, sagte zu ihm: "Fortunat, laß dich's nicht bekümmern; denn unserm Herrn ist ein Brief aus Florenz gekommen, daß ihm ein so gar guter Freund dort gestorben sei; darüber ist



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er sehr ,betrübt; doch ist derselbe ihm nicht so nahe verwandt, daß er sich deswegen schwarz tragen dürfte; es wäre ihm aber lieber ein Bruder gestorben als jener werte Freund." Dabei ließ es Fortunat bewenden, fragte nicht weiter und half seinem Herm auch traurig sein.

Aber der fromme Edelmann kam des Nachts nicht in sein Haus zurück und ließ auch seiner Frau nichts sagen; denn er war tot und lag im Brunnen. Die Frau nahm es wunder, daß er nicht kam; doch schwieg sie stille. Als er aber am andern Morgen noch immer nicht zurückkehrte, schickte sie Anverwandte an des Königs Hof; ihrem Manne nachzufragen, ob etwa der König ihn in seinem Dienste ausgesandt hätte oder er sonst irgendwo wäre. Sobald man nun am Hofe hörte, daß nach ihm gefragt werde, da wunderten sich die Räte des Königs erst, daß der Mann nicht nach Hofe gekommen war. So kam die Kunde vor den König, und dieser sagte: "Gehet doch alsbald in sein Haus und sehet, ob er die Kleinodien nicht hinweggebracht habel"Denn dem Herrn kam ein Argwohn, er möchte sich mit den Kostbarkeiten entfernt haben, wiewohl er ihn für einen Biedermann hielt; dennoch dachte er, das große Gut und die Versuchung könnten ihn zu einem Bösewicht gemacht haben. So kam es, daß je einer den andern fragte, ob er nicht wüßte, wo der Edelmann hingekommen wäre; niemand aber wußte etwas von ihm zu sagen. Der König sendet gar eilends in das Haus der Frau, daß man fragte und nachsähe, wo die Kleinode wären. Wiewohl ihm der Edelmann lieb war, so ließ er doch den Kleinodien viel eifriger nachfragen als dem frommen Mann; woraus man wohl erkennen kann, daß, wenn es an Hab und Gut geht, bei vielen Menschen alle Liebe aus ist. Als man die Frau fragte, wo ihr Mann wäre und die Kostbarkeiten, sprach sie: "ES ist heute der dritte Tag, daß ich ihn nicht gesehen habe." — "Was sagte er aber", fragten die Leute, "als er zuletzt von Euch ging?"Sie sprach: "Er wollte mit den Florentinern essen und schickte mir einen mit seinem Siegel und den Schlüsseln, ich sollte ihm die Kleinode senden; er wäre in Geronimo Robertos Hause, dort habe man auch viele Kostbarkeiten, die wollten sie gegeneinander schätzen. So führte ich denn jenen in meine Kammer und tat ihm den Behälter auf, zu dem er auch den Schlüssel hatte; aber die Kleinode fanden wir nicht, und so ging der Mann ohne dieselben hinweg, was er sehr ungerne tat. Auch ließ er mich recht ernstlich darnach suchen, wir konnten sie aber nicht finden den." Die Männer fragten, ob der Edelmann denn nicht seinen besondern Verschluß dafür hätte. "Nein", sagte sie, "er hatte keinen andern; was er Gutes hatte, Brief und Siegel, das legte er alles in diesen Kasten, und da



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standen auch die Kleinodien; sie waren aber nicht mehr da. Wären sie dagewesen , ich hätte sie ihm gewiß durch den Fremden gesandt!"

Als die Boten dies hörten, ließen sie alle Kisten, Behälter und Truhen aufbrechen, fanden aber die Kostbarkeiten nirgends. Die Frau erschrak sehr, daß man in ihrem eigenen Hause solche Gewalttätigkeiten sich erlaubte ; die Boten aber erschraken ebenfalls, als sie nichts fanden. Der König, dem dies gemeldet wurde, ward traurig, mehr um die schönen Kleinode als um das Geld, das sie gekostet; denn solche Dinge findet man nicht leicht zu kaufen; man mag soviel Geld haben, als man will. Weder der König noch seine Räte wußten, was in der Sache zu tun wäre. Nur so viel beschloß man, den Roberto und all sein Gesinde zu verhaften, damit sie Rechenschaft ablegten wegen des Edelmanns. Es geschah dies am fünften Tage, nachdem der Mann ermordet worden war. Die Knechte des Richters warteten die Zeit ab, wo bei Roberto alles am Mahle saß; dann fielen sie ins Haus und fanden alle beieinander, den Herren, zween Schreiber , einen Koch, einen Stallknecht, zwo Mägde und — Fortunat, so daß ihrer acht Personen waren; die führte man ins Gefängnis, jeden besonders, und fragte auch jeden insbesondere, wo die zwei Männer hingekommen wären. Alle sagten einstimmig aus, nachdem sie gegessen hätten, seien sic hinweggegangen, und nachher hätten sie sie nicht mehr gesehen noch von ihnen gehört. Doch begnügten sich die Richter damit nicht: sie nahmen dem Herrn und den andern allen ihre Schlüssel, gingen in das Haus und durchsuchten alle Ställe, Keller und Gewölbe, wo Roberto seine Kaufmannsgüter aufbewahrt hatte, kurz allerorten, ob der Edelmann nicht irgendwo begraben läge; aber sie fanden nichts. Eben wollten sie hinweggehen, als einem, der eine große brennende Kerze oder ein Windlicht in der Hand hatte, womit er alle Winkel durchsuchte, der Brunnen hinter dem Hause ins Auge fiel. Dieser eilt ins Haus zurück, zieht aus einer Bettstatt eine Handvoll dürres Stroh, geht hinaus, zündet's an seinem Licht an und wirft es in den tiefen Schöpfbrunnen. Schnell blickt er nach und sieht den Fuß eines Mannes aus der Tiefe emporragen. Mit lauter Stimme rief der Knecht: "Mord und wieder Mord, hier im Brunnen liegt der Mann." Sofort ward der Brunnen gebrochen und der Mann, dem die Kehle durchstochen und der schon halb verwest war, herausgezogen, auf die offene Straße vor Robertos Haus gebracht und dort niedergelegt. Als die Engländer den großen Mord innewurden, entstand Entrüstung gegen die Florentiner und alle Lombarden, so daß sie sich verbergen und einsperren mußten; denn hätte man sie auf offener Straße gefunden, so



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wären sie von dem Volke alle erschlagen worden. Die Geschichte kam schnee vor den König und den Oberrichter. Da ward befohlen, daß man Herrn und Knechte martern solle, damit man den rechten Hergang der Sache erführe; besonders aber solle den Kleinodien nachgefragt werden.

So kam denn der Henker, nahm zuerst den Herrn, legte ihm Daumenschrauben an und peinigte ihn, daß er bekennen sollte, wer den Edelmann ermordet hätte, und wo die Kostbarkeiten des Königs wären. Wohl konnte der gute Geronimo an dem großen Ungestüm und der furchtbaren Marter merken, daß der Mord kundbar geworden war, wiewohl derselbe in seinem Hause ohne sein Wissen verübt worden und ihm selbst am meisten leid tat. Doch konnte er es nicht ändern und erzählte seinen Peinigern, wie alles gegangen war; wie Andreas ihn gebeten, ein gutes Mahl zuzubereiten; er wollte einen Edelmann mitbringen, der ihm einen andern englischen Edeln, der zu Turin gefangenliege, der Bande zu erledigen helfen wolle. "Dies tat ich", sprach Roberto, "in allem Guten, meinem gnädigen Herrn, dem König, und dem ganzen Land zulieb, und dachte nichts anders. Als die Mahlzeit vollbracht und schon von mir vergessen war, auch ich in meiner Schreibstube saß, schrieb und unter dem Schreiben aufblickte, da sah ich, wie durch die Decke meiner Kammer ein Schweiß herabfloß. Ich erschrak und sandte meine Knechte, daß sie sehen sollten, was es wäre. Die sagten mir, wie die Sachen stehen. Ich konnte mir nicht denken, wie es zugegangen war: indem kam der Schalk Andreas gelaufen, und ich setzte ihm hart wegen des Mordes zu. Er aber sagte, der Mann habe ihn ermorden wollen, nahm den Leichnam und warf ihn in den Brunnen; dann ging er weg; wo er hingekommen, weiß ich nicht." Wie Roberto sagte, so sagten die andern alle, so arg man sie peinigte; nur Fortunat; der auch gemartert wurde, bekannte nichts; denn er war nicht zu Hause gewesen, als der Mord sich ereignete.

Da man auf diese Weise nichts erfuhr und die Kleinode nicht zum Vorschein kamen, wurde der König sehr zornig und befahl, daß man sie alle miteinander an einen neuen Galgen hängen und mit Ketten wohl anschmieden solle, damit sie niemand herabnehme und sie nicht so bald herabfallen, sondern jedermänniglich zur Warnung hängen bleiben sollten. So wurden sie nacheinander gehenkt, bis nur noch der Koch und Fortunat übrig waren. "Ach", dachte dieser, "wäre ich bei meinem frommen Herrn und Grafen geblieben und hätte mich lieber zum Sangvögel machen lassen, so wär' ich doch jetzt nicht in diese Angst und Not gekommen t" Als man aber den Koch, der ein Engländer war, henken wollte, schrie dieser



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mit lauter Stimme, daß es jedermann hören konnte, Fortunat wisse nichts von all diesen Dingen. Der Richter glaubte selbst an seine Unschuld, doch wollte er ihn mit hängen lassen, gleichsam aus Mitleid, weil er doch als Welscher zu Tod geschlagen werden würde. Dennoch handelte man mit dem Richter, weil Fortunat kein Florentiner und überdies unschuldig sei, so daß dieser endlich zu dem Jüngling sprach: "Nun mach dich auf der Stelle aus dem Lande; denn die Weiber auf der Straße würden dich zu Tode schlagen!" Damit gab er ihm zwei Knechte bei, die ihn bis an die Themse führten. Fortunat schiffte sich ein, so geschwind er konnte, fuhr den Strom hinab und war froh, als er auf der offenen See war und das englische Land hinter sich hatte, wo man so schnell mit dem Henken bei der Hand ist.



***
Nachdem Geronimo Roberto mit seinem Gesinde gehenkt war, gab der König sein Haus der Plünderung preis, doch hatten des Königes Räte vorher das Beste wegbringen lassen. Die Florentiner und alle Lombarden aber, als sie dies hörten, trugen Sorge um Leib und Gut und sandten dem Könige eine große Summe Geldes, damit er ihnen frei Geleite gäbe, weil sie ja doch keine Schuld an dem Morde hätten. Der König gewährte ihnen dieses von Rechts wegen. Aber wo seine Kleinodien hingekommen, wußte er immer noch nicht; daher ließ er öffentlich ausrufen, wer Nachricht darüber zu erteilen vermöchte, dem sollte man tausend Nobel geben; auch wurde an vieler Könige, Fürsten und Herren Höfe geschrieben, ebenso an mächtige und reiche Städte: wenn jemand käme, der dergleichen Kostbarkeiten feilböte, so sollte man Beschlag darauf legen. Dennoch konnte man nichts davon erfahren, so gern jedermann das Geld gewonnen hätte.

Dies stand so lange an, bis des Edelmanns Frau dreißig Tage um ihren Eheherrn getrauert hatte; dann legte sie das Leid von Tag zu Tag mehr beiseite und lud ihre Gespielen und Nachbarinnen zu Gaste. Unter diesen fand sich eine, die auch erst kürzlich zur Witwe geworden war; diese sprach: "Wenn Ihr mir folgen wollet, so will ich Euch lehren, wie Ihr den übermäßigen Kummer um Euren toten Eheherrn bald loswerden könnet. Schlaget nur Euer Bett in einer andern Kammer auf oder, wenn Ihr das nicht möget, so rücket wenigstens die Bettstatt an einen andern Ort, und wenn Ihr Euch zu Bette leget, so denkt fein hübsch an die Lebendigen und sprechet: ,Die Toten zu den Toten, und die Lebenden zu den Lebenden! Also tat ich auch, als mir mein Ehegemahl gestorben war." Die Frau aber erwiderte: "O liebe Gespiele, mein Mann ist mir so recht lieb gewesen,



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ich kann seiner so bald nicht vergessen!" Doch hatte sie sich die Worte der Freundin gemerkt, und als sie wieder allein war, dachte sie: "Das kann ja dem Andenken an den Seligen nichts schaden!" und fing gleich an, ihre Schlafkammer aufzuräumen, ihres Mannes Kisten und Geräte aus dem Zimmer zu tragen, die ihrigen an deren Stelle zu setzen, endlich auch die Bettstatt zu verrücken. Als aber dieses geschah, siehe da stand die Lade mit den Kleinodien unter dem Bette an einem der Bettstollen. Gleich erkannte die Frau das Lädchen, griff mit Hast darnach und nahm es zu sich. Im übrigen ließ sie die Kammer scheuern und ausrüsten; dann berief sie ihre nächsten Verwandten, erzählte ihnen alles und begehrte ihren Rat, wie sie es mit den Kleinodien halten sollte. Als ihr ältester Verwandter sich von dem Staunen über den herrlichen Fund erholt hatte, sprach er zu ihr: "Wenn Ihr meines Rates begehrt, so sage ich Euch, daß mir das beste scheint, auf der Stelle mit den Kleinodien vor den König zu gehen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen und ihm dieselben zu überantworten. Überlässet seinem Edelmut, ob er Euch etwas davon schenken will. Wolltet Ihr so große Kostbarkeiten verheimlichen oder in ein fremdes Land verkaufen, so wäre das übelgetan und könnte doch nicht verborgen bleiben; denn dieselben sind nach des Königs Ausschreiben in allen Orten bekannt. Würde man es inne, so kämen alle, die damit umgegangen sind, und zuerst Ihr selber um Leib und Gut, und der König erhielte doch wieder sein Eigentum."



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Dieser Rat gefiel der ehrlichen Frau ganz wohl; sie legte ihre schönsten Kleider an, doch waren es Trauergewande, wie sie es ihrem Manne schuldig war; ihr Verwandter begleitete sie, und so kam sie mit diesem in des Königs Palast und begehrte vorgelassen zu werden. Der König vergönnte ihr dieses, und so trat sie in den Audienzsaal, und als sie vor den König kam, kniete sie nieder, bewies ihm alle Ehrfurcht und sprach: "Gnädigster König und Harrt Ich komme vor Eure Majestät, um Euch kundzutun, daß ich die Kleinode, die Ihr meinem seligen Ehemann der Frau Hezogin von Burgund zu überantworten anbefohlen habt, dieses Tages in meiner Schlafkammer hinter einem Bettstollen gefunden habe, als ich meine Lagerstatt verändern wollte. Darum habe ich mich beeilt, dieselben Euch, als dem rechtmäßigen Herm, zuhanden zu geben." Damit reichte sie ihm die Lade, die sie in den Armen trug, dar. Der König nahm das Kistchen, öffnete es und fand zu seiner großen Freude die fünf köstlichen Kleinode darin unversehrt. Er betrachtete sie mit vielem Wohlgefallen; auch freute es ihn, daß die Edelfrau so ehrlich war, und er fand es billig, sie zu begaben, weil ihr armer Mann um dieser Kleinode willen sein Leben hatte lassen müssen. Er rief daher einen jungen Edelmann seines Hofes, der recht hübsch und wohlgestaltet war, und sprach: "Lieber Sohn, ich will eine Bitte an dein Herz legen, die sollst du mir nicht versagen." Der Jüngling sprach: "Herr, Ihr sollt nicht bitten, sondern gebieten, und ich muß allen Euren Geboten gehorsam sein."

Sofort ließ der König einen Priester kommen, und sogleich in seiner Gegenwart gab er der Witwe den Jüngling zum Gemahl und begabte sie reichlich. Beide lebten auch wirklich in Frieden und Freuden miteinander; die Frau ging zu ihrer Gespiele und dankte ihr herzlich für den Rat, den sie ihr gegeben, und auf den sie ihre Bettstätte verändert hatte: "Denn", sprach sie, "wäre ich Eurem Rate nicht gefolgt; so hätte unser Herr König seine Kleinode nicht, und ich nicht einen hübschen, jungen Mann. Darum ist es gut, wenn man weiser Leute Rat befolgt."



***
Nun höret, wie es Fortunaten weiter ergangen ist, als er des Galgens erledigt war! Er hatte gar kein Geld mehr, als er in französischen Landen in der Pikardie ankam. Gern hätte er gedient, aber er wußte nicht; wie an einen Herrn kommen. So ging er weiter nach der Bretagne. Dort kam er in einen wilden Wald, in welchem er den ganzen Tag fortwandelte und als es Nacht wurde, kam er zu einer alten Glashütte, in welcher



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man vor vielen Jahren Glas gemacht hatte. Da wurde er froh; er meinte, hier Leute zu finden, aber da war keine Seele. Die Nacht über blieb er jedoch in der ärmlichen Hütte unter großem Hunger und sehr bekümmert, denn die wilden Tiere durchstreiften den Wald. Ihn verlangte sehr nach dem Tag; da, hoffte er, sollte Gott ihm aus dem Walde helfen, daß er nicht Hungers stürbe. Am andern Morgen nahm er seinen Weg quer durch den Wald; aber je mehr er ging, je weniger konnte er aus dem Holze kommen, und so verstrich auch der Tag zu seinem großen Herzeleid. Als es Nacht zu werden anfing, wurde er ganz kraftlos; denn er hatte in zweien Tagen nichts gegessen. Von ungefähr kam er an einen Brunnen, aus dem er mit großer Begierde trank. Dies gab ihm wieder Kraft, er setzte sich bei dem Brunnen nieder und ließ den hellen Mond auf sich niederscheinen. Auf einmal vernimmt er ein Prasseln im Walde und hört einen Bären brummen. "Das lange Sitzen", dachte er, "ist aus, das Fliehen frommt auch nichts mehr; denn die wilden Tiere überholen die Menschen bald." So bestieg er einen großen vielästigen Baum zunächst an dem Brunnen; von dem herab sah er zu, wie mancherlei Geschlechte wilder Tiere kamen zu trinken, einander stießen und bissen und wilden Lärm untereinander verführten. Unter diesen war auch ein halberwachsener Bär, der bekam Fortunats Spur auf dem Baum und fing an, an diesem hinaufzuklettern. Fortunat, in großer Furcht, stieg je länger, je höher auf den Baum hinauf; der Bär ihm immer nach. Auf dem letzten Ast blieb Fortunat reiten, zog seinen Degen und stach dem Bären verzweifelt zu wiederholten Malen in den Kopf. Der Bär wurde zornig, ließ seine Vordertatzen vom Baume los und schlug nach Fortunat so hitzig, daß ihm auch die Hinterbeine entwischten und er mit großem Gerassel hinter sich vom Baume herabfiel, daß es durch den Wald erschallte und die andern Tiere, so schnell sie konnten, davonflohen. Fortunat aber saß noch immer auf dem Baume und wagte sich nicht herab; endlich aber, da es ihn so gar schläferte und er unversehens von dem Baume herabzustürzen und zu Tode zu fallen fürchtete, stieg er mit großer Angst leise herunter, durchstach den Bären, der noch immer halbtot unter dem Baume lag, legte seinen Mund auf die Wunde und sog etwas von dem warmen Bärenblut in sich, wodurch er wieder zu Kräften kam. Doch bedurfte er so sehr des Schlafes, daß er sich ohne Bedenken neben dem toten Bären hinlegte und bis gegen Morgen einen guten Schlaf tat.

Als Fortunat erwachte, staunte er nicht wenig; denn er sah ein gar



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schönes Weibsbild vor sich stehen. Er fing an, Gott recht inniglich zu loben. "Oh, wie danke ich dir, allmächtiger Gott", sprach er, "daß ich vor meinem Tode doch noch einen Menschen zu sehen bekommet Liebe Jungfrau, ich bitte Euch, wollet mir helfen und raten, daß ich aus diesem Walde komme; denn heute ist der dritte Tag, daß ich durch denselben gehe ohne alle Speise!" Darauf erzählte er, was ihm widerfahren war. "Von wannen bist du denn ?" hub die Jungfrau an zu sprechen. "Ich bin aus Zypern!"sagte Fortunat. "Was gehest du denn hier in der Irre um?"fragte sie weiter. "Mich zwingt Armut dazu", antwortete er, "ich gehe um und suche, ob mir Gott soviel Glücks verleihen wolle, daß ich meine tägliche Notdurft habel" — Da sprach die Jungfrau: "Fortunat; erschrick nicht! Ich bin Fortuna, die Herrin des Glückes, und unter Einfluß des Himmels, der Sterne und der Planeten sind mir sechs Tugenden verliehen, die ich forthin wieder verleihen kann, eine oder mehr oder alle miteinander; diese sind: Weisheit, Reichtum, Stärke, Gesundheit , Schönheit und langes Leben. Wähle dir eins unter den sechsen und bedenke dich nicht lange; denn die Stunde, wo das Glück dir geben kann, ist nächstens abgelaufen!"

Fortunat bedachte sich nicht lange, er sprach: "Nun, wenn es sein muß, so begehre ich Reichtum, damit ich immerdar Geldes genug habe." Von Stund an zog jene einen Säckel heraus, gab ihn dem Jüngling und sprach: "Nimm diesen Säckel; sooft du dareingreifest, in welchem Lande du immer sein magst, und was für Geld in demselben landläufig sein mag, so findest du darin zehn Goldstücke nach des Landes Währung. Dieser Beutel soll solche Tugend haben für dich und deine Kinder und für jeden andern, der ihn besitzt, solange du und deine Kinder leben; aber wenn ihr gestorben seid, hat seine Tugend und Eigenschaft ein Ende. Darum laß dir ihn lieb sein und trage Sorge dafür!"Obgleich Fortunat in seinem Hunger nach nichts anderem verlangte als nach Speise; so gab ihm doch der Säckel und die Hoffnung, die sich daran knüpfte, einige Kraft, und er sprach: "O tugendreichste Jungfrau, da Ihr mich mit einer so trefflichen Gabe erfreut habt; so ist es doch billig, daß ich auch um Euretwillen etwas tue und der Wohltat nicht vergesse, die Ihr mir erwiesen habt!" Die Jungfrau sprach gar gütig zu Fortunat: "Weil du so willig bist; mir meine Guttat zu vergelten, so befehle ich dir folgendes, das du auf den heutigen Tag, solange du lebest, um meinetwillen leisten sollst: du wirst diesen Lag jährlich feiern, mit nichts an demselben dich verunreinigen, und wo in der Welt du dich befinden magst, darnach forschen,



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wo etwa ein armer Mann eine erwachsene Tochter habe, der er gern einen Mann gäbe und dies doch vor Armut nicht vermöchte. Diese sollst du samt Vater und Mutter schmuck bekleiden und mit vierhundert Goldstücken erfreuen; zum Gedächtnis dessen, daß du heute von mir erfreut worden hifi, erfreue du alle Jahre eine arme Jungfrau!" —"Ja", rief Fortunat voll Freuden, "edle Jungfrau, ich will diese Dinge unvergeßlich in meinem Herzen bewahren und redlich halten; denn ich habe sie demselben zu ewigem Gedächtnis eingedrückt!"Bei alledem jedoch war es Fortunat sehr angelegen, aus dem Walde zu kommen, und er sprach weiter: "Schöne Jungfrau, ratet und helfet mir nun auch, wie ich aus diesem Walde kommet" —"Diese Irrfahrt war dein Glück", erwiderte das Glück, "folge nur mir nach!" Mit diesen Worten führte ihn Fortuna mitten durch den Wald auf einen angetriebenen Weg und sprach weiter: "Geh nur hier gerade fort und kehre dich nicht um; sieh mir auch nicht nach, wohin ich gehe! Wenn du dieses tust, so wirst du bald aus dem Walde kommen."



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Fortunat befolgte den Rat der Jungfrau, eilte auf dem Wege hin, kam an des Waldes Ende und sah da ein großes Haus vor sich stehen, das eine Herberge war, wo die Leute, die durch den Wald reiseten, gewöhnlich Mittag zu halten pflegten. Als er in die Nähe des Hauses gekommen war, zog er den Geldsäckel aus dem Busen und griff darein, ihn zu probieren. Alsbald zog er zehn blanke Goldkronen hervor. Darum ward er gar froh, ging mit großen Freuden in das Wirtshaus und sagte zu dem Wirte: "Gib mir zu essen, Freund; denn mich hungert sehr; ich will dir alles gut bezahlen!" Diese Sprache gefiel dem Wirte sehr wohl, und er trug ihm das Beste auf, das im Hause zu finden war.

Da ergötzte sich Fortunat; sättigte seinen Hunger und blieb zwei Tage lang in der Herberge. Dann kaufte er dem Wirt einen Reiterharnisch ab, damit er desto eher zu einem Herrn käme, bezahlte den Wirt nach Wunsche und machte sich weiter auf den Weg. Zwo Meilen von der Straße befand sich ein kleines Städtchen mit einem Schlosse, auf dem ein Waldgraf wohnte, dessen Amt war, den Forst zu beschirmen, und der diesen Auftrag von dem Herzog in Bretagne erhalten hatte. In dieser Stadt ging Fortunat zu dem besten Wirt und fragte ihn, ob es nicht hübsche Rosse zu kaufen gäbe. Der Wirt sprach: "Ja, erst gestern ist ein fremder Kaufmann hier angekommen, wohl mit fünfzehn hübschen Pferden; er geht auf die Hochzeit; die der Herzog mit der Tochter des Königs von Aragonien halten will; der hat unter diesen fünfzehen drei Rosse, für die ihm unser Herr Waldgraf dreihundert Kronen geben wollte; er aber verlangt dreihundertundzwanzig; so stößt es sich nur um zwanzig Kronen." Fortunat verließ den Wirt, ging in aller Stille in seine Kammer, zog da aus seinem Säckel auf sechzig Griffe sechshundert Kronen und steckte sie in seinen alten Beutel. Dann ging er getrost zu dem Wirt und sagte: "Wo ist der Mann mit den Rossen? Hat er deren wirklich so hübsche, so möchte ich sie gerne besehens" —"Ich fürchte, er läßt sie Euch nicht sehen", sprach der Wirt, "denn kaum hat unser Herr, der Graf, ihn dahin vermocht, sie ihm zu zeigen."Fortunat aber sagte: "Nun, wenn mir die Rosse gefallen, ich kann sie eher kaufen als der Graf!" Dem Wirt kam es spöttisch vor, daß er so großsprecherisch redete und doch nicht Kleider darnach anhatte, auch zu Fuße ging. Doch führte er ihn zu dem Roßtäuscher und redete diesem so lange zu, bis er ihn die Rosse sehen ließ. Fortunat musterte sie, und alle gefielen ihm wohl. Doch wählte er nur die drei, die der Graf gerne gehabt hätte, zog seinen Beutel und zählte die dreihundertundzwanzig Kronen, um die es sich handelte, auf



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der Stelle hin. Dann hieß er die Rosse ins Wirtshaus führen, schickte nach einem Sattler und hieß ihn Sattel und Zeug aufs köstlichste verfertigen; dem Wirt aber gab er den Auftrag, ihm zu zween reisigen Knechten zu verhelfen, denen er guten Sold bezahlen wollte.

Während Fortunat diesen Handel abschloß, erfuhr der Graf den Kauf und wurde darüber nicht wenig griesgrämlich; denn er hatte im Sinne gehabt, die Rosse um armer zwanzig Kronen willen am Ende doch nicht dahintenzulassen; er hatte mit ihnen auf der Hochzeit prunken wollen und sollte sie jetzt in eines andern Händen sehen! Im Zorn sendet er einen Diener zu dem Wirt und läßt ihn fragen, was denn das für ein Mann sei, der die Rosse ihm aus den Händen weggekauft habe. Der Wirt antwortet, er kenne ihn nicht; denn er sei zu Fuß in seine Herberge gekommen, jedoch als reisige Knecht und mit einem Harnisch. "Dem Ansehen nach", sprach er, "hätte ich ihm nicht auf eine einzige Mahlzeit trauen mögen, aus Furcht, er möchte ohne Bezahlung davonlaufen." Der Knecht des Grafen wurde zornig und fragte, warum er denn mit ihm gegangen sei, die Pferde zu kaufen. — "Ei', sprach der Wirt, "ich habe getan, was jeder brave Wirt seinem Gaste tun soll. Er bat mich, mit ihm zu gehen. Aber, redlich gesagt, ich meinte, er wäre nicht imstande, auch nur einen Esel zu bezahlen!"

Der Knecht kam zu seinem Herm zurück und sagte ihm, was er vernommen hatte. Als nun vollends der Graf hörte, daß der Käufer kein geborner Edelmann sei, sprach er voll Zorn zu seinen Dienern: "Gehet hin und sahet mir den Mann! Gewiß hat er das Geld gestohlen oder gar geraubt und den rechtmäßigen Besitzer ermordet!" So griffen sie den Fortunat und führten ihn in ein böses Gefängnis. Dann fragten sie ihn erst, von wannen er wäre. "Er sei von der Insel Zypern", erwiderte Fortunat , "aus einer Stadt, Famagusta genannt."Auf die Frage, wer sein Vater sei, antwortete er: "Ein armer Edelmann!" Das hörte der Graf gerne, daß er aus so fernen Landen war, und fragte ihn weiter, woher er denn das bare Geld hätte, daß er so reich wäre. Zuversichtlich sagte da Fortunat: "Er glaubte, nicht schuldig zu sein, zu sagen, woher sein Geld komme. Wenn jemand aufstände und ihn eines Unrechts oder einer Gewalttat zeihete, dem wollte er vor jedermann zu Rechte stehen!" — Der Graf aber sprach: "Dich hilft dein Schwatzen nicht; du wirst mir bald sagen, woher du dein Geld hast!" Und nun befahl er, ihn auf die Stätte zu führen, wo die Verbrecher gefoltert werden. Da erschrak Fortunat; doch setzte er sich vor, eher zu sterben, als die Eigenschaft des Säckels zu



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verraten. Wie er nun auf der Folterbank hing, mit schwerem Gewichte beladen, rief er, man sollte ihn ablösen, so wolle er sagen, wonach man ihn frage. Als er herabkam, sprach der Graf: "Nun sage mir, woher kommen dir soviel guter Kronen?" Da erzählte Fortunat, wie er im Walde verirrt wäre, ungegessen bis an den dritten Tag. "Wie mir nun", schloß er, "Gott die Gnade erwies, daß ich aus dem Walde entkam, da fand ich einen Säckel, in dem sechshundertundzehn Kronen waren." — "Wo ist der Säckel?" rief der Graf. "Eh' ich das Geld gezählt", sprach jener, "tat ich's in meinen eigenen Beutel und warf den leeren Säckel in das Wasser, das an dem Wald vorüberfließt." — Da sprach der Graf: "Et, du Schalk, wolltest du mir entfremden, was mein ist? Wisse, daß mir dein Leib und Gut verfallen ist; denn was sich in dem Walde findet, das gehört mir zu und ist mein eigent" —"Gnädiger Herr", antwortete Fortunat, "ich wußte von diesem Eurem Rechte ganz und gar nichts; ich lobte Gott um das Geld und hielt es für eine Gottesgabe!" —"Hast du nicht gehört", schrie der Graf, "wer nicht weiß, der soll fragen! Und kurzum, richte dich darnach: heute nehme ich dir dein Gut und morgen dein Leben!" —"Ich Armer", dachte Fortunat bei sich, "da ich die Wahl hatte unter den sechs Gaben, warum erwählte ich nicht die Weisheit für den Reichtum; so wäre ich jetzt nicht in der großen Angst und Not!"

Da fing er an, Gnade zu begehren, und rief: "Gnädiger Herr, habt Barmherzigkeit mit mir! Was würde Euch mein Tod nützen? Nehmet das gefundene Gut, wenn es Euer ist, und laßt mir nur das Leben; so will ich Gott getreulich für Euch bitten alle Tage meines Lebens!" Es wurde dem Grafen schwer, ihn leben zu lassen; denn er fürchtete, der Fremde würde das Vorgefallene erzählen, wo er hinkäme, und es dürfte dies ihm selbst von frommen Fürsten und Herren übel verdacht werden. Doch ließ er sich von seinen Dienern erbitten, nahm ihm nur das Geld und die Rosse und gab ihm seine Rüstung wieder und noch überdies ein paar Kronen zur Zehrung. Aber morgens in aller Frühe ließ er ihn aus der Stadt führen und allda schwören, sein Lebtag nicht mehr des Grafen Gebiet zu betreten.



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Fortunat war froh, so davongekommen zu sein, aber er wagte nicht, über seinen Säckel zu gehen; denn er fürchtete, wenn man Geld bei ihm fände, so möchte man ihn abermals sahen. So ging er wei Tagereisen mit geringer Zehrung, bis er in die große bretagnische Stadt Andegavis



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kam, die am Meere liegt; hier war viel Volks von Fürsten und Herren versammelt; denn alle warteten auf die Königin, bei deren hochzeitlichem Ehrenfeste jeder mit Stechen, Tanzen und andern Lustbarkeiten das Beste tun wollte. Fortunat sah dieses wohl gerne, doch dachte er bei sich: "Soll ich das auch mitmachen, wie ich es denn wohl vermag, so möchte es mir ergehen wie bei dem Waldgrafen!"Doch kaufte er sich zwei schöne Rosse und dingte einen Knecht; kleidete diesen und sich aufs schönste, ließ auch die Pferde trefflich zurichten und ritt in die beste Herberge, die es in der Stadt gab, und so wollte er die Festlichkeiten daselbst abwarten.

Die Königin kam über das Meer her, und man sandte ihr viel köstliche Schiffe entgegen, sie würdig zu empfahen. Noch herrlicher war der Empfang, als sie ans Land stieg und ihr Gemahl nebst vielen Fürsten und Herren ihr entgegenging. So währte die königliche Hochzeit sechs Wochen und drei Tage. Fortunat sah alles und hatte daran sein Wohlgefallen;



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er ging und ritt gen Hof und ließ nie Geld und Geräte in der Herberge liegen. Dem Wirte gefiel dieses nicht; denn er kannte ihn nicht und fürchtete, der Fremde möchte ohne Bezahlung von dannen reiten, wie ihm schon früher geschehen war und auf solchen Hochzeiten manchmal noch geschieht. Darum sprach er zu Fortunat: "Mein lieber Freund, ich kenne Euer nicht; seid so gut und bezahlt mich alle Taget" Jener aber lachte und sprach zu ihm: "Lieber Wirt, ich will nicht unbezahlt hinwegreiten Damit zog er aus seinem Säckel hundert guter Kronen, gab sie dem Wirt und sprach: "Nehmet dies Geld, und wenn Euch bedünkt, daß ich, oder wer mit mir kömmt, mehr verzehrt habe, so will ich Euch mehr geben, und Ihr dürft mir keine Rechnung darüber stellen." Der Wirt griff mit beiden Händen nach dem Geld und fing an, Fortunat in großen Ehren zu halten; sooft er vor ihn trat, griff er an die Mütze, setzte ihn zu den Vornehmsten oben an die Tafel und gab ihm ein besseres simmer zu bewohnen, als er bisher eingenommen hatte.

Wie nun einmal Fortunat bei andern Herren zu Tische saß, kamen mancherlei Sprecher und Spielleute vor der Herren Tisch, den Leuten Kurzweil zu machen, damit sie Geld verdienten. Unter andern erschien auch ein armer Edelmann, der klagte den Herren seine Armut und sagte, er sei aus Hibernien, sei sieben Jahre in der Welt herumgezogen, habe zwei Kaisertume und zwanzig Königreiche durchfahren, soviel ihrer in der Christenheit wären; auf diesen Fahrten habe er sich aufgezehrt und begehre eine Beisteuer, um wieder heimzukommen. Ein Graf, der längeres Gespräch mit dem Alten pflegte, und dem dieser alle Länder nannte, wo er gewesen war, reichte ihm über den Tisch vier Kronen und sagte: "Wenn es sein Belieben wäre, so könnte er dableiben, solange die Feste dauerten; er wollte für ihn bezahlen." Jener aber dankte und sprach: "Mich verlanget heim nach meinen Freunden; ich bin gar zu lang ausgewesen!"

Fortunat, der auch auf die Reden des alten Edelmanns gemerkt hatte, dachte in seinem Herzen: "Möchte es mir doch so gut werden, daß mich der Alte durch alle die Länder führte; ich wollt' ihn reichlich begaben!" Als nun die Mahlzeit aus war, sandte er nach ihm und fragte, wie er mit Namen heiße. "Leopold", erwiderte der Edelmann. "Hab ' ich recht gehört", sprach Fortunat, "so seid Ihr weit gewandert und an vielen Königshofen gewesen! Nun bin ich jung und möchte gern in meinen rüstigen Tagen wandern. Wolltest du mich führen, so würde ich dir ein Pferd untergeben und einen eigenen Knecht dingen, dich wie meisen



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Bruder halten und dir einen guten Sold geben." Auf dieses sagte der alte Leopold: "Ich für mein Teil möcht ' es wohl leiden, daß ich so ehrlich gehalten würde; aber ich bin alt, habe Weib und Kind, die wissen nichts von mir, und die herzliche Liebe zwingt mich, wieder zu ihnen zu kommen." — "Höre, Leopold", sprach Fortunat, "tu mir meinen Willen! Dann will ich mit dir nach Hibernien gehen, dir Weib und Kind, wenn sie am Leben sind, reichlich beschenken, und wann die Reise vollbracht ist, und wir nach Famagusta auf die Insel Zypern kommen, so will ich dich, wenn du dort wohnen magst, mit Knechten und Mägden versehen dein Leben lang!" Leopold dachte: "Der junge Mann verheißt mir viel; wäre die Sache gewiß, so wäre es ein rechtes Glück für mein Altert"Daher sagte er zu ihm: "Herr, ich will Euch zu Willen werden, doch nur insoferne Ihr Euer Vorhaben nicht eher ins Werk setzet, als bis Ihr mit barem Gelde versehen seid. Denn ohne Geld vollführet Ihr es nicht!" — "Sorge nicht", sprach Fortunat, "Geld weiß ich in jedem Lande genug aufzubringen. Drum versprich du mir, bei mir zu bleiben und die Reise mit mir zu vollendens" So gelobten sie sich einer dem andern gute Treue, und daß sie einander in keinen Nöten verlassen wollten. Alsobald zog Fortunat zweihundert Kronen heraus und gab sie dem Ritter Leopold. "Gehe hin", sprach er, "und kaufe davon zwei hübsche Pferde! Spare kein Geld; dinge dir einen eigenen Knecht, und wenn er dir nicht gefällt, so dinge einen anderen. Wenn du kein Geld mehr hast; will ich dir mehr geben. Du sollst nie ohne Geld sein!"

Das gefiel dem Leopold wohl. Er dachte: "Das ist ein guter Anfang", und rüstete sich nach Herzenslust. Dasselbe tat Fortunatus; doch nahm er nicht mehr als zween Knechte und einen Knaben, so daß ihrer sechse waren. Dann wurden sie miteinander einig, in welcher Ordnung sie Länder und Königreiche durchfahren, und daß sie zuvörderst das Heilige Römische Reich besehen wollten. So ritten sie zuerst gen Nürnberg, von da nach Donauwörth und Augsburg, dann auf Nördlingen und nach Ulm; gen Kostnitz, Basel, Straßburg, Mainz und Köln. Von Köln zogen sie gen Brügge in Flandern, von da über die See nach London; dann gen Edinburg in die Hauptstadt Schottlands, das da neun Tagreisen von London liegt.



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Als sie dahingekommen waren, hatten sie nur noch sechs Tagreisen nach Hibernien und in die Stadt, die Leopolds Heimat war. Da erinnerte Leopold seinen Herrn an dessen Versprechen, und Fortunat war willig,



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mit ihm nach Hibernien zu reiten. So kamen sie endlich in die Stadt Baldric, wo Leopold zu Hause war. Dieser fand Weib und Kind, wie er sie gelassen hatte: nur hatte einer seiner Söhne ein Weib genommen und eine der Töchter einen Mann; die alle waren seiner Heimkunft froh. Weil nun Fortunat wußte, daß in der Haushaltung nicht viel übrig war, so gab er dem Leopold hundert Nobel, um damit alles reichlich und gut einzurichten, dann wollte er zu ihm kommen und sein Gast sein. Leopold machte die nötigen Vorbereitungen, lud seine Kinder mit Mann und und Weib, auch andere gute Freunde und hielt eine so köstliche Mahlzeit, daß die ganze Stadt einen Genuß davon hatte. Fortunat war fröhlich mit ihm, nach dem Mahle jedoch nahm er seinen Freund beiseite und sprach zu ihm: "Leopold, jetzt nimm Urlaub von Weib und Kind, empfange hier diese drei Beutel; in jedem sind fünfhundert Nobel, deren jeder mehr gilt als dritthalb Gulden rheinisch; von diesen Beuteln laß den einen deinem Weibe, den andern deinem ältesten Sohn, den dritten deiner ältesten Tochter zur Letze, damit sie Zehrung haben!" Leopold war dessen sehr froh, dankte ihm und erfreute damit Weib und Kinder.


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Nun hatte Fortunat gehört, daß es nur noch zwei Tagreisen bis nach der Stadt sei, wo Sankt Patricius ' Fegfeuer ist, die auch in Hibernien liegt. Das wollte er auch schauen; sie ritten daher mit Freuden nach der Stadt Bernie. In dieser ist eine große Abtei, und hinten in der Kirche hinter dem Fronaltar befindet sich eine Türe, durch die man in die finstere Höhle geht, die des Sankt Patricius ' Fegfeuer genannt wird. In dieses wird niemand eingelassen ohne des Abts Erlaubnis. Von dem ließ sich Leopold Urlaub geben; und als der Abt von ihm erfuhr, daß sein Herr und Begleiter ein Edelmann aus Zypern sei, lud er die beiden zu Gaste. Fortunat wußte diese große Ehre wohl zu schätzen; er kaufte aus seinem Säckel ein Faß mit dem besten Weine, den er dort finden konnte; und schickte dasselbe dem Abt. Denn der Wein ist dort sehr teuer, und es wurde sonst wenig Wein im Kloster verbraucht, außer zum Gottesdienste , daher der Abt das Geschenk mit großem Dank aufnahm. Als die Mahlzeit vollbracht war, fing Fortunat an und sprach: "Gnädiger Herr, wenn es nicht wider Eure Würde ist, so möchte ich wohl von Euch erfahren, warum gesagt wird, daß hier des Sankt Patricius ' Fegfeuer sei." Der Abt sprach: "Das will ich Euch gerne sagen. Es ist vor vielhundert Jahren da, wo jetzt diese Stadt und dieses Gotteshaus steht, eine wilde . Wüste gewesen. Nicht ferne von hier lebte damals ein Abt, Patricius



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genannt, ein gar andächtiger Mann, der oft in diese Wüste ging, um der Buße zu leben; da fand er einmal unerwartet diese Höhle, die sehr lang und tief ist. Er ging in sie hinein so weit, daß er sich in ihren Gängen verirrte und nicht mehr herauszukommen wußte. Da fiel er auf die Knie nieder und flehte zu Gott wenn es nicht wider seinen heiligen Willen wäre, ihm aus dieser Höhle zu helfen. Während er so betete, hörte er aus der Tiefe der Höhle ein klägliches Geschrei. Ihm aber half Gott, daß er wieder aus der Höhle kam. Nun dankte er Gott, wurde noch frömmer als zuvor und seitdem ist durch andächtige Leute an dieser Stelle das Kloster erbaut worden." — "Was sagen denn die Pilger, die aus der Höhle kommen?" sprach Fortunat. — Der Abt erwiderte: "Ich frage ihrer keinen; doch sagen einige, sie haben ein jämmerliches Rufen gehört; andere erzählen, sie haben nichts gesehen und nichts gehört, nur daß es ihnen sehr gegrauset habe." Hierauf sprach Fortunat: "Ich komme aus weiter Ferne; ginge ich nicht in diese Höhle, von der man soviel erzählt, so wäre es mir ein Schimpf. Daher will ich nicht von hinnen, ehe ich in dem Fegfeuer gewesen bin."


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Der Abt wollte seinem Verlangen nichts in den Weg legen; nur warnte er ihn, nicht zu weit in die Höhle hineinzugehen, weil viel Abwege in derselben seien, wie denn seit seinem eigenen Gedenken es mehreren Besuchern widerfahren sei, daß sie sich verirrt hätten, deren einige erst am vierten Tage wiedergefunden werden konnten. Fortunat blieb jedoch bei seinem Entschluß und fragte seinen Freund Leopold; ob er mit ihm wolle. "Ja", sprach dieser, "ich gehe mit Euch und will bei Euch bleiben, solang mir Gott das Leben verleiht." So schickten sie sich des andern Morgens früh, empfingen das heilige Sakrament und ließen sich die Höhlentüre aufschließen, die hinter dem Fronaltar im Kloster befindlich ist. Durch diese traten sie ein, der Priester segnete sie und schloß hinter ihnen ab. Dann gingen sie hinein in die Finsternis und wußten nicht; wo aus, noch ein; denn bald waren sie verirrt; sie hörten gegen Morgen nur das Rufen der Priester bei der Türe, darauf verließen sie sich und gingen desto kecker hinein. Zuletzt aber wußten sich die beiden nicht mehr zu helfen, Stunden um Stunden gingen vorüber; sie waren sehr hungrig und fingen an, ganz zu verzagen, und begaben sich schon ihres Lebens. "Oh, komm du uns zur Hilfe, allmächtiger Gottl" rief Fortunat in seiner Herzensangst, "denn hier hilft weder Gold noch Silber, und ganz umsonst trage ich den Säckel Fortunas in der Tasche!" Und so



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saßen sie nieder als aufgegebene Leute, hörten und sahen nichts. Die Priester, nachdem sie lange gewartet, gingen zu dem Abt und sagten ihm, daß die Pilger noch nicht herausgekommen. Das war ihm leid, besonders uni Fortunat, der ihm so guten Wein geschenkt hatte. Auch liefen die Knechte der Fremden herbei und gebärdeten sich ganz trostlos um ihre Herren.

Nun kannte der Abt einen alten Mann, der vor vielen Jahren die Höhle mit Schnüren abgemessen hatte. Nach diesem schickte er und gab ihm auf, dazu behilflich zu sein, die Männer wieder herauszubringen. Die Knechte aber verhießen ihm aus ihrer Herren Beutel hundert Nobel. "Sind sie noch bei Leben", sprach der Alte, "so bringe ich sie heraus", rüstete sein Zeug und ging hinein. Hier legte er seine Instrumente an und durchsuchte einen Höhlengang um den andern, bis er sie endlich fand. Beide waren ganz ohnmächtig und schwach; er befahl ihnen, sich an ihm zu halten wie ein Blinder an einem Sehenden; dann ging er seinem Instrumente nach, und so kamen sie mit Gottes und des alten Mannes Hilfe wieder zu den Menschen. Darüber war der Abt gar fröhlich; denn er hatte gefürchtet, wenn die Fremden verlorengingen, so möchten keine Pilger mehr kommen und seinem Kloster dadurch großer Gewinn entgehen. Der Alte erhielt seine hundert Nobel aus Fortunats Säckel, und



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dieser richtete in der Herberge ein köstliches Mahl an, zu welchem er den Abt und alle Brüder einlud. Er lobte Gott um seine Rettung und hinterließ dem Abt und Konvent zu guter Letzt hundert Nobel, daß sie Gott für ihn bitten sollten.



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Nachdem sie sich von dem Abte beurlaubt, ritten Fortunat und seine Begleiter wieder rückwärts, bis sie über Meer nach Calais kamen, um die übrige Reise zu vollbringen. Nun zogen sie durch die Pikardie nach Paris und durch ganz Frankreich, durch Spanien, durch Neapel, durch Rom bis gen Venedig. Daselbst hörten sie, daß der griechische Kaiser zu Konstantinopel einen Sohn habe, den er zum Kaiser krönen lassen wolle, weil er selbst schon bei Jahren war. Davon hatten die Venezianer gewisse Kunde und hatten deswegen eine Galeere zugerichtet und eine ehrwürdige Botschaft mit viel köstlichen Kleinodien, die sie dem neuen Kaiser senden wollten. Nun mietete sich Fortunat mit seinen Begleitern auf der Galeere ein und fuhr mit den Venezianern nach Konstantinopel. Dort war soviel fremdes Volk zusammengekommen, daß man nicht Herbergen genug auftreiben konnte. Den Venezianern wurde daher ein eigenes Haus eingeräumt; diese aber wollten niemand Fremdes unter sich haben. So suchte Fortunat mit seinem Gefolge lange eine Herberge und fand auch zuletzt eine, die freilich keine gute war; denn der Wirt war ein Dieb.

Fortunat ging nun alle Tage mit den Seinigen den Festlichkeiten nach. Sie hatten ihre eigene Kammer, welche sie sorgfältig verschlossen; dadurch glaubten sie ihre Habseligkeiten hinlänglich gesichert. Der Wirt aber hatte einen heimlichen Eingang in diese Stube; denn da, wo die größeste Bettstatt an einer hölzernen Wand stand, konnte er ein Brett herausnehmen und wiedereinsetzen, ohne daß es jemand merkte. Dadurch ging er ab und zu, während sie bei dem Feste waren, und untersuchte alle ihre Säcke und Felleisen, aber er fand kein Geld darin; es wunderte ihn dieses, und er meinte, die Fremden trügen das Geld in ihre Wämser eingenäht.

Als sie aber einige Tage bei ihm gezehrt hatten, rechneten sie mit dem Wirt; da wurde dieser erst gewahr, daß Fortunat das Geld unter dem Tisch hervorbrachte und es seinem Freunde Leopold gab, der alsdann den Wirt bezahlte. Dieser war auch mit der Bezahlung ganz zufrieden; denn Fortunat hatte den Ritter angewiesen, keinem Wirte etwas abzubrechen, sondern immer gerade soviel zu geben, als er verlangte. Doch war es



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dem Wirte noch nicht genug, sondern weil er ein Dieb war, hätte er lieber alles, ja den Säckel selbst zu dem Gelde gehabt.



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Indessen nahte der Tag heran, an dem Fortunat versprochen hatte, einer armen Tochter für einen Mann besorgt zu sein und sie mit vierhundert Goldstücken nach Landeswährung zu begaben. Er wandte sich daher an den Wirt mit der Frage ob er nicht einen armen Mann wüßte, der eine fromme mannbare Tochter hätte, die er nicht auszusteuern vermöchte ; diesem wollte er die Tochter recht ehrlich begaben. Der Wirt sprach: "Ja! Ich weiß mehr als eine! Morgen will ich Euch einen braven, ehrbaren Mann bringen, der seine Tochter mit sich führen soll!" Dies gefiel unserm Fortunat gar wohl. Was dachte aber der Wirts "Noch diese Nacht", sprach er zu sich selbst, "will ich das Geld stehlen, solange sie es noch haben; warte ich länger, so geben sie es aus!" Und in der Nacht stieg er durch das Loch, als sie in bestem Schlaf lagen, durchsuchte alle ihre Kleider und hoffte, große Flecke mit Gulden unter ihren Wämsern zu finden; hier aber fand er nichts; da griff er nach Leopolds Gürtel und schnitt den Beutel ab, der daran festgenäht war; darin waren bei fünfzig Dukaten; dann ging er hinter Fortunats Wams und fand da den Zaubersäckel und schnitt diesen auch ab; als er ihn aber angegriffen und leer fand, schmiß er den Säckel unwillig unter die Bettstätte . Dann ging er zu den drei Knechten und schnitt ihnen allen die Beutel ab, darin er nur wenig Geld fand; alsdann öffnete er Türe und Fenster, als ob Diebe von der Straße hereingestiegen wären.


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Wie nun Leopold erwachte und Tür und Fenster offen sah, fing er an, die Knechte zu schelten, und fragte sie, warum sie heimlich bei Nacht ausgingen und ihren Herrn auf diese Weise beunruhigten. Die Knechte aber, die schliefen, fuhren halb im Schlafe auf, und jeder versicherte, daß er es nicht getan habe. Da erschrak Leopold und sah sogleich nach seinem Beutel, der war ihm abgeschnitten, und der Rumpf hing noch an dem Gürtel. Jetzt erweckte er auch den Fortunat und rief: "Herr, unsere Kammer steht an allen Orten offen; Euer Geld, soviel ich noch hatte, ist mir gestohlen!" Als die Knechte dies hörten, schauten sie nach ihren Beuteln: da war es ihnen nicht besser gegangen. Schnell schlüpfte Fortunat in sein Wams, an welchem er den Glückssäckel trug, und fand, daß er ihm auch abgeschnitten war. Da erschrak er so sehr, daß er niedersank, ihm die Sinne schwanden und er für tot da lag. Leopold und die Knechte wußten von der Ursache seines großen Schreckens nichts, sie rieben und labten



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ihn, bis sie ihn wieder zur Vernunft brachten. Während sie noch in der Angst waren, kam der Wirt, stellte sich sehr verwundert, fragte, was sie denn für ein Leben hätten. Sie sagten ihm, all ihr Geld sei ihnen gestohlen Da sprach der Wirt: "Was seid ihr nicht für Leute? Habt ihr nicht eine wohlversperrte Kammer: warum habt ihr euch nicht besser vorgesehene" — "Wir haben", erwiderten sie, "Fenster und Türen beim Schlafengehen versperrt, und doch haben wir alles offen gefunden!" Der Wirt sprach ganz barsch: "Sehet zu, ob ihr es nicht untereinander selbst euch gestohlen habt! Es ist so viel fremdes Volk hier, ich kann für niemand stehen!"

Da sich aber so gar übel gebärdeten, ging er auch zu Fortunat; und als er dessen Gestalt ganz verwandelt sah, fragte er: "Ist des Geldes denn soviel, das Ihr verloren habt?" Sie sagten ihm, es wäre nicht so gar viel. "Wie möget Ihr denn so jämmerlich tun um ein weniges Geld", sagte der Wirt, "gestern noch wolltet Ihr einer armen Tochter einen Mann geben! Sparet das Geld und verzehret es!" Halbohnmächtig antwortete Fortunat dem Wirte: "Mir ist mehr um den Säckel leid als um das Geld, das ich verloren habe. Es ist ein kleiner Wechselbrief darin, der niemand einen Pfennig nütz ist als mirl" Wiewohl nun der Wirt ein Schalk war, so wurde er doch durch die Betrübnis Fortunats zur Barmherzigkeit bewegt und sprach: "Laßt uns doch suchen, ob man den Säckel nicht wiederfinden kann!"und hieß die Knechte suchen. Da schlüpfte einer unter das Bett, fand ihn und rief: "Hier liegt ein leerer Säckel!"brachte ihn auch seinem Herrn vor und fragte ihn, ob das der rechte wäre. — "Laß mich ihn besehen", sprach Fortunat hastig; da fand er, daß es wirklich sein Glückssäckel war, der ihm abgeschnitten worden. Nun fürchtete Fortunat, durch das Abschneiden möchte er seine Kraft verloren haben, und doch durfte er vor den Leuten nicht darein greifen; denn es wäre ihm leid gewesen, wenn eine Seele von den Eigenschaften des Säckels gewußt hätte; auch fürchtete er sich, er möchte mit dem Säckel um das Leben kommen. Da man wohl sah, daß er vom Schrecken noch ganz blöde war, so legte er sich wieder zu Bette; hier, unter der Decke tat er endlich seinen Säckel auf und einen Griff darein. Seine Hand füllte sich mit Gold, und so ward er zu seiner großen Freude inne, daß der Säckel noch in vollen Kräften stand wie zuvor. Die Angst hatte ihn aber so mitgenommen, daß er den ganzen Tag zu Bette bleiben mußte. Leopold wollte ihn trösten und sagte: "Ach, Herr, gebärdet Euch doch nicht so jämmerlich; wir haben noch schöne Rosse, silberne Ketten, goldene Ringe und andere Kleinode.



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Und wenn wir auch kein Geld mehr haben, so wollen wir Euch doch mit Gottes Hilfe in die Heimat bringen; bin ich doch auch durch manches Königreich gezogen ohne Geld!" Leopold meinte nämlich, sein Herr und Freund besitze in der Heimat große Reichtümer, so daß kein Verlust ihm etwas schaden könne. "Ach", seufzte Fortunat mit schwacher Stimme, "wer das Gut verliert, der verliert die Vernunft! Weisheit hätte ich erwählen sollen, mehr als Reichtum, Stärke, Gesundheit, Schönheit und langes Leben! Das kann man keinem stehlen!" Und damit schwieg er. Leopold verstand die Worte nicht, konnte sich auch nicht denken, wie sein Herr die Wahl unter diesen Stücken allen sollte gehabt haben. Er fragte ihn auch nicht weiter; denn er glaubte, Fortunat rede im Fieber und wisse nicht, was er sage. Doch gaben sie sich alle Mühe, bis er ganz wieder zu sich selbst kam, ass, seine rechte Farbe wiedergewann und anfing, fröhlich zu werden. Aber weil die Nacht einbrach, befahl er seinen Knechten, Lichter zu kaufen und die ganze Nacht Kerzen zu brennen, und ein jeder sollte sein bloßes Schwert zu sich nehmen, daß sie nicht mehr so beraubt werden könnten. Und sie taten dies.

Am selben Tage noch machte Fortunat, was an dem Glückssäckel aufgetrennt worden war, aufs sorgfältigste wieder zurecht und ließ denselben, solang er lebte, nicht mehr an dem Wamse hängen, sondern verwahrte ihn alle Zeit so gut, daß ihm niemand mehr ihn stehlen konnte. Des andern Morgens stand er mit seinem Gefolge auf und ging in die Sophienkirche. In dieser ist eine schöne Kapelle, die zu Unsrer Lieben Frauen heißt. Hier gab er den Priestern zwei Goldstücke, daß sie Gott, dem Allmächtigen, zu Ehren eine Predigt halten und den Lobgesang absingen sollten. Als beides vollbracht war und Fortunat mit seinen Dienern sich in Andacht erbauet hatte, besuchten sie den Platz, wo die Käufer und Wechsler waren; als Fortunat da stand, hieß er die Knechte heimgehen, um die Mahlzeit zu rüsten und die Rosse zu versehen. Seinem Freunde Leopold gab er Geld und sagte: "Siehe zu, kauf uns fünf gute neue Beutel; inzwischen will ich zu meinem Wechsler gehen und Geld bringen; ich habe keine Freude, solang wir ohne Geld sind!" Der Alte tat, wie ihm befohlen war, und brachte fünf leere Beutel; inzwischen hatte Fortunat, sooft er mochte, in seinen Säckel gegriffen und tat in einen der Beutel hundert Dukaten; diesen reichte er dem alten Leopold für alle nötigen Ausgaben; er sollte auch sich versehen und niemand Mangel leiden lassen; wenn er nichts mehr hätte, so wollte er ihm mehr geben. Auch jedem der Knechte gab er einen neuen Beutel und zehn Dukaten darein. Sie sollten fröhlich sein, sagte er



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zu ihnen, jedoch Sorge tragen, daß ihnen kein Schaden mehr widerführe. Sie aber dankten voll Freuden und versprachen es. In den fünften Beutel tat Fortunat vierhundert Dukaten und sandte nach dem Wirte, damit er sein Versprechen hielte, ihm eine arme Tochter zum Aussteuern herbeizuschaffen.



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Der Wirt hatte bald eine solche gefunden. Der Tochter Vater war ein Schreiner, ein frommer, aber grober Mann. Der sagte: "Ich will meine Tochter nicht hinführen, wer weiß, ob Euer Herr nicht Unehrliches mit ihr vorhat. Wenn er ihr auch einen Rock kauft, damit ist weder mir noch ihr gedient! Will er ihr etwas Gutes tun, so komme er zu uns!" Den Wirt verdroß das; er hinterbrachte es Fortunaten wieder und meinte, den müßte es auch verdrießen. Diesem aber gefiel die Sprache des Mannes gerade wohl, und er sagte: "Führet mich zu dem Mannel" Sie gingen in des Schreiners Haus, und Fortunat sprach zu ihm: "Ich habe vernommen, daß du eine großgewachsene Tochter hast; laß sie herkommen und ihre Mutter mit ihr." "Was soll sies"fragte der Mann. "Heiß sie kommen", sprach Fortunat, "es ist ihr Glück!" Der Mann ruft Mutter und Tochter; diese kamen beide, aber sie schämten sich sehr; denn sie hatten so schlechte Kleider an, und die Tochter stellte sich hinter die Mutter, damit man ihren zerlumpten Anzug weniger bemerken sollte. Da sprach Fortunat: "Jungfrau, tretet hervor!" Sie war schön und gerade. Er fragte den Vater nach ihrem Alter. "Zwanzig Jahre", sagten die Eltern. "Wie habt ihr sie so alt werden lassen, ohne ihr einen Mann zu geben?"fragte er weiter. Die Mutter konnte nicht warten, bis der Vater sich auf eine Antwort besonnen. "Sie wäre vor sechs Jahren schon groß genug gewesen, aber wir haben nichts gehabt, sie auszusteuern!" Darauf sprach Fortunat: "Wenn ich ihr eine gute Aussteuer gebe, wisset ihr dann einen braven Mann für sie?" —"Genug ihrer weiß ich", rief die Mutter, "unser Nachbar hat einen Sohn, der ist ihr hold; hätte sie etwas Geld, er nähme sie gern!" — "Wie gefiele Euch Eures Nachbars Sohn?" fragte Fortunat die Jungfrau. "Ich will nicht wählen", sagte diese, "welchen mir Vater und Mutter geben, den will ich haben; eher wollte ich ohne Mann sterben als selbst einen nehmen!" Die Mutter konnte nicht schweigen; "Herr, sie lügt", sagte sie. "Ich weiß, daß sie ihm ganz hold ist, und daß sie ihn von ganzem Herzen gern haben möchte!"

Jetzt sandte Fortunat nach dem Jüngling, und als dieser kam, gefiel er ihm sehr wohl. Er nahm deswegen den Beutel, in den er die vierhundert



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Dukaten getan hatte, und schüttete sie auf den Tisch. Dann sagte er zu dem Jungen, der auch nicht viel über zwanzig Jahre zählen mochte: "Willst du diese Jungfrau zur Ehe? — Und Ihr; Jungfrau, wollet Ihr den Jüngling zur Ehe? So will ich euch dies wenige Geld zu einer Mitgift geben!" Der Jüngling sagte: "Wenn Euch die Sache ernst ist, meinethalben ist sie recht!" Die Mutter aber antwortete schnell: "So ist es meiner Tochter auch halbrechts" Da sandte Fortunat nach dem Priester und ließ sie vor Vater und Mutter zusammentrauen. Dann händigte er ihnen das Geld ein und gab außerdem der Braut Vater noch zehn Dukaten zu einem Festkleide für sich und sein Weib und ebensoviel, Hochzeit zu halten. Da war nichts als Freude und Dank. Sie lobten Gott und sprachen: "Er hat uns den Mann vom Himmel gesandt!"

Jene gingen wieder in ihre Herberge. Leopold verwunderte sich im stillen , daß sein Herr so freigebig war und das Geld zu Haufen wegwarf, sich aber doch vor kurzem noch so kläglich angestellt hatte über das wenige, das ihm gestohlen worden war; dem Wirte machte es großen Kummer, daß er den Beutel mit den vierhundert Dukaten nicht gefunden, während er doch alle Säcke und Taschen ausgesucht hatte. "Wenn der Mann so viel auszugeben



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hat", murrte er bei sich selbst, "so werde ich ihm doch auch noch die Taschen leeren können!" Nun wußte er, daß sie des Nachts ein großes Kerzenlicht brennen ließen, das sie eigens zu diesem Gebrauche hatten machen lassen. Als sie nun einmal wieder bei des Kaisers Festen waren, schlich sich der Wirt abermals in ihre Kammer, bohrte Löcher in die Kerze, tat Wasser hinein und überklebte sie wieder, so daß die Kerze, wenn sie zwei Stunden gebrannt hatte, von selber wiedererlöschen mußte. Um die Zeit aber, wo die Feste des Kaisers beinahe zu Ende waren, dachte der Wirt, Fortunat würde nicht länger zu Konstantinopel bleiben, glaubte, nicht mehr säumen zu dürfen, und gab seinen Gästen daher beim Nachtessen den besten Wein, den er bekommen konnte, zu trinken; er selbst war auch fröhlich mit ihnen und meinte, sie sollten tüchtig darauf schlafen. Sie aber, als sie zu Bette gingen, ihr Nachtlicht geordnet hatten, und jeder sein bloßes Schwert an der Seite liegen hatte, glaubten, ohne alle Sorge einschlafen zu können, und taten es auch.

Aber der Wirt schlief nicht; sondern da er das Licht erlöschen sah, kroch er wieder durch das Loch, kam vor Leopolds Bett und fing an, ihm unter dem Kopf zu knistern. Nun schlief aber Leopold in diesem Augenblicke nicht; er hatte sein scharf schneidendes Schwert bei sich auf der Decke liegen; schnell erwischte er es und hieb nach dem Wirte; dieser aber bückte sich nicht tief genug, und so verwundete ihn Leopold so tief in den Hals, daß er weder ach noch wehe sprach, sondern tot dalag. Leopold rief den Knechten voll Zorn: "Warum habt ihr das Licht ausgelöschte" Aber alle und jeder sagten, daß sie es nicht getan. "Geh ' einer", sprach er, "und zünde ein Licht an, die andern aber sollen mit bloßen Schwertern unter die Türe stehen und niemand hinauslassen; denn es ist ein Dieb in der Kammer." Der eine Knecht lief alsbald und brachte ein Licht. "Verschließet die Türe wohl", rief er seinen Kameraden, "daß der Dieb nicht entrinne Nun fingen sie an zu suchen; da fanden sie den Wirt mit dem verwundeten Halse tot liegen bei Leopolds Bettstatt.

Als Fortunat das hörte, erschrak er, wie er sein Leben lang kaum erschrocken war. "O Gott", sprach er, "bin ich nur nach Konstantinopel gekommen , daß ich um ein kleines all mein Gut verloren hätte und jetzt gewiß mit allen den Meinigen das Leben verlieren O Leopold, hättest du ihn doch nur verwundet und nicht gar zu Tode geschlagen, dann könnten wir mit Gottes Hilfe und barem Gelde doch noch unser Leben fristen!" — "Es ist ja Nacht gewesen", erwiderte der alte Ritter, "ich wußte nicht, wieviel ich tun darf, ich schlug eben nach dem Dieb, der mir unter dem Kopfe knisterte



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und uns schon früher bestohlen hatte; den hab ' ich getroffen. Wollte Gott, man wüßte, über welcher Untat er zu Tode geschlagen worden ist, so dürften wir gewiß nicht besorgt sein, weder um Leib noch um Gut." — "Nein", sprach Fortunat, "wir bringen es ewig nicht dahin, daß wir den Wirt zu einem Diebe stempeln; das lassen seine Freunde nicht geschehen; da hilft weder Rede noch Geld!" — Fortunat dachte in seiner Angst: "Wenn ich nur einen Freund hätte, dem ich meinen Säckel anvertrauen könnte und ihm seine Kraft kundtun. Wenn wir dann gefangensäßen und sagten, wie es gegangen ist, vielleicht nähmen doch die Richter eine Summe Geldes von dem guten Freunde für uns!" Dann dachte er wieder: "Aber wem ich den Säckel gebe, dem wird er so lieb, daß er mir ihn nicht wiedergibt Deswegen wird er dem Richter raten, daß er den großen Mord nicht ungerächt lassen solle; er wird sagen: Schande und Schimpf wäre es, daß man in Konstantinopel sagte: ,Gäste haben ihren Wirt umgebracht, und sollen nicht geradebrecht werden!"' So wurde er zuletzt bei sich einig, daß es nicht tunlich wäre, den Säckel aus den Händen zu lassen; nichtsdestoweniger zitterte sein ganzer Leib, und er war zum Tod erschrocken.

Der alte Leopold allein behielt noch einige Fassung. "Wie seid Ihr so verzagt", sprach er, "da hilft kein Trauern; die Sache ist geschehen; wir können den Dieb nicht wieder lebendig machen; laßt uns Vernunft brauchen, wie wir uns aus der Sache helfen könnens" Fortunat antwortete ihm, daß er nicht zu raten wüßte; nur dachte er wieder, warum er doch nicht Weisheit statt Reichtum erwählt habe; dann könnte er jetzt wohl seine Vernunft brauchen l Leopold aber sprach er: "Weißest du, etwas Gutes zu raten, so tue es jetzt; denn es ist Notwerk!" —"So folget mir", erwiderte Leopold, "und tut, was ich heiße; ich denke, Euch mit Gottes Hilfe ohne alles Hindernis mit Leib und Gut von hinnen zu bringen." Diese Worte des alten Leopold machten alle froh. Er aber sprach weiter: "Nur seid fein still! Niemand rede! Verberget auch das Licht!" Und jetzt nahm er den toten Wirt auf seinen Rücken, trug ihn hinter die Herberge an einen Stall, wo ein tiefer Ziehbrunnen war, und warf ihn kopfüberwärts hinein, so tief, daß ihn niemand sehen konnte. Dann kam er wieder zu Fortunat und sagte: "Nun habe ich uns den Dieb vom Halse geschafft, so daß man eine gute Weil' nicht wissen wird, wo er hingekommen. Auch wird er's ja niemand gesagt haben, daß er uns bestehlen wolle; daher kann auch niemand wissen, daß ihm von uns ein Leid geschehen sei. Darum seid fröhlich!" Zu den Knechten sprach er: "Gehet ihr zu den Rossen, rüstet die zu, fanget an zu singen, sprechet von lustigen Dingen, sehet



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daß keiner eine traurige Gebärde habe; so wollen wir es auch machen: sobald es aber Tag werden will, lasset uns sechs Stunden weit reiten."

Diese Worte hörte Fortunat gerne; er fing an, fröhlich zu tun, mehr als ihm zu Sinne war. Auch die Knechte stellten sich heiter an, und als sie die Rosse zugerüstet hatten, riefen sie den Hausknechten und Hausmägden, schickten nach Malvasier, den man da leicht haben konnte, sagten, jedermann müsse voll sein, ließen den Knechten einen Dukaten zu guter Letzt und den Mägden auch einen und waren guter Dinge. "Ich hoffe, wir kommen in einem Monat wieder", sagte Leopold, "dann wollen wir erst guten Mut haben." Fortunat sprach zu den Knechten und Mägden: "Grüßet mir den Wirt und die Frau Wirtin; sagt ihnen, ich hätte ihnen Malvasier an das Bett gebracht, aber ich dachte: ,Ruhe tut ihnen bessert"' Mit so glimpflichen Reden saßen sie auf und ritten hinweg von Konstantinopel , dem Lande des Türkensultans zu. So kamen sie in eine türkische Stadt, die Karofa heißt, wo der Sultan einen Amtmann hatte, dem befohlen war, den christlichen Kaufleuten und Pilgern frei Geleite durch das Land zu geben. Leopold wußte das wohl; sobald sie angekommen waren, ging er zu dem Amtmann und sagte, ihrer seien sechs Waldbruder, die begehrten Geleite und einen Dolmetscher, der mit ihnen ritte. "Geleits mögt ihr haben genug", sprach der Amtmann, "doch will ich vier Dukaten von jedem haben, und dem Dolmetscher sollt ihr alle Tage einen Dukaten geben und die Zehrung." Leopold wehrte sich ein wenig, doch machte er nicht viel Worte und gab ihm das Geld. Der Türke schrieb ihm darauf einen Geleitsbrief und schickte sie zu einem wegekundigen Manne, damit sie wohlversorgt wären. Und so ritten sie durch die Türkei.

Erst als Fortunat sah, daß er keine Furcht mehr zu haben brauche, und der Schrecken, der ihn zu Konstantinopel überfallen hatte, vergangen war, fing er an, wieder lustig zu werden und Scherzreden zu treiben. Und nun ritten sie an des türkischen Sultans Hof, sahen seinen großen Reichtum und die Menge seines Kriegsvolkes; nur das gefiel ihnen übel, daß so viele Christen unter dem Volke waren, die ihren Glauben verleugnet hatten. Fortunat blieb nicht lange an diesem Hof: er zog durch die große und kleine Walachei, durch Kroatien, Dalmatien, Ungarn und Polen, dann gen Dänemark, Norwegen und Schweden; dann wieder durch Deutschland nach Böhmen und von da durch Sachsen-, Franken- und Schwabenland, und von Augsburg aus mit einigen Kaufleuten, denen er große Freundschaft erwies, durch die welschen Lande bis Venedig. Als er zu Venedig war, freute er sich; er dachte: "Hier sind viel reiche Leute; hier darfst du



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dich's endlich auch merken lassen, daß du Geld hast." Er fragte nach allen möglichen Kostbarkeiten und ließ sie sich zeigen. Viele waren darunter, die ihm gefielen; und so hoch der Preis war, um welchen man sie ihm bot, nie ging er ungekauft von dannen. Weil die Venezianer dadurch keine kleine Summe baren Geldes lösten, so wurde er überall in hohen Ehren . gehalten.



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Bri allem dem hatte Fortunat nicht vergessen, in welcher Armut er zu Famagusta seinen Vater Theodor und seine Mutter Gratiana zurückgelassen hatte. Darum ließ er schöne Gewande anfertigen, Hausrat kaufen, alles gedoppelt, verdingte sich auf eine Galeere, fuhr nach Zypern und kam in seine Heimat nach Famagusta. Es waren nun fünfzehn Jahre, daß er ausgewesen war, und als er in die Stadt kam, erfuhr er gleich zum Empfang, daß sein Vater und seine Mutter gesiorben seien. Dies betrübte ihn von Herzen. Doch mietete er ein großes Haus, ließ alle seine Habe dorthin führen, dingte noch mehr Knechte und Mägde und fing an, herrlich zu hausen. Jedermann wurde aufs beste von ihm empfangen und behandelt , doch wunderten sich die Leute, woher sein großer Reichtum komme; denn noch viele von ihnen wußten, daß er in großer Armut von hinnen gegangen war.

Zu Famagusta war Fortunats nächste Sorge, das Haus seines Vaters nebst andern Nebenhäusern zu kaufen; dann brach er die alten ab und baute an deren Stelle einen köstlichen Palast, den er aufs zierlichste herstellen ließ; denn er hatte auf seinen weiten Reisen gar viele herrliche Gebäude gesehen. der Nähe des Palastes ließ er eine schöne Kirche bauen und in derselben zwei kostbare Gräber für seine Eltern errichten. Als alles fertig, sprach er zu sich selbst: "Zu einem solchen Palaste ziemt auch ein ehrsames Leben!" Und von Stunde an nahm sich Fortunat vor; ein Gemahl zu nehmen. Als die Einwohner davon Kunde erhielten, daß er willens sei, ein Weib zu nehmen, waren sie alle froh: ein jeder putzte seine Tochter aufs schönste und dachte bei sich: "Wer weiß, ob meiner Tochter nicht das Glück vor einer andern wird?"So wurden manche Töchter schön bekleidet, die sonst noch lange ohne gute Kleider geblieben wären.

Aber nicht weit von Famagufta war ein Graf, Nimian mit Namen, der drei Töchter hatte, die schöner waren als andere Mädchen. Diesem riet der König von Zypern selbst, daß er suchen sollte, Fortunat zum Eidam zu erhalten, und er selber bot sich an, für ihn den Freiwerber zu machen. Der Graf war nicht reich, gleichwohl sagte er: "Herr Königl Wenn er eine meiner Töchter begehrt, könnt Ihr dieser dazu raten? Er hat ja weder Land noch Leute; mag er immerhin viel baren Geldes gehabt haben: so sehet Ihr ja, wieviel er verbaut hat, was keine Zinsen trägt. Ebenso kann er es auch mit dem andern machen, und wie sein Vater in Armut geraten ist, so kann es auch ihm ergehen; bar Geld ist geschwind vertan!" Der König sprach zu dem Grafen: "Ich habe von Leuten, die es gesehen haben, vernommen, daß er viel köstliche Kleinode hat, so daß man eine



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ganze Grafschaft damit kaufen könnte, und dennoch ist ihm keines feil; und weil er so viele Länder durchreiset hat, wird auch seine Klugheit und Erfahrung nicht gering sein; wenn er seine Sachen nicht zu gutem Ende zu bringen wüßte, hätte er gewiß keinen so herrlichen Palast samt Kirche erbauen lassen, sie nicht so reichlich begabt und auf ewige Zeiten mit Zinsen versehen. Mein Rat ist noch immer: gefällt es ihm, so gibst du ihm eine deiner Töchter, und wenn es dir recht ist, so will ich ins Mittel treten Fortunat gefällt mir, und ich würde es lieber sehen, er hätte ein edles Gemahl als eine Bäurin; ja, es würde mich verdrießen, wenn ich ein unadeliges Weibsbild diesen Palast besitzen und bewohnen sehen müßte!"

Sobald der Graf merkte, daß dem Könige das Wesen Fortunats so wohl gefiel, fing er an und sprach: "Gnädiger Herr König, ich kann an Eurer Rede wohl abnehmen, daß Ihr ein Gefallen daran hättet, wenn ich dem Herrn Fortunat eine meiner Töchter gäbe. So sei Euch denn die Sache völlig überlassen!" Wie der König dies hörte, sagte er zu dem Grafen Nimian: "Gut, schicke deine Töchter meiner Gemahlin, der Königin , so will ich sie ausrüsten lassen, in Hoffnung, es werde ihm eine davon gefallen; die Wahl will ich ihm lassen; ein Heiratgut darfst du nicht geben, und wenn je eins erfordert würde, so will ich es bestreiten, weil du mir in der ganzen Sache freie Gewalt gegeben hast." Der Graf dankte dem König und beurlaubte sich; er ritt nach Hause zu seiner Gemahlin und erzählte ihr alles, was sich zwischen ihm und dem Könige zugetragen habe. Der Gräfin gefiel dieses wohl; nur deuchte ihr Fortunat nicht edel genug; auch das wollte ihr nicht gefallen, daß Fortunat die Wahl unter den drei Jungfrauen haben sollte; denn eine der drei Töchter war ihr gar lieb. Der Graf fragte, welche dieses wäre; sie wollte es ihm aber nicht sagen. Doch folgte sie seinem Willen und rüstete die Töchter zu, gab ihnen eine Hofmeisterin, Diener und Dienerinnen, wie es solchem Adel ziemt, und so kamen sie an den Hof des Königs von Zypern. Hier wurden alle drei, und wer mit ihnen gekommen war, von dem König und der Königin mit Ehren empfangen und wurden in aller Hofzucht, und was sonst zu adeligem Wesen gehörte, unterwiesen, nachdem sie auch zuvor schon guten Unterricht genossen hatten. So schön sie waren, so nahmen sie doch von Tag zu Tage noch zu und wurden immer lieblicher, und als dem König die rechte Zeit zu sein schien, schickte er eine ehrsame Botschaft zu Fortunat, welche ihn an den Hof bescheiden mußte. Doch wurde demselben nicht bedeutet, warum der König nach ihm frage. Weil er inzwischen wußte, daß



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er bisher einen gnädigen Herrn an dem König gehabt, so rüstete er sich in aller Eile und ritt ganz fröhlich zu Hofe, wo er aufs beste empfangen ward.

Nun trat der König zu ihm und sprach: "Fortunat; du hifi mein Hintersaß ; ich meine, du solltest mir in dem folgen, was ich dir rate; denn ich gönne dir alles Gute! Mir ist nicht entgangen, wie du einen köstlichen Palast und eine Kirche bauen lassen und nun im Sinne hast, eine Frau zu nehmen. Ich sorge aber, du möchtest eine wählen, die mir nicht gefällig wäre, deswegen möchte dir gern ein Gemahl geben, das deiner würdig wäre, und durch das du und deine Erben geehrt werden sollen." Hierauf erwiderte Fortunat: "Gnädiger Herr, es ist wahr: ich bin willens, eine Gemahlin zu nehmen; da ich aber merke, daß Eure Majestät selbst so herablassend ist, mir mit Rat und hoher Vorsorge entgegenzukommen, so will ich auch ferner ohne Sorgen bleiben und mein ganzes Vertrauen auf die Gnade meines Herrn setzen." —"Nun", dachte der König bei sich selber, "hier habe ich gut eine Ehe schließen!" Und laut sprach er zu Fortunat: weiß drei schöne Töchter, alle drei von Vater und Mutter her Gräfinnen: die älteste ist achtzehn Jahr alt und heißt Gemiana; die andre siebzehnjährig, und ihr Name ist Marsepia; die dritte, die dreizehn Jahre alt ist, heißt Kassandra. Unter diesen dreien will ich dir die Wahl lassen; zu dem Ende sollst du eine nach der andern sehen, oder willst du sie lieber alle drei auf einmal schauens"Fortunat bedachte sich nicht lange. "Großmächtiger König", sagte er, "wenn Ihr mir die Wahl gebet, so begehre ich, sie alle drei nebeneinander stehen zu sehen und eine tede reden zu hören."

Alsbald ließ der König seiner Gemahlin entbieten, sie sollte ihr ganzes Frauenzimmer bereit halten: er selbst werde unter ihnen erscheinen und einen Gast mitbringen. Die Königin tat dies alles mit Eifer; denn sie wußte wohl, warum es geschah. Wie es Zeit war, nahm der König Fortunaten zu sich und wollte mit ihm gehen. Dieser aber bat sich die Gnade aus, seinen alten Freund und Diener Leopold mit sich nehmen zu dürfen, und so gingen alle drei miteinander und betraten das Frauengemach. Die Königin mit allen ihren Jungfrauen erhub sich und empfing den König mit allen Ehren, ebenso die Gäste, die er mitbrachte. Dann setzte sich der König nieder, und Fortunat trat neben ihn. Der König sprach: "Stellet mir die drei Jungfrauen Gemiana, Marsepia und Kassandra vor!" Alle drei standen auf, gingen durch den Saal und neigten sich dreimal, ehe sie vor den König traten; endlich knieten sie nieder, und stand ihnen dieses



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gar wohl an. Der König hieß sie aufstehen, wandte sich zu der ältesten Jungfrau und fragte sie: "Gemiana, sage mir, hifi du lieber bei der Königin oder bei Graf Nimian, deinem Vater, oder bei der Gräfin, deiner Mutter?" Sie sprach: "Gnädiger König und .Herr! Auf diese Frage ziemet mir nicht zu antworten; ich habe keinen eigenen Willen; was Eure Majestät und mein Vater mir befehlen, dem werde ich gehorsam nachkommen !"

Hierauf richtete der König seine Frage an die zweite Jungfrau und sprach: "Marsepia, sage du mir die Wahrheit! Wer ist dir am liebsten, der Graf, dein Herr und Vater, oder die Gräfin, deine Frau Mutter?" Sie antwortete: "O gnädiger Herr, mir ziemt keine Entscheidung; ich habe beide von ganzem Herzen lieb; wenn ich aber auch eins lieber hätte als das andere, so wäre es mir doch leid, daß mein Herz es wissen und mein Mund verkünden sollte; denn ich genieße von beiden gleich viel Treue und Liebe!"

Endlich sprach der König zu der dritten und jüngsten: "Sage du mir, Kassandra, wenn jetzt ein schöner Tang wäre auf unserer Hofburg, von Fürsten und Herren, von viel edlen Frauen und Jungfrauen, und es wäre hier der Graf und die Gräfin, dein Vater und deine Mutter, und das eine spräche: ,Gehe zum Tanzt 'und das andere: ,Gehe nicht! ' welchem Geste



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wolltest du folgen?" — "Allergnädigster Herr König", sprach sie, "Ihr wisset ja, daß ich noch jung bin; Vernunft kommt vor den Jahren nicht; ermesse Eure hohe königliche Vernunft die Liebe der Kinder! Ich weiß nicht zu wählen; wenn ich je wählte, so würde ich ja eins von beiden erzürnen " — "Wenn aber eines sein müßte?"fragte der König. — "So begehrte ich Jahr und Tag Bedenkzeit, um weiser Leute Rat zu vernehmen, ehe ich eine Antwort gäbet" Hiermit ließ der König Kassandra frei und fragte sie nicht weiter. Er beurlaubte sich von der Königin und den übrigen Frauenzimmern und ging, gefolgt von Fortunat und Leopold, in seinen Palast. Als sie in des Königs Zimmer zurückgekommen waren, sprach der König zu Fortunat: "Dein Wunsch ist erfüllt worden; du hast alle drei stehen, gehen, lang und langsam reden gesehen und gehört; ich habe dir mehr getan, als du begehrt hast; nun erwäge bei dir selbst: welche gefällt dir zum ehelichen Gemahl?" — "Ach, gnädigster Herr", sprach Fortunat, "sie gefallen mir alle drei so wohl, daß ich nicht weiß, welche ich erkiesen soll; gönnet mir eine kleine Weile, mich mit meinem alten Diener Leopold zu bedenken!" Der König beurlaubte ihn gern, und beide traten ab, sich an einem heimlichen Platze zu bedenken.

Hier sagte Fortunat zu Leopold: "Du hast die drei Töchter so gut als ich gesehen und gehört! Nun weißest du wohl, niemand ist in seinen eigenen Sachen so weise, daß er nicht immerhin gut täte, fremden Rat zu hören. So rate denn du mir hierin so getreulich, als ob es deine eigene Seele beträfe." Leopold erschrak über diese feierliche Ermahnung: "Herr", sagte er, "in dieser Sache ist nicht gut raten; denn dem einen gefällt oft ein Ding gar sehr, und seinem leiblichen Bruder gefällt es nicht. Der eine ißt gern Fleisch, der andere Fisch. Drum kann in dieser Sache Euch niemand gerne raten als Ihr selber. Seid doch Ihr es auch, der die Bürde tragen muß!" — "Das alles weiß ich wohl", erwiderte Fortunat, "auch daß nur ich mir das Gemahl nehme und sonst niemand. Da wollte ich, du erschlössest mir deines Herzens Heimlichkeit, weil du so viele Menschen kennengelernt hast und gewiß schon an ihrer Gestalt merken kannst, was getreu ist; und was ungetreu!" Leopold riet ungerne zu der Sache: er fürchtete, Fortunats Huld zu verlieren, wenn er zu einer riete, die ihm nicht gefiele. Er sprach: "Herr, auch mir gefallen sie alle drei wohl, ich habe eine um die andere sorgfältig betrachtet; ihrer Gestalt nach sind es gewiß Schwestern oder Geschwisterkinder; auch kann ich an ihrem Aussehen durchaus keine Untreue merken!" — Fortunat drang weiter in ihn und fragte: "Zu welcher rätst du mir denn aber?" — "Ich mag nicht



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zuerst raten", sprach Leopold, "es wäre Euch unleidlich, wenn mir wohlgefiele, was Euch mißfiele!" — mag auch nicht", sagte Fortunat. Endlich sprach Leopold: "Nun, so nehmet eine Kreide und schreibet auf den Tisch an Eurer Ecke; so will ich auf der andern Ecke meine Meinung hinschreiben!"

Fortunat war es zufrieden; jeder schrieb seine Meinung, und als sie es getan, und jeder des andern Schrift las, da hatten sie beide Kassandra geschrieben. Nun war Fortunat erst froh, daß seinem Leopold gefallen hatte, was ihm gefiel, und noch fröhlicher war Leopold, daß Gott ihm in den Sinn gegeben, gerade auf diejenige zu raten, die seinem Herrn am allerbesten gefallen hatte. Jetzt eilte Fortunat wieder zu dem Könige und sprach: "Gnädiger Herr Königl Mein untertäniges Begehren ist; daß Ihr mir Kassandra gebet!" — "Dir geschehe nach deinem Willen", sprach der König und sandte von Stund an zu der Königin, daß sie zu ihm käme und die Jungfrau auch mit sich brächte.



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Also kam die Königin und brachte Kassandra mit. Der König aber schickte auf der Stelle nach seinem Kaplan und ließ das Paar zusammen; trauen. Kassandra war wohl ein wenig unmutig darüber, daß sie so ohne Wissen ihres Vaters und ihrer Mutter vermählt werden sollte, und daß dieselben nicht gegenwärtig sein dürften; doch wollte es der König so haben. Als die Trauung vorüber war, kamen alle Frauen und Jungfrauen , auch der Braut Schwestern, und legten die zwo letzteren unter herzlichem Weinen ihre Glückwünsche ab. Durch diese Tränen erfuhr Fortunat erst, daß es leibliche Schwestern der Braut seien; er ging daher zu ihnen hin und tröstete sie freundlich, indem er sagte: "Trauert nicht so sehr um eure Schwester; ich habe etwas, das euch ergötzen soll!" Und sogleich schickte er in die Stadt Famagusta nach den Herrlichkeiten, die er von Venedig mitgebracht hatte; davon schenkte er die zwei besten Kleinode dem König und der Königin, dann beschenkte er Braut und Schwestern, zuletzt begabte er alle Frauen und Jungfrauen der Königin aufs köstlichste und erntete großen Dank ein.

Darauf sandte der König nach dem Grafen Nimian und seiner Gemahlin . Fortunat, der dieses hörte, sprach mit seinem Freund, ordnete ihn ab und übergab ihm tausend Dukaten; diese sollte er der Gräfin in den Schoß schütten und sprechen, es sei ein kleines Geschenk von ihrem neuen Tochtermann, daß sie fröhlich zur Hochzeit kommen möchte. Aber die Gräfin war nicht vergnügt darüber, daß Fortunat die jüngste ihrer



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Töchter, die ihr gerade die liebste war, zur Frau erwählt hatte. Als jedoch Leopold ihr die tausend Dukaten in den Schoß schüttete, ließ sie ihren Unmut fahren, rüstete sich mit dem Grafen aufs beste mit Wagen, Hofgesinde und allem Nötigen, und so kamen sie zu dem König, der sie mit allen Ehren empfing und sich bereit erklärte, die Hochzeit auf seine Kosten abzuhalten. Aber Fortunat bat sich die Ehre aus, dieselbe zu Famagufta in seinem neuen Palaste, den er noch nicht eingeweiht hatte, feiern zu dürfen. Ja, er wagte es, den König und die ganze königliche Familie zu dem Feste in aller Bescheidenheit einzuladen. Der König erfüllte seinen Willen, und Fortunat ritt eilends nach Famagusta, dort alles zuzurichten.

Nach acht Tagen kam der König, und brachte ihm Gemahlin Schwäher und Schwäger und Volks genug. Die Freude, die sie hatten mit Tangen, Singen und köstlichem Saitenspiel, war groß, bis endlich die schöne Jungfrau Kassandra bei ihrem Gemahl in dem neuen Palaste zurückgelassen wurde, der so herrlich erbaut war, daß sich jedermann über seine Zierde verwunderte. Obwohl nun der Braut Mutter sah, daß alles köstlich zuging, wollte es ihr doch nicht recht gefallen, daß Fortunat kein Land und Leute habe; der Graf beruhigte sie, und am andern Morgen früh stellte sich der König, sein Schwiegervater und seine Schwiegermutter bei Fortunat ein und forderten die Morgengabe für die Braut. Da sagte Fortunat: "Land und Leute habe ich nicht, aber fünftausend bare Dukaten will ich ihr geben: dafür mag sie eine Burg mit Gebiet kaufen, darauf sie dereinst versorgt ist." — "Hier ist leicht Nat zu schaffen", sprach der König. "Weiß ich doch, daß der Graf von Ligorna des Geldes sehr benötigt ist und Schloß und Flecken Lorgano, drei Meilen von hier; verkaufen muß mit Leuten, Land und allen Liegenschaften." Bald wurde auch der Kauf richtig gemacht, und Fortunat erhielt Schloß, Flecken und Land um siebentausend Dukaten. Er gab Leopold den Schlüssel, der das Geld aus einem Kasten holte, und Fortunat machte seine Gemahlin zur einigen Besitzerin der Herrschaft. Jetzt fing der Braut Mutter erst an fröhlich zu werden und rüstete sich, zur Kirche zu gehen, die neben dem Palaste herrlich erbaut stand. Nachdem das Hochamt vollbracht war, setzte sich der König, die Königin, das junge Paar und die ganze Gesellschaft ans Mahl, das recht königlich zubereitet worden.

Wie man am fröhlichsten war, stellte Fortunat eine Kurzweil an und gab drei Kleinodien heraus. Das erste war sechshundert Dukaten wert; um das sollten die Herren, Ritter und Edelleute drei Tage stechen; wer



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das Beste täte und den Prels erhielte, sollte auch das Kleinod davontragen Weiter gab er ein Kleinod aus, das vierhundert Dukaten wert war, um das auch drei Tage lang die Bürger und ihre Genossen stechen sollten; endlich eines von zweihundert Dukaten, um das sollten die Knechte stechen.

Solches Freudenspiel trieb man vierzehn Tage; immer wurde zwei oder drei Stunden gestochen, dann wieder getanzt und dann ebensolange geschmaust. Endlich zog der König und alles mit ihm hinweg. Fortunat hätte gerne gesehen, daß sie länger geblieben wären, besonders der Graf und die Gräfin; sie willigten aber nicht ein; denn sie sahen den großen Aufwand und fürchteten, er möchte dadurch in Armut geraten, worüber Fortunat in seinem Herzen lachen mußte.

Nachdem er nun dem Könige das Geleit gegeben und sich demütig für die Ehre seines Besuchs bedankt hatte, ritt er wieder heim zu seiner schönen Kassandra und stellte für die Bürger von Famagitfia ein zweites Hochzeitfest an. Und als endlich auch dieses Wohlleben ein Ende hatte, sehnte sich Fortunat nach Ruhe. Er ließ seinem alten Reisegefährten Leopold eine dreifache Wahl: "Willt du heim, lieber Freund", sprach er zu ihm, "so will ich dir vier Knechte zugeben, die dich redlich geleiten und dich dazu mit soviel Geld versehen, daß du zeitlebens dein Auskommen hast. Oder willst du hier zu Famagufta bleiben, so kaufe dir ein eigenes Haus und gebe dir so viel, daß du drei Knechte und zwo Mägde halten kannst und nie keinen Mangel leiden darfst. Oder endlich: willst du bei mir in meinem Palaste sein und an allem überfluß haben, so gut wie ich selber — welches von diesen dreien du ewählest, das soll dir zugesagt und redlich gehalten werden."

Der alte Leopold dankte ihm mit Rührung; er meinte, er habe weder um Gott noch um Fortunat verdient, daß ihm in seinen alten Tagen soviel Ehre und Glück widerfahre. "Mir ziemt", sprach er, "nicht heimzureiten; ich bin alt und schwach und möchte unterwegs sterben. Käme ich aber auch heim: Hibernia ist ein rauhes Land, wo weder Wein noch edle Früchte wachsen; die bin ich jetzt schon gewöhnt. Vielleicht würde ich drum dort bald sterben! Daß ich meine Wohnung bei Euch nehmen soll, darf mir auch nicht in den Sinn kommen. Ich bin alt und ungestalt; Ihr aber habt ein junges schönes Gemahl, viel hübsche Jungfrauen und schmucke Knechte, die Euch alle viel Kurzweil machen können. Diesen allen würde ich unwert; denn alten Leuten gefällt nicht immerdar dag Wesen der Jungen. Darum, sowenig ich an Eurer tugendreichen Güte



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zweifle, so erwähle ich doch, wenn es Euch nicht zuwider ist; das zweite, nämlich daß Ihr mir mein eigen Wesen bestimmen möget, darin ich mein Leben beschließen kann. Doch bitte und begehre ich, daß ich damit nicht ganz aus Eurem Rate entfernt werde, solange uns Gott miteinander das Leben gönnt." Fortunat sagte dem Alten dies gerne zu und nahm auch wirklich seinen Rat an, solange er lebte; er kaufte ihm ein eigenes Haus, gab ihm Knechte und Mägde, dazu alle Monate hundert Dukaten. Dem Leopold tat es auch wohl, daß er des Dienstes nicht mehr zu warten hatte. Er ging jetzt zu Bette und stand auf, ass und trank, früh oder spät, wie es ihm beliebte. Nichtsdestoweniger ging er alle Tage zur selben Stunde in die Kirche wie Fortunat und erschien fleißig bei seinem jungen Freunde. So trieb er es ein halbes Jahr; dann wurde er krank, und es ging mit ihm dem Tode zu. Wohl wurde von Fortunat nach vielen Ärzten gesendet, aber niemand konnte ihm helfen. Und also starb der gute Leopold. Das tat Fortunat gar leid; er ließ ihn mit vielen Ehren in seine eigene Kirche begraben, die von ihm gebaut und gestiftet worden war.



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Fortunat, der mit seiner Gemahlin Kassandra in großer Freude und Genüge lebte, bat Gott inbrünstig um einen Erben. Er wußte wohl, daß die Tugenden seines Glücksäckels ein Ende hätten, wenn er keine Kinder bekäme. Doch sagte er dies Kassandra nicht. Weil aber Gott alle ziemlichen Gebete erhört, so wurde auch Fortunat bald mit einem Sohne erfreut und das ganze Haus mit ihm. Dieser wurde in der heiligen Taufe Ampedo geheißen. Und nach Jahresfrist gebar ihm Kassandra einen zweiten Sohn, der auch mit Freuden getauft und Andolosia genannt wurde; so daß Fortunat jetzt zwei wohlgeschaffene, hübsche Knaben hatte; die er und seine liebe Kassandra mit großem Fleiß erzogen; doch war Andolosia kecker als sein Bruder Ampedo, und dies wird sich nachher zeigen. Fortunat hätte gerne noch weitere Leibeserben gehabt, aber Kassandra gebar ihm nicht mehr; was ihm sehr leid war; denn er hätte gar gerne eine Tochter dazu gehabt oder zwei.

Zwölf Jahre hatte Fortunat mit seiner Gemahlin Kassandra in Liebe und Ruhe verlebt; eines weitern Erben versah er sich nicht mehr; da fing ihn der Aufenthalt in Famagusta an zu verdrießen, wiewohl er alle Kurzweil hatte mit Spazierengehen, Reiten, schönen Rossen, Federspiel, Jagd; Hetze und Beize. Er nahm sich vor, nachdem er alle christlichen Königreiche durchzogen, auch vor seinem Tode die Heidenschaft, das Land



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des Priesters Johannes und alle drei Indien zu beschauen. Daher sprach er zu seinem Weibe Kassandra: "Ich habe eine Bitte an dich, die sollst du mir nicht abschlagen. Ich wollte, du erlaubtest mir hinwegzureisen." Sie fragte ihn, wonach ihm doch sein Gemüt stände. Da entdeckte er ihr sein ganzes Vorhaben; weil er den halben Teil der Welt gesehen, so wollte er den andern Teil auch durchfahren: "Und sollte ich mein Leben darum verlieren", setzte er hinzu.

Als Kassandra merkte, daß es ihm Ernst sei, erschrak sie zuerst sehr und suchte ihn von seinem Vorsatz abzubringen. Es würde ihn gereuen, meinte sie; wo er bisher umhergezogen, das wäre alles durch Christenlande gegangen; auch er selbst sei noch jung und stark gewesen und hätte vieles ertragen können; das sei jetzt nicht mehr so; das Alter vermöge nicht mehr, was der Jugend leicht zu tun sei. "Jetzt habt Ihr Euch gewöhnt, ein ruhiges Leben zu führen; und höret Ihr denn nicht alle Tage, daß die Heiden einem Christen weder treu noch hold sind, daß sie von Natur nur darauf denken, wie sie dieselben um Gut und Leib bringen mögend" Dazu fiel sie ihm um den Hals, bat ihn gar freundlich und sprach: "O allerliebster Fortunat, teuerster und getreuester Gemahl,



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auf den ich meine ganze Hoffnung gebaut habe; ich bitte Euch um Gottes willen, ehret mich armes Weib und Eure lieben Kinder, schlaget die vorgesetzte Reise aus Eurem Herzen und bleibet hier bei uns l Habe ich Euch denn mit irgend etwas erzürnt oder etwas getan, das Euch mißfallen hätte? Saget mir's doch, es soll hinfort gewiß vermieden bleiben und nicht mehr geschehen." Kassandra weinte zu diesen Worten inniglich und war sehr betrübt. Fortunat hing am Halse seiner Gemahlin und sprach: "O liebes Weib, verzweifle nur nicht! Es ist ja nur von einer ganz kleinen Zeit die Rede; dann komme ich wieder heim; und ich verheiße dir jetzt feierlich, daß ich alsdann nimmermehr von dir scheiden will, solang uns Gott das Leben verleiht!" — "Ach ja", sagte Kassandra , "wenn ich deines Wiederkommens gewiß wäre, so wollte ich deine Zurückkunft mit Freuden erwarten, wohin du dann ziehen wolltest: nur müßte es unter gläubige Christen sein und nicht zu den Heiden, dem treulosen Geschlechte, das nichts als Christenblut begehrt; ja, dann sollte es mir nicht schwer werden!" Aber Fortunat blieb bei seinem Entschlusse. "Diese Reise", sprach er, "kann niemand wenden als Gott und der Tod allein. Sollte ich aber von hinnen scheiden, so will ich dir so viel Barschaft hinterlassen, daß du, wenn ich auch nicht mehr wiederkehrte, mit deinen Kindern dein Leben in Ruhe zubringen kannst!"

Kassandra merkte wohl, daß hier kein Bitten helfen mochte. Sie nahm daher ihre Kräfte zusammen und sprach: "O geliebter Herr, wenn es nicht anders sein kann, so kommet desto eher wieder, und die Liebe und Treue, die Ihr uns bisher erwiesen habt, die lasset aus Eurem Hergen nicht entschwinden! Dann wollen wir Gott Tag und Nacht für Euch bitten , daß er Euch Gesundheit, Frieden und günstiges Wetter verleihe und Euch vor allen behüte, in deren Hand und Gewalt Ihr kommen könntet!" — "Wolle Gott, daß dies Gebet an mir vollbracht werde", sagte Fortunat , "ich hoffe aber zu ihm, daß ich früher wiederheimkomme, als ich mir vorgenommen habe!"



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Mit diesen Worten segnete Fortunat Weib und Kind und fuhr, als ein reicher Mann, in seiner eigenen Galeere davon, die er sich zu diesem Zwecke hatte bauen lassen. Nach einer glücklichen Fahrt kam er zu Ale andria in Ägypten an. Sobald er sicher Geleite hatte, ans Land zu fahren, stieg man aus dem Schiffe. Die Heiden wollten wissen, wer der Herr der Galeere sei. Fortunat, hieß es, von Famagusta aus Zypern sei Besitzer des Schiffs. Zugleich bat er, daß man ihm Zutritt zu dem Heidenkönige



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verschaffte, damit er ihm sein Geschenk überreichen könnte; jeder Kaufmann nämlich pflegt dem Sultan eine Verehrung zu bringen. Als nun Fortunat in des Königs Palast kam, hieß er sogleich, einen Kredenztisch aufzuschlagen, und stellte seine Kleinodien aus, die gar schön und köstlich anzusehen waren, und die er auch sofort dem Sultan anbieten ließ. Der Sultan kam in Person herbei und nahm die Kostbarkeiten in Augenschein. Er wunderte sich und glaubte, der Fremde habe sie ihm gebracht , um sie sich abkaufen zu lassen; er ließ ihn daher fragen, wie hoch er den Kredenztisch voll Kleinodien schätze. Darauf fragte Fortunat nur, ob die Kleinode des Sultans Beifall hätten, und als dies bejaht wurde; zeigte er sich ausnehmend froh und ließ den Sultan bitten, sie nicht zu verschmähen, sondern als ein Geschenk gnädig aufzunehmen. Den König von Ägypten befremdete es nicht wenig, daß ein einziger Kaufmann ihm so viel verehren wollte; denn er schätzte das ganze Geschenk wohl auf fünftausend Dukaten und meinte, es wäre wohl für eine ganze Stadt wie Venedig, Florenz oder Genua viel zuviel. Doch nahm er es auf, wie es war, glaubte jedoch, für eine so große Schenkung dem Darbringer eine Gegengabe zusenden zu müssen. Daher schickte er hundert Zentner Pfeffer, die so viel wert waren als Fortunats sämtliche Kleinode.

Als die Lagerherren aus Venedig, Florenz, Genua und Katalonien, die sich dazumal in Alexandrien aufhielten, von der großen Gegengabe des Königs vernommen, dabei daran dachten, daß sie selbst, die stets in seinen Landen lägen, des Jahrs zwei-; dreimal Geschenke darbrachten und dazu ihm und dem Lande von großem Nutzen wären, und daß sie gleichwohl noch nie eines solchen Geschenkes gewürdigt worden seien: da empfanden sie großen Verdruß über das Betragen Fortunats. Überdies kaufte dieser immer mehr Waren an sich; sie fürchteten daher, er möchte ihnen auch noch in ihrer Kaufmannschaft Schaden tun und das Land mit Waren überführen, so daß sie genötigt wären, das Ihrige wohlfeiler zu geben; daher waren sie beständig darauf bedacht, wie sie ihm Verdruß bei dem Sultan anrichten könnten. Sie machten daher zu dem Ende dem Admiral, welcher der Oberste nach dem König im Lande war, ein großes Geschenk, damit er Fortunat und den Seinigen nicht so günstig wäre. Aber Fortunat wußte es und schenkte noch einmal soviel. Dem Admiral war das eben recht; er nahm das Geld von beiden Parteien und tat, was er mochte. Er erwies nämlich dem Fortunat nun um so mehr Dienste; denn sein Wunsch war, daß nur recht viele, wie er, nach Alexandrien kommen möchten.



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Sa war Fortunat schon einige Tage daselbst, als er gar von dem Sul tan zu Gaste gebeten wurde und mehrere Kaufleute von der Galeere mit ihm. Dies verdroß die andern Kaufherren noch mehr, besonders da ihn bald darauf auch der Admiral zum Essen einlud und sie sahen, daß ihre Schenkung so übel angelegt war. Inzwischen erschien die Zeit, wo die Galeere von Alexandria wegfahren mußte; denn es war gebräuchlich, daß kein Schiff mit Kaufmannswaren länger als sechs Wochen daselbst verweilen durfte, mochte es nun verkauft haben oder nicht. Fortunat wußte dieses wohl. Er richtete sich darnach und setzte an seiner Statt einen andern Schiffspatron ein, dem er befahl, mit der Galeere, den Kaufleuten und allem Gute in Gottes Namen nach Spanien, Portugal, zuletzt nach England und dann nach Flandern zu fahren, da zu kaufen und zu verkaufen , von einem Lande zum andern, und ihren Gewinn zu mehren, was nicht fehlen könne, weil sie bedeutende Güter mit sich führten. Nach zwei Jahren sollte der Patron gewiß mit seiner Galeere wieder in Alexandria sein und diesen Zeitpunkt ja nicht versäumen. Er selbst sei willens, noch zwei Jahre in der Fremde zu bleiben und seine Sachen darnach einzurichten, damit er auf die bestimmte Zeit auch wieder in Alexandria sein könnte. Träfen sie ihn da nicht, so sollten sie sich nur keine Rechnung auf ihn machen, sondern annehmen, daß er nicht mehr am Leben sei. Dann sollte der Patron die Galeere samt dem Gute seiner Gemahlin Kassandra und seinen Söhnen nach Famagusta liefern. Dies versprach ihm der neue Schiffskapitän. Und so traten diese in Gottes Namen ihre Reise an.

Sobald sich Fortunat allein sah, besuchte er den Admiral und bat ihn, daß er ihm zu einem sicheren Geleite durch des Sultans Land behilflich sein möchte, und dann zu einem Empfehlungsschreiben an die Fürsten und Herren der Länder, die er zu sehen begehrte. Das verschaffte ihm der Admiral ohne Mühe vom Sultan, alles auf Kosten Fortunats, was diesem große Freude machte, weil er das Geld nicht sparen durfte. Er rüstete sich daher mit seinen Begleitern aufs allerbeste und trat dann seine weite Reise an.

Zuerst durchwanderten sie das Land des Königs von Persien, dann das Gebiet des großen Khans von Chaltei; von da ging es durch die indischen Wüsten in das Land des Priesters Johannes, der über viel Inseln und feste Lande regiert und in allem zweiundsiebzig Königreiche beherrscht. Diesem schenkte Fortunat die seltensten Kleinode, ebenso allen denjenigen, die ihm auf seiner Reise förderlich gewesen. Dann kam er nach Kalekut, in das Land, wo der Pfeffer wächst wie kleine grüne Trauben. Dort regierte



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ein mächtiger König, das Land aber ist von großer Hitze geplagt. Als Fortunat dies alles gesehen, jammerte ihn endlich seiner Gemahlin Kassandra und seiner beiden Söhne, und es kam ihn eine zärtliche Lust an, sie wiederzusehen. Er richtete daher seinen Lauf heimwärts und kam zur See nach der Stadt Lamecha. Dort kaufte er sich ein Kamel und ritt auf demselben durch die Wüste gen Jerusalem, in die Heilige Stadt. Nun hatte er noch zween Monate Frist bis zu dem Zeitpunkt wo er versprochen hatte, zu Hause einzutreffen. Deswegen eilte er auf Alexandria zu, dem Sultan für alle Beförderung Dank zu sagen, besuchte den Admiral wieder, freute sich des Wiedersehens, und überall ward ihm große Ehre angetan. Acht Tage blieb er zu Alexandria stilleliegen; siehe, da kam auch seine Galeere dahergefahren, mit köstlichen Waren beladen, dreimal so voll, als da sie Fortunat von sich ausgesandt hatte. Er freute sich über die Maßen, als er alle seine Leute wieder frisch und gesund sah, vor allem aber, daß sie ihm Briefe von seiner geliebten Gemahlin Kassandra mitbrachten .

Fortunat hatte nun keine Ruhe mehr; er ermunterte seine Leute, fein wohlfeil zu verkaufen, um recht bald mit ihren Gütern aufzuräumen; "denn", sagt man, "wer wohlfeil gibt, dem hilft Sankt Niklas verkaufen , und wer kauft, wie man ihm ein Ding beut, der ist auch bald fertig." Während daher andre Kauffahrteischiffe sechs Wochen lang zu Alexandria lagen, schafften sie alles in drei Wochen fort nach ihres Herrn Willen . Aber der Sultan, der von ihrer Eile hörte, wollte nicht haben, daß Fortunat hinwegreise, er speise denn vorher mit ihm. Er lud ihn daher noch am letzten Abend ein, bevor er am andern Morgen absegeln wollte. Dies konnte Fortunat nicht abschlagen; jedoch befahl er, daß sich jedermann auf die Galeere begeben sollte: sobald die Mahlzeit vorbei wäre, wollte er sich noch am selben Abende bei ihnen einfinden. Indem kam sein Freund, der Admiral, nahm ihn beim Arm, und beide gingen miteinander auf des Königs Palast zu.



***
Der Sultan von Ägypten empfing Fortunaten aufs beste. Dieser stattete ihm seinen ehrfurchtsvollen Dank für den Geleitsbrief ab und unterhielt ihn von allen Merkwürdigkeiten, die er in den fremden Landen gesehen hatte. Nach der Mahlzeit wünschte Fortunat, das Hofgesinde beschenken zu dürfen, und der König vergönnte es ihm. Da tat er unter dem Tische seinen Glückssäckel auf, daß es niemand sähe, und niemand die Kraft des Säckels erführe. Und nachdem er jedermann schwer Geld gegeben, so



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der Sultan sich wunderte, wie er soviel nur tragen könnte, sagte dieser, ver sich besonders freute, daß sein Leibmameluck so reichlich beschenkt worden war, zu Fortunat: "Ihr seid ein wackerer Mann; es ziemt sich wohl, daß man Euch eine Ehre antut: kommt mit mir; ich will Euch etwas sehen lassen, was ich habe."Mit diesen Worten führte er ihn durch einen Turm, der ganz von Stein und rundum gewölbt war, zuerst in ein Gemach, in welchem sich viele Juwelen und Silbergeräte befanden, auch große Haufen silberner Münzen, wie Korn aufgeschüttet. Dann öffnete er ihm ein zweites Gewölbe, das voll goldener Kleinode war; in diesem stand auch eine große Truhe voll gemünzter Goldgulden. Dann betraten sie ein drittes, gar sorgfältig verwahrtes Gewölbe, in welchem gewaltige Kästen voll kostbarer Kleider und Leibleinwand standen, was der Sultan antat wenn er sich in seiner königlichen Majestät zeigen wollte. Alles ohne Zahl; so hatte er namentlich auch zwei goldene Leuchter, auf welchen zwei große Karfunkel prangten. Als nun Fortunat diese beiden Kleinode zu bewundern nicht aufhörte, sprach zu ihm der Sultan: "Ich habe noch eine Seltenheit in meiner Schlafkammer; die ist mir lieber als alles, was Ihr bisher bei mir gesehen habt." — "Was mag das sein", fragte Fortunat, "das so köstlich wäre?" —"Ich will es dich sehen lassen" , erwiderte der König und führte ihn in sein Schlafzimmer, das groß, hell und freundlich war; und alle Fenster sahen in das weite Meer. Hier ging der Sultan an einen Kasten, langte ein unscheinbares Filzhütchen, dem die Haare schon ausgegangen waren, hervor und sprach zu Fortunat: "Dieser Hut ist mir lieber als alle Kleinode, die Ihr gesehen habt, darum: wenn einer jene Kostbarkeiten auch nicht besitzt, so gibt es doch Mittel, sich dieselben zu verschaffen; aber einen solchen Hut kann sich kein Menschenkind zuwege bringen."Fortunat fragte recht neugierig: "Oh, gnädigster Herr König, wenn es nicht wider die Ehrfurcht ist, die ich Euch schuldig bin, so möchte ich gerne erfahren, was das Hütlein vermag, das Ihr so hoch schätzet." — "Das will ich dir sagen", sprach der König. "Das Hütlein hat die Tugend, wenn ich oder ein anderer es aufsetzt , wo er alsdann begehrt zu sein, da ist er. Damit habe ich viel Kurzweil, mehr als mit meinem ganzen Schatze; denn wenn ich meine Diener auf die Jagd sende, und mich verlangt, auch bei ihnen zu sein, so setze ich nur mein Hütchen auf und wünsche mich zu ihnen: so bin ich auf der Stelle bei ihnen. Und wo ein Tier in dem Walde ist, und ich möchte dabei sein, so bin ich's und kann es den Jägern in die Hände treiben. Habe ich einen Krieg, und meine Söldner sind im Felde, so kann ich wieder



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bei ihnen sein, sobald ich will. Und wenn ich genug habe, so bin ich wieder in meinem Palast, wohin mich alle meine Kleinode nicht hinzubringen vermöchten." — "Lebt der Meister noch, der es gefertigt hat?" fragte Fortunat. Der König antwortete: "Das weiß ich nicht." — "Oh, möchte mir der Hut werden!" dachte Fortunat; "er paßte gar zu gut zu meinem Säckel!" Da sprach er weiter zu dem König: "Ich halte dafür, da der Hut eine so große Kraft hat, so muß er auch recht schwer sein und den, der ihn auf dem Kopfe hat, nicht übel drücken!" — "Nein", antwortete der König, "er ist nicht schwerer denn ein anderer Hutl" Der Sultan hieß ihn sein Barett abziehen, setzte ihm das Hütchen selbst aufs Haupt und sagte: "Nicht wahr, es ist nicht schwerer als ein anderer Hut?" — "Wahrlich", antwortete Fortunat, "ich hätte nicht geglaubt, daß der Hut so leicht sei, und Ihr so töricht, ihn mir aufzusetzenl" — Und in diesem Augenblick wünschte er sich auf seine Galeere, darin er auch auf der Stelle saß. Kaum war er darin, so ließ er die Segel aufziehen; denn sie hatten starken Nordwind, so daß sie schnell von hinnen fuhren.


***
Als der König merkte, daß ihm Fortunat sein allerliebstes Kleinod abgeführt, und er zugleich, am Fenster stehend, die Galeere wegfahren sah, wußte er im Zorne nicht, was er tun sollte; doch bot er all sein Volk auf, Fortunaten nachzueilen und ihn gefangen zu bringen; denn der Räuber



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sollte sein Leben verlieren. Seine Leute fuhren ihm auch auf der Stelle nach, aber die Galeere war schon so ferne, daß sie kein Auge mehr erreichen konnte. Nachdem sie ihr einige Tage nachgefahren, kam sie eine Furcht an, sie möchten auf katalonische Seeräuber stoßen, und da sie nicht gerüstet waren zu streiten, kehrten sie wieder um und sagten dem Sultan, es sei nicht möglich gewesen, die Galeere zu erreichen. Da wurde dieser sehr traurig. Aber die Venezianer, Florentiner und Genuesen, die freuten sich, als sie erfuhren, daß Fortunat mit des Sultans liebstem Kleinod davongefahren sei. "Recht so", sprachen sie untereinander, "der König und der Admiral wußten nicht, wie sie diesen Fortunat genug ehren sollten: nun hat er ihnen den rechten Lohn gegeben, und jetzt sind wir sicher vor ihm; er wird nicht wiederkommen und uns nicht noch einmal so großen Schaden mit Kaufen und Verkaufen zufügen!"

Der Sultan hätte sein Kleinod gar zu gerne wiedergehabt, und doch wußte er nicht, wie er es angreifen sollte. "Wenn ich auch", dachte er, "den Admiral oder einen meiner Fürsten zu ihm sende, so sind sie den Christen nicht angenehm; auch könnten sie unterwegs gefangen werden." So entschloß er sich am Ende, eine feierliche Botschaft an Fortunat nach Zypern zu schicken, und bat den Vorsteher der Christen, daß er ihm zu Willen würde und sich zu dieser Reise verstünde, teilte ihm auch die Ursache mit. Dieser sagte es ihm zu und erklärte bereit zu sein, in des Sultans Dienst zu fahren, wohin er wollte. Alsbald ließ ihm der Sultan ein Schiff zurüsten und es mit Christenschiffleuten bemannen; dann befahl er ihm, nach Famagusta in Zypern zu segeln und Fortunat anzugehen, daß er dem Sultan sein Hütlein wiederschicke. Denn er hätte es ihn in treuem sehen lassen; wollte es auch von ihm zu Danke wiederannehmen und ihm dafür eine Galeere voll edlen Gewürzes senden. Wenn er es aber nicht tun wollte, so sollte der Schiffshauptmann es dem Könige von Zypern klagen, der ja sein Oberherr wäre, und diesen bitten, daß er den Fortunat zwinge, dem Sultan sein geraubtes Kleinod zurückzuschicken. — Der Hauptmann war ein Venezianer und hieß Marcholandi; dieser sagte dem Sultan zu, die Botschaft treulich auszurichten und allen Fleiß darauf zu verwenden. Dazu gab ihm jener großes Gut, rüstete ihn herrlich aus und verhieß ihm noch mehreres, wenn er ihm sein Hütlein wiederbrächte. Denn der Herr war so betrübt über seinen Verlust, daß er keine Ruhe hatte; alle seine Mamelucken mußten auch traurig sein. Vorher hatten sie alle den Fortunat gelobt; nun er aber ihren König betrübt hatte, erklärten sie ihn für den größten Bösewicht, den das Erdreich trüge.



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So fuhr Marcholandi gen Zypern und kam zu Famagusta in den Hafen, aber Fortunat war wohl zehn Tage vor ihm eingetroffen. Wie zärtlich Fortunat von seiner liebsten Gemahlin Kassandra empfangen wurde, möget ihr leicht denken; auch wie große Freude er selbst empfand, als er so glücklich wiederheimgekommen war. Die ganze Stadt war froh mit ihm; denn es war viel Volks dort, die alle viel Freunde hatten, welche mit Fortunat wiedergekommen waren, und über deren glückliche Rückkehr jetzt alles fröhlich war.

Marcholandi wunderte sich nicht wenig, als er mit seiner Galeere ans Land kam und die gange Stadt in solchem Vergnügen sah. Fortunat aber, sowie er hörte, daß eine Botschaft des Königs von Alexandrien nach Famagusta gekommen sei, versah sich ihres Inhalts wohl. Er ließ daher sogleich für den Schiffshauptmann eine gute Herberge bestellen, ihm alles in dieselbe führen, was er bedurfte; und was er sonst verbrauchte; das bezahlte alles Fortunat. So hatte Marcholandi wohl drei Tage zu Famagusta gelegen; da schickte er endlich zu Fortunat mit der Erklärung, er habe ihm eine Botschaft auszurichten. Jener zeigte sich ganz bereitwillig , ihn anzuhören, und nun kam der Schiffshauptmann zu ihm in seinen schönen Palast und richtete den Inhalt seiner Sendung aus. "Der König, Sultan von Babylon, zu Alkairo und Alexandria", sprach er, "mein allergnädigster Herr, entbeut dir, Fortunat, seinen Gruß durch mich, den Hauptmann der Christen zu Alerandrien, Marcholandi; er verlangt von dir, du wollest so gutwillig sein und mich als gütlichen Boten betrachten, ihm selbst aber sein bewußtes Kleinod durch mich zurücksenden."

Auf diese Anrede antwortete Fortunat und sprach: "Mich nimmt wunder, daß der König und Sultan nicht weiser war, als er mir sagte, was für eine Eigenschaft das Hütchen habe, und daß er mir dasselbe so unbedenklich auf mein Haupt setzte. übrigens bin ich durch jenes Kleinod in große Angst und Not gekommen, die ich mein Lebtag nicht vergessen will; denn meine Galeere stand auf der offenen See, in diese wünschte ich mich hinein; hätte ich dieselbe nur eines Fußes breit verfehlt, so wäre ich um mein Leben gekommen, und dies ist für mich doch noch ein köstlicherer Schatz als des Sultans ganzes Königreich. Und darum bin ich gesonnen, das Wünschhütlein zu einer geringen Vergütung für die ausgestandene Todesangst zu behalten und nicht von mir zu lassen, solange ich lebe." Marcholandi gab auf diese Rede die Hoffnung, ihn in Güte zur Herausgabe zu bewegen, noch nicht auf. Er sprach: "Fortunat; lasset Euch raten! Wozu kann Euch dies Kleinod nutzens Ich will Euch etwas dafür schaffen,



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.das Euch und Euren Kindern viel nützlicher sein soll als das abgeschabte Hütlein. Ja, hätte ich einen Sack voll solcher Hüte, und jeder Hut hätte die Tugend, die jenes Hütlein hat; so wollte ich sie alle um das Dritteil des Guts geben, das ich Euch schaffen will. Darum laßt mich einen guten Boten sein, so will ich Euch versprechen, daß der Sultan Eure Galeeren mit dem besten Gewürz, Pfeffer, Ingwer, Muskatnüssen und Zimmetrinden beladen muß, bis auf hunderttausend Dukaten an Wert. Auch sollt Ihr das Hütchen nicht aus den Händen geben bis die Galeere mitsamt dem Gut Euch in sichere Hand überantwortet ist. Behagt dies Eurem Sinne, so will ich selbst auf Eurer Galeere nach Alerandrien fahren und sie Euch geladen wiederbringen, und dann erst gebet mir meines gnädigen Sultans Kleinod wieder zurück. Gewiß gilt dasselbe in der ganzen Welt kein Dritteil von dem, was Euch der Sultan darum geben will. Er würde auch nicht so sehr darnach verlangen, wenn es nicht zuvor sein gewesen wäre."

Auf diese lange Rede antwortete Fortunat ganz kurz: "Mir ist nichts werter als des Sultans Freundschaft und die Eure; aber das Hütlein hoffe niemand aus meiner Gewalt zu bringen. Ich habe auch sonst noch ein Kleinod, das mir sehr lieb ist, und beide müssen mein bleiben, solange ich lebel" Mit dieser Antwort verfügte sich Marcholandi zum Könige von Zypern, der Fortunats Oberherr war, und bat ihn, mit diesem zu unterhandeln; denn er sorge, wenn Fortunat das Wünschhütlein nicht herausgebe , so möchte daraus ein ernstlicher Krieg entspringen. Der König antwortete dem Schiffshauptmann: "Ich habe Fürsten und Herren unter mir, die, so ich gebiete, tun, was sie sollen. Hat nun der Sultan etwas gegen Fortunat zu klagen, so mag er ihn vor Gericht belangen; alsdann soll ihm alle Genugtuung widerfahren." Marcholandi merkte wohl, daß die Heiden hier nicht viel Rechts gewinnen würden, rüstete seine Galeere wieder zu und wollte davon. Aber Fortunat erzeigte sich sehr gütig gegen ihn, lud ihn noch einmal zu Gaste und beschenkte ihn mit vielen Kostbarkeiten, ließ auch seine Galeere mit Speise und Trank reichlich versehen . Dann sprach er: "Saget Eurem Herrn, dem Sultan, wenn das Hütlein mein gewesen wäre, und er hätte mir's entführt, so sendete er mir es gewiß nicht wieder, und es würde ihm auch von den Seinigen nicht geraten werden, mir dasselbe wiederzuschicken." Marcholandi versprach, solches dem Sultan wörtlich zu hinterbringen, dankte für alle Ehre, die ihm Fortunat erwiesen, und fuhr so unverrichteterdinge wieder hinweg.



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Nachdem Fortunat auf oben erzählte Weise die ganze Welt durchfahren und der Welt Glück in Fülle gewonnen hatte, begann er, ein ruhiges Leben zu führen, ließ seine zwei Söhne erziehen mit Ehren und großem Aufwand und hielt ihnen Edelknechte, welche sie in allem Ritterspiel unterrichteten, wozu besonders der jüngere Sohn, Andolosia, große Neigung zeigte. Denn Fortunat gab ihnen manches Kleinod auszuspielen, und wenn um dieselben zu Famagufta gestochen wurde, so tat jedesmal dieser jüngste Sohn das Beste und gewann den Preis, so daß jedermann sprach: "Andolosia bringt das ganze Land zu Ehren!" Darüber empfand Fortunat große Freude, auch machte ihm sein Säckel und Wünschhütlein, sein Federspiel und der Umgang mit seinen Söhnen und seiner Gemahlin alles mögliche Vergnügen.

Viele Jahre lebten sie in solcher Eintracht; da verfiel endlich die schöne Kassandra in eine solche Krankheit, daß sie trotz aller ärztlichen Hilfe sterben mußte. Fortunat bekümmerte sich hierüber so sehr, daß auch er in eine tödliche Krankheit verfiel und ein solches Siechtum empfand, daß von Tag zu Tag seine Kräfte abnahmen. Vergebens suchte man die besten Arzte in der Welt auf und versprach ihnen die herrlichste Belohnung, wenn sie helfen könnten. Sie gaben keinen Trost, ihn je wieder ganz gesund zu machen, aber sie wollten wenigstens ihr Bestes tun, sein Leben so lange wie möglich zu fristen. Sowenig aber Fortunat auch sein Geld sparte, so empfand er doch keine Besserung. Daraus schloß er, daß das Ende seines Lebens nicht mehr ferne sei. Er ließ daher seine beiden Söhne Ampedo und Andolosia vor sich kommen und sprach zu ihnen: "Ihr wisset, lieben Söhne, daß eure Mutter, die euch mit großem Fleiß erzogen, mit Tod abgegangen ist. Ich selbst empfinde, daß ich diese Zeitlichkeit verlassen muß. Darum will ich euch sagen, wie ihr euch nach meinem Tode verhalten sollt, damit ihr bei Ehre und Gut bleibet, wie ich auch bis an mein Ende geblieben bin." Dann offenbarte er ihnen den Besitz seiner zwei Kleinode und erzählte ihnen von dem Glückssäckel und der Eigenschaft, die er hätte, nicht länger, als solange sie beide lebten; ebenso teilte er ihnen das Geheimnis von der Tugend des Wünschhütleins mit, sagte ihnen, wie großes Gut der Sultan ihm dafür geben wollte, und befahl, diese Kleinode nicht voneinander zu trennen, auch niemand etwas von dem Säckel zu sagen, er wäre ihnen so lieb, als er wollte. "Denn also", sprach er, "habe ich den Säckel sechzig Jahre lang gehabt und keinem Menschen davon je ein Wörtlein gesagt denn jetzt euch. Noch will ich euch eines befehlen, lieben Söhne; ihr sollt zu Ehren einer Jungfrau,



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von welcher ich mit diesem glückhaften Säckel begabt worden bin, hinfüro alle Jahr auf den ersten Tag des Brachmonats einer annen Tochter, welcher Vater und Mutter nicht helfen können, vierhundert Goldstücke nach des Landes Währung zur Brautgabe schenken, an dem Orte, wo sich der eine von euch gerade mit dem Säckel befindet. Denn dies habe auch ich getan, solange ich denselben besessen habe." Dieses waren die letzten Worte Fortunats, nach welchen er seinen Geist aufgab. Die Söhne bestatteten ihn mit großen Ehren in der Kirche, die er selbst gebaut hatte, und ließen viele Messen zum Heil seiner Seele lesen.

Während Fortunats jüngerer Sohn Andolosia das Trauerjahr über stilleliegen mußte, und sich nicht mit Stechen und anderem adeligen Zeitvertreib erlustigen durfte, war er über seines Vaters Büchern gesessen und hatte darin gelesen, wie dieser so viele christliche Königreiche durchzogen hatte, und durch wie vieler Heiden Länder er gefahren war. Das gefiel ihm auch wohl und erweckte in ihm eine solche Begierde, daß er sich ernstlich vornahm, ebenfalls auf die Wanderung zu gehen. Er sprach daher zu seinem Bruder Ampedo: "Mein liebster Bruder, was wollen wir anfahen? Laß uns wandern und nach Ehren trachten, wie unser Herr Vater auch getan hat. Oder hast du nicht gelesen, wie er so weite Lande



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durchfahren? Wenn du es noch nicht gelesen, so lies es jetzt!" Ampedo erwiderte seinem Bruder ganz gütlich: "Wer wandern will, der wandre! Mich lüstet es gar nicht darnach; ich könnte leicht an einen Ort kommen, wo mir nicht so wohl wäre wie hier. Laß mich nur hier in Famagusta bleiben und mein Leben in dem schönen väterlichen Palaste beschließen!" Andolosia sprach: "Wenn du dieses Sinnes bist, so laß uns die Kleinode teilen." "Willst du jetzt schon das Gebot unsers Vaters übertreten?" fragte Ampedo betrübt. "Weißt du nicht, daß sein letzter ernstlicher Wille gewesen ist; daß wir die Kleinode nicht voneinander trennen sollen?" Andolosia erwiderte: "Was kehre ich mich an diese Redel Er ist tot, ich aber lebe noch und will teilen." Ampedo sprach: "So nimm du das Hütlein und ziehe, wohin du willst!" — "Nein, nimm du es selbst", sprach Andolosia, "und bleib hier!" So konnten sie nicht einig über die Sache werden; denn jeder wollte den Säckel haben. Endlich sagte Andolosia: "Jetzt weiß ich, wie wir das Ding machen wollen, daß des Vaters Wille doch erfüllt wird. Laß uns aus dem Säckel zwei Truhen mit Goldgulden füllen, die behalte du hier für dich; du magst leben, so herrlich du willst; so kannst du sie dein Leben lang nicht verzehren. Dazu behalte auch das Hütlein bei dir, damit du Kurzweil haben magst. Mir aber laß den Säckel ; ich will wandern und nach Ehren trachten. Wenn ich sechs Jahr ausgewesen bin und wiederkomme, so will ich dir den Säckel auch sechs Jahre lassen. Auf diese Weise haben wir ihn ja doch gemeinschaftlich und benützen ihn miteinander."

Ampedo war ein gütiger Mensch; er ließ sich den Vorschlag seines Bruders gefallen. Als nun Andolosia den Säckel hatte, war er von ganzem Herzen froh und wohlgemut; er rüstete sich mit guten Knechten und hübschen Pferden stattlich aus, nahm Urlaub von seinem Bruder und verließ Famagusta mit vierzig wohlgerüsteten Mannen und auf seiner eigenen Galeere. Als er in dem Hafen von Aiguesmortes angekommen war, stieg er dort ans Land und ritt zuallererst an den Hof des Königs von Frankreich . Hier gesellte er sich zu den Edeln des Landes, den Grafen und Freiherrn; denn er war freigebig und ließ seinen Reichtum jedermann genießen, deswegen er auch bei aller Welt beliebt war. Und zugleich diente er dem König so eifrig, als wäre er sein besoldeter Diener. Indem begab es sich, daß ein scharfes Stechen, Ringen, Nennen und Springen angestellt werden sollte. In diesem tat er es auch allen andern insgesamt zuvor. Nach dem Stechen wurden gewöhnlich große Tänze mit den edeln Frauen gehalten. Auch zu diesen wurde er berufen und überall herangezogen. ,Die



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Frauen fragten, wer denn der mutige Ritter sei. Da ward ihnen gesagt, er heiße Andolosia, sei aus Famagusta in Zypern und von edelm Geschlecht. So gefiel er auch den Weibern sehr wohl; sie unterhielten sich gern mit ihm, und er ließ sich solches auch gefallen. Der König lud ihn zu Gast, und den Edeln war seine Gesellschaft angenehm. Er selbst lud auch die Edeln und ihre Frauen zu Gast und gab ihnen ein gar köstliches Mahl; dadurch wurde er beiden wohlgefällig, und sie glaubten ihm jetzt erst recht, daß er von edlem Geschlechte sei.

Hier erfuhr Andolosia von einer schönen, aber falschen Frau viel Liebe und zuletzt große Untreue, so daß er mit Unlust vom Hofe des Königes von Frankreich hinwegritt und sich nur damit tröstete, daß er dachte: "Es ist noch gut, daß mich die falschen Weiber nicht auch um den Glückssäckel betrogen haben t" Und damit schlug er sich die Sache aus dem Herzen und sann darauf, wie er jetzt anheben wollte, recht fröhlich zu sein und immer einen guten Mut zu haben. Er ritt deswegen in einem fort, bis er an den Hof des Königs von Aragonien kam. Dann zog er zu dem Könige von Navarra, dann zu dem von Kastilien, dann gen Portugal, darnach zu dem Könige von Hispanien. Allda gefielen ihm Volk und Sitten so wohl, daß er sich und seine Knechte nach des Landes Art kleidete. Auch hier wurde er des Königs Diener und gesellte sich zu den Edeln, trieb alle möglichen Ritterspiele, gab Kleinode zu Preisen her und lud die edeln Frauen mit ihren Männern zu Gaste. Wenn der König wider seine Feinde auszog, bestellte er zu seinem Gefolge noch hundert weitere Söldner, alles auf eigene Kosten, und mit diesen diente er dem Könige so gut, daß dieser ihn ganz liebgewann. Und da er in allen Kämpfen vorn an der Spitze sein wollte und viel männlicher Taten verrichtete, so schlug ihn zuletzt der König zum Ritter. An dem Hofe war auch ein alter Graf vom edelsten Stamme, der hatte einige Töchter. Der König von Hispanien wünschte, daß Andolosia eine Tochter dieses Grafen zur Ehe nehmen sollte, und er war bereit, den Ritter in den Grafenstand zu erheben. Aber dem Andolosia gefiel des Grafen Tochter nicht, auch achtete er keines Reichtums und keiner Grafschaft; denn sein Glückssäckel war mehr als beides. Als er nun etliche Jahre bei dem Könige von Hispanien gewesen war beurlaubte er sich im guten, mietete sich mit seinem ganzen Gefolge auf ein Schiff ein und fuhr nach England. Einige Herren am hispanischen Hofe waren über seine Abreise ganz froh, darum, daß sie jetzt doch nicht mehr das köstliche Leben sehen müßten, das er führte; dagegen waren viele andere sehr traurig, die von ihm Gutes genossen hatten.



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Andolosia kam inzwischen glücklich nach England in die große Stadt London, wohin vor vielen Jahren sein Vater aus Flandern geflohen war. Hier bestellte er ein großes schönes Haus, ließ darein kaufen, was er zum Hauswesen bedurfte, in allem überfluß und fing an hofzuhalten, als ob er ein Herzog wäre. Er lud die Edeln an des Königs Hof zu Gast und machte ihnen die köstlichsten Geschenke. Diesen gefiel sein Umgang ausnehmend wohl, und alle turnierten mit ihm; aber so ritterlich sie waren, so wurde doch immer von Männern und Frauen dem Andolosia der Preis zuerkannt. Als dem Könige von England dieses zu Ohren kam, fragte er ihn, ob er denn nicht auch an seinem Hofe zu sein begehrte. —Andolosia erwiderte, er wollte solches mit Freuden tun und dem Könige gern mit Leib und Gute dienen. Nun begab es sich gerade jener Zeit, daß der König von England einen Krieg mit dem Könige von Schottland führte. Da zog Andolosia auf seine eigene Kosten mit ihm nebst einem großen Gefolge und verrichtete so manche ritterliche Tat, daß er vor allen andern gepriesen ward, obgleich er kein englischer Mann war.



***
Der Krieg war zu Ende; Andolosia kam wieder nach London zurück und wurde überall von dem Könige, von den Edeln, dem Frauenzimmer und allem Volk aufs glänzendste empfangen. Der König selbst lud ihn zu Gaste an seinen Tisch, zu der Königin, seiner Gemahlin, und zu seiner Tochter Agrippina, welche die schönste Jungfrau in ganz England war. Da wurde Andolosia von so inbrünstiger Liebe zu der Königstochter entzündet , daß er weder essen noch trinken mehr mochte. Als die Mahlzeit vollbracht und er wieder zu Hause war, sprach er zu sich in schwermütigen Gedanken: "Oh, wollte Gott; daß ich von königlichem Stamme geboren wäre; wie wollte ich da dem Könige von England so treulich dienen, bis er mir die schöne Agrippina vermählte. Was könnte ich dann noch mehreres wünschen?" Nun fing er erst recht an zu stechen, der Königin und ihrer Tochter zu Ehren. Alsdann lud er auf einmal die Königin, ihre Tochter und alle edle Frauen, die an dem Hofe waren, in seinen Palast und gab ihnen ein so herrliches Mahl, daß sich jedermann darüber verwunderte. Überdies schenkte er der Königin und der Prinzessin Agrippina jeder ein köstliches Juwel, und auch die Obersthofmeisterin der Königin und alle die Hoffräulein und Kammerfrauen bedachte er aufs reichlichste; um desto besser empfangen zu werden, wenn er zu ihnen käme.

Solches alles erfuhr der König. Als nun Andolosia wieder einmal an den Hof kam, sprach der König zu ihm: "Mir sagt die Königin, daß du



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ihr ein so köstliches Mahl gegeben habest. Warum ludest du mich nicht auch dazu ein?" — "O allergnädigster Herr König, wenn Eure Königliche Majestät mich, Euren Diener, nicht verschmähen wollte, wie eine große Freude müßte mir das sein!" — "So will ich morgen kommen", sprach der König, "und zehn mit mir bringen." Darüber war Andolosia gar froh, eilte heim und rüstete sich aufs kostbarste. Und als der König mit Grafen und Herren kam, da war die Mahlzeit so reichlich und prachtvoll, daß der König und alle andern, die mit ihm gekommen waren, sich nicht genug verwundern konnten. Der König aber dachte: "Ich muß doch diesem Andolosia seine Pracht ein wenig niederlegen und ihn zuschanden machen." Deswegen ließ er heimlich verbieten, daß den Leuten Andolosias ferner Holz zum Kochen verkauft werde. Alsdann lud er sich wieder bei ihm zu Gaste. Andolosia war darüber sehr vergnügt; als aber alles an Speisen und Getränken eingekauft war, erschrak er nicht wenig; denn es mangelte an Holz. Er wußte nicht, was das für ein Handel wäre, und womit er kochen sollte. Endlich kam ihm ein guter Einfall. Er schickte eilig zu den venezianischen Kaufleuten zu London und ließ ihnen Nägelein, Muskaten, Sandelholz und Zimmetrinden die Hülle und Fülle abkaufen; das alles ward auf die Erde geschüttet und angezündet, und über dem herrlich dampfenden Feuer kochte und bereitete man die Speisen, als ob es gemeines Holz wäre.

Die seit des Mahles war herbeigekommen, und der König, obwohl er darauf gefaßt war zu hungern, freute sich nicht wenig darauf, saß auf, nahm die Herren, die schon das erstemal mit ihm gewesen waren, wieder mit sich und ritt nach Andolosias Herberge. Als sie nun in der Nähe des Hauses waren, duftete ihnen ein so köstlicher Wohlgeruch entgegen, daß sie gar nicht begreifen konnten, woher das käme; und je näher sie dem Hause ritten, lieblicher und stärker wurde der Duft. Der König ließ fragen, ob das Essen bereitet wäre. Man sagte ihm: "Ja, und zwar mit lauter Spezerei gar gekocht." Da wunderte sich der König über die Maßen. Die Mahlzeit selbst aber war noch viel herrlicher, als die erste gewesen war. Und als nach vollbrachtem Mahle die Diener ankamen, ihren Herrn, den König, abzuholen, beschenkte Andolosia sie alle, jeden mit zehn Kronen, und machte sie gar fröhlich mit dem Gelde. Wie nun alles vorüber war, ritt der König wiederum heim. Als er in seinen Palast trat, kam ihm die Königin entgegen. Der erzählte er, wie ihm Andolosia ein so herrliches Mahl gegeben hätte, bei dem mit eitel Gewürz statt des Holzes gekocht worden sei, und wie freigebig er seine Diener beschenkt



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habe. Ihn wunderte, von wannen ihm soviel Geld käme; denn da würde an kein Sparen gedacht; länger es währe, je köstlicher sei es. Die Königin sprach: "Ich wüßte niemand, der das besser erfahren könnte als unsere Tochter Agrippina. Der ist er so hold, und ich bin überzeugt; was sie ihn auch fragen mag: er versagt es ihr nicht." — "Nun, so wende Fleiß darauf, daß es geschieht!"sagte der König. Sobald nun die Königin in ihre Frauengemächer kam, beruft sie ihre Tochter allein zu sich, schilderte ihr das kostbare Leben, das Andolosia führe: "Des verwundert sich der König", sprach sie, "und ich mich selber, von wannen ihm so großes Gut komme, da er doch weder Land noch Leute hat. Nun ist er dir gar hold, das spüre ich an seinem ganzen Wesen; wenn er das nächstemal zu uns kommt; so will ich ihm mehr Weile als sonst lassen, mit dir zu reden. Vielleicht könntest du von ihm erfahren, woher ihm das viele Geld komme." Agrippina erwiderte: "Ja, Mutter, ich will es versuchen!"

Sowie nun Andolosia wieder zu Hofe kam, wurde er gar schön empfangen und bald in die Frauengemächer gelassen. Er empfand darüber große Freude, und die Sache war so eingeleitet, daß er allein mit der schönen Agrippina zu reden kam. Da fing Agrippina an und sprach: "Andolosia, man rühmt überall von Euch, daß Ihr dem Könige eine so köstliche Mahlzeit gegeben, auch alle seine Diener mit großen Gaben beehrt habt: nun saget mir doch, habt Ihr nicht Sorge, daß Euch das Geld gebrechen möchte?" Er antwortete: "Gnädigste Frau, mir kann kein Geld zerrinnen, solange ich lebe." —"Nun", sagte Agrippina, "da dürftet Ihr billig den Himmel für Euren Vater bitten, der Euch solche Genüge gönnet!" —Andolosia sprach: bin so reich als mein Vater, und mein Vater war nie reicher, als ich jetzt bin. Aber er hatte ein anderes Gemüt als ich; ihn freute es nur, fremde Lande zu sehen, mich aber erfreuet nichts, als schöne Frauen und Jungfrauen, wenn ich deren Liebe und Gunst erlangen könnte." — "Soviel ich höre", sagte Agrippina, "seid Ihr an der Könige Höfen gewesen; habt Ihr denn nichts gesehen, das Euch gefallen hätte?" — "Ja", sprach er, "ich habe an sechs Königshofen gedient, habe manche schöne Frauen und Jungfrauen gesehen, aber; gnädigste Prinzessin, Ihr übertreffet sie alle weit an Schönheit, würdigem Wandel und lieblichen Gebärden, womit Ihr mein Herz also in Liebe entzündet habt, daß ich Euch nicht lassen kann. Ja, ich muß Euch die große unselige Liebe, die ich zu Euch trage, bekennen. Ich weiß, es ist ein Unsinn, Eure Liebe zu begehren da ich von Adel nicht so hoch geboren bin wie Ihr. Aber eine übermenschliche



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Gewalt zwingt mich, Euch doch darum zu bitten; ja, ich flehe, wollet sie mir nicht versagen; was Ihr alsdann von mir bitten möget, das soll Euch auch gewähret werden."

Darauf sprach Agrippina: "Andolosia, so sage mir die lautre Wahrheit , daß ich wissen möge, woher dir dieser Reichtum und das viele bare Geld komme. Wenn du mir dieses sagst, so wird sich dir mein Herz zuneigen!" Andolosia war unbeschreiblich froh; mit frohem Mute und aus freudenreichem Herzen sprach er ihr: "Allerliebste Agrippina, ich will Euch mit ganzen Treuen die Wahrheit berichten; aber gelobet mir auch, das, was Ihr mir zugesagt, mit aller Treue zu halten!" —"Oh, du liebster Andolosia", antwortete sie, "du sollst an meiner Liebe nicht zweifeln; was ich dir mit dem Munde verhieß, soll alles mit der Tat gehalten werden ." Auf diese gütigen Worte der Jungfrau zögerte Andolosia nicht länger mit seiner Entdeckung. "Macht einen Schoß mit Eurem Kleide",



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sprach er, zog seinen glückhaften Säckel heraus, ließ ihn Agrippinen sehen und sagte: "Solange ich diesen Säckel habe, gebricht es mir an Gelde nicht!" Und unter diesen Worten fing er an, ihr tausend Kronen in den Schoß zu zählen, und sprach: "Die seien Euch geschenkt, und wollt Ihr mehr haben, so zähle ich noch weiter." Agrippina rief: "Ja, ich sehe und erkenne die Wahrheit. Jetzt wundert mich Euer kostbares Leben nicht mehrt Und nun soll Euch mein Wort gehalten sein. Der König und die Königin sind diesen Abend nicht im Schlosse. So will ich es mit meiner Kämmrerin, ohne welche ich nichts tun kann, verabreden, daß ich Euch bei mir in meinem Gemache empfange, da wollen wir eine Stunde in lieblichen Gesprächen verbringen. Aber der Kämmrerin müßt Ihr auch ein schönes Geschenk machen, damit es fein verschwiegen bleibt."

Andolosia versprach dies unter dem Jauchzen seines Herzens und entfernte sich. Sobald er hinweggegangen war, lief Agrippina zu der Königin, ihrer Mutter, und sagte ihr mit großem Jubel, was sie erfahren hatte. Sie erzählte ihr auch, wie sie dem Andolosia verheißen hätte, ihn diesen Abend zu empfangen. Das alles gefiel der Königin wohl; sie fragte ihre Tochter: "Weißest du wohl noch, Kind, was für eine Gestalt, Farbe und Größe der Säckel hat?" Sie sprach: "O ja." Und auf der Stelle schickte die Königin nach einem Säckler und ließ einen Säckel verfertigen ganz nach ihrer Tochter Beschreibung; das Leder machten sie recht linde, wie wenn der Beutel schon alt wäre. Alsdann sandte die Königin auch nach einem Doktor der Arzneikunde und hieß ihn ein starkes Getränke bereiten, dessen Genuß in einen so tiefen Schlaf versenkte, als ob der Mensch, der es getrunken, tot wäre. Als der Trunk bereitet war, trugen sie ihn in das Frauengemach Agrippinas und unterwiesen die Kammermeisterin, wenn des Abends Andolosia vor die Pforte käme, ihn aufs schönste zu empfangen und in der Prinzessin Zimmer einzuführen. Hier sollte ihm köstliche Speise vorgesetzt und zuletzt der Trank in seinen Becher geschüttet werden.

Andolosia kam in der Abenddämmerung aufs heimlichste herbeigeschlichen und wurde sofort in Agrippinas Zimmer geführt. Diese kam, grüßte ihn holdselig und setzte sich neben ihn. Da sprachen sie die liebreichsten Worte miteinander; süsse Speisen in Fülle wurden aufgetragen und ein goldener Pokal voll eingeschenkt. Diesen ergriff Agrippina, hub ihn auf, neigte sich gegen Andolosia und sprach zu ihm: "Andolosia, ich bringe Euch einen freundlichen Trunk." Er erhub sich, faßte den Becher mit Begierde und trank nach Herzenslust, um der Geliebten recht zu Willen zu sein. So



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brachte sie ihm einen Trunk nach dem andern dar, bis er den ganzen Trank des Doktors ausgetrunken hatte; sobald er aber fertig war, mußte er sich niedersetzen und verfiel in einen so tiefen Schlaf, daß er gar keine Empfindung mehr hatte, wie man mit ihm umging. Als Agrippina dieses sah, ergriff sic ihn ohne Bedenken, riß ihm das Wams vom Leibe, trennte ihm seinen glückhaften Säckel ab und nähte den andern, nachgemachten an seine Stelle hin.

Am andern Morgen frühe brachte Agrippina den Säckel der Königin, und sie versuchten ihn, ob er auch der rechte wäre. Mit dem ersten Griffe zogen sie zehn Goldkronen aus dem Ledersack, und nun zählten sie soviel Goldgulden heraus, als sie wollten; da war kein Mangel. Die Königin brachte dem König einen Schoß voll Gulden und erzählte ihm, wie sie mit Andolosia verfahren seien. Der König hatte ein großes Verlangen nach dem Säckel und bat seine Gemahlin, die Tochter dahin zu bewegen, daß sie denselben ihrem Vater einhändige, auf daß er nicht verlorengehe. Die Königen tat dies, aber Agrippina wollte ihn ihrem Vater nicht geben. Da bat die Mutter sie, wenigstens ihr den Säckel anzuvertrauen. Aber Agrippina wollte auch dieses nicht tun. Sie habe ihr Leben daran gewagt, erklärte sie; denn wenn er erwacht wäre, so würde er sie erschlagen haben. Darum gehöre der Glückssäckel auch billig ihr selber.



***
Als Andolosia ausgeschlafen hatte und erwachte, war es heller Morgen. Er sah niemand um sich als die alte Kammermeisterin. Diese fragte er, wo denn Agrippina hingekommen wäre. "Sie ist eben erst aufgestanden", erwiderte die Alte, "meine gnädige Frau, die Königin, hat nach ihr gesendet . Aber, mein Herr, wie habt Ihr so hart geschlafen? Ich habe lange an Euch geweckt, damit Agrippina sich noch Eures holden Gespräches erfreuen könnte, aber ich konnte Euch nicht aufwecken. Wahrhaftig, Ihr habt so fest geschlafen, daß ich gar nicht empfand, ob Euch der Atem noch ging. Mir war ganz bange, Ihr möchtet gar tot sein!" Als Andolosia hörte, daß er die Gegenwart der schönen Agrippina verschlafen, fing er an zu schwören und sich selbst zu fluchen. Die Kammermeisterin wollte ihn beruhigen und sprach zu ihm: "Gebärdet Euch doch nicht so trostlos; es ist ja der letzte Abend nicht gewesen, und es wird wohl wieder eine ruhige Stunde kommen, wo Ihr Eure Geliebte sprechen könnet!" Aber Andolosia verwünschte sie. "Ich schlafe niemals so fest", sagte er, "wenn man mich nur mit dem Ellbogen anstößt, so wache ich auf." Sie aber schwur ihm, daß sie ihn nicht habe erwecken können, und gab ihm die besten



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Worte; denn er hatte ihr am Abende zweihundert Kronen geschenkt. Und so führte sie ihn besänftigend aus Agrippinas Zimmer und aus des Königs Palaste.

Nun hätte der König auch gerne einen solchen Säckel gehabt; denn er meinte, Andolosia müßte deren mehrere besitzen; er wäre sonst doch ein gar zu großer Narr gewesen, wenn er ihn nicht besser verwahrt hätte. Er wollte daher wieder bei Andolosia speisen und lud sich bei demselben zu Gaste. Als dieser es vernahm, gab er seinem Diener von dem vorhandenen Gelde drei- oder vierhundert Kronen, um das Haus mit dem Notwendigen zu versehen, und befahl ihm, ein köstliches Mahl zuzubereiten; denn der König wolle abermals mit ihm essen. Der Diener sagte: "Herr, ich sehe voraus, daß ich nicht Geldes genug haben werde; denn es kostet viel." Andolosia, der nicht guten Mutes war, riß sein Wams auf und zog seinen Säckel heraus, wollte seinem Diener noch vierhundert weitere Kronen geben. Aber als er nach seiner alten Gewohnheit in den Säckel griff, spürte er nichts in seiner Hand. Er sah gen Himmel auf, dann von einer Wand zu der andern; er kehrte dem Geldsäckel das Innere nach außen: da war kein Geld mehr. Nun kam er in Angst und Not und gedachte an die Lehre, die sein Vater Fortunat ihm und seinem Bruder so treulich auf dem Todbette gegeben hatte, daß sie, solange sie lebten, niemand von dem Säckel sagen sollten. Aber es war versäumt; alle seine Hoffart war jetzt aus.

Da berief er alle seine Knechte, gab ihnen Urlaub und sprach: "Es ist wohl nun bald zehn Jahr, daß ich euer Herr bin; ich habe euch auch alle ehrlich gehalten und keinem je mangeln lassen, bin keinem etwas schuldig; ihr seid ja alle vorausbezahlt. Nun ist die Zeit gekommen, daß ich nicht mehr hofhalten kann, wie ich bisher getan habe; ich sage euch deswegen des Gelübdes, das ihr mir getan, ledig und los; tue ein jeder, was ihm das beste dünkt; ich kann hier nicht mehr bleiben, ich habe kein Geld mehr außer hundertundsechzig Kronen! Davon schenke ich jedem von euch zwei; überdies mag jeder Roß und Hamisch zu eigen behalten!" Über diese Rede erschraken die Diener allzumal sehr; einer sah den andern an; es nahm sie groß wunder, wohin die Pracht ihres Herrn auf einmal gekommen wäre. Doch sagte einer: "Getreuer, lieber Herr! Hat jemand Euch etwas Widriges getan, so gebt es uns zu erkennen. Wer es getan hat, der müsse sterben, und wäre es der König selbst, und sollten wir unser Leben darüber verlieren!" —"Nein", sprach Andolosia, "um meinetwillen soll niemand fechten!" — "So wollen wir nicht von Euch scheiden; sondern wir wollen Rosse, Harnische und alles, was wir haben, verkaufen und Euch



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nicht verlassen, lieber Herr!" —"Ich danke euch allen für eure Anerbietungen, ihr frommen Diener", antwortete Andolosia; "wenn sich das Glück wieder zu mir kehrt, soll euch das alles reichlich vergolten werden. Jetzt aber tut, wie ich euch gesagt habe, und sattelt mir von Stund an mein Pferd; ich will nicht, daß einer von euch mit mir reite oder gehe!" Die Knechte waren traurig, es war ihnen leid um ihren braven Herrn, bei dem sie soviel guten Mut eingenommen hatten. Doch brachten sie ihm sein Pferd, und er nahm von ihnen allen Urlaub, saß auf und ritt fürbaß und reiste über Land und Meer den nächsten Weg nach Famagusta zu seinem Bruder Ampedo.



***
Als er vor den schönen Palast zu Famagusta kam, klopfte er an und ward auf der Stelle eingelassen. Und wie Ampedo vernahm, daß sein Bruder Andolosia gekommen sei, so wurde er froh; meinte nicht anders, als er dürfe nun auch seine Freude an dem Säckel haben und brauche forthin nicht mehr zu sparen, wie er zehn Jahre lang getan hatte. Er ging deswegen dem Bruder entgegen und empfing ihn mit herzlicher Freude; fragte ihn jedoch, warum er so allein käme, und wo er sein Volk gelassen habe. Er sagte: "Ich habe sie alle entlassen, und gott lob, daß ich selbst wiederheimgekommen bin!" — "Lieber Bruder", sprach Ampedo, "wie ist es dir doch ergangen? Sage mir; denn das gefällt mir übel, daß du so allein gekommen biss!" — "Laß uns vorher essen", antwortete Andolosia. Nachdem sie nun die Mahlzeit vollbracht hatten, gingen sie miteinander in eine Kammer; da blickte Andolosia seinen Bruder Ampedo mit trauriger Gebärde an und sprach: "Oh, allerliebster Bruder, ich muß dir leider viel böse Mär verkünden; ich bin übel gefahren; ich bin um den Glückssäckel gekommen. Ach Gott, jetzt ist mir's herzlich leid; aber ich kann es nicht anders machen!"

Ampedo erschrak aus dem ganzen Grunde seines Herzens und fragte mit großem Jammer: "Ist er dir mit Gewalt genommen worden, oder hast



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du ihn verloren?" Er antwortete: "Ich habe das Gebot, das uns unser treuer Vater als Vermächtnis hinterließ, übergangen und einer geliebten Frau davon gesagt; und sobald ich ihr's geoffenbart, so hat sie mich darum gebracht; dessen ich mich doch nicht zu ihr versehen hatte!" —"Ach, hätten wir das Gebot unsers Vaters gehalten!" sprach Ampedo, "so wären die Kleinode nicht voneinander gekommen. Du aber wolltest durchaus fremde Lande versuchen; sieh nur, wie gut du es mit dir selber gemeint hast, und wie sie dir bekommen sind!" Andolosia aber seufzte und sprach: "O lieber Bruder, es ist mir ein so großes Herzeleid, daß ich meines Lebens überdrüssig bin!" Als Ampedo diese Worte hörte, wollte er ihn trösten und sagte: "Lieber Bruder, laß es dir nicht so hart zu Herzen gehen; wir haben noch zwei Truhen voller Dukaten; dann haben wir ja auch das Hütlein. Laß uns darum dem Sultan schreiben; er gibt uns gewiß noch immer großes Gut dafür; dann haben wir genug, solange wir leben; darum, Bruder, schlage dir den Säckel aus dem Sinn!" Aber Andolosia sprach: "Von gewonnenem Gut ist schwer scheiden; mein Begehren wäre, du gäbest mir das Hütlein; dann lebte ich der Hoffnung, den Säckel auch damit wiederzugewinnen!" — Ampedo machte große Augen zu diesem Vorschlag und sagte: "Im Sprichwort heißt's: ,Wer sein Gut verliert; der verliert den Sinn. ' Das spüre ich an dir wohl, Bruder! Denn nachdem du uns um das Gut gebracht hast; möchtest du uns auch gern um das Hütlein bringen. Wiewohl, mit meinem Willen laß ich es dich nicht hinwegführen. Kurzweil magst du immerhin damit haben!" — "Gut", dachte Andolosia, "ich sehe schon, daß ich es anders angreifen muß!" — "Nun, mein getreuer, lieber Bruder", sprach er, "habe ich auch vorhin übelgetan, so will ich doch von nun an deinem Willen leben!"

Darauf schickte er des Bruders Knechte in den Forst, ein Jagen anzurichten ; er selbst wollte ihnen bald nachkommen. Als sie weg waren, sagte Andolosia: "Lieber Bruder, leih mir das Hütlein; ich will in den Forst." Der Bruder war willig und brachte das Hütlein. Aber sobald Andolosia dieses auf dem Kopf hatte, ließ er Forst Forst und Jäger Jäger sein und wünschte sich stracks nach Genua. Hier fragte er nach den besten und köstlichsten Kleinoden, die zu finden waren, und hieß sie in seine Herberge bringen. Da man ihm nun deren viele brachte, marktete er lang darum; endlich legte er sie in ein Tuch zusammen, als wollte er proben, wie schwer sie wären. Dann setzte er sein Hütlein auf und fuhr mit ihnen davon, unbezahlt . "Ich will sie schon bezahlen, wenn ich den Säckel wiederhabe", , dachte er. Und wie er es in Genua gemacht hatte, so machte er es zu Florenz



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und nachher zu Venedig. So brachte er die köstlichsten Kleinode der drei Städte zusammen ohne Geld. Und als er sie alle hatte, zog er gen London in England.

Andolosia wußte, von welcher Seite her die Prinzessin Agrippina zur Kirche kam. Er bestellte daher eine Bude an derselben Straße und legte da seine Kostbarkeiten aus. Auch währte es nicht lange, so erschien die Prinzessin und viele Mägde und Knechte vor und hinter ihr, auch die alte Kammermeisterin, die ihm den Schlaftrunk gereicht hatte. Andolosia erkannte die wohl, sie aber nicht ihn; das machte: er hatte eine andere Nase auf die seinige gesetzt, die war so abenteuerlich gemacht, daß ihn niemand erkennen konnte. Als nun Agrippina vorüber war, nahm Andolosia zwei schöne Ringe und beschenkte die alten Kammermeisterinnen, die stets um Agrippina waren, und bei denen sie sich Rats erholte. Er bat sie, es doch zuwege zu bringen, daß man nach ihm sende; dann wolle er so köstliche Kleinode mitbringen, wie sie gewiß noch keine gesehen hätten. Sie sagten ihm zu, solches zu vermitteln. Und wie die Prinzessin aus der Kirche kam, zeigten sie ihr die zwei hübschen Ringe und erzählten ihr, der Edelsteinkrämer, , der vor der Kirche gestanden, habe sie ihnen geschenkt, mit der Bitte, ihn zu beschicken; denn er habe eine Auswahl der köstlichsten Juwelen. "Das will ich wohl glauben", sagte die Prinzessin, "wenn er euch zwei so gute Ringe umsonst gegeben hat! Heißet ihn nur herkommen; mich verlanget sehr, seine Schätze zu schauen."



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Auf der Stelle wurde Andolosia beschieden, kam und legte seine Kleinode in einem Saale vor Agrippinas Zimmer aus. Sie gefielen der Prinzessin gar sehr, und sie fing an, um diejenigen zu feilschen, die ihr am meisten in die Augen leuchteten. Nun waren Juwelen darunter; die tausend Kronen wert waren und noch viel mehr. Sie bot ihm aber nicht das halbe Geld darum. Der verkappte Juwelier sprach: "Gnädige Prinzessin, ich habe oft gehört, daß Ihr die reichste Königstochter auf der ganzen Erde seid, und darum habe ich die schönsten Kleinode ausgesucht; die man finden mag, um sie Eurer Königlichen Hoheit bringen; aber Ihr bietet mir viel zu wenig darum; sie kosten mich sicher mehr; ich bin Euch mit denselben so lange nachgereist mit großen Sorgen; denn ich fürchtete wegen der Schätze, die ich bei mir trug, ermordet zu werden! Leget doch zusammen , was Euch gefällt, gnädigste Frau, ich will es dann so billig machen, als ich es erleiden kann." So las sie denn aus, was ihr am besten gefiel, große und kleine, wohl zehn Stück. Der Juwelier rechnete zusammen;



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es machte bei fünftausend Kronen; aber so viel wollte sie ihm nicht geben. Andolosia dachte: "Nun, ich will mich nicht mit ihr herumstreiten , brächte sie nur den Säckel!" und so wurden sie des Kaufes eins um viertausend Kronen.

Die Prinzessin nahm die Kleinode in ihren Schoß, ging in ihre Kammer über ihren Kasten, wo der Glückssäckel aufgehoben war, und steckte ihn vorsichtig in ihren Gürtel; dann kam sie heraus und wollte die Edelsteine bezahlen: da wußte es der falsche Juwelier so einzurichten, daß sie neben ihn zu stehen kam, und als sie anhub zu zählen, umfing er sie und faßte sie mit starkem Arm; das Wünschhütlein hatte er auf dem Kopf; so wünschte er sich mit ihr in eine wilde Wüste, wo gar keine Wohnung wäre. aum hatte er den Wunsch gedacht; so waren sie durch die Luft geflogen und kamen auf einer armseligen Insel, die am hibernischen Gestade liegt, unter einem Baume an, der voll schöner Apfel hing. Und als die Fürstin unter dem Baume saß, und die Kleinode, die sie gekauft hatte, noch in ihrem Schoße lagen und der Glückssäkkel in ihrem Gürtel, so sieht sie über sich und sieht so viele schöne Apfel zu ihren Häupten. Da sprach sie zu dem Juwelier: "Ach Gott, sage mir, wo sind wir, und wie sind wir hierhergekommen? Ich bin so schwach; gäbest du mir doch einen von diesen Äpfeln, daß ich mich erlaben möchte!" Sie wußte aber noch immer nicht; daß es Andolosia sei, mit dem sie sprach. Nun legte dieser auch die Kleinode, die er selbst bei sich hatte, ihr in den Schoß, und das Wünschhütlein setzte er ihr auf den Kopf, damit es ihn am Besteigen des Baumes nicht hindern sollte. Während er den Baum hinaufkletterte, um zu sehen, wo



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.besten Apfel hingen, saß Agrippina unter dem Baume und wußte nicht, wo sie war, noch was ihr geschehen; sie fing an zu seufzen und sprach: "Ach, wollte Gott; daß ich wieder in meiner Schlafkammer wäre!" Sobald sie dieses Wort gesprochen, fuhr sie durch die Lüfte und kam ohne allen Schaden wieder in ihre Schlafkammer. Der König und die Königin samt allem Hofgesinde wurden froh und fragten, wo sie denn gewesen, und wo der Juwelier sei, der sie entführt habe. Sie antwortete: "Ich habe ihn unter einem Baume gelassen; fraget mich nicht mehr; ich muß ruhen; denn ich bin ganz blöd und müde geworden."

Als Andolosia auf dem Baume saß und sehen mußte, wie Agrippina mit dem Hütlein und allen Kleinodien dazu, die er in den großen Städten aufgebracht, durch die Lüfte dahinfuhr, verfluchte er den Baum, die Früchte darauf und den, der ihn gepflanzt; und sprach weiter: "Verwünscht sei die Stunde, darin ich geboren ward, ja alle Tage und Stunden, die ich gelebt habe! O grimmer Tod, warum hast du mich nicht erwürgt, ehe ich in diese Angst und Not gekommen bin? Verflucht der Tag und die Stunde, wo ich Agrippina zuerst gesehen habe. Wollte Gott, daß mein Bruder in dieser Wildnis bei mir wäre: so wollte ich ihn erwürgen, und mich selbst an einen Baum hängen. Wenn wir dann beide tot wären, so hätte doch der Säckel keine Kraft mehr, und die Königin, die alte Unholdin, und das falsche und ungetreue Herz, Agrippina, könnte keine Freude mehr daran haben." Als er nun hin und her ging, wurde es so finster, daß er nicht mehr sah; da legte er sich unter den Baum und ruhte eine kleine Weile; er konnte aber vor Angst nicht schlafen und erwartete nichts anderes, als daß er in der Wildnis würde sterben müssen. So lag er da wie ein Verzweifelter, der lieber tot gewesen wäre, als länger gelebt hätte.



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Sowie es Tag wurde, stand er auf und ging notdürftig vorwärts, konnte aber niemand sehen noch hören. Da kam er an einen Baum, auf welchem schöne rote Apfel hingen. Nun hungerte ihn sehr und in der Not warf er einen Stein nach dem Baum, daß zwei große Apfel herabfielen , die ass er behende. Aber kaum hatte er sie gegessen, siehe, da wuchsen ihm zwei große Hörner; wie eine Ziege hat. Er lief mit den Hörnern wider die Bäume und wollte sie abstoßen, aber es war alles vergebens. Deswegen schrie er mit lauter Stimme: "Oh, ich armer, elender Mensch, wie kommt's, daß so viele Leute auf der Welt sind, und doch niemand hier ist der mir helfe, daß ich wieder zu Menschen kommen könnte! O allmächtiger Gott, komm du mir in meinen großen Nöten zu Hilfe !"



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Wie er so jämmerlich schrie, hörte ihn ein Einsiedler, der wohl schon dreißig Jahre in dieser Wildnis gewohnt und seither keinen Menschen gesehen hatte. Der ging dem Geschrei nach, kam zu Andolosia und sprach: "Du armer Mensch, wer hat dich hergebracht, oder was suchst du in dieser Einsamkeit?" — "Lieber Bruder", antwortete jener, "mir ist wohl leid, daß ich hergekommen bin!" Der Bruder aber sprach: habe in dreißig Jahren keinen Menschen gesehen noch gehört; ich wollte, du wärest auch nicht hiehergekommen." Andolosia war halb ohnmächtig; er fragte den Waldbruder, ob er nichts zu essen hätte. Der Einsiedler führte ihn in seine Klause, aber da war weder Brot noch Wein; er hatte gar nichts als Obst und Wasser, davon lebte er. Das war keine Speise für Andolosia . Jener aber sprach zu ihm: "Ich will dich an einen Ort weisen, wo ou Speise und Trank genug findest." Bald darauf fragte Andolosia: "Lieber Bruder; was soll ich denn mit den Hörnern anfangen, die ich habe? Man wird mich für ein Meerwunder ansehen!" Der Einsiedler aber führte ihn wenige Schritte Wegs von seiner Klause, brach von einem andern Baum zwei Apfel und sprach: "Lieber Sohn, nimm hin und iss diese!" Sobald Andolosia die Apfel gegessen, waren die Hörner gänzlich verschwunden. Als er dies sah, fragte er, wie es denn gekommen, daß



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er so schnell Hörner gekriegt und ihrer so schnell wieder losgeworden sei. Da sprach der Bruder: "Der Schöpfer, welcher Himmel und Erde geschaffen, und alles, was darin ist, hat auch diese Bäume gemacht und ihnen die Natur gegeben, daß sie solche Frucht bringen müssen, und ihresgleichen ist auf der ganzen Erde nicht; sie wachsen nur in dieser Wildnis." "O lieber Bruder", sagte Andolosia, "erlaubt mir, daß ich einen und den andern von diesen Äpfeln mit mir nehmen und hinwegtragen darf!" Der Waldbruder erwiderte: "Lieber Sohn, nimm dir, soviel dir beliebig ist; frage mich nicht; sie sind nicht mein, ich habe gar nichts Eigenes denn meine arme Seele; wenn ich diese dem Schöpfer, der sie mir gegeben hat; wieder überantworten kann, so habe ich wohl gestritten in dieser Welt. Ich kann an dir wohl merken, daß dein Sinn und Gemüt schwer beladen und mit zeitlichen und vergänglichen Sachen umfangen ist; schlage sie aus und kehre dich zu Gott; es ist ein großer Verlust um eine kleine Wollust, die einer an diesem vergänglichen Leben hat!"

Diese Worte des heiligen Mannes gingen Andolosia gar nicht zu Herzen ; er dachte nur an seinen großen Schaden und pflückte mehrere Apfel, welche Hörner wachsen machten, und auch etliche, von welchen sie vergingen. Dann sprach er zu dem Bruder: "Jetzt weiset mich auf den Weg zu Menschenkindern." Da führte ihn der Einsiedler auf einen Pfad und sagte: "Gehet gerade vorwärts, so kommt Ihr zu einem Dorfe, wo Ihr zu essen und zu trinken findet!" Er dankte dem Bruder von Herzen, beurlaubte sich von ihm und kam zu dem Dorfe. Dort ass und trank er und gelangte wieder zu Kräften. Dann fragte er nach dem Wege gen London in England, aber es wurde ihm gesagt, daß er noch in Hibernien oder Irland sei; er müßte erst nach Schottland hinüber, dann weit zu Lande reisen, dann käme erst England, und es sei noch gar weit von der Grenze bis London.

Als Andolosia hörte, daß er so fern von der Stadt London war, wurde er unmutig, daß er so lang unterwegs sein sollte; er fürchtete, die Apfel möchten Schaden leiden. Da nun die Leute merkten, daß er gern bald nach London gekommen wäre, zeigten sie ihm eine große Stadt, die ein Seehäfen war, wohin Schiffe aus England, Flandern und Schottland kämen. Er machte sich auf der Stelle nach der Stadt auf; daselbst fand er ein Schiff, das nach London fuhr, und kam schnell und mit gutem Glücke hin. Zu London ließ er sich ein Auge verkleistern und setzte falsches Haar auf, so daß er ganz unkenntlich ward. Dann nahm er ein Tischchen und setzte sich vor die Kirche, wieder an die Seite, von der er wußte, daß



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Agrippina, die junge Fürstin, vorbeikommen würde. Da legte er die Apfel auf ein schönes weißes Tuch und rief: "Wer kauft Apfel aus Damaskus?" und wenn ihn jemand fragte, wie teuer er einen gebe, so sagte er: "Um drei Kronen!" Da ging jedermann vorüber, und es wäre ihm auch leid gewesen, wenn sie jemand gekauft hätte. Indem kommt die Königin mit ihren Jungfrauen und Dienern, auch ihrer Kammermeisterin Da ruft er abermals: "Kauft Apfel aus Damaskust" Die Prinzessin fragte: "Wie gibst du einen?" Er sagte: "Um drei Kronen!" — "Was haben sie doch für eine Kraft, daß du sie so teuer bietest?" fragte sie. "Sie geben einem Menschen Schönheit", sagte er, "und helle Vernunft!" Als die junge Königstochter dies hörte, befahl sie ihrer Kammermeisierin , zwei zu kaufen. Darauf legte Andolosia seinen Kram wieder zusammen; denn niemand wollte ihm mehr abkaufen.

Sobald die Prinzessin heimgekommen war, wartete sie nicht lange, sondern ass die zwei Apfel. Aber sobald sie sie gegessen hatte, von Stund an wuchsen ihr zwei große Hörner unter heftigem Kopfweh, so daß sie sich auf ihr Bett legen mußte. Als die Hörner geschossen waren, ließ der Schmerz nach; sie stand auf und trat vor einen Spiegel. Da sie nun sah, daß sie so ungestalt war und zwei hohe Hörner hatte, faßte sie dieselben mit beiden Händen und wollte sie herunterreißen. Da dies aber nicht ging, rief sie zwei edle Jungfrauen vom Hofe. Wie diese ihre Herrin so sahen, entfernten sie sich und gesegneten sich, als ob sie der böse Geist wäre. Die Prinzessin aber war so erschrocken, daß sie nicht reden konnte. Jene sprachen: "O gnädigste Frau, wie ist das ergangen, daß Eure adelige Person solche Mißgestalt empfangen hat?" Sie antwortete ihnen, daß sie es nicht wüßte; es sei wohl eine Plage von Gott. "Oder aber", sagte sie, "es kommt von den Äpfeln aus Damaskus, die mir der ungetreue Krämer zu kaufen gegeben hat. Nun helfet und ratet, ob ihr mich nicht der Hörner entledigen könnt!" Die jungen Mägdlein zogen nach Leibeskräften daran, und Agrippina litt es geduldig; es half aber nichts. Darüber wurde sie, je länger, je mehr bekümmert und sprach: "Ich elende Kreatur, was nützt es mir nun, daß ich eine Königstochter bin und die reichste Jungfrau, die auf Erden lebt; daß ich den Preis der Schönheit vor andern Weibern habe? Sehe ich doch jetzt einem unvernünftigen Tiere gleich. Wehe, daß ich geboren ward! Kann mir niemand von meiner Mißgestalt helfen, so will ich mich selbst in der Themse ertränken!" Eine ihrer obersen Jungfrauen tröstete sie und sprach: "Gnädigste Prinzessin, Ihr sollt nicht so verzagen. Habt Ihr die Hörner können bekommen,



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so müssen sie auch wieder verschwinden können! Schicket darum nach hochgelehrten Ärzten; es kann sein, die wissen und finden es geschrieben, aus welcher Ursache solches Gewächs entspringe, und womit es vertrieben werden mag."

Diese Rede gefiel der Prinzessin wohl, und sie sprach: "Saget nur niemand davon, und wenn jemand nach mir fragt, so saget, ich sei nicht wohl. Auch sollt ihr niemand zu mir lassen als die alte Kammermagd." Dann ließ sie eine besondere Umfrage bei den Ärzten tun und legte ihnen den Fall vor, daß einer Verwandten und Freundin der Prinzessin zwei Hörner gewachsen seien; ob diese zu vertreiben wären oder nicht. Die Arzte, die dies hörten, nahm es groß wunder, daß einem Menschen Hörner wachsen sollten; ein jeder begehrte mit großer Neugierde, die Person zu sehen. Die alte Kammermeisterin aber, die zu den Ärzten gesendet war, sprach: "Ihr könnet die Frau nicht sehen, es wäre denn, daß Ihr zu helfen wisset. Wer das kann, dem soll wohl gelohnet werden." Aber ihrer keiner war so beherzt, daß er es unternommen hätte, die Hörner zu vertreiben; denn sie hatten nie etwas der Art gehört, gelesen oder gesehen . Als die Arzte auf diese Weise die Sache ganz abschlugen, wurde die Botin verdrießlich und machte sich auf den Rückweg nach dem

Unterwegs begegnet ihr Andolosia, der hatte sich als einen Doktor angekleidet mit einem roten Scharlachrocke und einem großen roten Barett; auch hatte er sich durch eine große Nase entstellt. "Liebe Schaffnerin", sprach er zu ihr, "ich sehe, daß Ihr in drei Doktorshäuser gegangen seid. Habt Ihr ein Anliegen, so gebt mir's zu erkennen ; denn ich bin auch ein Doktor in der Arzneikunde; es müßte gar ein fremdes, großes Gebrechen sein, daß ich es mit Gottes Hilfe nicht zu vertreiben und den Menschen wieder gesund zu machen wüßte." Die Hofmeisterin dachte, Gott sei es, der ihr den Doktor zugewiesen habe, fing an und sagte ihm, daß einer namhaften Person das Unglück begegnet sei, zwei lange Hörner zu bekommen, die ihr aus dem Kopf herausgewachsen, Ziegenhörnem gleich. "Wisset Ihr der Person zu helfen", sprach sie, "so wird Euch wohl gelohnt werden; denn sie hat an Geld und Gut keinen Mangel." Der Doktor fing an, ganz freundlich zu lächeln, und sprach: "Die Sache kenne ich, verstehe auch die Kunst, Hörner ohne alles Weh zu vertreiben; — aber Geld kostet es. Ich weiß nämlich auch die Ursache, woher diese Hörner entspringen." — "Lieber herr Doktor", fragte die alte Kämmrerin, "woher kommt dies wunderliche Gewächs ?"



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Der Doktor antwortete: "Es kommt daher, wenn ein Mensch dem andern große Untreue tut und sich solcher Bosheit erfreut, diese Freude aber nicht öffentlich äußern darf. Dann muß es auf einem andern Wege ausbrechen, und ein solcher Mensch hat von Glück zu sagen, wenn es sich auf diese Weise nach oben ausstößt. Wäre es der Frau nicht ausgebrochen, so hätte sie sterben müssen; die Hörner wären nach innen gewachsen und hätten ihr das Herz abgestoßen. Es ist noch nicht zwei Jahre, daß ich an des Königs von Hispanien Hofe war; da hatte ein mächtiger Graf eine schöne Tochter von ganz zarter Komplexion, der waren zwei große Hörner geschossen, die ich ihr gänzlich vertrieben habe."

Als die Hofmeisterin die Rede von dem Doktor vernommen hatte, fragte sie ihn, wo er wohne; sie wolle bald wieder ihm kommen. "Ich habe noch kein Haus bestanden", erwiderte er, "ich bin erst seit drei Tagen hergekommen und wohne in der Herberge zum Schwan, dort möget Ihr nachfragen. Man nennt mich nur den Doktor mit der langen Nase, und wiewohl ich einen andern Namen habe, so kennt man mich doch am besten unter diesem." —



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Mit unaussprechlicher Freude ging die Hofmeisterin zu ihrer betrübten Fürstin nach Hause. "Gnädigste Frau", rief sie ihr entgegen, "seid fröhlich und wohlgemut; Eure Sache wird sich bald zum besten wenden!" Dann erzählte sie ihr, wie die drei Doktores sie ungetröstet hätten gehen lassen; darnach aber hätte sie einen gefunden, der habe sie wohl getröstet. Damit sagte sie ihr alle Dinge, die der Doktor mit ihr geredet, und wie er ihr zu helfen wisse, und wie er auch einer Gräfin geholfen habe. "Er hat mir auch gesagt", sprach die alte Kammermeisierin, "aus welcher Ursache solche Hörner entspringen, und ich mag's ihm wohl glauben!"

Die traurige Prinzessin lag auf dem Bett und sprach zu der hofmeisterin: "Warum hast du den Doktor nicht gleich mit dir hergebracht? Du weißt ja, daß ich, je eher, je lieber der Hörner loswäre! Geh wieder bald und führ mir ihn her; sag ihm, daß er alles mitbringen soll, was zur Sache gehört, und ja nichts spare; bring ihm auch die hundert Kronen da, und bedarf er mehr, so gib ihm, soviel er von dir begehrt!" Die Hofmeisterin tat alles dies, ging hin zu dem Doktor und sprach zu ihm: "Nun brauchet Euren Fleiß l Denn zu der Person, zu der ich Euch führen will, könnet Ihr nur bei nächtlicher Weile kommen und dürfet auch niemand davon sagen; denn ihre eigenen Eltern wissen es nicht." Der Doktor sprach: "Was dies betrifft, so seid ruhig; von mir soll es nicht auskommen; ich will mit Euch gehen, nur muß ich vorher in die Apotheke und kaufen, was zu der Operation vonnöten sein wird. Darum möget Ihr meiner hier harren oder in zwei Stunden wiederkommen." So ging der Doktor mit der großen ungestalten Nase in eine Apotheke; dort ließ er sich einen halben Apfel mit Zucker und Rhabarber überziehen, fügte wohlschmeckende Dinge hinzu, kaufte auch in eine Büchse ein wenig wohlschmeckender Salbe, nahm guten Bisam zu sich und kam wieder zu der Hofmeisterin, die sein auf der Straße wartete. Diese führte ihn bei Nacht zu der Prinzessin.

Agrippina lag auf ihrem Bette hinter den Umhängen und empfing ihn gar ohnmächtiglich, als ob sie nicht bei Kräften wäre. Der Doktor sprach: "Gnädige Frau, seid getrost, mit Gottes und meiner Kunst Hilfe soll Eure Sache bald gut werden. Nur richtet Euch auf und lasset mich Euren Schaden sehen und anfühlen, so kann ich Euch um so besser helfen!" Agrippina schämte sich sehr, daß sie die Hörner sehen lassen sollte. Doch setzte sie sich aufrecht im Bette hin. Der Doktor rührte die Hörner keck an und sprach: "Man muß um jedes Horn ein Säcklein aus einem warmen



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Pelz von einer Affenhaut binden, die will ich dann salben, und so muß man die Hörner fein warm halten." Alsbald bestellte die Kammermeisterin , daß ein alter Affe am Hof abgeschlachtet und die Haut gebracht würde; da wurden die zwei Säcklein nach des Arztes Rat gemacht. Dann fing dieser an, die Hörner mit dem Affenschmalz zu salben, zog ihr die pelzenen Säcklein über und sprach: "Gnädige Frau, was ich jetzo den Hörnern getan habe, das wird sie bald lind machen; sie müssen aber auch durch innerliche Mittel vertrieben werden; deswegen habe ich eine Latwerge mitgebracht, die werdet Ihr essen und ein Schläflein darauf tun; so werdet Ihr gewahr werden, daß die Sache sich gar bald zur Besserung schicken wird."Agrippina tat wie eine Kranke, die gerne genesen wäre. Was ihr der Doktor gab, war jener halbe Apfel, der die Kraft hatte, die Hörner zu vertreiben. Die Beimischung aber wirkte in ihrem Leibe wie bei andern Kranken. Als sie nun wieder in ihrem Bette war, sprach der Doktor: "Lasset uns sehen, ob die Arznei schon gearbeitet habe", und griff nach dem Ende der Hörner, an die Pelzsäcklein; da waren jene um ein Vierteil geschwunden. Agrippina war den Hörnern so feind, daß sie dieselben nicht angreifen mochte; doch als man ihr sagte, wie sie geschwunden wären, griff sie daran und fand wirklich, daß sie kleiner geworden waren. Darüber freute sie sich sehr und bat den Doktor, eifrig fortzufahren. "Noch heute nacht komme ich wieder", sagte er, "und bringe, was not tut." Er beurlaubte sich und ging in die Apotheke, ließ wieder einen halben Apfel überziehen und ihm einen andern Geschmack geben; diesen brachte er bei Nacht der Prinzessin, salbte ihr die Hörner, ließ die Säcklein kleiner machen, daß sie recht anliegend wurden, und gab ihr den Apfel, worauf sie einschlief. Als sie wieder aufwachte; wurden die Hörner besehen; da waren sie abermals geschwunden und beinahe hinweggegangen. Hatte sie sich vorher gefreut, so war sie jetzt noch viel froher und bat den Doktor, nicht abzulassen, sie wollte ihm seine Arbeit gut belohnen. Er versicherte, das Beste tun zu wollen, und wie er die zwei Nächte getan hatte, so tat er auch die dritte.



***
Während sie nun schlief und er bei ihr saß, da dachte er: "Zwei- oder dreitausend Kronen wären für einen andern Arzt ein großer Lohn, und doch ist es für gar nichts zu schätzen gegen das, was sie von mir hat. Darum, ehe ich ihr die Hörner vertreibe, will ich anders mit ihr reden und ihr meine Meinung ehrlich sagen; will sie es nicht tun, so irret sie sich, wenn sie glaubt, ich werde ihr die Hörner vertreiben. Dann will



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ich ihr eine Latwerge machen, daß sie ihr wieder so lang werden wie zuvor; und alsdann will ich gen Flandern fahren und ihr entbieten, wenn sie die Hörner loswerden wolle, so soll sie zu mir kommen und mitbringen, was ich von ihr verlange, nämlich mein Wünschhütlein, und überdies mir alle Jahre so viel geben, daß ich einem Herren gleich leben kann." Während er dies dachte, kam die Hofmeisterin mit einem Licht und wollte sehen, was die Prinzessin mache. Da schlief sie. Der Doktor hatte sein Barett abgezogen, da entfiel es ihm. Wie er sich nun bückte und dasselbe aufheben will, sieht er vorn unter der Bettstatt das Wünschhütlein auf der Erde liegen, auf das niemand achthatte, weil niemand seine Tugend kannte. Die Fürstin wußte auch nicht, daß sie durch die Kraft des Hütleins wiederheimgekommen sei, sonst würde sie es an einen andern Nagel gehenkt haben. Auf der Stelle schickte der Doktor die Kammermeisterin nach einer Arzneibüchse, und während sie diese holte, hub er das Hütlein im Augenblick auf, behielt es unter seinem Rock und dachte: "Nun könnte mir der Säckel auch werden!"Indem erwachte die Prinzessin und richtete sich auf. Der Doktor zog ihr die Säcklein von den Hörnern, da waren sie ganz klein, worüber die Prinzessin große Freude empfand. Die Kammermeisterin sagte: "ES ist noch um eine Nacht zu tun, so seid Ihr genesen; dann werden wir auch den mißgeschaffenen Doktor los mit seiner häßlichen Nase; der könnte einem alle Männer entleiden!"

Weil nun der Doktor das Hütlein hatte, dachte er, es wäre Zeit; mit Agrippina zu reden, und ließ die Worte fallen: "Gnädige Frau, Ihr sehet wohl, wie sehr sich Eure Sache gebessert hat. Nun kommt es hauptsächlich darauf an, die Hörner aus der Hirnschale zu treiben; dazu gehören köstliche Sachen, und wenn ich diese hier nicht finde, so muß ich selbst reisen oder einen Doktor darnach senden, der sich auf die Sache versteht ; darauf geht aber viel Geld, auch möchte ich gerne wissen, was Ihr mir zu Lohne geben wollet, wenn Ihr der Hörner ganz ledig werdet und Euer Kopf so glatt wird, als er je gewesen ist."Die Prinzessin sprach: "Ich finde wohl, daß Eure Kunst die rechte ist; ich bitte Euch, helfet mir und sparet kein Geld!" Der Doktor sprach: "Ihr sagt mir wohl, ich soll kein Geld sparen! Wenn ich aber keins habe?"Agrippina war karg, wiewohl sie den Säckel hatte, der nicht zu erschöpfen war; sie ging gemachsam über die Truhe, die bei ihrer Bettlade stand, und in der ihre liebsten Kleinode und auch der Säckel war, an einen starken Gürtel gebunden; den gürtete sie um den Leib, und ging zuvor zu einem Tische, der an einem schönen Fenster stand. Hier fing sie an zu zählen, und als sie bei dreihundert



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Kronen gezählt hatte, suchte der Doktor unter seinem Rock, als wenn er einen Beutel hervorholen wollte, darein er das Geld tun könnte, tat mit der einen Hand, als wenn er das Geld fassen wollte, mit der andern aber, die er im Rock hatte, erwischte er das Hütlein, warf das Barett von sich und setzte das Wünschhütlein auf den Kopf. Dann faßte er die Prinzessin und wünschte sich mit ihr in einen wilden Wald, wo keine Leute wären, und wie er solches wünschte, so geschah es von Stund an durch die Kraft des Hütleins.

Als Agrippina hinweggeführt war, lief die alte Kammermeisterin zu der Königin und erzählte ihr den Vorfall. Die Königin erschrak, doch dachte sie: "Wie meine Tochter das letztemal bald wiedergekommen, so wird es wohl jetzt auch geschehen. Überdies hat sie ja den Säckel mit sich genommen, so daß sie jedermann genug lohnen kann, daß man ihr wieder heimhilft!" So warteten sie den Tag und die Nacht. Als sie aber nicht wiederkam, fiel es der Königin auf ihr Mutterherz, daß sie um ihre schöne Tochter sollte so elendiglich gekommen sein; sie ging daher mit trauriger Gebärde zu ihrem Gemahl und erzählte ihm, wie alles ergangen, und wie der Doktor die Jungfrau hinweggeführt habe. Der König sprach: "Ja, freilich, das ist ein weiser Doktor; der kann mehr als andere Doktores;



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es ist niemand anders als Andolosia, welchen ihr so fälschlich betrogen habt! Ich hätte mir wohl denken können, wenn ihm der Himmel solches Glück verliehen hat, daß er ihm auch Weisheit verliehen haben werde. Das Glück will einmal, daß er den Säckel habe und sonst niemand; hätte das Glück es anders gewollt, so hätte ich oder sonst einer auch einen solchen Säckel. Viele Leute sind in England, und ist nur ein König darunter, das bin ich, weil solches mir von Gott und dem Glücke verliehen ist. Und ebenso ist es dem Andolosia allein verliehen, einen solchen Säckel zu haben, und sonst niemand. Hätten wir nur unsere Tochter wieder!" Die Königin sagte: "Herr, sende doch Boten aus, ob man sie nicht irgendwo erhaschen möchte, damit sie nicht in Armut und Elend komme." — "Boten sende ich keine aus", erwiderte der König, "denn es wäre eine Schande für uns, wenn es ruchbar würde daß wir sie nicht besser versorgt hätten"



***
Als Andolosia mit Agrippina in der wilden Wüste allein war warf er den Doktorsrock gar untugendlich vor sich nieder, zog die häßliche Nase ab und trat gleich vor die schöne Agrippina. Diese erkannte ihn auf der Stelle und von ganzem Herzen, so daß sie kein Wort vorbringen konnte; denn er hatte die Augen im Kopfe verdreht, machte ein zornig Gesicht und gebärdete sich, als würde er sie alsbald umbringen. Auch zog er ein Messer hervor und schnitt ihr den Gürtel vom Leib, riß sein Wams auf und steckte den Säckel an den Ort, wo er ihn vorher gehabt hatte. Das alles sah die arme Jungfrau; vor Not und Angst erzitterte ihr schöner Leib wie ein Lindenlaub, mit dem der Wind spielt. Andolosia aber fing aus großem Zorn zu reden an und sprach: "Du falsches, ungetreues Weib, jetzt bist du mir zuteil geworden; jetzt will ich mit dir die Treue teilen, wie du sie mit mir geteilt hast, als du mir den Säckel abtrenntest und einen tugendlosen an die alte Stelle setzest. Du siehst, daß ich jetzt den rechten wieder an der alten Stelle habe. Jetzt helfe und rate dir deine Mutter und deine alte Kammermeisterin und heiße dich mir ein gut Getränke geben, damit du mich betrügest. Ja, und wären jene Unholdinnen beide bei dir, all ihre Kunst verhälfe ihnen doch nicht zu dem Säckel. O Agrippina, wie konntest du es übers Herz bringen, mir solche Untreue zu erzeigen, da ich dir so treu war! Ich hätte mein Herz und meine Seele, Leib und Gut mit dir geteilte Wie mochtest du einen so tapfern Ritter; der alle Tage dir zu Ehren turnierte und alles männliche Ritterspiel trieb, in so großes Elend bringen, ohne Erbarmen mit ihm zu haben!



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Ja, der König und die Königin haben mit mir ihren Fastnachtsschimpf getrieben; das hat mein Herz noch nicht vergessen. Hätte ich mich aus Verzweiflung erhenkt, so wärest du die Ursache gewesen, daß ich um Seele und Leib gekommen wäre. Nun sprich dir selbst dein Urteil; ist es nicht billig, daß ich mit dir dasselbe Erbarmen habe, das du mit mir gehabt hast?"

Agrippina war voll Schrecken und wußte nicht, was sie sagen sollte; sie sah gen Himmel auf und fing endlich mit bangem Herzen zu reden an: "O tugendreicher, strenger Ritter Andolosia! Ich bekenne, daß ich übel und unedel an Euch gehandelt habe; ich bitte Euch, wollet den Um verstand und Leichtsinn ansehen, der von Natur mehr den Weibern, jungen und alten, als dem männlichen Geschlechte eigen ist; wollet mir die Sache nicht zum schlimmsten kehren und Euren Zorn nicht an einer armen Tochter auslassen; tut Gutes für übels, wie sich für einen ehrsamen Ritter geziemt."Doch jener sprach: "Nein, der Schaden ist noch zu frisch in meinem Herzen, als daß ich dich ungewitzigt lassen könnte." Sit antwortete: "Ach, Andolosia, bedenket doch, was würde man von Euch sagen, wenn Ihr ein armes Weib, die mit Euch als Eure Gefangene in der Wildnis ist, bestrafen wolltet; das würde ein Flecken an Eurer strengen Ritterschaft sein!" Andolosia sprach: "Wohlan, ich will meinem Zorne widerstehen und gebe dir mein Ritterort; daß ich dich nicht verletzen will; aber ein Zeichen hast du noch von mir, das mußt du, soviel an mir liegt, bis in dein Grab behalten, damit du meiner eingedenk seiest!"Agrippina hatte bisher in solcher Angst um ihr Leben geschwebt, daß sie die Hörner, die ihr noch auf dem Kopfe standen, ganz vergessen hatte. Jetzt, als Andolosia sie der Sorge für ihr Leben enthoben hatte; kam sie wieder zu sich und sprach: "Oh, wollte Gott; daß ich meiner Hörner ledig und in meines Vaters Palast wäre!" Als Andolosia sie so wünschen hörte, lief er heran und zog das Wünschhütlein an sich, das nicht ferne von ihr auf der Erde lag; denn hätte sie es aufgehabt so wäre sie abermals heimgekommen. Er nahm das Hütlein und knüpfte es fest an seinen Gürtel. So konnte Agrippina wohl merken, daß sie das erstemal durch die Kraft des Hütchens gerettet worden war. Mit Seufzen dachte sie: "Nun hast du die beiden Kleinode in deiner Gewalt gehabt und nicht behalten können!" Doch durfte sie Andolosia ihren Zorn nicht merken lassen, sondern sie fing wieder an, ihn freundlich zu bitten, daß er sie der Hörner ganz entledigen und zu ihrem Vater bringen möchte. Er sprach aber kurzweg: "Du mußt die Hörner haben, dieweil du lebest! Aber ich will dich gerne



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so ,nahe an deines Vaters Palast führen, daß du ihn sehen kannst. Hinein jedoch komme ich nicht mehr!" Sie bat ihn zum andern und zum dritten Mal; es half aber alles nicht.



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Als Agrippina sah, daß kein Bitten bei Andolosia fruchtete, sprach sie: "Muß ich denn meine Hörner haben und so mißgestaltet bleiben, so begehre ich auch nicht, wieder nach England zurückzukehren, sondern ich wünsche, daß mich kein Mensch wiedersehe, selbst Vater und Mutter nicht. Darum führet mich an einen fremden Ort, wo mich kein Mensch erkenne ." — Andolosia aber sagte: "Dir wäre nirgends besser denn bei Vater und Mutter." Aber dies wollte sie nicht und sprach: "Führet mich



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in ein Kloster, daß ich von der Welt geschieden seil" Da fragte er: "Begehrest du das, und ist dir die Rede Ernst?" Sie antwortete: "Ja!" So rüstete er sich und führte sie gen Hibernien, ganz nah ans Ende der Welt; nicht weit von Sankt Patricius ' Fegfeuer, in ein großes und schönes Frauenkloster, in welchem nichts als Edelfrauen sind; hier ließ er sie auf offenem Felde sitzen, ging ins Kloster zu der Äbtissin und sagte zu ihr, er habe eine edle und ehrsame Tochter mitgebracht, die schön und gesund sei, außer daß ihr etwas an dem Kopfe angewachsen sei, dessen sie sich schäme, und weswegen sie nicht bei ihren Freunden bleiben wolle. "Sie begehrte an einem Orte zu sein", sprach er, "wo sie nicht bekannt wäre; wolltet Ihr sie aufnehmen, so würde ich Euch die Pfründe dreifach bezahlen."Hierauf erwiderte die Äbtissin: "Wer die Pfründe haben will, der muß zweihundert Kronen darum geben; denn ich halte einer jeden Pfründnerin eine Magd und gebe ihnen, was sie bedürfen. Wolltet Ihr nun wirklich die Pfründe dreifach bezahlen, so bringet mir die Tochter her!"

Andolosia ging hin und brachte Agrippina herbei. Die Äbtissin empfing sie, und die Fürstin dankte ihr gar züchtiglich; sie neigte sich so schön, daß die Äbtissin wohl sah, daß sie von edlem Stamm geboren wäre; auch ihre Gestalt gefiel ihr wohl; es erbarmte sie, daß eine so wohlgestaltete Tochter so verfluchte Hörner auf dem Haupte haben sollte. Sie sprach daher: "Agrippina, begehrest du hier in diesem Kloster deine Wohnung aufzuschlagen?" Sie antwortete gar demütig: "Ja, gnädige Frau Äbtissin!" Darauf sprach diese: "So wirst du mir gehorsam sein zur Mette und zu allen Zeiten in das Chor gehen und lernen, was du kannst?" Agrippina antwortete: "Was Eures ehrsamen Klosters Sitte, Gewohnheit und altes Herkommen ist, soll von mir alles gewissenhaft beobachtet werden." So zählte Andolosia der Äbtissin sechshundert Kronen dar und bat sie, sich die Jungfrau anempfohlen sein zu lassen. Diese sagte willig zu; denn sie war froh, soviel baren Geldes empfangen zu haben.

Andolosia nahm alsbald Urlaub von der Äbtissin, und diese sprach zu Agrippina: "Gehe, Kind, und gib deinem Freunde das Geleit." So ging sie mit ihm hinaus, und als sie an die Pforte kamen, sagte er zu ihr: "Nun segne dich Gottl Er erhalte dich gesund und lasse dich in diesem Kloster die ewige Freude erwerben!" Sie sprach amen; dann aber fing sie jämmerlich an zu weinen und sagte unter Schluchzen: "O strenger Ritter, denket doch mein in kurzer Zeit und erlediget mich; denn so



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lange ich die Hörner habe, bin ich weder tauglich der Welt noch Gott zu dienen!" Dem Andolosia gingen die Worte wohl zu Herzen; doch gab er ihr keine Antwort, als daß er sagte: "Was Gott will, das geschehe!" und ging damit seine Straße. Agrippina schloß betrübt die Pforte zu und kehrte zu der Äbtissin zurück; diese räumte ihr eine Kammer ein und eine Magd, ihr zu dienen. In dieser Zelle war die Jungfrau fast immer allein und diente Gott, so gut sie konnte, wiewohl ihr Gemüt nicht bei dem Gebete war.



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Als der Ritter von Agrippina geschieden war, fühlte er sich gar fröhlich, setzte sein Hütlein auf und wünschte sich von einem Lande zum andern , bis er gen Brügge in Flandern kam. Hier erholte er sich in fröhlicher Gesellschaft von seinen Drangsalen und rüstete sich wieder recht kostbar zu; er kaufte vierzig schöne Pferde, dingte viel guter Knechte, kleidete die alle in eine Farbe und fing wieder an, Ritterspiel zu treiben; er fuhr durch Deutschland und besah die schönen Städte, die im Römischen Reiche liegen. Dann eilte er nach Venedig, Florenz und Genua. In allen drei Städten sandte er nach den Kaufleuten, denen er die Kleinode weggenommen hatte, und bezahlte sie alle bar. Darnach setzte er sich mit Pferden und Knechten in ein Schiff und fuhr mit Freuden wieder nach Hause gen Famagusta zu seinem Bruder.

Wie Ampedo seinen Bruder so herrlich daherreiten sah, gefiel es ihm gar wohl. Und als sie miteinander in Freude getafelt hatten, nahm er seinen Bruder Andolosia, führte ihn in eine Kammer und fragte ihn, wie es gegangen wäre. Da erzählte ihm dieser alle Umstände, wie er zu dem Verluste des Säckels auch noch um das Hütlein gekommen sei. Ampedo erschrak so sehr, daß ihm die Sinne schwanden, ehe sein Bruder ausgesprochen hatte. Dieser brachte ihn aber wieder zur Besinnung und erzählte ihm dann weiter, wie er durch List wieder in den Besitz beider Kleinode gekommen sei. "Darum sei nicht traurig, Bruder", sagte er und band den Säckel vom Wamse ab, zog das Hütlein aus seinem Kleidersack legte ihm beide vor und sprach: "Lieber Bruder, nun nimm die Kleinode beide und laß dir damit wohl sein; habe deine Freude damit nach Herzenslust; ich will es dir von ganzem Herzen gönnen und nichts darein reden." Ampedo aber sprach: "Den Säckel begehre ich ganz und gar nicht. Ich sehe wohl: wer ihn hat, der muß zu aller Zeit Angst und Not haben; auch habe ich wohl gelesen, wie es unserm Vater löblichen Gedächtnisses gegangen ist." Als Andolosia diese Worte hörte, war er



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des Säckels gar froh und dachte: "Ich will ihm von meinem andern Unglück lieber gar nichts sagen, sonst möchte er gar zu Tode erschrecken!"



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Und nun fing er an, einen guten Mut zu zeigen mit Stechen, Rennen und Tanzen. Als er sich aber eine Weile zu Famagusta aufgehalten, ritt er mit seinem Zeug zu dem Könige von Zypern, um auch hier Kurzweil zu haben. Daselbst wurde er von dem Fürsten und seinem Hofe gar wohl empfangen. Der König fragte ihn, wo er so lange gewesen wäre. Er erzählte ihm, wie viele Königreiche er durchfahren. Da erkundigte sich der König, ob er nicht auch kürzlich in England gewesen sei. " , gnädigster König", sagte er. — "Der König von England", sprach der König von Zypern weiter, "hat eine schöne Tochter (ein einziges Kind, sie heißt Agrippina), die möchte ich meinem Sohne zur Gemahlin gönnen. Aber nun ist mir die Märe gekommen, daß die Tochter verlorengegangen sei. Sage mir, hast du nichts von ihr gehört, ob das wahr sei, oder ob sie wieder gefunden worden ist?" — "Gnädigster Herr", sagte Andolosia, "davon weiß ich Euer Gnaden wohl zu sagen. Es ist wahr, er hat eine schöne Tochter, eine sehr schöne Tochter. Aber durch Schwarzkunst ist sie nach Hibernien versetzt worden; dort lebt sie in einem Frauenkloster, und ich habe mit ihr geredet vor kurzer Zeit." —"Wäre es nicht möglich, daß sie wieder zu ihrem Vater käme?" fragte der König, "ich bin alt und möchte meinen Sohn und mein Königreich gerne versehen, ehe denn ich sterbe." Darauf antwortete Andolosia: "Gnädiger Herr König, Euch und Eurem Sohn zuliebe, der aller Ehren wohl wert ist, will ich in der Sache arbeiten und mit Gottes Hilfe die Königstochter bald wieder in ihres Vaters Palast schaffen." Der König bat ihn dringend, es zu tun und es sich Geld kosten zu lassen. Er wollte ihm und den Seinigen allen königlichen Dank zu erkennen geben. "Nun, gnädigster König", sagte Andolosia, "so rüstet eine ehrsame Botschaft aus und sendet sie vierzehn Tage nach mir ab. Gewiß findet diese die Jungfrau zu London in ihres Vaters Palast. Hat er sie Euch dann verheißen, so sendet er sie Euch redlich." Der König sprach: "Andolosia, guter Freund, so vollende deine Sache, daß kein Fehl daran sei; ich will eine prächtige Gesandtschaft abschicken; mache du nur; daß sie nicht vergebens seil" "Habt keine Sorge", sprach Andolosia, "aber lasset Euren Sohn abkonterfeien und sendet das Bild mit der Botschaft dahin! Ihr werdet sehen, der König und die Königin haben daran eine große Freude und werden um so begieriger sein, ihre schöne Tochter einem so schmucken Jünglinge zu geben!"



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Als der junge König vernahm, daß Andolosia ausgesendet werden sollte, für ihn um eine Gemahlin zu werben, verfügte er sich zu ihm und bat ihn aufs inständigste, recht ernstlich in der Sache zu wirken, damit er keine abschlägige Antwort erhielte; denn er hatte viel von der Schönheit und Vollkommenheit gehört, die an Agrippinen zu schauen wäre. Andolosia versprach es ihm willig, nahm Urlaub, ritt nach Famagusta zurück und bat seinen Bruder, ihm das Hütlein noch einmal leihen zu wollen; er werde bald wieder da sein. Ampedo war willig und ließ sich das Hütlein wieder nehmen. Seinem Zahlmeister aber befahl Andolosia, allen seinen Knechten gütlich zu tun; er selbst reise in die Fremde; wolle aber bald wiederkommen. Also nahm er das Hütlein und wünschte sich in die Wildnis, wo die Apfel standen, von denen die Hörner wuchsen und wieder verschwanden. Augenblicks war er dort und fand die Bäume voll schöner Apfel stehen. Nun wußte er nicht mehr, welches der schädliche, welches der heilsame Baum war; er kam ungerne daran, einen zu essen, und doch wollte er auch nicht ohne die Apfel wieder davon. Endlich nahm und ass er einen Apfel von dem einen Baume, da wuchs ihm ein Horn; dann einen vom andern, da verschwand es wieder. Von diesem nun nahm er etliche und fuhr mit ihnen hinweg nach Irland vor das Kloster. Hier klopfte er an, ward eingelassen, ließ sich vor die Äbtissin führen und fragte nach Agrippina ; denn er hätte etwas Heimliches mit ihr zu reden.

Die Äbtissin erkannte Andolosia beim ersten Gruße und sendete nach Agrippinen. Als diese kam, empfing sie den Ritter schlecht; denn sie wußte nicht, warum er gekommen war, und erschrak über seiner Erscheinung. Andolosia aber sagte: "Erlaubet, gnädige Frau, daß die Jungfrau ein weniges allein mit mir rede." Jene erlaubte es gerne; so ging er mit ihr an eine einsame Stelle und sagte zu ihr: "Agrippina, sind dir die Hörner noch ebenso zuwider, wie da ich von dir schied?-—"Ja", sprach sie, "und je länger, je mehr." —"Wohin stünde dir dein Sinn", fragte er, "wenn du ihrer quitt und ledig wärest?" — Sie sprach: "Wo sollte ich anders hin begehren als nach London zu meinen herzlieben Eltern?" — Darauf sprach Andolosia freundlich zu ihr: "Agrippina, Gott hat dein Gebet erhört; ; was du begehrst, wird dir gewähren'; damit gab er ihr einen Apfel zu essen, hieß sie ein wenig ruhen und dann wiederaufstehen; da ward sie der Hörner ganz ledig.



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Die Magd, die ihr zugegeben war, konnte ihr nun zum erstenmal die Locken flechten und das Haupt zieren; so geschmückt kam sie vor die Äbtissin, und da diese die Jungfrau so schön und schmuck sahe, rief sie den Frauen allen im Kloster, daß sie wundershalber die Novize sehen sollten, wie sie in kurzer Zeit also schön geworden und ihr die leidigen Hörner vergangen seien. Jedermann verwunderte sich. Da sprach Andolosia, der zugegen war: "Laßt es Euch nicht so groß wundernehmen; Gott vermag alle Dinge; wem er wohl will, wider den mag niemand sein. Wisset, Agrippina ist eine Fürstin und von königlichem Stamme geboren. Ich werde sie jetzt ihrem Vater und ihrer Mutter wieder überantworten. Ehe ein Monat vergeht; wird sie an einen Königssohn vermählt, und zwar an einen so schönen Jüngling, wie einer jetzt auf Erden nur leben mag." Hierauf zahlte Andolosia der Äbtissin hundert Kronen aus, die er ihr und ihren Klosterfrauen zu guter Letzt hinterließ, dankte ihnen, daß sie Agrippinen so ehrlich gehalten; so dankte auch Agrippina gar züchtiglich; dann beurlaubten sie sich und verließen das Kloster. Sobald Andolosia ins Feld , rüstete er sich mit seinem Hütchen und führte die Prinzessin nach London vor des Königs Palast. Dann fuhr er selber wieder seiner Straße; denn er scheuete den Palast, in welchem ihm so große Untreue widerfahren war, und kehrte nach Famagusta zu seinem Bruder und seinen Dienern zurück.


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Der König und die Königin waren unglaublich froh, als sie Agrippinen wieder vor sich sahen, auch alle andere im Schlosse freuten sich mit großer Freude; es wurde ein herrliches Fest gegeben, daß die verlorene Tochter wiedergefunden war; und sie zierten die Prinzessin auf das allerköstlichste. Während sie nun so in Fröhlichkeit lebten, wurde dem Könige gemeldet; daß Boten kämen, vom Könige von Zypern ausgesendet; mit



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großem Gefolge, ihn um die Hand der jungen Fürstin Agrippina für seinen Sohn zu bitten. Diese wurden aufs schönste empfangen, und als sie vier Tage in der Stadt gewesen, sandte der König nach ihnen. Da erschienen sie, köstlich angetan feder nach seinem Stande, ein Herzog, zween Grafen und viele Ritter und Knechte; die fingen an, von der Heirat zu handeln. Als die Königin vernahm, daß man wegen Agrippinens fragte, fiel es ihr schwer aufs Herz, daß sie ihre Tochter so fern vom Lande entlassen sollte und noch dazu sie einem geben, von dem man nicht wüßte, ob er hübsch oder häßlich wäre. Da langte eben die Botschaft wieder am Hofe an; sie kamen vor den König und begehrten, auch bei der Königin vorgelassen zu werden. Und als sie vor sie kamen, zogen sie das Konterfei ihres jungen Königssohns hervor und zeigten seine Gestalt. Wie der König seine Schönheit sah, fragte er, ob er auch wirklich so wäre. Da schwuren sie dem König und der Königin einen Eid, daß er noch viel schöner gestaltet sei, recht schlank und gerade und nicht älter denn vierundzwanzig Jahre. Das gefiel ihnen beiden gar wohl. Die Königin nahm das Bild und brachte es ihrer Tochter Agrippina; sie sagte ihr, wie man sie einem jungen Königssohn geben wolle, der noch viel hübscher sei, als sie hier seine Gestalt sehe, wie sie es ja auch früher von Andolosia gehört hätte. Agrippina glaubte dieser Versicherung und willigte ein. Als ihre Eltern dies vernommen, redeten sie mit den Boten aus Zypern weiter, und so wurde die Heirat ganz abgeschlossen.

Hierauf ließ der König viel Schiffe zurichten mit Leuten, Speise, und was dazu gehöret; die junge Prinzessin wurde mit köstlichen Gewanden und Kleinoden nach allen Ehren ausgerüstet; auch ihr ein schönes Gefolge von Frauen und Jungfrauen beigegeben, und als die Schiffe ganz bereit und geladen waren, nahm die junge Fürstin Abschied von dem König, ihrem Herrn Vater, und der Königin, ihrer Frau Mutter, kniete vor ihnen mit großem Seufzen und weinenden Augen nieder und begehrte ihren Segen, da sie jetzt scheiden mußte. Da segnete sie der König und empfahl sie der ewigen Dreifaltigkeit, die sie vor allem Herzleid behüten und ihr alle Genüge verleihen wolle. Die Königin, ihre Mutter, konnte gar nicht mehreres sprechen als nur weinend ihr Amen zu dem Wunsche sagen.

So erhub sich Agrippina und ging mit all ihrem Volk zu Schiffe. Jedermann war es leid, daß die schöne junge Prinzessin von ihnen scheiden sollte; sie aber fuhr in Gottes Namen dahin, und dieser verlieh ihr günstiges Wetter, so daß die Fahrt glücklich vonstatten ging und sie mit all ihrem Gefolge frisch und gesund nach Famagusta in Zypern gelangte. Dort hatte



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der König von Zypern eine Herzogin, vier Gräfinnen und viele edle Frauen aufgestellt; welche die junge Königin gar ehrenvoll empfingen. Köstliche Speisen und Getränke waren bereitet; man gab jedermann genug, Fremden wie Heimischen, und jung und alt war froh, daß ihrem jungen König eine so schöne Gemahlin gekommen war. Da standen viel Rosse und Wagen in Bereitschaft, und jedermann wurde nach Ehren befördert. So kamen sie nach Medusia, wo der König hofhielt, und wie köstlich der Empfang zu Famagusta auch gewesen war, so wurden sie doch daselbst noch zehnmal prächtiger aufgenommen. Denn der König hatte die Edelsten und Besten aus seinem ganzen Königreich hier versammelt, die alte Königin mit ihrem ganzen Frauenzimmer harrte ihrer auch, und endlich kam der junge König mit seinem Gefolge. Diesem dankte Agrippina inniglich mit fröhlichem Angesicht und holdseligen Gebärden für den köstlichen Empfang . So ritten sie herrlich bis an den königlichen Palast, der aufs schönste gerüstet war. Hier begann erst recht das köstliche Leben. Alle Fürsten und Herren, die dem Zepter des Königs von Zypern gehorchten, kamen zierlich geritten und brachten köstliche Gaben dar, jeder nach seinem Vermögen Die Hochzeit wurde begonnen und dauerte sechs Wochen und drei Tage, und jedermann hatte während dieser Zeit genug. Unter anderm schenkte Andolosia dem jungen Könige ein ganzes Schiff mit Malvasier und Muskatellerwein, der wurde getrunken, als ob es Apfelmost gewesen wäre; da war kein Mangel, solange die Hochzeit währte.

Die Herren und Fürsten aber hielten während all dieser Zeit nichts denn Rennen und Turnier und andere derlei Kurzweil, und alle Abende gab man dem den Preis, der am Tage das Beste getan hatte, und geschah dieses beim Tanze, da setzte die junge Königin jedesmal dem Sieger ein Kränzlein auf. Um das warben alle, damit sie Ehre von der schönen Königin Agrippina erjageten. In diesem Turniere warb auch Andolosia und tat in allen ritterlichen Spielen allweg das Beste, so daß Frauen und Männer ihm oft den Preis zuerkannten. Als aber zuletzt derselbe wirklich erteilt werden und ihn billigerweise Andolosia davontragen sollte, da wurde er ehrenhalber dem Grafen Theodor von England gegeben. Andolosia achtete jedoch nicht darauf, sondern gönnte ihm die Ehre wohl. Doch sprach alles Volk: "Andolosia hätte es besser verdient." Das hörte auch Graf Theodor, und es verdroß ihn nicht wenig; ihn plagte der Neid; deswegen schloß er einen Bund mit dem Grafen von Limosi, der ein Raubschloß auf einer kleinen Insel hatte, nicht fern von Famagusta. Beide dachten darauf, wie sie dem Andolosia Schande zufügen oder gar ihn umbringen



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könnten, damit sie ihn vom Hofe los wären und er nicht mehr den Grafen und Edelleuten gegenüber pochen könnte. Jeder verstand die Absicht des andern; sie machten einen gemeinschaftlichen Anschlag auf ihn und warteten nur, bis die Hochzeit zu Ende wäre.



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Als nun die ganze Festlichkeit vorüber war und Andolosia heim gen Famagusta reiten wollte, hatten die beiden Grafen eine Schar bestellt; diese fing den Andolosia aus einem Hinterhalt, erstach ihm seine Diener alle und führte ihn selbst auf die Insel nach Limosi in ein festes Schloß, wo er wohl gehütet wurde, so daß er nicht hoffen durfte zu entkommen. Zwar bot er seinen Wächtern großes Gut, wenn sie ihm von dannen hälfen; aber sie trauten ihm nicht und meinten, wenn er davonkäme, so würde er ihnen nichts geben. Andolosia aber durfte ihnen den Säckel nicht zeigen; denn er fürchtete, sie nähmen ihn und hälfen ihm doch nicht. So war er in großen Nöten.


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Inzwischen kam die Märe vor den König, daß Andolosias Diener alle erstochen seien und von ihm selbst niemand wisse, ob er tot oder lebendig sei, auch den Täter nicht erraten könne. Denn die zwei Grafen, die es getan hatten, ritten wieder an des Königs Hof und hielten sich stille, als ob sie nichts darum wüssten.

Jetzt kam auch zu Ampedo die Kunde, daß sein Bruder verlorengegangen sei. Auf der Stelle sandte er Boten zu dem König und ließ ihn bitten, ihm doch wieder zu seinem Bruder zu verhelfen. Der König versprach, alles anzuwenden, um seinen Aufenthalt zu erfahren; werde er es inne, wo Andolosia festgehalten werde, so wolle er es sich kein Geld dauern lassen; ja, sollte es sein halbes Reich kosten, so müßte er ledig werden. Ampedo aber dachte, er sei um seinen Bruder gekommen wegen des Säckels,



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und nun würde auch er gemartert werden, damit er von dem Hütlein, das er besäße, Kunde geben müßte. "Nein, das soll nimmermehr geschehen!"sprach er bei sich selbst, und im Zorne nahm er das köstliche Hütlein, zerhackte es in Stücke, warf es in das Feuer und blieb dabeistehen, bis es zu Asche verbrannte, daß niemand seine Freude mehr damit haben sollte. Er hatte stets Boten auf den Beinen zu dem Könige, aber soviel ihrer zurückkamen, so brachte doch keiner gute Botschaft, und er konnte nichts vom Schicksal seines Bruders erfahren; das machte ihm großes Herzeleid, er verfiel in tiefen Kummer und endlich in eine tödliche Krankheit, so daß ihm kein Arzt helfen konnte, und also starb er.



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Etliche Tage waren verflossen, da hörten die Grafen, daß es dem König so leid tue um seinen wackern Ritter Andolosia; sie stellten sich daher, als trauerten auch sie um ihn. Der König ließ ausrufen, wer gewisse Kundschaft brächte, wo Andolosia hingekommen wäre, dem wolle er tausend Dukaten bar geben, möchte jener lebendig sein oder tot. Aber jedermann hielt reinen Mund. Inzwischen nahm der Graf von Limosi Urlaub von dem König und kam in sein Schloß, wo Andolosia gefangensaß, und fand diesen in einem tiefen Turme sitzen. Andolosia freute sich, als er den Grafen sah; denn er hoffte auf Barmherzigkeit. Er bat denselben, ihn des Gefängnisses zu entledigen; wußte aber dabei nicht wessen Gefangener er wäre, oder warum er in so harter Haft gehalten würde; wenn er jemand ein Unrecht getan hätte, so wollte er ihm gern Genüge tun mit Leib und Gut. Aber der Graf sprach: "Andolosia, du bist nicht darum hergeführt; daß man dich wiederhinwegläßt; du hifi mein Gefangener und wirst mir sagen, von wannen dir das viele Geld komme, das du das ganze Jahr über ausgibst; und mach deine Aussage nur kurz, sonst will ich dich also martern, daß du froh wirst, wenn du es mir nur sagen darfst!" Da Andolosia das hörte, erschrak er sehr, und aller Trost entfiel ihm; er wußte nicht, was er sagen sollte; endlich gab er an: "Zu Famagusta in seinem Hause, da wäre eine heimliche Grube, die habe ihm sein Vater gezeigt; als er am Sterben gewesen; wieviel Gelds er daraus nehme, so sei immer noch mehr darin. Wollte der Graf ihn also gefangen gen Famagusta führen, so sei er bereit, ihm die Grube zu zeigen." Dem Grafen wollte dieses nicht genügen; er nahm ihn aus dem Kerker und marterte ihn. Andolosia erduldete es lange und blieb auf seiner Aussage. Wie der Graf merkte, daß er nicht bekennen wollte, fuhr er mit der Folter fort und ließ ihn so grausam peinigen, daß Andolosia vor großen Schmerzen



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nicht länger schweigen konnte, sondern von der Kraft des tugendreichen Säckels zu bekennen anfing. Als der Graf dieses hörte, nahm er den Säckel von ihm, versuchte ihn und fand ihn ergiebig. Nun ließ er den armen Andolosia wieder in den Kerker setzen und befahl ihn seinen vertrautesten Dienern; dann versah er sein Schloß und kam ganz vergnügt wieder an des Königs Hof zu seinem Gesellen, dem Grafen Theodor. Dieser empfing ihn mit Freuden, und sie hielten viel Gesprächs untereinander, wie er mit Andolosia umgegangen, wie er ihm den Säckel mit so großer Marter abgezwungen, und wie hart er ihn gefangenhielte. Da sprach Graf Theodor: "Es gefällt mir so nicht, er wäre besser tot denn lebendig; ich habe an des Königs Hof vernommen, er sei ein Schwarzkünstler und könne durch die Lüfte fahren. Wenn er ledig wird, so ist zu besorgen, man vernehme von ihm, wie wir mit ihm gehandelt; dann gewinnen wir die Ungnade des Königs, oder jener nimmt uns gar das Leben." —Darauf erwiderte der Graf von Limosi: "Er liegt so hart gefangen, daß er uns keinen Schaden zufügen kann." Dann traten sie zusammen und nahmen aus dem Säckel, soviel sie wollten, und jeder hätte gerne den Säckel in seiner Gewalt gehabt. Endlich wurden sie darüber eins, daß ihn jeder ein halbes Jahr haben sollte; der aber, der den Säckel hätte, sollte dem andern an Geld nichts mangeln lassen. Nun war Graf Limosi der Altere, der sollte den Säckel das erste halbe Jahr haben. Soviel die beiden Grafen jetzt Gelds hatten, so durften sie es doch nicht brauchen, damit kein Argwohn auf sie fiele; und wiewohl sie herrlich und in Freuden lebten, so lag doch Graf Theodor seinem Gesellen immer im Ohr und meinte, Andolosia wäre besser tot denn lebendig. Seine Furcht war immer, er möchte um den Säckel kommen. Auch hatte er die Absicht wenn er von dem Grafen von Limosi denselben überantwortet bekäme, sich mit dem Säckel davonzumachen , so weit weg, daß er sowohl vor dem König als vor seinem Raubgenossen sicher wäre. Deswegen bewog er jenen, ihm einen seiner Knechte beizugeben und ihn mit einer schriftlichen Ermächtigung zu versehen, das Gefängnis Andolosias öffnen zu dürfen.

Nun beurlaubte sich Graf Theodor von dem König unter dem Vorgeben , er wolle fremde Länder besehen, was ihm auch von dem Könige gestattet wurde. Er aber zog von dannen und nach der Insel Limosin; hier ließ er sich in das Schloß führen und in den Kerker, in welchem Andolosia gefangen lag. Dieser saß elendiglich und trostlos im Stock: Arme und Beine waren ihm abgefault; als er aber den Grafen Theodor erblickte, empfing er einen starken Trost und vermeinte, der Graf von Limosi habe



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den Grafen Theodor damm gesandt, daß er ihn ledig lassen solle. Er dachte: "Weil sie den Säckel haben, so fragen sie nicht mehr viel nach mir." Da fing aber der Graf an und sprach: "Sag an, Andolosia, hast du nicht noch so einen Säckel, wie du meinem Gesellen einen gegeben hast? Auf, gib mir auch einen!" —"Gnädiger Herr Graf", sagte er, "ich habe keinen mehr; hätte ich aber noch einen, er wäre Euch unversagt." Jener sprach: "Man sagt, du seist in der Schwarzkunst erfahren und könnest in den Lüften fahren, und den Teufel beschwören, daß er mit dir von dannen fahre. Warum beschwörest du ihn denn nicht jetzt, daß er dir von dannen helfe ?" Da sprach jener: "Ach, gnädiger Graf, das kann ich nicht und habe ich noch nie gekonnt; nur allein mit dem Säckel, den Ihr jetzt in Händen habet, habe ich Kurzweil gehabt: der sei Euch und Eurem Gesellen vor Gott und der Welt geschenkt; ich will nimmermehr keinen Anspruch daran machen. Aber um Gottes willen bitte ich Euch, laßt mich armen Mann aus diesem Gefängnis los, daß ich nicht so elendiglich hier umkomme Der Graf sprach höhnisch: "Willst du jetzt an deiner Seele Heil denken, warum hast du es nicht getan, solange du Hochmut und Hoffart vor dem König und der Königin triebest und uns alle Unehre beweisest? Wo sind nun die schönen Frauen, denen du so wohl gedienet hast? Die, welche dir alle den Preis gaben, die laß dir jetzt helfen! Ich merke wohl, daß du gern aus dem Gefängnis wärest; laß dich's nicht bekümmern, ich will dir bald davonhelfen!"



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Mit diesen Worten führte er den Knecht, der des Gefangenen Hüter war, beiseite und wollte ihm fünfzig Dukaten geben, daß er Andolosia erwürgte. Aber der Hüter wollte dies nicht tun: "ES istein braver Mann", sagte er, "und gar schwach; er stirbt von selbst bald: ich will die Sünde nicht auf mich laden!" Der Graf sprach: "So gib mir einen Strick, ich will ihn selbst erwürgen und will nicht von hinnen, er sei denn tot."Aber auch das wollte der redliche Knecht nicht tun. So nahm der Graf Theodor seinen Gürtel, den er umhatte, legte ihn dem Andolosia um den Hals und wirbelte den Gürtel mit seinem Dolche zu: so erwürgte er den Armen sitzend und gab dem Knechte Geld, daß er den Leichnam hinwegschaffte. Dann weilte er nicht lange mehr im Schlosse, sondern ging den nächsten Tag nach Zypern an des Königs Hof. Hier kam er zu seinem Gesellen, dem Grafen von Limosi. Der empfing ihn öffentlich und fragte ganz lustig, wie ihm die Insel und die fremden Länder gefallen hätten. "Gar wohl", erwiderte dieser. Dann fragte ihn der Graf heimlich, wie es um



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Andolosia stehe. "So steht es um ihn", sprach Theodor, "daß wir keinen Schaden mehr von ihm zu gewarten haben. Ich habe ihn mit meinen eigenen Händen umgebracht; ich hatte keine Ruhe, bis ich wußte, daß er gewiß tot sei, wie ich es jetzo weiß."

So sprach der Bösewicht und meinte, er habe alles gut ausgerichtet. Er wußte aber nicht, wie übel er getan hatte. Drei Tage stand es an, daß sie nicht über den Säckel gingen; mit ihnen war auch das halbe Jahr aus, und der Säckel sollte auf den Grafen Theodor übergehen. Daher ging



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dieser ganz vergnügt zu dem Grafen Limosi und bat ihn, ihm den Säckel zu überreichen; vorher könne er Geld herausnehmen, soviel er wolle, damit er das halbe Jahr über zu zehren hätte. Der andere zeigte sich willig dazu. Doch sprach er: "Ich weiß nicht, wie mir geschieht, aber wenn ich den Säckel in die Hand nehme, so erbarmt mich Andolosia; ich wollte, du hättest ihn nicht getötet; er wäre selbst bald gesiorben!" Graf Theodor sprach: "Ein Toter macht keinen Krieg!"Also gingen beide miteinander in die Kammer, wo jener den Säckel hatte; den holte er aus einer Truhe hervor und legte ihn auf einen Tisch. Theodor nahm den Säckel in die Hand und wollte zu zählen anfangen, wie er früher oft getan hatte. Beide wußten nicht, daß der Säckel die Kraft verloren hatte, weil beide Brüder, Ampedo und Andolosia, gestorben waren. Da sie aber kein Geld aus dem Säckel zu bringen vermochten, sah einer den andern an.

Endlich sprach Graf Theodor mit grimmigem Zorn: "Oh, du falscher Graf, wolltest du mich also betrügen und mir für den tugendreichen Säckel einen andern armen geben? Das leide ich keineswegs von dir! Darum zögere nur nicht lang und bring mir den reichen Säckel!" Der andere versicherte ihn, daß dies der rechte sei und er keinen andern habe. Wie es zuginge, daß er nicht mehr täte wie vor, das begreife er nicht. Aber diese Antwort genügte dem Theodor nicht; er wurde, je länger, je zorniger und warf jenem vor, er wolle als Bösewicht an ihm handeln, das solle ihm nimmer guttun! und zückte vom Leder. Der Graf von Limosi, als er das sah, war auch bei der Hand. Beide machten ein Gepolter, daß die Knechte zusammenliefen, die Kammer aufstießen und, als sie ihre Herren im Gefechte miteinander trafen, diese voneinander schieden.

Aber der Graf Limosi war bis auf den Tod verwundet, dies sahen seine Diener und griffen den Gegner.



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Auf diese Weise kam die Märe vor den König und den Hof, daß die zwei Grafen, die sonst immer innig miteinander gewesen waren, sich auf Leben und Tod geschlagen hätten. Der König befahl, man solle beide unverzüglich gefangen vor ihn bringen. Er wolle den Ursprung ihrer Uneinigkeit kennenlernen. Als man des Königs Gebote gehorsam sein wollte und ihm die beiden Grafen bringen, da war es nicht mehr möglich, den todwunden Limosi von der Stelle zu schaffen. So wurde allein Graf Theodor vor den König gebracht.

Als man diesen fragte, warum sie beide, sonst so innig, sich auf den Tod geschlagen hätten, so wollte er anfangs nicht mit der Wahrheit heraus.



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Bald aber zwang ihn die Folter dazu, und so gestand er den ganzen Handel, wie sie mit Andolosia umgegangen waren. Da der König hörte, wie übel sie mit dem armen Andolosia gefahren, ward er von Herzen betrübt und erzürnt über die Mörder. Und sonder langes Bedenken fällte er das Urteil, man sollte sie mit dem Made hinrichten. Und wenngleich der Graf von Limosi auf den Tod krank liege, so solle man ihn doch auf die Richtstatt tragen; wäre er tot, so sollte man ihn tot noch rädern und auf das Mad flechten.

Dieses Urteil ward an den beiden Mördern vollzogen, und war es ihr gerechter Lohn; denn sie hatten es an dem guten Andolosia verschuldet. Nachdem nun jene Verbrecher um des Säckels willen, mit dem sie doch nur kurze Zeit ihre Lust gehabt hatten, hingerichtet und aufs Rad gelegt waren, schickte der König von Stund an in die Insel Limosi all sein Volk und ließ Schloß, Städte, Dörfer und die ganze Insel einnehmen und sonderlich in dem Schlosse, in welchem der arme Andolosia gefangengesessen, ließ er Mann und Weib sahen; und alle, die um den Mord gewußt schuld daran gehabt oder ihn verschwiegen hatten, ließ er ohne alle Barmherzigkeit zu dem Schlosse heraushenken. Er erfuhr auch, daß sie den Leichnam Andolosias in eine Wassergrube nicht fern von dem Schlosse geworfen hatten. Den befahl er herauszuziehen und gen Famagusta zu führen, wo er ihn mit großer Feierlichkeit begraben ließ, in die schöne Domkirche, die sein Vater Fortunat gestiftet und gebaut hatte. Es war dem alten König und seiner Gemahlin, auch dem jungen König und der jungen Königin Agrippina gar leid um den getreuen Andolosia. Weil sie aber alle beide, Ampedo und Andolosia, keine Erben hinter ihnen gelassen, so nahm der König den köstlichen Palast selbst ein und fand darin großes Gut und kostbaren Hausrat, Kleinode und Barschaft. In diesen Palast zog der junge König selbst mit seiner Gemahlin Agrippina und hielt daselbst so lange Hof, bis sein Vater, der alte Konig von Zypern, mit Tod abgegangen war. Alsdann nahm er das Königreich ganz zuhanden.


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