Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Puppe im Grase

Es war einmal ein König, der hatte zwölf Söhne. Als sie groß wurden, sagte er zu ihnen, daß sie in die Welt hinausziehen sollten, um sich eine Frau zu suchen. Aber jede müsse spinnen, weben und ein Hemd nähen können in einem Tage, sonst wolle er sie nicht als Schwiegertochter haben. Jedem seiner Söhne gab er ein Pferd und eine neue Rüstung, und so zogen sie in die Welt hinaus und wollten diese Frau suchen. Aber als sie ein Stück Weges zurückgelegt hatten, sagten sie, Askeladden, den Jüngsten, wollten sie nicht mit haben, denn er tauge zu gar nichts. —Ja, Askeladd mußte zurückbleiben, da war nichts zu machen, und er wußte nicht, was er tun und wohin er sich wenden sollte. Er wurde so traurig, daß er vom Pferd stieg und sich ins Gras setzte und weinte. Aber als er eine kleine Weile so gesessen hatte, begann sich ein Hügelchen im Gras zu rühren, und daraus hervor kam ein kleines weißes Ding, und als es näher kam, sah Askeladd, daß es ein niedliches kleines Mädchen war; aber sie war so winzig klein. Sie ging auf ihn zu und bat ihn, ob er nicht herunter kommen wollte und sich die Puppe im Grase ansehen; ja das wollte er und tat das auch.

Als er zu ihr gekommen war, saß die Puppe im Grase auf einem Stuhl und zwar so zierlich und wunderbar. Sie fragte Askeladden, wohin er wolle und in welchem Auftrag er reise. — Er erzählte, daß er einer von zwölf Brüdern sei, und daß sein Vater, der König, jedem Pferd und Rüstung gegeben und gesagt habe, er solle in die Welt hinausziehen und sich eine Frau suchen. Aber sie müsse spinnen und weben und ein Hemd nähen können in einem Tag. »Aber wenn du das tun und meine Frau werden willst, so will ich nicht länger suchen«, sagte Askeladd zur Puppe im Grase. Ja das wolle sie gerne, und sie beeilte sich mit Spinnen und Weben und Nähen des Hemdes, aber das wurde so winzig klein, nicht größer als so -.

Mit diesem Hemd reiste nun Askeladd heim. Und als er es daheim vorwies, schämte er sich, denn es war so klein. Gleichwohl sagte der König, daß er sie als Schwiegertochter haben wolle, und so ritt Askeladd froh und lustig zurück, um seine kleine Liebste zu holen. — Als er zur Puppe im Grase kam, wollte er sie zu sich aufs Pferd heben, aber nein, das wollte sie nicht. Sie sagte, sie wolle sitzen und in einem



110 Das blaue Band Norw. Märchen Flip arpa

Silberlöffel fahren, und sie hätte selbst zwei kleine, weiße Pferde, die sie ziehen würden. So reisten sie davon, er zu Pferd und sie im Silberlöffel, und die Pferde, die sie zogen, waren zwei kleine, weiße Mäuse. Doch Askeladd hielt sich allzeit auf der anderen Seite des Weges, denn er hatte Angst, er würde in das kleine Gefährt hineinreiten. Sie war ja so winzig klein! —Als sie ein Stück Weges zurückgelegt hatten, kamen sie zu einem großen Wasser, da scheute das Pferd von Askeladd, schwenkte auf die andere Seite des Weges und kippte dabei den Silberlöffel um, sodaß die Puppe im Gras ins Wasser fiel. Askeladd war darüber ganz außer sich, er wußte nicht, wie er sie wieder herauskriegen sollte. Aber nach einer kleinen Weile tauchte ein Wassermann mit ihr herauf, und nun war sie genau so groß geworden wie andere erwachsene Menschen und noch viel wunderbarer als vorher. So setzte er sie vor sich aufs Pferd und ritt mit ihr heim.

Als Askeladd dort ankam, waren auch all seine Brüder schon gekommen, jeder mit seiner Liebsten. Aber die waren so häßlich und wüst und so schlimm, daß sie sich bereits unterwegs mit ihren Liebsten bei den Haaren hatten. Auf dem Kopf hatten sie Hüte, die mit Pech und Ruß bemalt waren, und das tropfte nun von den Hüten nieder über die Angesichter, sodaß sie noch häßlicher und grauslicher wurden. Als die Brüder Askeladdens Liebste sahen, wurden sie neidisch auf ihn allesamt. Aber dem Könige waren die beiden so lieb, daß er alle anderen zur Tür hinaus jagte. Und so hielt Askeladd Hochzeit mit der Puppe im Grase, und seit dem leben sie gut und glücklich eine lange, lange Zeit. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt