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Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Kienspanhans, der die Königstochter zum Lachen brachte

Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter. Sie war so schön, daß ihr Name weit und breit bekannt war. Aber sie war so ernst, daß sie niemals lachen konnte. Sie tat so großartig und sagte nein zu allen, die sie freien wollten. Keinen wollte sie haben, wenn er auch noch so prächtig war, seien es nun Prinzen oder andere Herren. Der König



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hatte es seit langer Zeit satt und meinte, sie solle sich nur verheiraten wie andere auch, sie hätte keinen Grund länger zu warten, sie sei alt genug und reicher würde sie auch nicht mehr, das halbe Reich würde ihr zufallen, das sei ihr Muttererbe.

So ließ der König auf den Kirchhügeln verkünden, daß derjenige, der seine Tochter zum Lachen brächte, sie heiraten könne und das halbe Königreich dazu bekäme. Aber wenn es jemand versuchen und doch nicht fertig bringen würde, dem sollten drei rote Riemen aus dem Rücken geschnitten werden, und in die Wunden sollte Salz gestreut werden. Das war sicher, da gab es manche wunde Rücken im Königreiche. Da kamen die Freier angereist von Süden und Norden, von Osten und Westen, und sie glaubten, das sei doch keine große Sache, die Königstochter zum Lachen zu bringen. Und seltsame Kerle kamen da auch, aber trotz all der Spaßmacher, die da kamen, und trotz der Späße, die sie machten, so blieb die Königstochter dennoch unerschütterlich ernst.

Nahe beim Königshof wohnte ein Mann, der drei Söhne hatte. Die hörten auch, was der König hatte verkünden lassen, daß derjenige, welcher die Königstochter zum Lachen brächte, sie haben solle und das halbe Königreich dazu.

Zuerst wollte der älteste sich auf den Weg machen. Er verließ den väterlichen Hof und als er zum Königsschloß kam, sagte er zum König, daß er versuchen wolle, die Königstochter zum Lachen zu bringen.

»Ja, das ist schön und gut«, sagte der König, »aber das nützt nicht viel, mein Lieber, denn hier sind so viele gewesen, die es versucht haben, meine Tochter ist so traurig, daß nichts hilft, und ich will nicht, daß noch mehrere ins Unglück kommen.«

Der Junge meinte, das würde schon gehen, das könne doch keine so gefährliche Sache sein für ihn, die Königstochter zum Lachen zu bringen, denn man hätte ihn so manches Mal ausgelacht, Vornehme und Einfache, wie er noch als Soldat diente unter Niels Floymann. — So ließ der König ihn auf den Platz vor der Haustür, und vor den Fenstern der Königstochter begann der junge Mann zu exerzieren nach alten vorgeschriebenen Regeln. Aber das bewirkte nichts, die Königstochter blieb unerschütterlich ernst. So nahmen sie den Freier und schnitten ihm drei rote Riemen aus dem Rücken und schickten ihn wieder nach Hause.

Als er so angekommen war, wollte sich der zweite Sohn auf den Weg machen. Er war Schulmeister und eine wunderliche Figur von Mann. Er war lahm und hinkte, und wer das sah, dem genügte es, noch dazu



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war er winzig wie ein kleiner Junge. Wenn er sich an dem langen Bein aufrichtete, wurde er groß wie ein Troll. Und außerdem war er stark beleibt.

Also gut, er zog zum Königshof und sagte, er wolle versuchen, die Königstochter zum Lachen zu bringen. Noch sei er nicht richtig im Unglück, meinte der König, »aber Gott tröste dich, gelingt es dir nicht; breite Riemen schneiden wir von jedem, der es riskiert«.

Der Schulmeister ging auf den Platz vor der Haustür. Dort stellte er sich vor den Fenstern der Königstochter auf und predigte und agierte wie sieben Pastoren zusammen, und er las und sang wie sieben Glöckner zusammen, die hier im Ort gewesen waren. Der König lachte, daß er sich an den Säulchen der Galerie festhalten mußte, und bei der Königstochter wollte gerade ein Lächeln beginnen, aber dann war sie doch wieder gleich unerschütterlich ernst. Und so ging das nicht besser mit Paul, dem Schulmeister, als es mit Per, dem Soldaten gegangen war, denn Per und Paul hießen sie, das muß man wissen. Sie nahmen ihn und schnitten drei rote Riemen aus seinem Rücken, streuten Salz hinein und schickten ihn wieder nach Hause.

Nun wollte der Jüngste sich auf den Weg machen, und das war Kienspanhans. Aber seine Brüder lachten ihn aus und hatten ihn zum besten und zeigten ihm ihre wunden Rücken. Und der Vater wollte ihm die Erlaubnis nicht geben. Er sagte, das sei nichts für ihn, denn er habe ja keinen Verstand, nichts könne er und nichts tue er, er säße nur beim Herd wie eine Katze, schüre in der Glut und schnitze Kienspäne. Aber Kienspanhans gab sich nicht damit zufrieden, er maulte und bat so lange, bis der Vater müde wurde von seinem ständigen Drängen, und zum Schluß bekam er doch die Erlaubnis, zum Königshof zu gehen und sein Glück zu versuchen.

Als er am Königshof ankam, sagte er nicht, daß er die Königstochter zum Lachen bringen wollte, sondern er bat darum, ob er nicht Dienste leisten könne. Nein, sie hätten keine Dienste für ihn. Aber Kienspanhans gab es nicht auf, sie brauchten gewiß einen, der Wasser und Holz für die Küche trägt ,»in einem so großen Hof«, sagte er. Ja, das schien dem König kein Unglück zu sein, und er war wohl auch durch seine Beharrlichkeit weich geworden. So bekam Kienspanhans die Erlaubnis, dazubleiben und Holz und Wasser für das Küchenmädchen zu tragen.

Eines Tages, als er Wasser aus dem Bach holen sollte, sah er plötzlich einen großen Fisch, welcher unter einer alten Kiefernwurzel stand, wo das Wasser die Erde ausgeholt hatte. Er schob seinen Eimer ganz



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sacht unter den Fisch und nahm ihn mit. Aber als er zum Königshof wieder heimgehen wollte, traf er eine alte Frau, welche eine Goldgans führte.

»Guten Tag, Großmutter«, sagte Kienspanhans, »das ist ein feiner Vogel, den du da hast, und so goldene Federn hat er! Das leuchtet ja den ganzen Weg entlang. Hätte ich eine solche Feder, brauchte ich nicht mehr Kienspäne zu schnitzen«. —Der Alten gefiel der Fisch ebenso gut, den Hans in seinem Eimer hatte, und sie sagte, wenn er ihr den Fisch geben würde, könne er die Goldgans haben, und die sei so geartet, daß derjenige, der sie anrühre, daran festklebe, wenn er nur das Sprüchlein sagen würde:

»Mit gehn wär das beste,
drum häng daran recht feste!«

Ja, diesen Tausch wollte Kienspanhans recht gerne eingehen. Der Vogel ist wohl ebenso gut wie der Fisch, sagte er zu sich selbst .»Ist er wirklich so, wie du sagst, so kann ich ihn gut brauchen zum Fische fangen«, sagte er zu der Alten und war wohl zufrieden mit der Gans.

Er war noch nicht lang gegangen, so traf er ein altes Weib. Als sie die feine Goldgans sah, wollte sie hin und sie gar so gerne tätscheln. Sie betrug sich so freundlich und bat Kienspanhans, ob sie nicht die Erlaubnis bekommen könne, seine hübsche Goldgans zu streicheln.

»Kann sein«, sagte Kienspanhans, »aber du mußt darauf achten, daß du ihr nicht die Federn umknickst«. Als sie die Goldgans berührte, sagte er:

»Mit gehn wär das beste,
drum häng daran recht feste!«

Das alte Weib schlug und riß, aber sie blieb daran hängen und mußte mit, ob sie wollte oder nicht. Und Kienspanhans ging weiter, als sei er alleine mit seiner Goldgans. Als er noch ein Stück weiter ging, traf er einen Mann, der hatte etwas auszuhandeln mit dem alten Weib für einen Fußtritt, den sie ihm einmal gegeben hatte. Als er sah, daß sie so hart kämpfte, um frei zu kommen, dachte er, jetzt hängt sie da gut fest, und es schien ihm sicher zu sein, jetzt könne er ihr einen Fußtritt geben als »Dank für das letzte Mal«. Und so trat er gegen das alte Weib mit dem einen Fuß.

»Mit gehn wär das beste,
drum häng daran recht feste!«

sagte Kienspanhans, und der Mann mußte mitkommen und auf einem Bein hinterherhüpfen, ob er wollte oder nicht, und so viel er riß und schlug und los wollte, wurde es nur schlimmer und er lief Gefahr, auf



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den Hintern zu fallen. So ging das ein gutes Stück bis sie in den Königshof kamen. Da mußte der Schmied zum König; er sollte ihm etwas schmieden und hatte eine große Schmiedezange in Händen. Dieser Schmied war ein Tropf, der stets voller Leben und Narrenstreiche war, und als er das hinkende und hüpfende Gefolge sah, lachte er zuerst, als er so im Spottwinkel stand, aber dann sagte er: »Das ist ja eine feine Gänseherde, welche die Prinzessin haben soll. Wer ist nun davon der Gänserich und wer die Gans? Das muß wohl der Gänserich sein, welcher da voraus geht. Hulehule Gänschen«, lockte er und warf die Hände, als ob er Futter streue für eine Gänseherde.

Aber die Herde hielt nicht an. Das alte Weib und der Mann sahen nur böse zum Schmied, weil er sie verspottete. Da sagte der Schmied:

»Das wäre doch spaßhaft, die ganze Gänseherde zu halten, so viele es sind.«

Er war ein starker Mann. Und so zwickte er mit der Schmiedezange den alten Mann ins Hinterteil. Und der Mann schrie und wand sich, aber Kienspanhans sagte:

»Mit gehn wär das beste,
drum häng daran recht feste!«

So mußte der Schmied auch mit. Er krümmte seinen Rücken, stemmte sich dagegen und wollte los, aber das ging nicht, so saß er fest, als ob er in den großen Schraubstock der Schmiede eingeschraubt sei, und ob er wollte oder nicht, so mußte er doch mit im Reigen.

Als sie richtig in den Königshof gelangten, fuhren die Hofhunde dazwischen und bellten, als ob der Zug ein Scheuerbesen wäre oder ein Zigeuner. Als nun die Königstochter hinausschaute, um zu sehen, was da passierte und diesen Fastnachtszug zu sehen bekam, setzte sie an zum Lachen. Aber Kienspanhans war damit nicht zufrieden. »Warte ein wenig, ich mache dir die Lachtür noch besser auf«, sagte er und machte eine Wendung im Königshof mit seinem ganzen Gefolge.

Als sie an der Küche vorbei kamen, stand die Tür offen und die Köchin war gerade dabei, die Grütze zu stampfen. Aber als sie Kienspanhans und seine Herde sah, kam sie sofort aus der Tür heraus mit dem Quirl in der einen Hand und den Kochlöffel mit dampfender Grütze in der anderen, und sie lachte, daß sie bebte. Und als sie vollends noch sah, daß der Schmied dabei war, schlug sie sich auf die Schenkel und lachte noch gewaltiger. Doch als sie sich richtig ausgelacht hatte, schien auch ihr die Goldgans so fein und lieb zu sein, daß sie hingehen wollte und sie streicheln.

»Kienspanhans, Kienspanhans!« schrie sie und lief hinterher mit



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dem Grützelöffel in der Faust, »darf ich den lieben Vogel einmal streicheln, den du da hast?«

»Kann sein«, sagte Kienspanhans.

»Laß sie doch lieber mich streicheln«, sagte der Schmied.

Als die Köchin das hörte, wurde sie böse. »Was hast du gesagt?« schrie sie und schlug nach dem Schmied mit dem Grützelöffel.

»Mit gehn wär das beste,
drum häng daran recht feste!«

sagte Kienspanhans. Da saß sie fest, sie also auch. Und obgleich sie schalt und schlug und riß und ganz wild wurde, so mußte sie doch mit. Aber als sie nun vor das Fenster der Königstochter kamen, da stand sie schon und wartete auf Kienspanhans mit seinem Gefolge. Als sie aber sah, daß er die Köchin auch mitgefangen hatte samt Quirl und Grützelöffel, da erscholl eine ganze Lachsalve aus ihrem Munde, und sie lachte und lachte, daß der König sie stützen mußte.

So bekam Kienspanhans die Königstochter zur Frau und das halbe Königreich obendrein. Und eine prächtige Hochzeit wurde gehalten, von der man überall hörte und erzählte.


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