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Das blaue Band


Norwegische Märchen Band II

Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Der Küchenjunge und die Prinzessin

In einem fernen, fernen Land war einmal ein König, der einen Floh zu züchten begann. Er mästete ihn sieben Jahr lang. Er gab ihm das Beste zu fressen, was man sich nur denken kann an Speisen und süßem Getränk, bis er ganz groß und rund war.

Zum Schluß war er dem Platzen nahe. Der König schlachtete ihn, zog ihm das Fell ab und hängte es auf den Heuboden. Sobald es fertig getrocknet war, enthaarte er es im Bach, schabte die Fleischreste ab, rieb es mit Weidenrinde ab und legte es dann in einen Rindenkübel und gerbte es mit Tannen- und Birkenrinde.

Kaum daß dies Leder fertig war, sandte er auch schon nach dem Schuhmacher. Der kam in fliegender Eile mit Nadel und Messer, mit Leisten und Pechfaden und machte Tanzschuhe daraus für die jüngste Königstochter.

Das wurden wohl Tanzschuhe, die unverwüstlich waren. Die Prinzessin sprang und hüpfte, tanzte und flog, drehte sich und trippelte



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und trampelte auf dem Fußboden, so lange der Tag war, und wurde niemals müde. —

Da es sich herumsprach, wie flink die Prinzessin tanzte, kamen die Freier haufenweise angefahren, solche vom Norden, andere vom Süden, welche vom Osten, andere vom Westen, Reiche und Stolze. Aber die Prinzessin hielt alle zum Narren und sandte sie dahin zurück, wo sie hergekommen waren. Es half nichts, was der König auch sagte oder wie prächtig und stolz die Königssöhne waren, die um ihre Hand baten. Die Prinzessin kicherte und lachte sie aus. Beleidigungen und Scheltworte waren das einzige, was sie für sie übrig hatte.

Der König war schließlich dieses Freiertanzes müde und ließ auf allen Kirchhügeln und Thingstätten ausrufen, daß derjenige, welcher imstande wäre zu erraten, woraus die Tanzschuhe der Königstochter gemacht waren, sie haben sollte und die Hälfte von seinem Reich und Land dazu.

Am ersten Tage kamen die Reichsten aus allen Dörfern und allen Ländern. Sie errieten viel und vieles sowie Gleiches und Ungleiches, aber niemand fand das rechte. Obgleich sie alle zusammen große Herren, Prinzen und Könige und so prächtig waren, daß es leuchtete und in strotzender Fülle an ihnen herabhing, mußten sie trotzdem heimfahren mit einer Nase sooo lang. —

Am anderen Tage, als der mittlere Stand kommen sollte, erging es denen ebenso und um nichts besser.

Am dritten Tage kamen alle Geringen. Das ist wohl nicht so verwunderlich, daß viele von ihnen die Prinzessin und das halbe Königreich begehrten. Und es wimmelte und kroch nur so von Fremden über den ganzen Königshof, auf allen Wegen und Hügeln rundherum. Es war genau wie auf einem Thingplatz. Wenn sie hereingelassen wurden, ging es immer auf die gleiche Weise zu, den einen Weg hinauf und den anderen herunter, so lang der Tag währte, aber keiner konnte sagen, woraus die Tanzschuhe der Prinzessin gemacht waren.

»Habt ihr alle, aus dem ganzen Lande, hierhergerufen?« fragte der König. —

»Ja, jeden einzelnen, der nur kriechen kann, große wie kleine, außer dem Küchenjungen, aber der kann es ja bestimmt nicht erraten«, sagten die Diener.

»Das hilft nichts, auch er muß sein Glück versuchen dürfen«, sagte der König, »wo ist er?«fragte er.

»0, er sitzt wie immer an der Feuerstelle und wühlt und stochert in der Asche«, antworteten sie.



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»Beeilt euch, ihn zu finden,« sagte der König, »und zwar stehenden Fußes«!

So liefen sie so schnell sie konnten, daß sie sich Schuhe und Socken abliefen. Nach einer Weile kamen sie zurück, den Küchenjungen hinter sich herziehend, sodaß die Fetzen und der Aschenstaub umherflogen auf alle, die da standen.

»Bist du der Kerl, der imstande ist, zu erraten, woraus die Tanzschuhe meiner jüngsten Tochter gemacht sind?«fragte der König.

Dem atemlosen Küchenjungen hing die Zunge aus dem Mund, daß ihm das Wasser nur so tropfte, bald auf ihn, bald auf den König, bald auf die Prinzessin und bald auf die anderen Großen. Und so sagte er:

»O weh, o, weh, ich juck und reib',
sie quälen mich am eignen Leib,
und wenn die Schuhe hüpfen fein...
aus Floh-Haut könnten sie wohl sein«

stammelte er, während ihm der Speichel herunterrann und er sich schabte und kratzte.

Der Küchenjunge hatte das rechte gefunden und die Prinzessin und das halbe Reich und Land gewonnen.

Nun bat der König alle am Königshofe, den Brautlauf zu richten, und das schnell und eilig. Das taten sie auch rastlos, denn mit ihm war nicht zu spaßen. Sie wußten von früher, daß, wenn der König es so wollte, alles richtig und bestens verlaufen mußte.

So feierten die Prinzessin und der Küchenjunge Hochzeit.

Snip, snap, snaus,
nun ist das Märchen aus.


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