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Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Mühlensagen

Wenn die Welt gegen mich ist, wie das nicht selten zu gehn pflegt, so habe ich mich stets damit abgefunden, indem ich eine Freiluftwanderung machte, welche meinen Kummer und meine Unruhe dämpften. Was mir diesmal verquer kam, daran erinnere ich mich nicht mehr, aber das, was klar vor mir steht, ist, daß ich vor einigen Jahren eines Sommernachmittags über Wiesen wanderte, an der Ostseite vom Akersfluß, mit der Angel in der Hand, am Torshaug vorbei und Sandaker gegen Lillehagen zur Mündung bei Maridalswasser.

Die klare Luft, der Heuduft, das Vogelgezwitscher, die Blumendüfte und das frische Lüftchen beim Fluß wirkten höchst belebend auf meinen Sinn. Als ich bei der Mündung über die Brücke kam, begann die Sonne sich gegen den Hügelrand zu neigen. Die Abendwolken liehen sich gerade ihren schönsten Glanz, daß sie sich eine kurze Stunde mit der fremden Pracht freuen und sich in den klaren Wellen spiegeln konnten. Bald sank die Sonne gegen die Wolkendecke und sandte Lichtstrahlen aus, welche goldene Pfade bildeten in den dunklen Waldlichtungen auf der anderen Seite des Wassers. Nach dem heißen Tage führte der Abendwind erfrischende Tannendüfte mit sich, und die ferne klingenden, verhallenden Töne von Kuckucks Abendgesang stimmte den Sinn zur Wehmut. Gewohnterweise folgte mein Auge der Fliege an der Angelschnur, die ich ausgeworfen hatte, welche die Strömung mit sich nahm. Sieh, da sprang ein goldener Fisch - die Schnur fuhr surrend über die Rolle, und da ich sie festhielt, bog sich die Stange wie ein Faßreifen: das mußte eine Forelle von drei Pfund sen. Jetzt war keine Zeit mehr, sich in Gedanken zu verlieren über Tannenduft und Kuckucksruf, man mußte seine ganze ruhige Geistesgegenwart anwenden, um den Fisch an Land zu bringen, denn die Strömung war stark, und der Fisch sprang, und ich hatte kein rundes Netz an langer Stange, ich mußte die Schnur hinausgeben und einwinden, zwei mal, denn er ließ sich zwingen, mit dem Strom zu gehen, in eine kleine Bucht, wo er dann endlich an Land gebracht wurde und sich zu wehren wußte: vor mir lag eine rotgefleckte Forelle, ungefähr so groß wie ich gedacht hatte.

Ich blieb dabei, an der Westkante zu fischen, den Fluß hinunter,



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aber nur kleine Fische schnappten nach meiner Fliege. Als ich zur Brekke-Sägemühle kam, war der Himmel bewölkt, es war schon ziemlich dämmrig, nur am nordwestlichen Rand des Horizonthes stand ein apfeigrüner Streifen, welcher ein gedämpftes Licht auf des Mühlenteiches stille Fläche warf. Ich ging auf den schwimmenden, schaukelnden Baumstämmen, warf einige Male die Angel aus, aber mit wenig Glück. Kein Lüftchen regte sich, der Wiend schien zur Ruhe gegangen zu sein, und nur meine Fliege brachte das blanke Wasser zum Zittern. Ein halberwachsener Junge, der oben am Abhang stand, riet mir, ich solle die Angelschnur hin und her ziehen mit einem ganzen Büschel Regenwürmer am Haken und bot sich an, den Köder zu beschaffen. Ich folgte dem Rat und versuchte damit mein Glück. Der Versuch übertraf meine Erwartung. Eine Forelle von einigen Pfund biß sofort an und wurde, nicht ohne Schwierigkeiten, an der unbequemen Landungsstelle herausgebracht. Aber damit war es auch vorbei. Nicht ein Biß war mehr zu spüren, kein Fisch kräuselte das Wasser in dem stillen Teich. Nur Fledermäuse, die in der Luft flatterten, erzeugten gelegentlich, wenn sie nach Insekten niederschossen, zitternde Ringe, die sich auf der blanken Wasserfläche ausbreiteten.

Vor mir lag das Innere der Sägemühle, klar erleuchtet von einem glühenden Herdfeuer. Die Säge war in vollem Gange, aber es sah aus wie aufgezogen, Sägeblätter und Gewichtstangen wurden nicht gesteuert von menschlichem Willen oder Hand, sondern es ging wie ein Spielzeug für Mühlenknurrens oder Wasserscheusals Laune und sichtbarem Griff. Aber schließlich zeigten sich dennoch menschliche Erscheinungen. Einer fuhr mit einer riesigen Gabel raus zu den Stämmen im Teich, um einen Baumstamm in die Rinne für die Stämme zu ziehen, und setzte so die ganze Wasserfläche in wallende Bewegung. Ein anderer kam eilig vor mit einer Axt in Händen, um den Baumstamm zu stoppen und zurecht zu legen und das Schalbrett raus zu werfen, das krachend nieder in die Tiefe stürzte.

Das sauste und brauste, kreischte und tönte von innen, und ab und zu wurde, wie ein Riesenschwert ein blinkendes Sägeblatt draußen in der Luft in Bewegung gesetzt - man konnte glauben im Gefecht mit Nachtgeistern zu sein -, um die Knuppel und die unebenen Enden der Stämme abzusägen.

Von Norden her kam ein etwas kalter Luftzug nach dem Flußlauf, der mich fühlen ließ, daß ich naß und müde war, und ich entschloß mich deshalb, hineinzugehen und mich etwas auszuruhen, beim Feuer, in der Mühlenstube. Ich rief den Jungen, der noch unten am Ufer stand,



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und bat ihn ,den Fischkorb mitzunehmen, den ich zurückgelassen hatte, und mir über das Floßwehr zu folgen. Die glatten Stämme schaukelten, sodaß das Wasser bei jedem Schritt, den ich tat, überschwappte.

Nahe bei dem einen Rauchfang in der Sägemühle saß ein alter, graubärtiger Arbeitsmann mit einer roten Mütze über die Ohren niedergezogen. Schatten vom Rauchfang hatten ihn früher vor mir verborgen. Als er hörte, daß ich ausruhen und mich ein wenig wärmen wollte, nahm er sofort einen Holzklotz und machte einen Sitz für mich beim Feuer.

»Das ist ein leckerer Fisch«, sagte der Alte und nahm die letzte Forelle, die ich gefangen hatte, in die Hände, »das ist ein Hakenfisch, der wiegt gut drei Pfund, den hast du sicher im Teich hier bekommen«.

Ich bejahte dies, und der Mann, der angab ein eifriger Angler zu sein, begann zu erzählen von den großen Forellen, die er in dieser Gegend vor dreißig Jahren gefangen hatte, als er hierherkam aus dem Gudbrandsdal, und stellte herzzerreißende Klagen darüber an, daß die Fische abnehmen und die Sägespäne zunehmen.

»Die Fische nehmen ab«, sagte er mit einer Stimme, die den Sägelärm durchdrang, »denn so ein Goldhakenfisch, nicht größer als dieser da, ist jetzt selten zu fangen, aber Sägespäne, die nehmen von Jahr zu Jahr zu, und man kann sich nur wundern, daß die Fische nicht aus dem Fluß verschwinden, denn öffneten sie das Maul, um einen Schluck frisches Wasser zu bekommen, so bekämen sie gleich den ganzen Magen voller Sägespäne und Dreck. Das verdammte Sägemehl! Gott verzeihe mir meine Sünde, denn die Säge ist es, die mir und den Meinen Brot gibt. Aber ich werde so zornig, wenn ich an die schweren Fische denke, die ich in alten Tagen herausgezogen habe«.

Der Junge war inzwischen mit dem Fischkorb nachgekommen, aber er sah aus, als ob ihm übel zumute wurde von all dem Lärm und der Unruhe in der Sägemühle. Vorsichtig trat er auf die Fußbodenbretter, und an seinem Gesicht sah man, wie ängstlich er war vor dem Wasser, das zwischen den Rädern brauste unter seinen Füßen.

»Hier ist es häßlich zu verweilen, ich wollte, ich wäre daheim«, sagte er.

»Bist du hier nicht zu Hause?«fragte ich.

»Was bist du für einer, wo bist du her?«fragte der Alte.

»Ach, ich bin von der Altstadt und ich bin auf unserer Amtsstube in Brekke gewesen mit einem Brief für den Lehnsmann, aber ich habe Angst, allein in der Dunkelheit zu gehen«, antwortete der Junge, der die ganze Zeit sich in meiner Nähe aufgehalten hatte.



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»Schämst du dich nicht, deswegen zu jammern, so groß und lang wie du bist«, sagte der Alte, doch fügte er tröstend hinzu, »bald kommt der Mond heraus und du kannst mit diesem Mann hier gehen«.

Ich versprach dem dunkelängstlichen Jungen Begleitung bis Beiersbrücken, und das schien ihn ein wenig zu beruhigen. Indessen stand die Säge still und zwei von den Männern begannen das Sägeblatt zu feilen und zu schärfen mit einem quietschenden Geräusch, das durch Mark und Bein ging - so durchdringend war der Laut, daß nicht selten zur Nachtzeit das Sägegeräusch aus der Ferne bis ganz hinunter zur Stadt durch das Wasserfallgeräusch hindurchtönt. Das schien auf die Nerven des dunkelängstlichen Knaben unbehaglich zu wirken.

»Huff, hier getraute ich mich nicht eine Nacht zu verbringen«, sagte er und schaute umher, als ob er darauf wartete, einen Nöck aus dem Fußboden auftauchen zu sehen oder ein Gnömchen in jedem Winkel.

»Ich habe von Mutter gehört, daß in solch alten Säcken und Mühlen es eine Menge Trollzauber und Teufelsspuk geben müsse«, kam es erschreckt vom Knaben.

»Ich kann nicht gerade sagen, daß ich viel davon bemerkt habe«, sagte der Alte. Gewiß, es wurde mir das Wasser zeitweise gestoppt und wieder zugeführt, wenn ich ein wenig geschlummert habe bei der Säge in der Nacht, und zwischendurch habe ich gehört, daß sich etwas zu schaffen machte zwischen den Abfallbrettern, aber nie habe ich etwas gesehen. Das Volk glaubt auch nicht mehr an so was«, sagte er und richtete fragende Blicke nach mir hin, »und deswegen wagen sie sich nicht mehr hervor; das Volk ist zu klug und belesen heutigentags«.

»Da kannst du recht haben«, sagte ich, denn ich merkte gut, daß er etwas verbarg hinter seinen Blicken, die er mir zusandte, und wollte ihn gern dazu bringen, alte Geschichten zu erzählen, anstatt mich darauf einzulassen, seinen Zweifel zu diskutieren und die Behauptung, daß die Aufklärung ein Schrecken sein sollte für die Hauszwerge und die Unterirdischen. »Da kannst du auf eine Weise recht haben. In alten Tagen war das Volk stärker im Glauben an alle Art Trollwerk. Nun tun sie so, als ob sie nicht mehr daran glauben, um klüger und aufgeklärter zu erscheinen, wie du sagst. Aber in Bergdörfern hört man doch immer noch, daß die Unterirdischen sich zeigen, Leute zu sich hereinlocken und dergleichen. Nun sollst du, »fügte ich hinzu, um ihn richtig in Gang zu bringen, »nun sollst du eine Geschichte hören, welche sich einstmals ereignet hat, aber wo und wann sie geschah, kann ich mich nicht mehr erinnern«.

»Es war einmal ein Mann, der hatte eine Mühle bei einem Wasser-



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fall. Und da war auch ein Mühlentroll. Ob der Mann, wie es Brauch an solchen Orten ist, ihm zur Begütigung Fladen und Weihnachtsbier gab, um Mehlvorrat zu bekommen, habe ich nicht gehört, aber es ist nicht wahrscheinlich. Denn jedesmal, wenn er mahlen wollte, griff er in die Räder und stoppte die Mühle, sodaß er nicht mahlen konnte. Der Mann wußte gut, daß es der Mühlentroll war. Und eines abends, als er mahlen wollte, nahm er einen Topf voll Pech und Teer und entfachte Feuer darunter. Als er das Wasser über das Räderwerk laufen ließ, ging es eine Weile gut, aber dann stand es still, wie er erwartet hatte. Er stach und schlug nach dem Mühlentroll in die Rinne und um das Räderwerk herum, aber das half nichts. Schließlich öffnete er die Tür, die zum Räderwerk und der Rinne hinausging, aber da stand der Mühlentroll mitten in der Tür und sperrte sein Maul auf, und das war so groß, daß der Unterkiefer an der Türschwelle war, und der Oberkiefer oben am Türbalken. »Hast du je ein so großes Maul gesehen«, sagte er. Der Mann griff nach dem Pechtopf, der dort stand und kochte, schlug ihm das ins Maul und sagte: »Hast du je so heiß gekochtes gekannt?« Da ließ der Mühlentroll das Räderwerk gehen und fing fürchterlich an zu brüllen. Seitdem hat man ihn weder gesehen noch gehört, und nie hat er die Mühlenleute mehr am Mahlen gehindert«. — »Ja«, sagte der Knabe, der mit einer Mischung von Furcht und Neugier meiner Erzählung gefolgt war, »das habe ich auch gehört von meiner Großmutter, und sie erzählte ein anderes Stückchen, auch von einer Mühle.

Es war auf dem Lande irgendwo, und niemand konnte etwas gemahlen bekommen, denn die Mühle war so voller Trollwerk. Aber da war eine arme Frau, die so notwendig am Abend etwas gemahlen haben mußte, und sie bat, ob sie nicht Erlaubnis bekommen könnte, dort in der Nacht zu mahlen. »Nein, Gott bewahre dich«, sagte der Mann, dem die Mühle gehörte, »das geht nicht, daß du nachts hier mahlst, da kommt so viel Spuk über dich und die Mühle«. Aber die alte Frau sagte, sie hätte es so nötig zu mahlen, denn sie hätte kein Krümchen Mehl mehr, um einen Brei zu kochen, und sie hätte ihren Kindern keinen Bissen Brot mehr zu geben. Zum Schluß bekam sie die Erlaubnis, zu der Mühle zu gehen und in der Nacht dort zu mahlen.

Als sie hin kam, machte sie Feuer unter einen großen Teerkessel, der da stand, setzte die Mühle in Gang und setzte sich an den Feuerplatz, um weiter an ihrem Strumpf zu stricken. Nach einer Weile kam ein Weiblein herein und grüßte: »Guten Abend, du«, sagte sie zu der alten Frau. »Guten Abend«, sagte die Alte, blieb sitzen und strickte weiter.



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Doch mit einem male fing die Hereingekommene an, die Glut auseinander zu breiten, damit das Feuer erlösche. Und die Alte mußte alles wieder zusammenschüren.

»Wie heißt du«, sagte die Unterirdische zur Alten.

»Ach, ich heiße Selbst«, sagte die Alte. Das schien ihr ein seltsamer Name zu sein, und so begann sie wieder, das Feuer zu zerteilen und die Glut zu breiten. Da wurde die Alte wütend und fing an zu schimpfen und schürte das Feuer wieder zusammen. Das trieben sie eine ganze Weile. Aber schließlich schüttete die Alte den Teerkessel über die andere aus. Ach, wie sie kreischte und schrie! Und dann rannte sie hinaus und schrie:

»Vater, Vater, Selbst hat mich verbrannt!«

»O, hast du selbst das getan, so mußt du selbst es auch erleiden«, sagte es fern im Berge«.

»Das war gut, daß nichts schief ging mit der Alten«, sagte der Graubart. »Sie hätte leicht alles verbrennen können, sich selbst und die Mühle.

Als ich zu Haus war, hörte ich etwas ähnliches erzählen, was sich dort zugetragen haben soll in alten Tagen. Da war ein Erbhofbauer, der hatte eine Mühle, und die brannte an zwei Pfingstabenden nacheinander ab. Als im dritten Jahr die Pfingstzeit nahte, kam ein Schneider zu ihnen und nähte Festtagskleider.

»Ich glaub, das geht dies Jahr mit der Mühle wieder so, ich glaube, die wird diese Nacht auch brennen«, sagte der Mann.

»Das wird nichts zu bedeuten haben«, sagte der Schneider, »gib mir den Schlüssel, so werde ich gut auf die Mühle aufpassen«.

Das fand der Mann gut und schön, und als es auf den Abend zuging, bekam der Schneider den Schlüssel und ging zur Mühle hinab. Sie war noch leer, denn sie war gebaut - und so setzte er sich mitten auf den Fußboden, zog seine Kreide hervor und schlug einen großen Ring um sich, und rund um den Ring schrieb er das Vaterunser, und so hatte er keine Angst, selbst wenn der Teufel kommen würde. Als es Mitternacht war, flog mit einem Male die Türe auf und herein kamen Haufen von schwarzen Katzen, daß es nur so wimmelte. In Windeseile hatten sie einen Kessel auf das Kaminfeuer gesetzt, Holz darunter gelegt, sodaß es zu brausen und zu brodeln begann im Kessel, als ob kochendes Pech und Teer darinnen waren.

»He, he«, dachte der Schneider, »hängt das so zusammen«, und kaum hatte er das gedacht, so tat eine Katze die Pfote hinter den Kessel und wollte ihn umkippen.



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»Scht, Katze, du brennst dich!« rief der Schneider.

»Scht, Katze, du brennst dich! sagte der Schneider zu mir«, sprach die Katze zu den anderen Katzen. Da sprangen sie alle fort vom Kamin und begannen zu hopsen und zu tanzen rund um den Ring; doch da geschah es, daß die Katze sich wegstahl zum Kamin und den Kessel wieder umstoßen wollte.

»Scht, Katze, du brennst dich!« schrie der Schneider und scheuchte sie weg vom Kamin.

»Scht, Katze, du brennst dich! sagt der Schneider zu mir«, sprach die Katze zu den anderen. Und alle zusammen sprangen und tanzten wieder. Und dann geschah es, daß sie den Kessel wieder zu stürzen versuchte.

»Scht, Katze, du brennst dich!«schrie der Schneider, und zwar so laut und erschreckend, daß sie über den Fußboden schlitterten, die eine über die andere, und dann fuhren sie fort zu hopsen und zu tanzen wie vorher.

Dann schlug die große Katze einen Kreis außen um den Ring herum, und so begannen sie von neuem zu tanzen, schneller und schneller, und zum Schluß so schnell, daß es dem Schneider ganz drehend wurde. Sie glozten ihn an mit solch häßlichen großen Augen, als ob sie ihn lebend verschlingen wollten. —Ehe er sich versah hatte die große Katze, die vorhin im Begriff war, den Kessel umzustürzen, ihre Tatze in den Ring hineingestreckt, so als ob sie Lust hätte, den Schneider anzukrallen. Aber als der Schneider das sah, zog er sein Messer aus dem Gürtel hervor und hielt es bereit. Als ihm die Tatze plötzlich wieder entgegenfuhr, hackte er sie geschwind ab, und alle Katzen stürzten hinaus, so schnell wie möglich, mit Geheul und mit Geschrei.

Der Schneider jedoch legte sich nieder im Ring und schlief, und zwar so lange, bis die Sonne weit auf den Fußboden zu ihm hineinschien. Dann stand er auf, verschloß die Mühle und ging zum Erbhof hinauf.

Als er in die Stube hineinkam, lagen beide, der Mann und seine Frau, noch im Bett, denn es war Pfingstmorgen. »Gesegneten Tag!« sagte der Schneider und gab dem Manne die Hand.

»Danke, dir auch«, sagte der Mann, und er war froh und verwundert, daß er den Schneider wiedersah, das kann man sich denken.

»Gesegneten Tag, Mutter!«sagte der Schneider zur Frau und bot ihr die Hand.

»Danke, dir auch«, sagte die Frau. Aber sie war so bleich und sah so seltsam verstört aus, und ihre Hand versteckte sie unter der Pelzdecke,



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aber schließlich reichte sie ihm die Linke. Da verstand der Schneider, wie alles zusammenhing. Was er aber dem Manne sagte, und wie es dem Weibe weiterhin erging, das habe ich nie vernommen«.

»Die Mülleralte war selbst eine Trollhexe?« fragte der Junge, der mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatte.

»Das kannst du wohl glauben«, sagte der alte Graubart.

Es war nicht mehr länger möglich, ein Wort zu hören, denn die Säge ging wieder mit Saus und Braus. Der Mann stand auf, und meine Müdigkeit war weg nach der kurzen Rast. Deshalb sagte ich Lebewohl zu dem Alten und ging mit dem nachtscheuen Jungen zusammen davon, den Fluß entlang und durch Sümpfe nieder ins Tal. Aus dem Rauchschleier der Stadt erhob sich Schloß Akershus mit seinen Türmen, das trat alles klar hervor gegen den Spiegel des Fjords. Der Himmel war nicht ganz rein und es war etwas Windzug in Wolken und Luft. Das Mondlicht mischte sich mit der Dämmerung der Sommernacht und dämpfte die Umrisse im Vordergrund der Landschaft, die sich zu unseren Füßen erstreckte. Aber über dem Fjord lag der Mondschein, blank und schimmernd, während die bläulichen Schatten der Berge sich gegen den Himmel zu übereinander schichteten, und der Landschaft den fernen Rahmen gaben.

Erquickt vom kühlen Bad des Nachttaus sandten Fiolen und andere Nachtblumen ihren lieblichen Duft über die Wiesen aus, aber von Sümpfen und Flußläufen kamen ab und zu feuchte Lüfte, die mich anwehten.

»Huff, es schaudert mich!« sagte mein Begleiter. Er glaubte wohl, daß diese Lüfte von nächtlichen Geistern ausgeatmet wären und meinte, er sähe eine Trollhexe oder eine Katze mit glühenden Augen in jedem Busch, der sich im Winde rührte.


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