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Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Vom Manne, der die Hauswirtschaft besorgen sollte

Es war einmal ein Mann, der war so unwirsch und rauh, er meinte, seine Frau schaffe nie genug im Hause. Während der Heuernte kam er eines abends heim, quengelte, brummte und fluchte, daß es um ihn nur so witterte.

»Lieber Freund, sei nicht so böse, Vater«, sagte die Frau, »morgen wollen wir die Arbeit tauschen, ich will mit den Mähern auf die Wiese gehen, so kannst du die Hauswirtschaft besorgen.«

Ja, damit war der Mann zufrieden und das wolle er gerne.

Zeitig am morgen nahm die Frau die Sense auf die Schulter und ging in die Wiesen, um zu mähen: der Mann sollte inzwischen alle Arbeiten in Haus und Hof verrichten. Zuerst wollte er buttern. Jedoch als er es eine Weile getan hatte, wurde er durstig und ging in den Keller hinab um Bier zu zapfen. Während er alle Hände voll zu tun hatte, hörte er, daß das Schwein in die Stube gekommen war. Er eilte mit dem Zapfen in der Faust die Kellertreppe hinauf so schnell er konnte, um



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nach dem Schwein zu sehen, daß es das Butterfaß nicht umstoße; aber als er entdeckte, daß das Schwein schon alles umgestürzt hatte und da stand und den Rahm schleckte, der über den Fußboden rann, wurde er so jähzornig, daß er gar nicht mehr an die Biertonne dachte und aus Leibeskräften dem Ferkel nachsprang. An der Tür holte er es ein und gab ihm einen so tüchtigen Fußtritt, sodaß es auf der Stelle liegen blieb. Nun besann er sich, daß er den Zapfen noch in Händen hielt, aber als er hinunter in den Keller kam, war die Biertonne leergelaufen.

Er ging zurück in die Milchkammer und fand dort noch so viel Sahne, daß er das Butterfaß noch einmal voll bekam. Er begann zu buttern, denn mittags wollte er Butter haben. Als er eine Weile gebuttert hatte, besann er sich, daß die Milchkuh noch im Stalle stand und weder zu saufen noch zu fressen bekommen hatte, obgleich der Tag schon vorgeschritten war. Er glaubte, es sei schon zu spät, um mit der Kuh auf die Wiese zu gehen. Ich werde sie auf das Grasdach lassen, dachte er. Die Hütte hatte ein Rasendach und da stand das Gras hoch und prächtig. Die Hütte stand bei einem steilen Hügel, und wenn er eine Planke zum Dach legen würde, so glaubte er die Kuh hinaufbringen zu können. Aber das Butterfaß durfte er nicht wieder allein lassen, denn sein kleiner Junge krabbelte und kroch auf dem Fußboden umher und konnte es leicht umwerfen. Er nahm also das Butterfaß auf den Rücken. Aber zuerst mußte er der Kuh Wasser geben, ehe er sie auf das Dach führte. Er nahm einen Eimer und wollte Wasser aus dem Brunnen schöpfen, aber als er sich über den Brunnenrand beugte, rann die Sahne aus dem Butterfaß ihm in den Nacken.

Es ging stark auf Mittag zu, aber Butter hatte er immer noch nicht fertig gebracht. So dachte er daran, daß er Grütze kochen wollte und hängte einen Kessel mit Wasser über das Feuer. Als er dies getan hatte, fiel ihm ein, daß die Kuh vom Dach fallen und sich den Hals und Beine brechen könne. Er ging also aufs Dach, um sie anzubinden. Das eine Ende des Strickes band er der Kuh um den Hals, das andere Ende ließ er durch den Schornstein hinab und band es sich selbst um den Schenkel, denn das Wasser kochte bereits im Kessel, und er mußte die Grütze hineinrühren. Während er das tat, fiel die Kuh doch vom Dach und riß den Mann am Strick durch den Schornstein empor. Da saß er nun fest, und die Kuh, sie hing draußen an der Wand zwischen Himmel und Erde und konnte weder hinauf noch herab kommen.

Die Frau hatte schon lang und breit darauf gewartet, daß der Mann sie zum Mittagessen rufen sollte; aber sie wartete, es dauerte und dauerte und es wurde nicht draus. Schließlich schien es ihr doch zu lang zu



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dauern und sie ging heim. Als sie die Kuh so häßlich hängen sah, ging sie hin und schnitt den Strick mit der Sense durch. Im selben Augenblick fiel der Mann durch den Schornstein hinunter. Und als die Frau in die Küche kam, steckte der Mann mit dem Kopf im Grützkessel.


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