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KINDER-UND

HAUSMÄRCHEN


Gesammelt durch die Brüder Grimm



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Vollständige Ausgabe mit über 160 Holzschnitten von Ludwig Richter

GONDROM VERLAG BAYREUTH


Das junggeglühte Männlein

Zur Zeit, da unser Herr noch auf Erden ging, kehrte er eines Abends mit dem heiligen Petrus bei einem Schmied ein und bekam willig Herberge. Nun geschah's, daß ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedrückt, in dieses Haus kam und vom Schmied Almosen forderte. Des erbarmt sich Petrus und sprach: »Herr und Meister, so dir's gefällt, heil ihm doch seine Plage, daß er sich sein Brot selbst gewinne.«Sanftmütig sprach der Herr: »Schmied, leih mir deine Esse und lege mir Kohlen an, so will ich den alten kranken Mann zu dieser Zeit verjüngen.« Der Schmied war ganz bereit, und Sankt Petrus zog die Bälge, und als das Kohlenfeuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Männlein, schob's in die Esse, mitten ins rote Feuer, daß es drin glühte wie ein Rosenstock und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Löschtrog, zog das glühende Männlein hinein, daß das Wasser über ihn zusammenschlug, und nachdem er's fein sittig abgekühlt, gab er ihm seinen Segen; siehe, zuhand sprang das Männlein heraus, zart, gerade, gesund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen hatte, lud sie alle zum Nachtmahl. Er hatte aber eine alte, halbblinde, buckelige Schwiegermutter, die machte sich zum Jüngling hin und forschte ernstlich, ob ihn das Feuer sehr gebrennt habe. Nie sei ihm besser gewesen, antwortete jener, er habe da in der Glut gesessen wie in einem kühlen Tau.

Was der Jüngling gesagt hatte, das klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau, und als der Herr frühmorgens die Straße weitergezogen war und dem Schmied gedankt hatte, meinte dieser, er könnte seine alte Schwiegermutter auch jung machen, da er fein ordentlich alles mitangesehen habe und es in seine Kunst schlage. Rief sie deshalb an, ob sie auch wie ein Mägdlein von achtzehn Jahren in Sprüngen daher wollte gehen. Sie sprach: »Von ganzem Herzen«, weil es dem Jüngling auch so sanft angekommen war. Machte also der Schmied große Glut und stieß die Alte hinein, die sich reckte und bog und grausames Mordgeschrei anstimmte. »Sitz still! Was schreist



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und hüpfst du? Ich will erst weidlich zublasen!«Zog damit die Bälge von neuem, bis ihr alle Haderlumpen brannten. Das alte Weib schrie ohne Ruhe, und der Schmied dachte: Kunst geht nicht recht zu, nahm sie heraus und warf sie in den Löschtrog. Da schrie sie überlaut, daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur (Schwiegertochter) hörten. Die liefen beide die Stiegen herab und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammengeschnurrt im Trog liegen, das Angesicht gerunzelt, gefaltet und ungeschaffen. Darob sich die zwei, die beide mit Kindern gingen, so entsetzten, daß sie noch dieselbe Nacht zwei Jungen gebaren, die waren nicht wie Menschen geschaffen, sondern wie Affen; liefen zum Wald hinein, und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.


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