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Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Herrenpeter

Es waren einmal ein paar arme Leute, die hatten gar nichts weiter, als drei Söhne. Wie die zwei ältesten hießen, das weiß ich nicht, aber der Jüngste hieß Peter.

Als die Eltern tot waren, sollten die Kinder sie beerben, aber da war nichts anderes zu bekommen als ein Topf, ein Backblech und eine Katze.

Der älteste, der das beste haben sollte, er nahm den Topf: »Wenn ich den Topf ausleihe, so wird man mir allezeit erlauben, ihn auszuschlecken«, sagte er. Der zweite nahm das Backblech: »Denn wenn ich das Backblech ausleihe, bekomme ich allezeit eine Lefze zu kosten«, sagte er. Aber der Jüngste hatte keine Wahl mehr, wenn er etwas haben wollte, so mußte es die Katze sein. »Wenn ich die Katze ausleihe, so bekomme ich nichts für sie«, sagte er, »bekommt die Katze einen Milchrest, so will sie ihn selbst haben. Aber ich werde sie trotzdem mitnehmen, es wäre schade, wenn sie hier allein zurückbleiben würde, und sterben müsse.«

So zogen die Brüder in die Welt hinaus, um ihr Glück zu versuchen und jeder ging seinen Weg.

Als der Jüngste ein Stück gewandert war, sagte die Katze: »Du sollst genug dafür bekommen, daß du mich in der alten Hütte nicht zurücklassen wolltest, wo ich verloren gewesen wäre. Nun werde ich fort in



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den Wald springen und einige seltene Tiere fangen. Dann wirst du damit hinauf zum Königshof gehen, den du dort siehst, und sagen, du kämest mit einer kleinen Sendung für den König. Wenn er fragt, von wem sie kommt. sollst du sagen: »Die ist von ihm, vom Herrenpeter!«

Ja, Peter hatte nicht lange zu warten, so kam die Katze auch schon mit einem Rentier aus dem Wald. Sie war auf den Kopf des Rentieres gesprungen und hatte sich zwischen das Geweih gesetzt: »Wenn du nicht gleich zum Königshof gehst, so kratze ich dir die Augen aus«, sagte sie, und so getraute sich das Rentier nicht, etwas anderes zu tun.

Als nun Peter zum Königshof kam, ging er in die Küche mit dem Rentier und sagte :»Ich komme nur mit einer kleinen Sendung für den König, wenn er es nicht verschmähen will.«

Der König kam in die Küche hinab, und als er das große, prächtige Ren sah, war er sehr froh. »Doch, mein lieber Freund, wer ist es, der mir solch prachtvolle Sendung schickt?« fragte der König.

»Ach«, die kommt doch von ihm, dem Herrenpeter!« sagte der Junge.

»Er, der Herrenpeter?« sagte der König, »woher soll ich nun wissen, wo er wohnt?« —denn er schämte sich, daß er einen so guten Mann nicht kennen sollte.

Aber der Junge wollte nicht damit heraus, er dürfe nichts verraten von seinem Dienstherren, sagte er. So gab der König ihm viel Trinkgeld und bat ihn, fleißig zu grüßen zu Haus und vielen Dank für die Sendung zu sagen.

Am anderen Tage ging die Katze wieder zum Wald und sprang auf den Kopf von einem Hirsch, setzte sich zwischen die Augen von ihm und zwang ihn zum Königshof zu gehen. Peter ging wieder mit ihm in die Küche und sagte, er sei mit einer neuen Sendung für den König da, wenn er es nicht verschmähen würde. Der König war über den Hirsch eher noch glücklicher als über das Ren und fragte wieder, wer es sei, der ihm so herrliche Sendungen schicken könne. »Das ist doch von ihm, dem Herrenpeter«, sagte der Junge, aber als der König wissen wollte, wo der Herrenpeter wohnte, bekam er dieselbe Antwort wie am Tage vorher, und diesmal bekam Peter eher noch mehr Trinkgeld.

Am dritten Tage kam die Katze mit einem Elch. Als Peter mit ihm in die Küche kam, sagte er, daß er noch eine kleine Sendung für den König hätte, falls er es nicht verschmähen würde.

Auf einmal kam der König in die Küche und als er den großen, prachtvollen Elch zu sehen bekam, wurde er so froh, daß er nicht wußte, auf welchem Fuß er stehen sollte, und an diesem Tage gab er



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Peter viel, viel mehr Trinkgeld. Das waren gewiß hundert Taler. Er wollte endlich wissen, wo er, der Herrenpeter wohne und forschte und fragte eins ums andere mal. Aber der Junge sagte, er traue sich nicht wegen seines Dienstherren, denn der hätte es verboten, und zwar strikt und streng.

»So bitte ihn, den Herrenpeter, mich zu besuchen«, sagte der König.

Ja, das würde der Junge ausrichten, sagte er.

Aber als er vom Königshof wieder herauskam und die Katze traf, so sagte er: »Da hast du mir was Schönes eingebrockt, nun will der König, daß ich ihn besuche, und ich habe nichts anderes als die Lumpen, die ich auf dem Leib trage.

»Ach, hab du deswegen mal keine Sorgen«, sagte die Katze, »in drei Tagen sollst du Pferde und Wagen haben und prächtige Kleider, daß du von Gold nur so tropfen sollst. So kannst du gut den König besuchen. Aber was du auch siehst beim König, so sollst du sagen, du hättest es noch prächtiger und feiner zu Hause; das mußt du nicht vergessen«.

»Nein, daran will ich chon denken«, sagte er.

Als die drei Tage um waren, kam die Katze mit Wagen und Pferden und Kleidern, und allem, was Peter brauchte. Alles war so prächtig, wie es nie jemand vorher gesehen hatte. So reiste er, und die Katze sprang mit. Der König nahm beide gut auf; aber was der König ihm auch bot und zeigte, so sagte Peter, das sei ganz schön, aber er hätte es feiner und prächtiger zu Hause. Dem König gefiel das nicht, doch Peter blieb dabei, und schließlich wurde der König so böse, daß er sich nicht mehr beherrschen konnte. »Nun will ich mit dir heimgehen«, sagte der König, »und nachsehen, ob das wahr ist, daß du es so viel prächtiger und feiner hast. Aber lügst du, so gnade dir Gott, mehr will ich nicht sagen«.

»Du hast mich in eine schlimme Sache hineingeritten!« sagte Peter zur Katze, »nun will der König mit mir heimreisen; aber mein Heim, es ist nicht leicht zu finden«.

»Ach, darum mach dir keine Sorgen«, sagte die Katze, »reise du nur hinterher, ich springe dir voraus«.

So fuhren sie los, zuerst Peter, welcher hinterherfuhr, wo die Katze vorauslief, und dann der König mit seiner Gefolgschaft.

Als sie ein gutes Stück gefahren waren, kamen sie zu einer großen, dicken Herde mit schönen Schafen; sie hatten so lange Wolle, daß sie meist hinterher schleifte.

»Willst du sagen, daß diese Schafherde ihm, dem Herrenpeter ge-1



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hört, wenn der König dich fragt, so sollst du diesen Silberlöffel bekommen«, sagte die Katze zum Hütejungen. Den Silberlöffel hatte sie vom Königshof mitgenommen.

Ja, das würde er gerne machen.

Als nun der König kam, fragte er den Hütejungen: »Noch niemals habe ich eine so große, schöne Schafherde gesehen. Wem gehört sie, mein lieber Junge?«

»Die gehört dem Herrenpeter«, sagte der Junge.

Ein wenig später kamen sie zu einer großen, großen Herde schöner, gefleckter Kühe, die waren so fett, daß sie nur so glänzten.

»Willst du sagen, daß die Herde ihm gehört, dem Herrenpeter, wenn der König dich fragt, sollst du die Silberschöpfkelle bekommen«, sagte die Katze zur Hütedirne. Den Silberschöpflöffel hatte sie auch mitgenommen vom Königshof.

»Ja, gerne«, sagte das Hütemädchen.

Als nun der König kam, war er ganz verwundert über die große, prächtige Herde, denn so schöne Tiere hatte er niemals vorher gesehen, und so fragte er das Mädchen, welches da ging und hütete, wem diese gefleckte Herde gehöre.

»Ach, die gehört ihm, dem Herrenpeter«, sagte das Mädchen.

So reisten sie ein wenig weiter und kamen zu einer großen, großen Pferdeherde. Das waren die schönsten Pferde, die man jemals sah, groß und kräftig, und immer sechs von jeder Farbe, rote, schwarze und blaue.

»Willst du sagen, daß diese Pferdeherde ihm, dem Herrenpeter gehört, wenn der König dich fragt, so sollst du diesen Silberbecher haben«, sagte die Katze zum Hüter. Den Becher hatte sie auch vorher vom Königshof mitgenommen.

»Ja, das will ich wohl«, sagte der Junge.

Als nun der König kam, war er ganz weg vor Verwunderung über die große, prächtige Pferdezucht, denn solche Pferde hätten nicht ihresgleichen, sagte er, und er fragte den Hütejungen, wem die roten, schwarzen und blauen Pferde gehörten.

»Die gehören alle ihm, dem Herrenpeter«, sagte der Junge.

Als sie ein gutes Stück weiter gefahren waren, kamen sie zu einem Schloß. Erst war da eine Pforte aus Messing, dann eine aus Silber, und dann eine aus Gold. Das Schloß selbst war aus Silber und so blank, daß es in die Augen stach, denn die Sonne schien auf das Schloß, als sie gerade ankamen. Dann gingen sie hinein und da sagte die Katze, daß Peter sagen sollte, er wohne hier. Innen war das Schloß noch prächtiger



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als außen, alle Dinge waren von Gold, Stühle, Tische und Bänke. Als der König nun umher gegangen war und sich alles angesehen hatte, oben und unten, wurde er ganz beschämt, »Ja, er, der Herrenpeter, hat es vornehmer als ich, das nützt nichts, es länger zu leugnen«, sagte er, und so wollte er wieder heimreisen. Aber Peter bat ihn, zu warten und mit ihm zu abend zu essen. Das machte der König, aber sauer und mürrisch war er die ganze Zeit.

Als sie bei Tisch saßen, kam der Troll, dem das Schloß gehörte, und pochte ans Tor.

»Wer ist das da drinnen, der mein Essen verzehrt und meinen Met trinkt wie ein Schwein?« rief der Troll. Sowie die Katze ihn hörte, lief sie strakt hinaus zum Tor.

»Warte ein wenig, soll ich dir erzählen, was der Bauer für Mühe auf sich nimmt mit dem Winterroggen?«fragte die Katze. »Erst pflügt der Bauer seinen Acker«, sagte sie, »dann düngt er ihn und dann pflügt er ihn wieder«.

In derselben Zeit ging die Sonne auf.

»Sieh dich um! willst du die schöne, reizende Jungfrau hinter dir sehen?« sagte die Katze zum Troll.

Der Troll drehte sich um, bekam die Sonne zu sehen und sprang entzwei.

»Nun gehört alles dir!« sagte die Katze zum Herrenpeter, »und nun sollst du mir den Kopf abhacken, das ist das einzige, was ich von dir verlange für all das, was ich für dich getan habe«.

»Nein«, sagte Peter, »das will ich gerade nicht tun«.

»Tust du das nicht«, sagte die Katze, »so kratze ich dir die Augen aus«.

So mußte Herrenpeter es tun, so ungern er es auch wollte: er schlug der Katze den Kopf ab.

Aber sogleich wurde sie zu einer lieblichen Prinzessin, sodaß Herrenpeter ganz verliebt in sie war.

»Ja, diese Herrlichkeiten gehörten mir früher«, sagte die Prinzessin, »aber der Troll hat mich verzaubert, sodaß ich eine Katze sein mußte bei deinen Eltern. Nun kannst du machen, was du willst, ob du mich zur Königin nehmen willst oder nicht, denn nun bist du König über das ganze Reich«, sagte die Prinzessin.

Nun ja, man kann sich ja denken, daß Herrenpeter sie als Königin haben wollte. So wurde Hochzeit gemacht und ein Gastgelage acht Tage lang, und dann war ich nicht länger dabei, bei Herrenpeter und seiner Königin...


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