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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 5

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM PRINZEN SAIF EL-MULÛK UND DER PRINZESSIN BADÎ'AT EL-DSCHAMÂL

Einst lebte in alten Zeiten und in längst entschwundenen Vergangenheiten ein König in Ägyptenland, der war 'Asim ibn Safwân geheißen. Er war ein freigebiger und edler König, ein ehrfurchtgebietender und würdevoller Herrscher; und er besaß viele Länder, Burgen und Festen, Truppen und Krieger; auch hatte er einen Wesir, der Fâris ibn Sâlih hieß. Doch alle pflegten die Sonne und das Feuer zu verehren statt des mächtigen und majestätischen Königs der Ehren. Nun war dieser König ein hochbetagter Greis geworden, den Alter und Krankheit und Schwäche gebrechlich gemacht hatten; denn er hatte hundertundachtzig Jahre gelebt. Aber er hatte keine Kinder, weder einen Sohn noch eine Tochter; und darum sorgte und grämte er sich Tag und Nacht. Da begab es sich eines Tages, daß er auf dem Thron seiner Herrschaft saß, während die Emire und Wesire, die Hauptleute und die Großen des Reiches ihm aufwarteten, wie es das Herkommen heischte, ein jeder an seiner Stelle; und sooft einer der Wesire zu ihm eintrat, der einen Sohn oder gar zwei Söhne bei sich hatte, beneidete der König ihn und sprach bei sich selber: ,Ein jeder von diesen ist glücklich und freut sich seiner Kinder; nur ich habe kein Kind, und wenn ich morgen sterbe und mein Reich und meinen Thron, meine Länder und Schätze und all mein Gut verlasse. so werden Fremde sie nehmen, niemand wird meiner mehr gedenken, und mein Andenken wird in der Welt erlöschen.' Da versank der König 'Âsim in ein Meer von trüben Gedanken; und wie die Flut der Sorgen und Ängste auf sein Herz einstürmte, begann er zu weinen; und er stieg von seinem Throne



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herab, setzte sich auf den Boden und demütigte sich unter Tränen vor dem Herrn. Als der Wesir und die Schar der Großen des Reiches, die zugegen waren, ihn also mit sich selber tun sahen, riefen sie dem Volke die Worte zu: ,Geht in eure Häuser und ruhet dort, bis der König sich von dem Leiden erholt, das ihn befallen hat!' Da gingen alle fort, und nun blieben der König und der Wesir allein; und sobald der König wieder zu sich kam, küßte der Wesir den Boden vor ihm und sprach zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, was ist der Grund dieses Weinens? Tu mir kund, wer von den Königen oder den Befehlshabern der Festungen, den Emiren oder den Großen des Reiches sich wider dich empört hat! Laß mich wissen, wer sich dir widersetzt, o König, auf daß wir alle über ihn herfallen und ihm die Seele mitten aus dem Leibe reißen!' Doch der König sprach nicht, noch hob er sein Haupt! Da küßte der Wesir zum zweiten Male den Boden vor ihm und hub wiederum an: ,O größter König unserer Zeit, ich bin wie dein Sohn und dein Knecht, und du hast mich wie ein Kind gehegt; und dennoch kenne ich nicht den Grund deines Grams, deiner Sorge und deines Kummers und der Not, die dich befallen hat. Aber wer anders als ich sollte ihn wissen? Wer sollte meine Stelle vor dir einnehmen? So tu mir doch den Grund dieses Weinens und dieser Trauer kund!' Doch auch jetzt sprach der König nicht; er tat seinen Mund nicht auf, noch erhob er sein Haupt. Er weinte nur immer weiter, ja, er schrie mit lauter Stimme, er klagte in bitterem Jammer und erhob den Weheruf, während der Wesir ihm still zuschaute. Nach einer Weile aber hub der Wesir von neuem an: ,Wenn du mir den Grund von alledem nicht sagst, so töte ich mich selbst hier vor deinen Augen noch in dieser Stunde lieber, als daß ich dich in Kummer sehe!' Da endlich erhob König 'Âsim sein Haupt, trocknete seine Tränen



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und sprach: ,O du getreuer Wesir, laß mich allein mit meinem Kummer und Gram; denn das Leid, das in meinem Herzen wohnt, ist genug für mich!' Doch der Wesir antwortete ihm: ,Sage mir, o König, den Grund dieses Weinens; vielleicht wird Allah dir durch mich Trost gewähren! '— —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 759. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß König 'Asim, als der Wesir zu ihm sprach: ,Sage mir den Grund dieses Weinens, vielleicht wird Allah dir durch mich Trost gewähren!' ihm erwiderte: ,O Wesir, ich weine nicht um Geld und Gut, noch um Rosse, noch um irgend etwas der Art. Aber ich bin doch ein alter Mann geworden, ich bin fast einhundertundachtzig Jahre alt, und ich bin nie mit einem Kinde gesegnet worden, weder mit einem Sohne noch mit einer Tochter. Und wenn ich sterbe und man mich begraben hat, so wird meine Spur ausgewischt, und mein Name erlischt! Dann nehmen Fremde meinen Thron und meine Herrschaft, und keiner denkt mehr an mich!' Der Wesir aber gab zur Antwort: ,O größter König unserer Zeit, ich bin noch um hundert Jahre älter als du, und auch mir ist nie ein Kind beschert worden. Auch ich sorge und gräme mich Tag und Nacht. Was sollen wir nun tun, ich und du? Doch ich habe die Kunde vernommen von Salomo, dem Sohne Davids - über beiden sei Heil! —, daß er einen mächtigen Herrn hat, der alle Dinge zu tun vermag.' Es gel.



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ziemt sich, daß ich mich mit einem Geschenk zu ihm begehe und mich an ihn wende, damit er seinen Herrn bitte, er möge einem jeden von uns beiden ein Kind bescheren.' Und alsbald rüstete der Wesir sich zur Reise, nahm ein prächtiges Geschenk und begab sich damit zu Salomo, dem Sohne Davids -über beiden sei Heil!

Also tat der Wesir. Salomo aber, der Sohn Davids -über beiden sei Heil! —empfing von Allah, dem Gepriesenen und Erhabenen, eine Offenbarung, da Er zu ihm sprach: ,Salomo, wisse, der König von Ägypten sendet seinen Großwesir zu dir mit Geschenken und Kostbarkeiten von derundder Art; nun sende du ihm deinen Wesir entgegen, Âsaf, den Sohn des Barachia, auf daß er ihn ehrenvoll empfange und ihm Wegzehrung an die Lagerstätten bringe. Wenn jener Wesir aber vor dich tritt, so sprich zu ihm: ,Siehe, dein König hat dich entsandt, um dasunddas zu erbitten, und dein Auftrag ist derundder! Dann biete du ihm den rechten Glauben dar!' Nun befahl Salomo seinem Wesir Âsaf. er solle eine Schar aus seiner Dienerschaft mit sich nehmen und die Fremden ehrenvoll empfangen und ihnen kostbare Wegzehrung an die Lagerstätten bringen. So brach denn Âsaf auf, nachdem er alles Nötige für den Empfang vorbereitet hatte. Und er zog dahin, bis er zu Fâris, dem Wesir des Königs von Ägypten, gelangte; da hieß er ilm willkommen, bot ihm den Friedensgruß und erwies ihm die höchsten Ehren; das gleiche taten auch die, so bei ihm waren. Dann brachte er den Ankommenden Wegzehrung und Futter für die Lagerstätten und sprach zu ihnen: ,Willkommen, herzlich willkommen seien die Gäste, die da nahen! Freuet euch; denn euer Wunsch soll euch erfüllt werden! Habt Zuversicht und grämt euch nicht, und eure Brust sei euch frei und weit!' Der Wesir jedoch sprach bei sich selber: ,Wer hat ihnen



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das wohl kundgetan?' Dann sagte er zu Âsaf, dem Sohne Barachias: ,Wer hat euch von uns und von unseren Wünschen berichtet, hoher Herr?' ,Salomo, der Sohn Davids -über beiden sei Heil! —. ist es. der uns davon berichtet hat.' ,Und wer hat es unserem Herrn Salomo kundgetan?' ,Der Herr der Himmel und der Erde. der Gott aller Kreatur, hat es ihm offenbart.' Da rief der Wesir Fâris: ,Der ist doch ein gewaltiger Gott!' Und Âsaf, der Sohn Barachias, erwiderte ihm: ,Betet ihr ihn denn nicht an?' Fâris, der Wesir des Königs von Ägypten, gab zur Antwort: ,Wir verehren die Sonne und beten sie an.' Darauf sagte Âsaf: ,O Wesir Fâris, die Sonne ist nur ein Gestirn unter vielen anderen, die von Allah, dem Gepriesenen und Erhabenen, erschaffen sind; und es sei fern, daß sie ein Herr sein sollte! Denn die Sonne geht bald auf, bald unter; doch unser Herr ist allgegenwärtig, er verschwindet nie, und er ist über alle Dinge mächtig.' Dann zogen sie eine Strecke dahin, bis sie in das Land Saba kamen und sich dem Herrscherthrone Salomos. des Sohnes Davids -über beiden sei Heil! —, näherten. Nun befahl König Salomo seinen Scharen von den Menschen und den Geistern und den anderen Lebewesen. sich neben dem Wege der Nahenden in Reihen aufzustellen. Und bald standen sie da, die Tiere des Meeres und die Elefanten und Leoparden und Panther allzumal, aufgereiht am Wege in zwei Reihen, indem die Arten einer jeden Gattung immer je für sich allein waren. Desgleichen taten auch die Dämonen; sie alle zeigten sich den sterblichen Augen unverborgen in mancherlei grausigen Gestalten. Allesamt rahmten sie auf beiden Seiten den Weg ein, und die Vögel breiteten ihre Schwingen über die Geschöpfe aus, um sie zu beschatten, und sie begannen in allen Sprachen und allen Weisen miteinander um die Wette zu singen. Als aber die Leute aus Ägypten bei ihn an ankamen, fürchteten



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sie sich vor ihnen und wagten nicht weiterzuziehen. Da rief Âsaf ihnen zu: ,Zieht hinein mitten zwischen sie und geht weiter; fürchtet euch nicht vor ihnen, denn sie sind die Untertanen Salomos, des Sohnes Davids, und keiner von ihnen wird euch ein Leids antun.' Darauf trat er zwischen die Reihen, und hinter ihm her zog alles andere Volk hinein, darunter auch der Wesir des Königs von Ägypten mit seiner Schar, von Furcht erfüllt. Sie zogen immer weiter dahin, bis sie zu der Stadt kamen; dort gab man ihnen im Hause der Gäste eine Wohnstatt, erwies ihnen die höchsten Ehren und bewirtete sie drei Tage lang in prächtigster Weise. Dann führte man sie vor Salomo, den Propheten Allahs, —über ihm sei Heil! Und als sie bei ihm eintraten, wollten sie den Boden vor ihm küssen; doch er verbot es ihnen, indem er sprach: ,Der Mensch soll sich vor niemandem niederwerfen außer vor Allah, dem Allgewaltigen und Glorreichen, dem Schöpfer der Himmel und der Erde und aller Dinge. Wer von euch stehen will, der mag stehen; doch keiner von euch soll dastehen, um mir zu dienen!' Sie gehorchten also seinem Befehle; der Wesir Fâris und einige seiner Diener setzten sich, während einige von den Leuten geringeren Standes stehen blieben, um ihm aufzuwarten. Nachdem sie eine Weile gesessen hatten, breitete man die Tische vor sie aus, und alle Menschen und anderen Wesen aßen von den Speisen, bis sie gesättigt waren. Darauf befahl Salomo dem ägyptischen Wesir, sein Anliegen vorzutragen, damit es erfüllt werde, und er sprach zu ihm: ,Rede und verbirg nichts von dem, weshalb du gekommen bist! Denn du bist ja gekommen, damit ein Anliegen erfüllt werde. Ich will dir auch sagen, was es ist; es ist das folgende: Der König von Ägypten, der dich entsandt hat, heißt 'Asim. Er ist ein hochbetagter, gebrechlicher und schwächlicher Mann geworden; und Allah der Erhabene hat ihm kein



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Kind beschert, weder Sohn noch Tochter. Deswegen grämte und sorgte er sich in kummervollen Gedanken Tag und Nacht. Schließlich begab es sich eines Tages, daß er auf dem Throne seiner Herrschaft saß, als die Emire und Wesire und die Großen seines Reiches zu ihm eintraten. Da sah er, wie einige von ihnen einen Sohn, andere zwei Söhne, noch andere gar drei hatten, und wie diese Männer, von ihren Söhnen begleitet, hereinkamen und sich aufstellten, um ihm zu dienen. Und er dachte über sich nach und sagte sich im Übermaße seiner Trauer: ,Ach, wer wird wohl nach meinem Tode mein Reich erhalten? Kann es einem anderen als einem fremden Manne zufallen? Dann werde ich sein, als wäre ich nie gewesen.' Und er versank im Meere der trüben Gedanken, weil es so um ihn stand, und quälte sich immer mehr in seinem Sinne, bis ihm die Augen von Tränen überquollen; da verhüllte er sein Antlitz mit einem Tuche und weinte bitterlich. Schließlich erhob er sich von seinem Throne und setzte sich auf den Boden, indem er weinte und klagte; doch niemand wußte, was in seinem Herzen vorging, als er auf dem Boden saß, außer Allah dem Erhabenen.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 780. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Prophet Gottes Salomo, der Sohn Davids -über beiden sei Heil! —, nachdem er dem Wesir Fâris kundgetan hatte, wie Trauer und Tränen über den König gekommen waren, und was zwischen ihm und seinem Wesir vorgefallen war von Anfang bis zu Ende, darauf des weiteren zu Fâris sprach: ,Ist dies, was ich dir gesagt habe, die Wahrheit, o Wesir?' Jener gab ihm zur Antwort: ,O Prophet Allahs, was du gesagt hast, ist wirklich die volle 'Wahrheit. Doch, o Prophet Allahs, als ich mit dem König über diese



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Sache sprach, war gar niemand bei uns, und kein einziger Mensch hat etwas von unserem Geheimnisse erfahren. Wer hat denn dir alle diese Dinge kundgetam' Der König erwiderte ihm: ,Mein Herr, der die verstohlenen Blicke kennt und weiß, was in den Herzen verborgen ist, hat es mir offenbart.' Da rief der Wesir Fâris: ,O Prophet Allahs, dieser ist wahrlich ein gütiger und allgewaltiger Herr, der über alle Dinge mächtig ist!' Und alsbald nahmen Fâris und die, so bei ihm waren, den Islam an. Darauf sagte der Prophet Allahs Salomo zu dem Wesir: ,Du hast bei dir die und die Kostbarkeiten und Geschenke.' ,So ist es', erwiderte jener; und Salomo fuhr fort: ,Ich nehme sie alle von dir entgegen, aber ich schenke sie dir als meine Gabe. Nun ruhe du dich aus mit den Deinen an der Stätte, an der ihr eingekehrt seid, bis daß ihr euch von den Mühen der Reise erholt habt! Und morgen, so Allah der Erhabene will, soll dein Wunsch erfüllt werden in der vollkommensten Weise mit dem Willen Allahs des Erhabenen, des Herrn der Erde und des Himmels, des Schöpfers aller Kreatur.' Darauf begab der Wesir Fâris sich an seine Stätte; und am nächsten Tage kehrte er zu dem Herrn Salomo zurück. Da hub der Prophet Allahs an: ,Wenn du zu König 'Âsim ibn Safwân zurückgekehrt und wieder mit ihm vereint bist, so steigt beide auf denundden Baum und bleibt dort ruhig sitzen. Wenn dann die Zeit zwischen den beiden Gebeten' kommt und die Mittagshitze sich abgekühlt hat, so steigt hinab zum Fuße des Baumes und schaut euch um: ihr werdet zwei Schlangen dort hervorkommen sehen. Der Kopf der einen gleicht dem Kopfe eines Affen, und der Kopf der anderen dem eines Dämonen. Sobald ihr die beiden erblickt, schießt sie mit Pfeilen tot, werfet von ihren Köpfen ein spannenbreites Stück fort und desgleichen von ihren Schwänzen.



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So werden ihre Leiber übrig bleiben; die kochet, und zwar so, daß sie ganz gar werden, gebet sie euren Frauen zu essen und ruhet die Nacht über bei ihnen; dann werden sie durch den Willen Allahs des Erhabenen mit Knaben schwanger werden.' Danach ließ Salomo - über ihm sei Heil! — einen Siegelring bringen, ferner ein Schwert und ein Bündel, in dem sich zwei Obergewänder befanden, die mit Juwelen besetzt waren; und er sprach: ,Wesir Fâris, wenn eure Söhne zum Mannesalter herangewachsen sind, so gebt einem jeden von ihnen eins von diesen beiden Gewändern.' Dann fügte er noch hinzu: ,Im Namen Gottes! Allah der Erhabene hat dich dein Ziel erreichen lassen, und es bleibt dir nichts mehr übrig, als daß du aufbrichst unter dem Segen Allahs des Erhabenen; denn der König wartet Tag und Nacht auf deine Heimkehr, und sein Auge späht immerfort auf den Weg hinaus.' Da trat der Wesir Fâris zum Propheten Allahs Salomo, dem Sohne Davids -über beiden sei Heil! —, nahm Abschied von ihm und verließ ihn, nachdem er ihm die Hände geküßt hatte. So zog er zunächst voller Freuden über die Erfüllung seines Auftrags den Rest jenes Tages dahin, und dann ritt er eilends weiter Tag und Nacht. Unablässig zog er seines Weges, bis er in die Nähe von Kairo kam; dort entsandte er einen seiner Diener, um dem König 'Âsim die Kunde zu melden. Und als der hörte, daß sein Wesir nahe und seinen Auftrag ausgeführt habe, war er hocherfreut, und auch seine Vertrauten und die Großen seines Reiches und alle seine Krieger freuten sich mit ihm, und zwar besonders auch über die glückliche Heimkehr des Wesirs Fâris. Wie nun der König und der Wesir zusammentrafen, stieg der Minister von seinem Rosse, küßte den Boden vor seinem Herrn und kündete ihm die frohe Botschaft, daß sein Auftrag in der vollkommensten Weise ausgeführt sei; dann bot er ihm



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den wahren Glauben des Islams dar. Da nahm König 'Asim mit all seinen Untertanen' den Islam an, und er sprach zum Wesir Fâris: ,Geh nun nach Hause und ruhe dich dort aus, diese Nacht und dann noch eine ganze Woche; danach geh ins Badehaus, und wenn du das getan hast, komm wieder zu mir, auf daß ich dir etwas kundtue, worüber wir uns beraten wollen!' Der Wesir küßte den Boden und begab sich mit seinem Gefolge, den Dienern und Eunuchen, in sein Haus; dort pflegte er acht Tage lang der Ruhe. Darauf begab er sich zum König und erzählte ihm ausführlich alles, was sich zwischen ihm und Salomo, dem Sohne Davids -über beiden sei Heil! —zugetragen hatte. Und er fügte hinzu: ,Erheb dich nun und komm allein mit mir!' Da machten die beiden sich auf, indem ein jeder Pfeil und Bogen mit sich nahm, stiegen auf jenen Baum und saßen ruhig da, bis die Zeit der Mittagshitze vergangen war. Solange, bis die Stunde des Nachmittagsgebetes nahte, blieben sie dort; dann stiegen sie hinab und schauten sich um, und da sahen sie, wie zwei Schlangen unter dem Fuße jenes Baumes hervorkamen. Als der König sie erblickte, hatte er sie gern; denn sie gefielen ihm, da er an ihnen goldene Haisringe sah. Und er sprach: ,O Wesir, sieh, diese beiden Schlangen haben goldene Haisringe; bei Allah, das ist ein wundersam Ding! Laß uns sie fangen und in einen Käfig setzen, damit wir sie immer anschauen können.' Doch der Minister gab zur Antwort: ,Die beiden hat Allah zu ihrem guten Gebrauch erschaffen. Erschieße du die eine mit einem Pfeile, ich will die andere gleichfalls mit einem Pfeile erschießen.' Da schossen die beiden mit Pfeilen auf sie und töteten sie. Dann schnitten sie ihnen von ihren Köpfen und ihren Schwänzen je ein spannenbreites Stück



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ab und warfen es fort. Den Rest aber trugen sie in das Haus des Königs, und nachdem sie den Koch gerufen hatten, gaben sie ihm das Fleisch, indem sie zu ihm sprachen: ,Koche dies Fleisch gut mit Zwiebeltunke und Gewürzen und fülle es in zwei Schüsseln; die bring uns hierher zu derundder Zeit und Stunde und säume nicht!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 761. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß damals, als jener König und der Wesir dem Koche das Schlangenfleisch gegeben hatten mit den Worten: ,Koche es und fülle es in zwei Schüsseln; die bringe uns hierher und säume nicht!' der Koch das Fleisch nahm und es in die Küche brachte. Dann kochte er es ganz gar mit einer vortrefflichen Zwiebeltunke, füllte es in zwei Schüsseln und brachte sie vor den König und den Wesir. Der König nahm die eine Schüssel und der Wesir die andere, und beide gaben ihren Frauen davon zu essen, und schließlich ruhten sie mit ihnen in jener Nacht. Und durch den Willen Allahs, des Gepriesenen und Erhabenen, und durch seine Allmacht und Fügung empfingen beide Frauen in jener Nacht. Drei Monate lebte nun der König besorgten Geistes, indem er immer bei sich selber sprach: ,Ich möchte doch wohl wissen, ob dies wahr ist oder nicht.' Eines Tages aber, als seine Gemahlin dasaß, regte sich das Kind in ihrem Leibe, und da wußte sie, daß sie schwanger war; auch spürte sie einen Schmerz, und ihre Farbe erblich. Alsbald berief sie einen ihrer Eunuchen. die sie bei sich hatte, und zwar ihren obersten, und sie sprach zu ihm: ,Geh du zum König, wo er auch sei, und sprich zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, ich künde dir die frohe Botschaft, daß unserer Herrin Schwangerschaft offenbar geworden



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ist, da das Kind sich in ihrem Leibe geregt hat.' Der Eunuche ging eiligst davon, freudig gestimmt, und als er den König sah, wie er allein dasaß und die Wange auf die Hand stützte, tief in Gedanken versunken, trat er auf ihn zu, küßte den Boden vor ihm und berichtete ihm von der Schwangerschaft seiner Gemahlin. Kaum hatte der König die Worte des Eunuchen gehört, so sprang er auf und küßte im Übermaß seiner Freude dem Eunuchen die Hand und den Kopf; und er legte die Kleider ab, die er trug, und gab sie dem Boten. Dann rief er denen zu, die im Staatsrate versammelt waren: ,Wer mich liebt, der gebe diesem Manne eine Spende!' Da schenkten jene ihm Geld und Edelsteine und Rubinen, Pferde, Maultiere und Gärten, so viel, daß es nicht berechnet noch ermessen werden konnte. In ebendiesem Augenblick trat auch der Wesir zum König ein und sprach zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, ich saß zu dieser Stunde allein in meinem Hause, indem ich trüben Sinnes über die Schwangerschaft nachdachte und mir sagte: Ich möchte doch wohl wissen, ob es wahr ist, daß Chatûn empfangen wird, oder nicht! Da trat plötzlich ein Eunuch zu mir herein und meldete mir die frohe Botschaft, daß meine Gemahlin Chatûn schwanger ist und daß sich das Kind in ihrem Leibe geregt hat und daß ihre Farbe erblichen ist. In meiner Freude habe ich alle Kleider, die ich an mir trug, ausgezogen und sie dem Eunuchen gegeben; ferner habe ich ihm tausend Dinare geschenkt und ihn zum obersten der Eunuchen gemacht.' Darauf hub der König 'Asim an: ,O Wesir, Allah, der Gesegnete und Erhabene, hat uns in seiner Huld und Güte und Gnade und Wohltätigkeit mit dem rechten Glauben beschenkt; er hat seine herrlichen Gaben über uns ausgeschüttet und uns aus der Finsternis zum Licht geführt. Jetzt will auch ich dem Volke eine große Freude bereiten.' ,Tu, was du wünschest!' erwiderte der Wesir;



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und der König fuhr fort: ,Wesir, geh sogleich hinunter und befreie alle, die im Kerker sind, die Verbrecher und die Schuldgefangenen! Wer aber hinfort noch eine Sünde begeht, den wollen wir bestrafen, wie es ihm gebührt. Auch wollen wir dem Volke die Steuern auf drei Jahre erlassen; und lasse du rings um diese Stadt Küchenbuden an den Mauern entlang aufstellen, und befiehl den Garköchen, daß sie dort alle Arten von Kochtöpfen aufhängen und allerlei Gerichte zubereiten, und zwar sollen sie Tag und Nacht kochen. Dann sollen alle, die in dieser Stadt wohnen, und auch alle aus den Nachbargebieten von nah und fern essen und trinken und noch mit nach Hause nehmen. Befiehl dem Volke, sieben Tage lang zu feiern und die Stadt zu schmücken und die Schenken Tag und Nacht nicht zu schließen!' Nun ging der Wesir alsbald hinaus und tat, wie ihm der König 'Asim befohlen hatte; und das Volk schmückte die Stadt und die Burg und die Festungstürme aufs allerschönste, und alle legten ihre schönsten Kleider an und begannen zu essen und zu trinken, zu spielen und sich zu vergnügen, bis eines Nachts die Königin von den Wehen überfallen wurde, da ihre Tage erfüllet waren. Da berief der König alle die Gelehrten, Sterndeuter, Weisen, Doktoren und Astronomen. Männer der Wissenschaft und der Weissagekunst, die es in der Stadt gab; und nachdem die sich versammelt hatten, setzten sie sich nieder, um zu warten, bis die Glaskugel ins Fenster geworfen würde; denn dies war das Zeichen für die Sterndeuter und die ganze hochansehnliche Versammlung. Und während sie allesamt wartend dasaßen, genas die Königin eines Knäbleins, das glich der Mondscheibe in der Vollmondnacht. Da begannen die Gelehrten zu rechnen und den Stern seines Horoskops zu deuten und die Zeitläufte zu erforschen; und als sie gefragt wurden, erhoben sie sich alle und küßten den Boden



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und kündeten dem König die frohe Botschaft: ,Dies neugeborene Kind ist gesegnet, und der Kreislauf der Gestirne ist ihm günstig. Doch in der ersten Zeit seines Lebens wird ihm etwas widerfahren, was wir vor dem König zu nennen uns fürchten.', Sprecht und fürchtet euch nicht im geringsten!' erwiderte der König; und sie fuhren fort: ,O König, dieser Knabe wird dies Land verlassen und in die Fremde ziehen: dann wird er Schiffbruch erleiden und in Not und Gefangenschaft und Drangsal geraten. Schwere Leiden stehen ihm bevor; aber er wird schließlich alles überstehen, er wird sein Ziel erreichen und den Rest seiner Tage hindurch das glücklichste Leben führen, dann herrscht er über Land und Untertanenstand und hält das Reich, den Feinden und Neidern zum Trotz, in seiner Hand.' Als der König diese Worte von den Sterndeutern vernommen hatte, sprach er zu ihnen: ,Die Zukunft ist dunkel; alles, was Allah der Erhabene den Menschen an Gutem und Schlimmem vorherbestimmt hat, das führt er aus. Doch von heute an bis dahin wird ihm sicherlich noch tausendfache Freude zuteil werden.' So achtete er denn ihrer Worte nicht, sondern er kleidete sie und alle Leute, die zugegen waren, in Ehrengewänder; und dann gingen alle fort. Doch siehe, da trat der Wesir Fâris zum König ein, voller Freuden, und küßte den Boden vor ihm; und er hub an: ,Frohe Botschaft, o König! In dieser Stunde hat meine Frau einen Knaben geboren, der so schön ist wie die Mondscheibe.' ,O Wesir,' sagte darauf der König, ,geh hin und bringe ihn hierher, damit die beiden gemeinsam in meinem Hause aufgezogen werden; ja, laß auch deine Frau bei meiner Gemahlin wohnen, auf daß sie beide ihre Kinder miteinander erziehen!' Da holte der Wesir seine Frau und das Kind, und man übergab die beiden Knaben den Ammen und Pflegerinnen. Und als nun sieben Tage vergangen



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waren, brachten jene die beiden vor den König 'Asim und sprachen zu ihm: ,Wie willst du sie nennen?' Aber er antwortete: ,Gebt ihr ihnen den Namen!' Da sagten sie: ,Nur der Vater gibt dem Kinde den Namen.' Nun sprach der König: .Nennet meinen Sohn Saif el-Mulûk ' nach dem Namen meines Großvaters, und den Sohn des Wesirs nennet Sâ'id!"Dann verlieh er den Ammen und Pflegerinnen Ehrengewänder und sprach zu ihnen: ,Seid liebevoll gegen sie und zieht sie in bester Weise auf!' So zogen denn die Ammen mit größter Sorgfalt die beiden Knaben auf, bis jeder von ihnen fünf Jahre alt war. Dann übergab der König sie einem Schriftgelehrten, und der unterrichtete sie im Lesen und Schreiben, bis daß sie beide zehn Jahre alt waren. Darauf vertraute er sie den Meistern an, die ihnen Unterricht gaben im Reiten und Pfeilschießen, im Lanzenstoßen und Ballspiel und in aller ritterlichen Kunst bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahre. Nun waren sie in allen Wissenschaften und Künsten erfahren, und es gab niemanden, der ihnen an Rittertugend gleichkam; denn ein jeder von beiden nahm es im Kampfe mit tausend Mannen auf und bot ihnen allein die Stirn. Und als sie die Jahre des Verstandes erreicht hatten, freute sich König 'Âsim ihrer gar sehr, sooft er sie anschaute. Doch als sie fünfundzwanzig Jahre alt waren, entbot der König dein Wesir Fâris in ein geheimes Gemach und sprach zu ihm: ,O Wesir, mir ist etwas in den Sinn gekommen, das ich tun möchte; aber zuvor will ich dich darüber um Rat fragen.' Jener gab ihm zur Antwort: ,Was dir in den Sinn kommt, das tu; denn dein Ratschluß ist gesegnet!' Und König 'Asim fuhr fort: ,O Wesir, ich bin ein alter Mann geworden, ein hinfälliger Greis, von der Last des Alters gebeugt, und ich gedenke, meine Lagerstatt in einem Bethause aufzuschlagen, um dort



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Allah dem Erhabenen zu dienen. Mein Reich und meine Herrschaft aber will ich meinem Sohne Saifel-Mulûk übergeben; denn er ist ein trefflicher Jüngling geworden, vollkommen an Rittertugend, Verstand, Bildung, Würde und Herrscherkunst. Was sagst du zu diesem Plane, o Wesir?' Der Minister erwiderte: ,Vortrefflich ist der Plan, den du gefaßt hast; es ist ein gesegneter, glücklicher Entschluß. Wenn du das tust, so will ich das gleiche tun wie du, und mein Sohn Sâ'id soll ihm als Wesir dienen; denn auch er ist ein trefflicher Jüngling und besitzt Verstand und Einsicht. So werden die beiden beisammen bleiben; und wir wollen alles für sie ordnen, wir wollen nichts verabsäumen, sondern sie auf den rechten Weg leiten.' Darauf befahl König 'Âsim seinem Wesir: ,Schreibe Briefe und sende sie durch Eilboten in alle Provinzen und Länder, zu allen Burgen und Festen, die unserer Herrschaft unterstehen, und befiehl ihren Oberhäuptern, in demunddem Monat sich auf dem Elefantenplatze' einzustellen.' Da ging der Wesir unverzüglich fort und schrieb Briefe an alle Statthalter und Befehlshaber der Burgen, die unter der Herrschaft des Königs 'Âsim standen, sie sollten insgemein in demunddem Monat zur Stelle sein, auch befahl er. daß alle die sich in der Stadt befanden, von nah und fern, zugegen sein sollten. Als aber der größte Teil der festgesetzten Frist verstrichen war, gebot König 'Âsim den Zeltdienern, die Rundzelte mitten auf dem Platze aufzuschlagen und sie aufs prächtigste zu schmücken, ferner auch den großen Thron aufzustellen, auf dem der König nur bei Festzeiten zu sitzen pflegte. Und jene Leute taten alsbald alles, was er ihnen befohlen hatte; und nachdem sie den Thron aufgestellt hatten, zogen die Statthalter und Kammerherren und Emire mit dem



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König hinaus, und er befahl, unter dem Volk ausrufen zu lassen: ,Im Namen Allahs! Kommt heraus auf den Platz!' Da kamen die Emire und Wesire und die Statthalter der Provinzen und die Lehnsherren zu jenem Platze und gingen hin, um dem König aufzuwarten, wie es ihre Gewohnheit war. Ein jeder blieb an seiner Stelle, die einen saßen, die anderen standen, bis daß alles Volk sich versammelt hatte. Darauf gab der König Befehl, die Tische zu breiten; und als das geschehen war, aßen und tranken die Leute und beteten für den König. Nun befahl er den Kammerherren, unter dem Volke auszurufen, niemand solle fortgehen. Da riefen sie aus, und ihr Ruf lautete: ,Keiner von euch gehe von hinnen, bis er die Worte des Königs vernommen hat!' Nachdem aber die Vorhänge zurückgezogen waren, sprach der König selbst: ,Wer mich liebt, bleibe hier, bis er meine Rede gehört hat!' So blieben denn alle sitzen, beruhigt in ihrem Sinne, nachdem sie bereits Furcht gehabt hatten. Und der König fuhr fort: ,Ihr Emire und Wesire und Herren des Landes, ihr Großen und Kleinen, und ihr alle vom Volke, die ihr hier zugegen seid, wisset ihr, daß dies Reich mein Erbe ist von meinen Vätern und Vorvätern?' Sie riefen: ,Jawohl, o König, wir alle wissen es.' Und weiter sprach er: ,Wir alle, ich und ihr, pflegten die Sonne und den Mond anzubeten; doch Allah der Erhabene hat uns den wahren Glauben geschenkt und hat uns aus der Finsternis zum Lichte gebracht. Ja, Allah, der Gepriesene und Erhabene, hat uns zum Glauben des Islams geführt. Doch nun wisset, ich bin ein alter Mann geworden, ein gebrechlicher und schwacher Greis, und ich will von jetzt ab meine Wohnstatt in einem Bethause aufschlagen, um Allah dem Erhabenen dort zu dienen und ihn um Vergebung für die früheren Sünden zu bitten, während dieser mein Sohn Saifel-Mulûk die Herrschaft führt. Ihr wisset, daß er ein



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trefflicher Jüngling ist, beredt, erfahren in allen Dingen, klug, gelehrt und gerecht. Drum will ich ihm zu dieser Stunde meine Herrschaft übergeben und ihn zum König über euch machen an meiner Statt. Ich will ihn als Sultan auf meinen Thron setzen und mich selbst in die Einsamkeit zurückziehen, um Allah dem Erhabenen in einem Bethause zu dienen, indessen mein Sohn Saifel-Mulûk des Herrscher amtes waltet und unter euch richtet. Was sagt ihr nun dazu, ihr alle insgesamt?' Da erhoben sich alle, küßten den Boden vor ihm und riefen zur Antwort: ,Wir hören und gehorchen!' und sie fügten hinzu: ,O unser König und Schirmherr, auch wenn du einen deiner schwarzen Sklaven über uns eingesetzt hättest, wir hätten dir gehorcht und auf dein Wort gehört und deinen Befehl hingenommen; um wieviel mehr aber, wo es dein Sohn Saifel-Mulûk ist! Wir nehmen ihn an und huldigen ihm mit Herz und Hand.' Da erhob sich der König 'Asim ibn Safwân, stieg von seinem Throne herab und ließ nun seinen Sohn auf dem großen Thron sitzen; auch nahm er die Krone von seinem eigenen Haupte und setzte sie seinem Sohne aufs Haupt, und schließlich gürtete er ihn mit dem königlichen Gürtel. Nachdem er sich dann neben seinem Sohn auf den Thron seines Königreiches gesetzt hatte, erhoben sich die Emire und Wesire und Großen des Reiches und alles Volk. küßten den Boden vor ihm und blieben dann stehen, indem sie zueinander sprachen: ,Er ist der Herrschaft würdig, ihm gebührt sie mehr als irgendeinem anderen.' Und sie riefen um Schutz und Sicherheit und erflehten für den König Sieg und Glück. Saifel-Mulûk aber streute Gold und Silber auf die Häupter alles Volkes aus. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 762. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist



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mir berichtet worden, o glücklicher König, daß damals, als König 'Âsim seinen Sohn Saifel-Mulûk auf den Thron gesetzt und als alles Volk für ihn um Sieg und Glück gebetet hatte, der neue König Gold und Silber auf die Häupter alles Volkes ausstreute, Ehrengewänder verlieh und Gaben und Geschenke verteilte. Nach kurzer Zeit erhob sich dann der •Wesir Fâris, küßte den Boden und sprach: ,Ihr Emire und Herren des Landes. wisset ihr, daß ich der Wesir bin und daß mein Wesirat seit alters her besteht aus der Zeit, ehe noch König 'Âsim. ibn Safwân die Herrschaft antrat, er, der jetzt sich der Herrscherwürde entkleidet und seinen Sohn an seiner Statt eingesetzt hat?' Sie antworteten: ,Ja, wir wissen, daß du dein Wesirat von Vater und Großvater ererbt hast.' Und er fuhr fort: ,Jetzt will auch ich mich meines Amtes entkleiden und es diesem meinem Sohne Sâ'id übertragen; denn er ist klug, verständig und erfahren. Was sagt ihr nun dazu, ihr alle?' Sie antworteten: ,Niemand ist wert, Wesir des Königs Saifel-Mulûk zu werden als dein Sohn Sâ'id; denn die beiden passen zueinander.' Da stand der Wesir Fâris auf, nahm den Turban des Wesirs ab, setzte ihn seinem Sohne Sâ'id aufs Haupt und stellte auch die Tintenkapsel des Wesirats vor ihn hin, während die Kammerherren und Emire sprachen: ,Fürwahr, er verdient das Amt des Wesirs.' Nun gingen der König 'Asim und der Wesir Fâris hin, öffneten die Schatzkammern und verliehen den Unterkönigen, den Emiren, Wesiren, den Großen des Reiches und allem Volke kostbare Ehrengewänder; ferner verteilten sie allerlei Gnadengeschenke und stellten neue Bestallungen und Urkunden aus mit den Unterschriften von Saif el-Mulûk und dem Wesir Sâ'id, dem Sohne des Wesirs Fâris. Das Volk aber blieb noch eine Woche lang in der Stadt, und danach begab sich ein jeder in sein Land und an seine Stätte. Dann nahm König 'Asim



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seinen Sohn Saif el-Mulûk und Sâ'id, den Sohn des Wesirs, und zog mit ihnen durch die Stadt und hinauf zum Palaste. Dort ließ er den Schatzmeister kommen und befahl ihm, den Siegelring, das Schwert, das Bündel und das Siegel' zubringen; dann sprach er: ,Meine Söhne, kommt herbei, und ein jeder wähle etwas von diesen Geschenken und nehme es!' Der erste, der seine Hand ausstreckte, war Saif el-Mulûk, und er nahm das Bündel und den Siegelring; dann streckte Sâ'id seine Hand aus und nahm das Schwert und das Siegel. Darauf küßten beide dem König die Hand und gingen zu ihrer Wohnstatt. Saifel-Mulûk aber öffnete das Bündel, das er genommen hatte, noch nicht und schaute nicht nach, was darin sich befand, sondern er warf es auf die Lagerstatt, auf der er mit seinem Wesir Sâ'id des Nachts zu ruhen pflegte; denn es war ihre Gewohnheit, miteinander zu schlafen. Nachdem ihnen nun das Bett bereitet war, legten die beiden sich gemeinsam auf ihr Lager nieder, während die Kerzen über ihnen brannten; und sie schliefen bis Mitternacht. Da erwachte Saifel-Mulûk aus seinem Schlafe, und als er das Bündel zu seinen Häupten sah, sprach er bei sich: ,Ich möchte doch wohl wissen, welche Kostbarkeiten in diesem Bündel, das der König mir geschenkt hat, enthalten sind.' So nahm er denn das Bündel, nahm auch eine Kerze und stieg von dem Lager hinab, indem er Sâ'id im Schlafe liegen ließ. Dann trat er in eine Kammer und öffnete das Bündel; da entdeckte er in ihm ein Obergewand, das von Geistern geweht war. Das breitete er aus, und wie er es umwandte, fand er auf dem Futter innen auf der Rückseite das Bild einer Maid in Gold gewirkt; deren Liebreiz war wirklich ein wundersam Ding. Und kaum hatte er diese Gestalt gesehen, da ward sein Sinn berückt, er ward wie von Sinnen durch die Liebe zu diesem



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Bilde, und er sank ohnmächtig zu Boden. Darauf begann er zu weinen und zu klagen und sich ins Gesicht und auf die Brust zu schlagen und das Bildnis zu küssen. Und er sprach diese beiden Verse:

Die Liebe gleicht zuerst nur einem Tröpflein Wasser;
Das Schicksal bringt sie und erregt sie in den Herzen.
Doch taucht der Jüngling dann im Meer der Liebe unter,
So nahen ihm bald unerträglich schwere Schmerzen.

Und auch diese beiden Verse:

Ach, hätte ich geahnt, daß uns die Liebe also
Die Seelen raubt, ich wäre immer auf der Hut.
Doch nun hab ich mit Fleiß mein Leben fortgeworfen,
Ich ahnte von der Liebe gar nicht, was sie tut.

Und nun hörte Saif el-Mulûk nicht auf zu klagen und zu weinen und sich ins Gesicht und auf die Brust zu schlagen, bis der Wesir Sâ'id aufwachte. Der schaute aufs Bett. und als er Saif el-Mulûk dort nicht fand und auch nur eine Kerze sah. sprach er bei sich: ,Wohin mag Saifel-Mulûk wohl gegangen sein?' Dann nahm er die Kerze und begann im ganzen Schlosse umherzugehen, bis er zu der Kammer gelangte, in der Saifel-Mulûk sich befand; und dort sah er ihn bitterlich weinen und klagen. Da sprach er zu ihm: ,Lieber Bruder, warum diese Tränen? Was ist dir widerfahren? Erzähl mir und berichte mir den Grund von alledem!' Saif el-Mulûk aber sprach nicht zu ihm, noch auch hob er sein Haupt empor, sondern er weinte und klagte nur und schlug sich mit der Hand auf die Brust. Als Sâ'id ihn in solchem Zustande sah, sprach er: ,Ich bin dein Wesir und dein Bruder, wir beide sind gemeinsam aufgezogen, ich und du. Wenn du mir nicht deine Sorgen offenbarst und mich nicht um dein Geheimnis wissen läßt, wem willst du dann dein Geheimnis enthüllen und mitteilen?' Eine ganze



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Weile flehte Sâ'id, indem er den Boden küßte; aber Saif el-Mulûk achtete seiner nicht und sprach kein einziges Wort zu ihm, sondern weinte nur immer. Und wie Sâ'id um seines Zustandes willen sich ängstete und seine Qualen nicht mehr ertragen konnte, ging er hinaus, holte ein Schwert, kehrte in die Kammer, in der Saif el-Mulûk weilte, zurück und setzte sich die Spitze auf die eigene Brust, indem er dem König zurief: ,Wache auf, mein Bruder! Wenn du mir nicht sagst, was dir widerfahren ist, so töte ich mich selber lieber, als daß ich dich in diesem Zustande sehe.' Nun erhob Saifel-Mulûk sein Haupt zu seinem Wesir Sâ'id und sprach zu ihm: ,Lieber Bruder, ich schäme mich, zu dir zu sprechen und dir zu erzählen, was mir widerfahren ist.' Doch Sâ'id erwiderte ihm: ,Bei Allah, dem Herrn der Herrlichkeit, der die Nacken befreit, in dem der Ursachen Kette endet, dem Einen, der sich der Gnade zuwendet, dem Gütigen, der alles spendet, ich beschwöre dich, sage mir, was dir geschehen ist; schäme dich nicht vor mir, denn ich bin dein Knecht und dein Wesir und dein Ratgeber in allen Dingen!' Da sagte Saifel-Mulûk: ,Komm und schau dir dies Bildnis an!' Nachdem jener es erblickt und eine Weile angeschaut hatte, entdeckte er über dem Haupte der Gestalt eine Schrift, die mit Perlen gestickt war: ,Dies ist das Bild von Badî'at el-Dschamâl, der Tochter des Schammâch' ibn Scharûch, eines Königs der gläubigen Dämonen, die da wohnen in der Stadt Bâbil und weilen im Garten Trams, des Sohnes von 'Âd dem Größeren.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 763. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Saif el-Mulûk,



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der Sohn des Königs 'Asim, und der Wesir Sâ'id, der Sohn des Wesirs Fâris, die Schrift anschauten, die sich auf dem Gewande befand, und nun dort das Bild von Badî'at el-Dschamâl sahen, der Tochter des Schammâch ibn Scharûch, des Königs von Bâbil, eines Königs der gläubigen Dämonen, die da wohnen in der Stadt Bâbil und weilen im Garten Trams, des Sohnes von 'Âd dem Größeren. Und nun sprach der Wesir Sâ'id zum König Saif el-Mulûk: ,Lieber Bruder, weißt du, welche unter den Frauen dies Bildnis darstellt, so daß wir nach ihr suchen könntenda' ,Nein, bei Allah, mein Bruder,' antwortete Saif el-Mulûk, ,ich weiß nicht, wessen Bildnis dies ist.' Doch Sâ'id fuhr fort: ,Komm, lies diese Inschrift!' Da trat Saifel-Mulûk näher und las die Schrift, die sich auf der Krone befand, und verstand ihre Bedeutung; und er schrie aus tiefstem Herzen auf: ,Ach! Ach! Ach!' Sâ'id aber sprach: ,Lieber Bruder, wenn sie, die durch dies Bildnis dargestellt wird, am Leben ist, sie, deren Name Badî'at el-Dschamâl ist, und wenn sie sich in dieser Welt findet, so will ich mich eiligst aufmachen, um sie zu suchen, ohne zu säumen, damit du dein Ziel erreichst. Doch um Allahs willen, mein Bruder, laß dies Weinen, damit die Würdenträger eintreten können, um dir aufzuwarten. Zur Vormittags zeit laß du die Kaufleute und die Derwische, die Pilger und die Bettler kommen und frage sie danach, wie es mit dieser Stadt sich verhält; vielleicht wird einer durch den Segen und die Hilfe Allahs, des Gepriesenen und Erhabenen, uns zu ihr und zu dem Garten Trams den Weg weisen.' Als es dann Morgen ward, erhob sich Saif el-Mulûk und stieg auf den Thron, indem er das Gewand in den Armen trug, da er weder stehen noch sitzen noch schlafen konnte, wenn es nicht bei ihm war. Darauf traten die Emire und Wesire. die Krieger und die Großen des Reiches zu ihm ein, und als die



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Staatsversammlung vollzählig war und alle an ihren Plätzen waren, sprach König Saif el-Mulûk zu seinem Wesir Sâ'id: ,Tritt hin vor sie und sprich zu ihnen: Der König ist von einem plötzlichen Siechtum befallen; bei Allah, er hat die Nacht krank zugebracht.' Da ging der Wesir hin und berichtete den Leuten, was der König gesagt hatte. Und wie auch der König 'Asim davon hörte, sorgte er sich sehr um seinen Sohn; und alsbald berief er die Ärzte und die Sterndeuter und führte sie zu seinem Sohne Saifel-Mulûk hinein. Sie schauten ihn an und verordneten ihm einen Heiltrank; als aber seine Krankheit drei Monate dauerte, schrie der König 'Âsim die Ärzte, die dort waren, im Zorne wider sie an: ,Weh euch, ihr Hunde. könnt ihr denn alle meinen Sohn nicht heilen? Wenn ihr ihn nicht in dieser Stunde gesund macht, so lasse ich euch alle hinrichten.' Da sagte ihr Oberster: ,O größter König unserer Zeit, sieh, wir wissen, daß dieser dein Sohn ist, und du weißt, daß wir es nicht leicht nehmen, wenn wir einen Fremden pflegen; wieviel weniger würden wir es bei deinem Sohne tun! Aber dein Sohn hat eine schwierige Krankheit; und wenn du sie wissen willst, so wollen wir sie dir nennen und dir über sie berichten.' König 'Asim fragte: ,Was ist euch von der Krankheit meines Sohnes offenbar geworden?' Und der Oberarzt antwortete ihm: ,O größter König unserer Zeit, dein Sohn ist jetzt ein Liebender, und zwar liebt er eine, zu deren Nähe er keinen Zugang hat.' Zornig erwiderte der König: ,Woher wißt ihr, daß mein Sohn ein Liebender ist, und wie ist die Liebe zu meinem Sohne gekommen?' Jene gaben ihm zur Antwort: ,Frage seinen Bruder und Wesir Sâ'id; denn er kennt seinen Zustand.' Da erhob König 'Âsim sich und trat allein in die Kammer, berief Sâ'id und sprach zu ihm: ,Sag mir die Wahrheit über die Krankheit deines Bruders!' Der beteuerte: ,Ich weiß nicht,



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was es in Wirklichkeit ist.' Da sprach König 'Âsim zum Schwertträger: ,Nimm Sâ'id, verbinde ihm die Augen und schlag ihm den Kopf ab!' Nun fürchtete Sâ'id für sein Leben, und er rief: ,O größter König unserer Zeit, gewähre mir Straflosigkeit!' Der König erwiderte: ,Sprich, und du sollst straflos sein!' Da sprach Sâ'id zu ihm: ,Wisse, dein Sohn ist ein Liebender!' ,Und wer ist seine Geliebte?' ,Die Tochter eines Königs der Dämonen; er hat ihr Bild in dem Gewande aus dem Bündel gesehen, das Salomo, der Prophet Allahs, euch geschenkt hat.' Alsbald machte König 'Âsim sich auf und ging zu seinem Sohne Saif el-Mulûk hinein und sprach zu ihm: ,Mein Sohn, was hat dich heimgesucht? Und was ist das für ein Bildnis, das dich mit Liebe erfüllt hat? Und warum hast du mir nichts davon gesagt?' ,Mein lieber Vater,' gab Saifel-Mulûk ihm zur Antwort, ,ich schämte mich vor dir, und ich konnte es nicht über mich bringen, dir davon zu sprechen, ja, ich vermochte überhaupt gar niemandem irgend etwas von der Sache kundzutun. Doch jetzt weißt du, wie es um mich steht, und nun schau, was du tun kannst, um mich zu heilen!' Sein Vater aber fuhr fort: ,Was ist hier zu tun? Wenn sie von den Töchtern der Menschen wäre, so könnten wir bald einen Plan entwerfen, um zu ihr zu gelangen; aber sie ist eine Geister prinzessin, und wer kann sie gewinnen, es sei denn Salomo, der Sohn Davids? Er ist der einzige, der das vermag. Doch, mein Sohn, erhebe dich nun sofort, fasse Mut, besteig ein Roß und zieh aus zu Jagd und Hatz und zum Waffenspiel auf dem Plane! Zerstreue dich durch Essen und Trinken und verjage Sorgen und Gram aus deinem Herzen! Dann will ich dir hundert Jungfrauen bringen aus der Schar der Königstöchter; du hast ja die Geistertöchter nicht nötig, sie, über die wir keine Macht haben und die nicht von unserer Art sind.' Doch der



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Sohn sprach: ,Ich kann nicht von ihr lassen, und ich will keine andere haben als sie.' Der Vater fragte darauf: ,Was sollen wir denn tun, mein Sohn?' Und der Sohn fuhr fort: ,Bring uns alle Kaufleute und Reisenden und Pilger der Länder, auf daß wir sie darüber befragen. Vielleicht wird Allah uns den Weg weisen zum Garten Trams und zur Stadt Bâbil.' Da befahl König 'Âsim, alle Kaufleute, die in der Stadt weilten, alle Fremden, die zugegen waren, und alle Schiffskapitäne sollten zu ihm kommen. Und als sie sich versammelt hatten, fragte er sie nach der Stadt Bâbil und ihrem Lande und nach dem Garten Trams. Aber keiner von ihnen kannte diese Orte, niemand vermochte Auskunft über sie zu geben. Schließlich, als die Versammlung auf brach, sprach einer von ihnen: ,O größter König unserer Zeit, wenn du wirklich etwas darüber erfahren willst, so forsche im Lande China nach; denn dort befindet sich eine große Stadt, und vielleicht wird dir von dort jemand den Weg zu deinem Ziele zeigen.' Da hub Saif el-Mulûk an: ,Lieber Vater. rüste mir ein Schiff aus für die Reise nach dem Lande China!' Sein Vater jedoch, der König 'Asim, entgegnete ihm: ,Mein Sohn, bleib du auf dem Throne deiner Herrschaft sitzen und herrsche über die Untertanen; ich selbst will nach dem Lande China reisen und mich dieser Sache annehmen.' ,Ach, Vater,' sprach Saifel-Mulûk, ,all dies geht doch nur mich an, und niemand kann so danach forschen wie ich. Mag kommen, was da will! Wenn du mir die Erlaubnis zum Reisen gibst, so mache ich mich auf den Weg und bleibe eine Weile fort. Erhalte ich Kunde von ihr, so ist mein Ziel erreicht; finde ich aber keine Spur von ihr, so wird sich durch die Reise meine Brust weiten und mein Gemüt erheitern, und so werde ich dadurch mein Los leichter tragen. Und wenn ich am Leben bleibe, so kehre ich wohlbehalten zu dir zurück.' — —«



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Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 764. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Saifel-Mulûk zu seinem Vater, dem König 'Âsim, sprach: ,Rüste mir ein Schiff aus, damit ich auf ihm nach dem Lande China fahren kann, um nach dem Ziel meiner Wünsche zu forschen. Und wenn ich am Leben bleibe, so kehre ich wohlbehalten zu dir zurück.' Der König schaute seinen Sohn an und sah keinen anderen Ausweg, als das für ihn zu tun, was ihm Zufriedenheit brachte. Und so gab er ihm die Erlaubnis zur Reise und rüstete ihm vierzig Schiffe aus mit zwanzigtausend' Mamluken, abgesehen von den Dienern, und er gab ihm Güter und Schätze und alles Kriegsgerät, dessen er bedurfte. Dann sprach er zu ihm: ,Reise, mein Sohn, in Wohlsein, Gesundheit und Sicherheit! Ich empfehle dich in die Hände Dessen, bei dem ein anvertrautes Pfand nicht verloren geht.' Und schließlich nahmen Vater und Mutter Abschied von ihm, und nachdem die Schiffe mit Wasser und Zehrung, Waffen und Truppen beladen waren, brachen sie auf und fuhren immer weiter, bis sie die Hauptstadt von China erreichten. Als aber das Volk der Chinesen vernahm, daß vierzig Schiffe, beladen mit Kriegern und Rüstzeug, Waffen und Vorräten, bei ihnen eingetroffen waren, glaubten sie, es seien Feinde gekommen, um mit ihnen zu kämpfen und sie zu belagern; deshalb schlossen sie die Tore der Stadt und machten die Wurfmaschinen bereit. Wie jedoch König Saifel-Mulûk davon hörte, schickte er zwei seiner vertrautesten Mamluken zu ihnen mit dem Auftrage: ,Begebt euch zum König von China und sprecht zu ihm: Dies ist Saif el-Mulûk, der Sohn des Königs 'Âsim, und er ist als Gast zu



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deiner Stadt gekommen, um sich eine Weile in deinem Lande umzuschauen, doch nicht, um zu kämpfen und zu streiten. Wenn du ihn empfangen willst, so wird er zu dir an Land kommen; willst du ilm aber nicht aufnehmen, so wird er zurückkehren und weder dich noch das Volk deiner Stadt belästigen.' Als die Mamluken bei der Stadt ankamen, riefen sie dem Volke dort zu: ,Wir sind die Gesandten des Königs Saif el-Mulûk!' Da öffneten die Leute ihnen das Tor, führten sie hinein und brachten sie vor ihren König. Dessen Name war Faghfûr' Schâh, und zwischen ihm und dem König 'Âsim hatte früher Bekanntschaft bestanden. Wie jener nun hörte, daß der König, der ihm nahte, Saif el-Mulûk, der Sohn des Königs 'Âsim, war, verlieh er den Boten Ehrengewänder und befahl, die Tore wieder zu öffnen; auch hielt er Gastgeschenke bereit und zog selber hinaus mit den vornehmsten Würdenträgern seines Reiches, um Saifel-Mulûk zu empfangen. Und die beiden Könige umarmten sich. Dann sprach Faghfûr Schâh zu seinem Gaste: ,Willkommen, herzlich willkommen sei er, der uns naht! Ich bin dein Knecht und der Knecht deines Vaters: meine Stadt steht dir zu Diensten, alles, was du wünschest, soll dir gebracht werden.' Und nun überreichte er ihm die Gastgeschenke und die Zehrung für die Lagerplätze. Darauf stiegen König Saif el-Mulûk und sein Wesir Sâ'id zu Rosse mit ihren obersten Würdenträgern und den anderen Kriegern, und sie zogen vom Meeresufer dahin, bis sie in die Stadt kamen; da wurden die Zimbeln geschlagen, und die Trommeln der Freude erklangen. Und sie blieben dort vierzig Tagelang, auf das schönste bewirtet. Dann sprach der König:



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.O Sohn meines Bruders. wie steht es mit dir? Gefällt dir mein Land?' Und Saifel-Mulûk erwiderte ihm: ,Möge Allah der Erhabene es immerdar durch dich geehrt sein lassen, o König!' König Faghfûr Schâh aber fuhr fort: ,Dich hat doch nur ein Wunsch hierher geführt, der dir plötzlich gekommen ist. Was du immer von meinem Lande begehrst, das will ich dir erfüllen.' ,O König,' antwortete Saifel-Mulûk, ,mein Schicksal ist wunderbar; ich bin von Liebe erfüllt zu dem Bilde der Badî'at el-Dschamâl.' Da weinte der König von China aus herzlichem Mitleid mit ihm und sprach zu ihm: ,Und was begehrst du jetzt, o Saifel-Mulûk' Jener gab ihm zur Antwort: ,Ich bitte dich, du möchtest mir alle Wanderer und Reisenden und Leute, die ihr Beruf durch die Lande führt, hierher bringen, damit ich sie nach der frage, die dies Bildnis darstellt; vielleicht kann einer von ihnen mir über sie berichten.' Alsbald entsandte König Faghfûr Schâh die Statthalter und Kammerherren und Leibwachen mit dem Befehle, alle Wanderer und Reisenden. die im Lande weilten, herbeizuholen. Jene führten den Befehl aus, und es war eine große Schar, die sich bei König Faghfûr Schâh zusammenfand. Da fragte König Saif el-Mulûk sie nach der Stadt Bâbil und nach dem Garten Trams; aber keiner von ihnen konnte ihm darauf antworten, so daß König Saif el-Mulûk ganz ratlos war. Doch schließlich hub einer von den Schiffskapitänen an: ,O König, wenn du diese Stadt und jenen Garten kennen lernen willst, so forsche nach ihnen auf den Inseln. die zum Lande Indien gehören.' Nun befahl Saifel-Mulûk, die Schiffe zu bringen, und seine Leute taten es und luden darauf Wasser und Wegzehrung und alles, was sie brauchten. Dann gingen Saifel-Mulûk und sein Wesir Sâ'id an Bord, nachdem sie von König Faghfûr Schâh Abschied genommen hatten. Eine Zeit von vier Monaten segelten sie auf dem Meere dahin



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bei günstigem Winde, wohlbehalten und sicher. Doch dann begab es sich eines Tages, daß ein Sturm sich wider sie erhob und die Wogen von allen Seiten über sie stürzten. Regenschauer fielen auf sie herab, und das Meer ward von der Gewalt des Sturmes aufgewühlt. Da prallten die Schiffe, vom tobenden Winde getrieben, aufeinander und zerschellten allesamt; ebenso erging es den kleineren Booten, und alle Reisenden ertranken, nur Saifel-Mulûk konnte sich mit einer Schar von Mamluken auf einem kleinen Boote retten. Endlich legte sich der Wind und ward ruhig durch die Allmacht Allahs des Erhabenen, und die Sonne brach durch. Da schlug Saifel-Mulûk die Augen auf; doch er sah keine Spur mehr von den Schiffen, sondern erblickte nur Himmel und Wasser, sich selbst und die, so bei ihm waren in dem kleinen Boote. Und er sprach zu den Mamluken, die mit ihm gerettet waren; ,Wo sind die Schiffe und die kleinen Boote? Und wo ist mein Bruder Sâ'id?' Jene erwiderten ihm: ,O größter König unserer Zeit, keine Schiffe, keine Boote sind übrig geblieben, noch auch einer von denen, die darin waren; alle sind ertrunken und zum Fraß für die Fische geworden.' Nun schrie Saifel-Mulûk laut auf und sprach die Worte, die noch keinen, der sie aussprach, je zuschanden werden ließen: ,Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen!' Und er begann sich ins Gesicht zu schlagen und wollte sich ins Meer stürzen, aber die Mamluken rissen ihn zurück und sprachen zu ihm: ,O König, was soll dir das nützen? Du selbst hast all dies über dich gebracht; hättest du auf die Worte deines Vaters gehört, so wäre dir von alledem nichts widerfahren. Doch all dies stand geschrieben seit Ewigkeit durch den Willen Dessen, der den Seelen das Leben leiht!' — —«



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Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 765. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Saifel-Mulûk, als er sich ins Meer stürzen wollte, von den Mamluken zurückgerissen wurde und daß sie zu ihm sprachen: ,Was soll dir das nützen? Du selbst hast all dies über dich gebracht; doch dies ist etwas, das geschrieben stand seit Ewigkeit durch den Willen Dessen, der den Seelen das Leben leiht, und so muß der Mensch erfüllen, was Allah ihm zuerteilt hat. Die Sterndeuter haben ja zur Zeit deiner Geburt deinem Vater geweissagt, daß all diese Bedrängnisse über seinen Sohn kommen würden. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als daß wir uns gedulden, bis Allah uns aus dieser Not befreit, in der wir uns befinden.' Und von neuem hub Saifel-Mulûk an: ,Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen! Es gibt auch keine Zuflucht noch ein Entrinnen vor dem, was Er beschlossen hat.' Alsdann seufzte er auf und sprach diese Verse:

Verwirrt bin ich, bei Gott, fn, wahr ob meiner Lage;
Denn Not kam über mich; woher? das weiß ich nicht.
Ich will geduldig sein, bis daß die Leute wissen,
Daß meine Langmut nicht durch bittre Wehmut bricht.'
In dieser meiner Not weiß ich nicht aus noch ein,
Und auf der Dinge Lenker hoff ich jetzt allein.

Und seine Sinne versanken im Meere der trüben Gedanken, und die Tränen rannen ihm wie ein Gießbach die Wangen hinab, bis er sich für einen Teil des Tages dem Schlafe hingab.



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Als er dann wieder aufwachte, bat er um ein wenig Nahrung. Er aß, bis er gesättigt war; und die Leute nahmen die Speisen wieder fort. Währenddessen trieb das Boot mit ihnen dahin. und sie wußten nicht, wohin es sie trug. Immer weiter zog es mit ihnen dahin im Spiele der Wellen und der Winde, Tag und Nacht, eine lange Zeit hindurch, bis ihr Vorrat zu Ende ging und Verwirrung sie umfing, und da begannen sie unter Hunger und Durst und Erschöpfung über die Maßen zu leiden. Plötzlich aber winkte ihnen aus der Ferne eine Insel. und die Winde trieben sie weiter, bis sie zu ihr gelangten. Dort machten sie ihr Boot am Lande fest und gingen an Land, nachdem sie einen darin zurückgelassen hatten. Und nun gingen sie weiter auf der Insel und entdeckten dort viele Früchte von allen Arten, und sie aßen von ihnen, bis sie gesättigt waren. Auf einmal sahen sie eine Gestalt mitten zwischen den Bäumen sitzen, die hatte ein langes Gesicht und seltsame Züge, einen weißen Bart und weiße Haut. Jener Mann rief einen der Mamluken bei Namen und sprach zu ihm: ,III nicht von diesen Früchten. denn sie sind noch nicht reif. Komm zu mir her, damit ich dir von den reifen Früchten hier zu essen geben kann.' Der Mamluk sah ihn an und meinte, er sei einer von den Schiffbrüchigen, die gestrandet und auf dieser Insel an Land gegangen wären; deshalb freute er sich über die Maßen, als er ihn sah, und eilte dahin, bis er dicht neben ihm stand. Jener Mamluk aber wußte nicht, was ihm durch den geheimen Ratschluß bestimmt war und was ihm auf der Stirn geschrieben stand. Denn als er dem Alten nahe kam, sprang jener Gesell, der in Wirklichkeit ein Mârid' war, auf ihn und setzte sich ihm rittlings auf die Schultern; dann wand er ihm das eine Bein um den Hals, während er das andere auf seinem Rücken niederhängen



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ließ. Und er rief: ,Vorwärts, marsch! Jetzt kannst du mir nicht mehr entrinnen; jetzt bist du mein Esel geworden.' Da rief jener Mamluk seinen Gefährten unter Tränen die Worte zu: ,Wehe, mein Herr! Flieht, rettet euch aus diesem Walde, eilet von hinnen! Denn einer von seinen Bewohnern ist mir auf die Schulter gesprungen, und die anderen suchen nach euch und wollen auf euch reiten wie dieser auf mir!' Als jene diese Worte, die der Mamluk ihnen zurief, vernommen hatten, flohen sie alle und stiegen in das Boot; die Inselbewohner aber folgten ihnen bis ins Meer und riefen ihnen zu: Wohin wollt ihr fahren? Kommt und bleibet bei uns, wir wollen euch auf den Rücken steigen und euch zu essen und zu trinken geben, und ihr sollt unsere Esel sein!' Doch wie sie diese Worte hörten, fuhren sie nur noch rascher auf der See dahin, bis sie weit von ihren Verfolgern entfernt waren; und dann zogen sie weiter im Vertrauen auf Allah den Erhabenen. Einen Monat lang fuhren sie ohne Aufenthalt dahin, bis eine andere Insel vor ihnen auftauchte. Da gingen sie an Land und fanden dort Früchte von mancherlei Art. Als sie sich nun daran machten. von diesen Früchten zu essen, da leuchtete plötzlich in der Ferne auf dem Wege etwas vor ihnen auf; und als sie näher darauf zugingen, schauten sie es an und erkannten, daß es häßlich anzusehen war und dalag wie eine Säule aus Silber. Ein Mamluk stieß es mit dem Fuße an, und siehe, es war ein menschliches Wesen mit langgeschlitzten Augen und gespaltenem Kopf, verborgen unter einem seiner Ohren; denn es war seine Gewohnheit, zum Schlafen sich ein Ohr unter den Kopf zu breiten und sich mit dem anderen Ohre zu bedecken. Jenes Wesen ergriff den Mamluken, der es mit dem Fuße gestoßen hatte, und schleppte ihn fort ins Innere der Insel. Und siehe da, sie war ganz voll von menschenfressenden Ghûlen. Jener Mamluk



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aber rief seinen Gefährten die Worte zu: ,Rettet euer Leben! Denn dies ist die Insel der menschenfressenden Ghûle, und sie wollen euch zerreißen und auffressen.' Als die anderen diese Worte hörten, wandten sie sich um und eilten vom Lande in das Boot hinab, ohne von den Früchten dort einen Vorrat zu sammeln. Dann fuhren sie eine Reihe von Tagen weiter, bis es eines Tages geschah, daß sie eine dritte Insel in Sicht bekamen; und als sie sich ihr näherten, entdeckten sie auf ihr ein hohes Gebirge. Auf das kletterten sie hinauf, und dort oben sahen sie einen Wald von vielen Bäumen; und weil sie hungrig waren, machten sie sich daran, von den Früchten zu essen. Aber ehe sie sich dessen versahen, kamen plötzlich unter den Bäumen her Gestalten auf sie zu von furchtbarem Aussehen und gewaltig groß; eine jede von ihnen war fünfzig Ellen hoch und hatte Eckzähne, die ihr aus dem Munde hervorragten wie die Stoßzähne des Elefanten. Dann erblickten sie auf einmal auch einen Kerl, der auf einem Stück von schwarzem Filze saß, das man über einen Felsblock gelegt hatte; der war von den Negern umgeben, einer großen Schar, die dort standen, um ihm aufzuwarten. Und nun ergriffen die Neger den König Saifel-Mulûk und seine Mamluken und stellten sie vor ihrem König auf, indem sie sprachen: ,Diese Vögel haben wir unter den Bäumen gefunden.' Da der König gerade Hunger hatte, so nahm er zwei von den Mamluken, schlachtete sie und aß sie auf. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 766. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Neger, nachdem sie den König Saif el-Mulûk und seine Mamluken ergriffen hatten, sie vor ihrem König aufstellten mit den Worten:



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,O König, diese Vögel haben wir unter den Bäumen gefunden', und daß ihr König zwei Mamluken nahm, sie schlachtete und aufaß. Doch als Saifel-Mulûk solches erblicken mußte, fürchtete er für sein Leben, und weinend sprach er diese beiden Verse:

Vertraut ist meinem Herzen Leid, und ich bin's ihm,
Nachdem wir uns gemieden -Edle sind vertraut.
Ach, meine Sorgen sind nicht nur von einer Art;
Ich hab sie tausendfach und preise Allah laut.

Dann seufzte er und sprach auch diese beiden Verse:

Das Schicksal hat so oft mit Leiden mich getroffen,
Daß Pfeile überall in meinem Herzen sitzen.
Und kommen neue Pfeile wider mich geflogen,
So brechen ihre Spitzen an den alten Spitzen.

Als der König sein Weinen und Klagen hörte, sprach er: ,Fürwahr, diese Vögel haben liebliche Stimmen und können schön singen ;j a, ihre Stimmen gefallen mir. Darum tut sie in Käfige, jeden in einen für sich!' Da setzten die Leute sie in Käfige, jeden in einen eigenen, und hängten sie dem König zu Häupten auf, damit er ihrem Gesange lauschen könnte. Nun lebten Saif el-Mulûk und seine Mamluken in den Käfigen, und die Neger gaben ihnen zu essen und zu trinken. Bald weinten sie, und bald lachten sie; bald sprachen sie, und bald schwiegen sie, während der König der Neger an ihren Stimmen seine Freude hatte. In diesem Zustande verblieben sie eine lange Spanne Zeit. Der König aber hatte eine Tochter, die auf einer anderen Insel vermählt war; und die vernahm, daß ihr Vater Vögel besäße, die liebliche Stimmen hätten. Da sandte sie eine Schar von ihren Leuten zu ihrem Vater und ließ ihn um einige von den Vögeln bitten. Darauf schickte ihr Vater ihr Saifel-Mulûk und drei seiner Mamluken in vier Käfigen durch die Gesandtschaft,



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die gekommen war, um sie zu erbitten. Und als die vier bei ihr ankamen und sie auf sie schaute, gefielen sie ihr, und sie befahl, die Käfige an eine Stätte über ihrem Haupte zu stellen. Nun ward Saif el-Mulok von alledem, was ihm widerfuhr. tief ergriffen, und er dachte nach über den hohen Stand, in dem er früher gelebt hatte; so weinte er denn über sein Los, und auch die drei Mamluken beweinten das ihre, während die Tochter des Königs glaubte, sie sängen. Es war aber ihre Gewohnheit, sooft ihr einer aus Ägyptenland oder aus anderen Ländern in die Hände geriet und er ihr gefiel, ihn dann hoch zu ehren. Und es geschah durch den Ratschluß und die Bestimmung Allahs des Erhabenen, daß sie, als ihr Auge auf Saif el-Mulûk fiel, Gefallen hatte an seiner Schönheit und Lieblichkeit und seines Wuchses Ebenmäßigkeit; darum befahl sie, man solle die Gefangenen ehrenvoll behandeln. Und ferner geschah es, daß sie eines Tages mit Saif el-Mulûk allein war, und da verlangte sie, er solle bei ihr ruhen; doch er weigerte sich dessen, indem er zu ihr sprach: ,Meine Gebieterin, ich bin ein fremder Mann; und die Leidenschaft zu ihr, die ich liebe, hält mich in der Trauer Bann. Ich wünsche nichts, als mit ihr vereint zu sein.' Darauf begann die Prinzessin ihm zu schmeicheln und wollte ihn verführen; dennoch hielt er sich von ihr zurück, und sie konnte ihm nicht nahen und auf keinerlei Art und Weise zu ihm gelangen. Und als sie schließlich des Werbern um ihn müde wurde, ergrimmte sie wider ihn und seine Mamluken, und sie befahl, daß jene ihr dienen und Wasser und Holz für sie schleppen sollten. In diesem Zustande blieben sie vier Jahre lang; da ward Saif el-Mulûk eines solchen Lebens überdrüssig, und so sandte er einen Fürsprecher zur Königin, damit sie vielleicht ihnen die Freiheit gäbe und gestatte, daß sie ihrer Wege zögen und von ihrer Plage Ruhe hätten. Sie ließ



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Saifel-Mulûk zu sich kommen und sprach zu ihm: ,Wenn du mir meinen Wunsch erfüllst, so will ich dich von deiner Plage befreien, und dann magst du wohlbehalten und reichbeschenkt in dein Land heimkehren.' Und wiederum begann sie ihn anzuflehen und ihn zu umschmeicheln; aber er willfahrte ihrem Wunsche nicht. Da wandte sie sich zornig von ihm ab; und Saifel-Mulûk und seine Mamluken mußten in derselben Lage bei ihr auf der Insel bleiben. Das Volk aber wußte, daß sie die Vögel der Prinzessin waren, und keiner von den Einwohnern der Stadt wagte ihnen ein Leids anzutun. Und die Prinzessin machte sich in ihrem Herzen keine Sorge um sie, da sie fest glaubte, es wäre ihnen nicht möglich, von der Insel zu entkommen. So konnten die Gefangenen denn bisweilen zwei bis drei Tage von ihr fernbleiben und im Freien umherstreifen, um das Holz in allen Gegenden der Insel zu sammeln, und dann brachten sie es in die Küche der Prinzessin. In dieser Weise lebten sie fünf Jahre lang dahin.

Nun begab es sich eines Tages, daß Saifel-Mulûk mit seinen Mamluken am Ufer des Meeres saß und mit ihnen über das Los sprach, das sie betroffen hatte. Da schaute er sich um, und es kam ihm zum Bewußtsein, in welcher Lage er und seine Mamluken sich befanden. Und er dachte an seine Mutter und seinen Vater und seinen Bruder Sâ'id und erinnerte sich der hohen Stellung, in der er einst gewesen war. Darüber weinte er, ja, er vergoß bittere Tränen und wehklagte, und auch die Mamluken weinten gleich ihm. Darauf hüben jene an: ,O größter König unserer Zeit, wie lange noch sollen wir weinen, wo doch die Tränen nichts nützen? All dies war uns auf die Stirn geschrieben durch die Vorherbestimmung Allahs, des Allgewaltigen und Glorreichen. Die Feder macht zur Tat, was Er beschlossen hat. Uns kann nur Geduld noch helfen: vielleicht



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wird Allah, der Gepriesene und Erhabene, der uns durch diese Not heimgesucht hat, uns auch aus ihr befreien.' Saifel-Mulûk erwiderte ihnen: ,Meine Brüder, was sollen wir denn tun, um uns von dieser Verruchten zu befreien? Ich sehe keinen Weg der Flucht, wenn nicht Allah uns in seiner Gnade von ihr befreit. Und doch kommt es mir immer in den Sinn, wir könnten fliehen und von all dieser Plage Ruhe finden.' Da sprachen sie zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, wohin sollen wir denn fliehen von dieser Insel? Sie ist ganz voll von den menschenfressenden Ghûlen, und wohin wir uns auch wenden mögen, da werden sie uns finden, und dann werden sie uns entweder auffressen oder uns gefangen nehmen und uns an unsere Stätte zurückbringen, und die Tochter des Königs wird wider uns ergrimmen.' Saif el-Mulûk aber fuhr fort: ,Ich will euch etwas herstellen, durch das Allah der Erhabene uns vielleicht zur Flucht verhelfen wird, so daß wir von dieser Insel entkommen.' ,Wie willst du das machen?' fragten sie; und er sagte darauf: ,Wir wollen einige von diesen langen Stämmen abhauen und aus ihrem Baste Stricke drehen; mit denen wollen wir die Hölzer zusammenbinden und uns so ein Floß herstellen. Das wollen wir aufs Wasser setzen und mit den Früchten dort beladen; wenn wir uns dann auch noch Ruder geschnitten haben, so wollen wir uns einschiffen. Vielleicht wird Allah der Erhabene uns dadurch Rettung bringen; denn Er ist über alle Dinge mächtig. Und vielleicht wird Er uns günstigen Wind gewähren, der uns zum Lande Indien bringt; dann werden wir von dieser Verruchten befreit.' Die Gefährten sprachen: ,Dies ist ein trefflicher Plan', und waren hocherfreut. Und alsobald machten sie sich daran, die Stämme für das Floß zufällen; dann flochten sie die Stricke, um die Hölzer zusammenzubinden, und bei dieser Arbeit verbrachten sie



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einen Monat. Jeden Tag sammelten sie gegen Abend etwas Brennholz und brachten es in die Küche der Prinzessin; den übrigen Teil des Tages aber verwandten sie auf die Arbeit an dem Floße, bis sie es fertiggestellt hatten. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 767. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Saifel-Mulûk und seine Mamluken, nachdem sie Stämme auf der Insel gefällt und Stricke gedreht hatten, des Floß, das sie gemacht hatten. zusammenbanden. Und als sie ihre Arbeit beendet hatten, ließen sie es aufs Meer hinab und beluden es mit Früchten, die sie von den Bäumen auf der Insel gepflückt hatten. Und sie rüsteten sich gegen Ende des Tages zum Aufbruch, ohne daß sie jemanden mit ihrem Tun bekannt gemacht hätten. Dann bestiegen sie ihr Floß und fuhren aufs Meer hinaus, vier Monate lang, ohne zu wissen, wohin es sie trieb. Da ging ihre Zehrung zu Ende, und sie begannen unter furchtbarem Hunger und Durst zu leiden. Plötzlich aber begann das Meer zu schäumen und zu branden und sich in hohen Wogen aufzutürmen, und nun stürzte ein furchtbares Krokodil auf sie los, streckte seine Klaue aus und riß einen der Mamluken herunter und verschlang ihn. Wie Saif el-Mulûk sah, was jenes Krokodil mit dem Mamluken tat, weinte er bitterlich. Nun blieb er allein mit dem einen Mamluken', der noch übrig war, auf dem Floß zurück, und sie ruderten in großer Furcht von der Stelle fort, wo das Krokodil war. So trieben sie dahin, bis eines Tages ein gewaltiges Gebirge vor ihnen auftauchte, das bis zu furchtbarer



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Höhe sich in die Luft emporreckte. Darüber freuten sie sich. Bald darauf bekamen sie auch eine Insel in Sicht. und auf die strebten sie mit allen Kräften zu, in der frohen Hoffnung, bald auf ihr zu landen. Doch während sie so dahinfuhren. ward die See plötzlich wieder unruhig, die Wogen türmten sich hoch, und das ganze Meer geriet in Aufruhr; und wiederum reckte ein Krokodil seinen Kopf empor, streckte seine Klaue aus, ergriff den Mamluken, der von den Gefährten des Saif el-Mulûk noch übrig geblieben war, und verschlang ihn.

Nun war Saif el-Mulok ganz allein; und bald erreichte er die Insel und begann zu klettern, bis er oben auf dem Gipfel des Berges ankam. Wie er dort um sich schaute, erblickte er einen Hain; in den trat er ein und ging unter den Bäumen dahin und fing an, von den Früchten zu essen. Aber da sah er. daß mehr als zwanzig große Affen auf die Bäume geklettert waren, Tiere, von denen ein jedes größer als ein Maultier war. Und wie Saif el-Mulûk diese Ungeheuer erblickte, kam große Furcht über ihn. Doch alsbald stiegen die Affen wieder herunter und umringten ihn von allen Seiten; darauf traten sie vor ihn hin, winkten ihm, er solle ihnen folgen, und gingen weiter. So schritt er denn hinter ihnen her, und sie zogen immer weiter, indem er ihnen folgte, bis sie eine Burg erreichten, einen Bau, der sich in große Höhe reckte und seine Mauern bis an den Himmel streckte. Dort zogen die Affen hinein, und auch Saif el-Mulok trat ein, hinter ihnen her; und er entdeckte in ihr allerlei Kostbarkeiten, Juwelen und edle Metalle, die keine Zunge beschreiben kann. Dann sah er in jener Burg einen Jüngling, dem noch kein Haar auf den Wangen sproß, der aber über die Maßen hochgewachsen war. Sein Anblick erfreute ihn, da außer ihm kein menschliches Wesen in der Burg war. Der Jüngling aber staunte gar sehr, als er Saif el-Mulûk erblickte,



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und er fragte ihn: ,Wie heißest du? Aus welchem Lande bist du? Und wie bist du hierher gekommen? Erzähle mir deine Geschichte und verbirg mir nichts!' Saif el-Mulûk gab ihm zur Antwort: ,Bei Allah, ich bin nicht aus eigenem Antrieb hierher gekommen; diese Stätte war nicht mein Ziel. Ich kann nur wandern von Ort zu Ort. bis ich erreicht habe, was ich suche.' Und weiter fragte der Jüngling: ,Was ist es, das du suchest?' Darauf sagte Saifel-Mulûk: ,Ich bin aus dem Lande Ägypten, und mein Name ist Saifel-Mulûk, und meines Vaters Name ist König 'Âsim ibn Safwân'; und dann erzählte er ihm alles, was ihm widerfahren war, von Anfang bis zu Ende. Da erhob jener Jüngling sich und trat dienend vor Saifel-Mulûk hin, indem er sprach: ,O größter König unserer Zeit, ich war in Ägypten und hörte, daß du nach dem Lande China gereist seiest. Aber wie weit ist dies Land von China entfernt! Dies ist ein seltsam Ding, fürwahr, und ein Begebnis ganz wunderbar!' Darauf entgegnete ihm Saifel-Mulûk: ,Du sprichst die Wahrheit. Aber ich bin dann vom Lande China nach dem Lande Indien in See gegangen. Da erhob sich ein Sturm wider uns, das Meer tobte, und alle Schiffe, die ich besaß, zerschellten'; und er erzählte ihm alle seine Erlebnisse, bis er mit den Worten schloß: ,Und so bin ich nun zu dir an diese Stätte gekommen.' ,O Königssohn,' fuhr darauf der Jüngling fort, ,was du durch diese Wanderschaft und durch ihre Leiden erduldet hast, ist wahrlich genug. Preis sei Allah, der dich hierher geführt hat! Bleib jetzt bei mir, auf daß ich mich deiner Gesellschaft erfreue, bis ich sterbe! Dann sollst du König über diese Lande sein, zu denen auch diese Insel gehört, deren Grenze niemand kennt. Sieh, diese Affen sind in mancherlei Künsten erfahren, und alles, was du nur wünschest, kannst du hier finden.' Doch Saif el-Mulûk erwiderte: ,Lieber Bruder, ich kann an keiner Stätte



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verweilen, bis mir mein Wunsch erfüllt ist, müßte ich auch die ganze Welt durchwandern und überall nach meinem Ziele forschen. Vielleicht wird Allah mich noch meinen Wunsch erreichen lassen, sonst muß ich einer Stätte zustreben, an der das Todesschicksal meiner harrt.' Darauf wandte der Jüngling sich einem Affen zu und winkte ihm, und der ging auf kurze Zeit fort; dann kehrte er zurück, begleitet von anderen Affen, die mit seidenen Tüchern gegürtet waren. Und die brachten die Tische und trugen an die hundert goldene und silberne Schüsseln auf, in denen sich vielerlei Speisen befanden. Dann stellten die Affen sich auf, wie Diener es vor den Königen tun; und nun gab der Jüngling den Kammerherren unter den Affen das Zeichen zum Sitzen. Alle setzten sich nunmehr, nur der, dessen Amt es war, aufzuwarten, blieb stehen, während die Jünglinge aßen, bis sie gesättigt waren. Nachdem dann die Tische fortgetragen waren, brachte man Becken und Kannen aus Gold, und sie wuschen ihre Hände. Schließlich brachte man das Weingerät, gegen vierzig Flaschen, von denen eine jede einen anderen Wein enthielt; und sie tranken und waren lustig, vergnügt und guter Dinge. Alle die Affen aber tanzten und spielten, während die Essenden bei Tisch saßen. Als Saifel-Mulûk das sah, staunte er über sie und vergaß die Leiden, die er hatte erdulden müssen. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 768. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Saifel-Mulûk, als er das Treiben und Tanzen der Affen sah, über sie staunte und die Leiden vergaß, die er in der Fremde hatte erdulden müssen. Als es aber Nacht ward, wurden die Kerzen angezündet und in goldene und silberne Leuchter gesetzt; dann brachte man Schalen



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mit Naschwerk und Früchten, und die Jünglinge aßen davon. Und nachdem die Stunde des Schlafens gekommen war, wurden ihnen die Betten hingebreitet, und sie schliefen. Am nächsten Morgen erhob sich der fremde Jüngling nach seiner Gewohnheit, weckte Saifel-Mulûk und sprach zu ihm ,Strecke deinen Kopf durch dies Fenster hinaus und schau, was darunter steht!' Jener schaute hinaus und sah, wie die weite Fläche und die ganze Steppe voller Affen war, deren Zahl niemand kannte außer Allah dem Erhabenen. Und er sprach: ,Hier sind so viele Affen, daß sie das ganze Land erfüllen; warum haben die sich zu dieser Zeit versammelte' Der Jüngling antwortete ihm: ,Das ist ihre Sitte: alle, die sich auf der Insel befinden, sind eingetroffen, und einige haben eine Reise von zwei oder drei Tagen hinter sich. An jedem Sabbat kommen sie und bleiben hier stehen, bis ich aus meinem Schlafe erwache und meinen Kopf aus diesem Fenster hinausstrecke. Wenn sie mich dann sehen, so küssen sie den Boden vor mir: und darauf gehen sie ihrer Wege und an ihre Arbeit.' Alsbald hielt er seinen Kopf zum Fenster hinaus, bis sie ihn sahen; und wie sie ihn erblickt hatten, küßten sie den Boden vor ihm und gingen davon. Saif el-Mulûk aber blieb einen vollen Monat bei dem Jüngling; dann nahm er Abschied von ihm und wanderte weiter. Der Jüngling aber hatte einer Schar von etwa hundert Affen befohlen, ihm das Geleit zu geben; und so zogen diese im Dienste von Saif el-Mulûk sieben Tage dahin, bis sie ihn an die Grenzen ihrer Länder gebracht hatten. Dort nahmen sie Abschied von ihm und kehrten an ihre Wohnstätten zurück. während Saifel-Mulûk allein weiterzog über Berge und Hügel, durch Steppen und Wüsten, vier Monate lang. Bald mußte er hungern, bald konnte er sich sättigen; das eine Mal aß er von den Kräutern der Erde, das andere Mal nährte er sich von den



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Früchten der Bäume. Und er begann schon zu bereuen, daß er sich solches angetan und jenen Jüngling verlassen hatte. Gerade wollte er zu ihm zurückkehren auf dem Wege, den er gekommen war, da sah er plötzlich in der Ferne etwas Schwarzes auftauchen. Nun sagte er sich: ,Ist dies eine schwarze Stadt, oder was mag es sonst sein? Ich will doch nicht eher umkehren, als bis ich gesehen habe, was jenes Ding dort ist.' Wie er aber nahe herankam, sah er, daß es ein hochgebautes Schloß war, das Japhet, der Sohn Noahs -über ihm sei Heil! —, einst erbaut hatte. Dies war das Schloß, das Allah der Erhabene in seinem hochheiligen Buche genannt hat, wo er sagt: ,Und ein verlassener Brunnen und ein hochragendes Schloß."Saifel-Mulûk setzte sich am Tor des Schlosses nieder und sprach bei sich selber: ,Ich möchte wohl wissen, was drinnen in diesem Schlosse ist und welcher König in ihm wohnt! Wer kann mir die Wahrheit sagen, ob seine Bewohner Menschen oder Geisterwesen sind?' Eine Weile saß er nachdenklich da; aber als er niemanden sah, der hineinging oder herauskam, so schritt er vorwärts, indem er auf Allah den Erhabenen vertraute, bis er mitten im Schlosse war; da hatte er auf seinem Wege bereits sieben Vorhallen gezählt, ohne daß er jemanden erblickt hätte. Nun sah er zu seiner Rechten drei Türen und vor sich eine Tür. über die ein Vorhang heruntergelassen war. Auf jene Tür ging er zu, und nachdem er den Vorhang mit seiner Hand gehoben hatte, schritt er durch die Tür hindurch. Da sah er sich in einer großen Halle, die mit seidenen Teppichen belegt war. Und am oberen Ende dieser Halle befand sich ein goldener Thron, auf dem eine Jungfrau saß, deren Antlitz dem Monde glich; sie trug königliche Kleidung und war geschmückt gleich einer Braut in der Hochzeitsnacht. Am Fuße des Thrones standen



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vierzig Tische mit goldenen und silbernen Schüsseln, die alle voll von prächtigen Speisen waren. Als Saifel-Mulûk die Jungfrau erblickte, trat er auf sie zu und sprach den Friedensgruß; sie erwiderte seinen Gruß und sprach zu ihm: ,Gehörst du zu den Menschen oder zu den Geistern?' Er gab ihr zur Antwort: ,Ich gehöre zu den besten der Menschen; denn ich bin ein König, der Sohn eines Königs.' Und sie fuhr fort: ,Was begehrst du? Zuerst erquicke dich an den Speisen da vor dir; danach erzähle mir deine Geschichte von Anfang bis zu Ende, und sage mir auch, wie du hierher gekommen bist!' Da setzte sich Saif el-Mulûk an einem Tische nieder, hob die Decke von den Speisen, und weil er hungrig war, aß er aus jenen Schüsseln, bis er gesättigt war; dann wusch er sich die Hand', trat zum Thron hinauf und setzte sich neben der Jungfrau nieder. Die fragte ihn: ,Wer bist du? Wie heißt du? Woher kommst du? Und wer hat dich hierher geführt?' ,Ach, meine Geschichte ist solang', erwiderte Saifel-Mulûk; doch sie wiederholte: ,Sage mir nur, woher du bist und aus welchem Grunde du hierher gekommen bist und was du wünschest!' Nun bat er sie: ,Erzähle du mir, was es mit dir auf sich hat, wie du heißest, was dich hierhergeführt hat und warum du so allein an dieser Stätte sitzest.' Die Maid gab ihm zur Antwort: ,Ich heiße Daulat Chatûn; ich bin die Tochter des Königs von Indien, und mein Vater wohnt in der Hauptstadt von Ceylon. Er hat einen großen und schönen Garten, den herrlichsten, den es im Lande Indien und all seinen Gebieten gibt; und darin befindet sich ein großer Teich. Eines Tages begab ich mich mit meinen Sklavinnen in jenen Garten; dort legten wir alle, ich und die Sklavinnen, unsere Kleider ab, sprangen in den Teich und begannen zu spielen und uns zu vergnügen. Doch ehe ich mich dessen



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versah, kam etwas wie eine Wolke auf mich herab, ergriff mich mitten unter meinen Sklavinnen und flog mit mir zwischen Himmel und Erde davon; dabei sprach das Wesen: ,O Daulat Chatûn, fürchte dich nicht, sondern sei ruhigen Herzens!' Eine kleine Weile flog es mit mir weiter; dann setzte es mich in diesem Schlosse nieder. Nun aber nahm es sofort eine andere Gestalt an und ward zu einem schönen Jüngling von jugendlicher Lieblichkeit und in feinem, reinem Kleid; und der sprach zu mir: ,Kennst du mich jetzt?' ,Nein, mein Gebieter', antwortete ich; und er fuhr fort: ,Ich bin der Sohn des Blauen Königs, des Königs der Geister; mein Vater wohnt in der Burg von el-Kulzum ', und ihm unterstehen sechshunderttausend Geister, Flieger sowohl wie Taucher. Als ich unterwegs war und meine Straße dahinzog, geschah es, daß ich dich erblickte; da ward ich von Liebe zu dir erfüllt, und ich flog zu dir hinab und griff dich unter den Sklavinnen auf und brachte dich in dies hochragende Schloß, das meine Wohnstätte ist; hierher kann niemand je gelangen, weder Geister noch Menschen, und von Indien bis hier ist es eine Reise von hundertundzwanzig Jahren. Drum sei gewiß, daß du das Land deines Vaters und deiner Mutter nie wiedersehen wirst, und bleibe bei mir an dieser Stätte mit zufriedenem Herzen und Sinn: ich will dir alles bringen, was du nur wünschest!' Dann umarmte und küßte er mich.' — —«

Da bemerkte Schehrezad, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 769. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Jungfrau zu Saifel-Mulûk sagte: ,Nachdem der Geisterkönig mit mir gesprochen hatte, umarmte und küßte er mich, indem er sagte:



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,Bleib hier und fürchte nichts!' Dann verließ er mich und blieb eine Weile fort: danach aber kam er wieder und brachte diese Tische und Teppiche und all dies Hausgerät. An jedem Dienstag besucht er mich und verweilt drei Tage bei mir; am vierten Tage bleibt er bis zur Zeit des Nachmittagsgebetes, dann macht er sich auf, verschwindet aus meinen Augen bis zum nächsten Dienstag und kommt in der gleichen Gestalt zurück. Wenn er hier weilt. ißt und trinkt er mit mir, und er umarmt mich und küßt mich, während ich eine reine Jungfrau bleibe, geradeso wie Allah der Erhabene mich erschaffen hat, da der Geisterprinz mir noch nichts angetan hat. Meines Vaters Name lautet Tâdsch el-Mulûk, und er konnte noch nichts über mich erkunden und hat noch keine Spur von mir gefunden. Dies ist meine Geschichte; nun erzähle du mir die deine!' Saifel-Mulûk erwiderte ihr: ,Meine Geschichte ist lang, und ich fürchte, wenn ich sie dir erzähle, so wird uns die Zeit verstreichen, und der Dämon wird kommen.' Doch sie entgegnete ihm: ,Er hat mich erst, kurz bevor du eintratest, verlassen, und er wird nicht eher als am Dienstag zurückkehren; drum setze dich, sei ruhig und getrosten Mutes und erzähle mir, was dir widerfahren ist, von Anfang bis zu Ende!' ,Ich höre und gehorche!' sagte Saif el-Mulûk und begann zu erzählen, bis er alles von Anfang bis zu Ende berichtet hatte. Wie er aber von Badî'at el-Dschamâl sprach, rannen ihr die Augen über von strömenden Tränen, und sie rief: ,Das hätte ich nicht von dir gedacht, o Badî'at el-Dschamâl! Weh über der Zeiten Lauf! O O Badî'atel-Dschamâl, erinnerst du dich meiner nicht mehr? Sprichst du nicht: Wohin ist meine Schwester Daulat Chatûn entschwundene' Dann weinte sie noch immer heftiger und klagte, daß Badî'at el-Dschamâl sie vergessen habe. Saifel-Mulûk aber sprach zu ihr: ,O Daulat Chatûn, du bist doch eine Sterbliche, und sie ist eine



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Geisterfee; wie kann sie denn deine Schwester sein?' Da gab sie ihm zur Antwort: ,Sie ist meine Pflegeschwester, und das hat sich so zugetragen. Meine Mutter ging einst in unseren Garten hinab, um dort zu lustwandeln; doch es kamen die Wehen über sie, und sie gebar mich in diesem Garten. Zur selben Zeit aber war auch die Mutter von Badî'at el-Dschamâl mit ihrem Geistergefolge in dem Garten, und auch sie ward von den Wehen ergriffen; da ging sie abseits in den Garten und brachte Badî'at el-Dschamâl zur Welt. Darauf sandte sie eine ihrer Frauen zu meiner Mutter, um von ihr Speise und die Sachen, die für das Kindbett nötig sind, zu erbitten. Meine Mutter sandte ihr alles, was sie wünschte, und lud sie zu sich ein; dann machte sie sich auf mit Badî'at el-Dschamâl und begab sich zu meiner Mutter, und meine Mutter stillte das Geisterkind. Danach blieb die Geistermutter mit ihrer Tochter noch zwei Monate lang bei uns in dem Garten. Schließlich kehrte sie wieder in ihre Heimat zurück; doch zuvor gab sie meiner Mutter etwas' mit den Worten: ,Wenn du meiner bedarfst, so will ich in diesen Garten zu dir kommen.' Seither pflegte Badî'at $el-Dschamâl uns in jedem jahre mit ihrer Mutter zu besuchen; wenn sie eine Weile bei uns geblieben waren, kehrten sie wieder heim. Wäre ich jetzt bei meiner Mutter, o Saifel-Mulûk, und hätte dich bei mir in meinem Lande. und wäre ich wie einst mit Badî'at el Dschamîl zusammen, so würde ich einen Plan ersinnen, der dir bei ihr zum Ziele verhelfen soll. Aber nun bin ich hier, und die Meinen wissen nichts von mir. Wenn sie Kunde von mir hätten und wüßten, daß ich hier weile, so hätten sie die Macht, mich aus diesem Gefängnisse zu befreien. Doch alles steht in der Hand Allahs, des Gepriesenen.



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und Erhabenen, und was kann ich tun?' Saifel-Mulûk rief: ,Mache dich auf, komm mit mir, wir wollen fliehen und uns dorthin begeben, wohin Allah der Erhabene will.' Doch sie entgegnete ihm: ,Das können wir nicht tun; denn, bei Allah, wenn wir auch eines Jahres Reise weit flüchteten, so würde dieser Verfluchte uns doch in einer Stunde einholen und uns umbringen.' Da sagte Saifel-Mulûk: ,Ich will mich irgendwo verstecken, und wenn er an mir vorüberkommt, will ich ihn mit dem Schwerte totschlagen.' ,Du kannst ihn nur töten, wenn du seine Seele tötest', erwiderte sie; und er fragte: ,Wo ist denn seine Seele?' Darauf gab sie zur Antwort: ,Ich habe ihn viele Male danach gefragt, aber er wollte mir ihren Ort nicht nennen. Schließlich begab es sich eines Tages, als ich wieder in ihn drang, daß er über mich ergrimmte und rief: ,Wie oft willst du mich nach meiner Seele fragen? Warum fragst du denn immerfort danach?' Ich erwiderte ihm: ,O Hâtim', mir ist außer Allah niemand geblieben als du. Solange du lebst, will ich immer deine Seele in den Armen halten. Wenn ich deine Seele nicht hüte und in meinen Augenstern lege, wie kann ich dann nach deinem Tode leben? Wenn ich wüßte, wo deine Seele ist, so würde ich sie hüten wie mein rechtes Auge.' Da sprach er zu mir: ,Als ich geboren wurde, weissagten die Sterndeuter, daß meine Seele durch die Hand eines von den Söhnen der menschlichen Könige umkommen würde. Deshalb habe ich meine Seele genommen und sie in den Kropf eines kleinen Vogels getan. Den Vogel habe ich in eine Schachtel eingesperrt, die Schachtel habe ich in einen Kasten getan, den Kasten inmitten von sieben anderen Kästen, die Kästen wiederum in sieben Truhen und die Truhen in einen Marmorschrein, den



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ich am Ende dieses erdumgürtenden Ozeans verborgen halte. Jene Gegend liegt so fern vom Lande der Menschen, daß kein einziges sterbliches Wesen dorthin gelangen kann. Sieh, nun habe ich es dir gesagt, und du sprich zu niemandem darüber; denn es ist ein Geheimnis zwischen dir und mir!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 770. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Daulat Chatûn, als sie Saifel-Mulûk von der Seele des Dämonen, der sie entführt hatte, berichtete und ihm offenbarte, was jener ihr mitgeteilt hatte, sogar auch seine Worte an sie: ,Dies ist ein Geheimnis zwischen uns', dann des weiteren sagte: ,Ich entgegnete ihm: ,Wem sollte ich es wohl verraten? Es kommt doch niemand außer dir zu mir, so daß ich es ihm sagen könnte!' Und ich fügte hinzu: ,Bei Allah, du hast deine Seele in einer festen und starken Feste verborgen, zu der niemand gelangen kann. Wie sollte wohl ein Mensch dorthin kommen können, wenn nicht das Unmögliche vorherbestimmt ist und Allah es beschlossen hat, wie die Sterndeuter geweissagt haben! Und wie sollte auch ein Mensch wohl diese Stätte hier erreichen können!' Doch der Dämon erwiderte: ,Vielleicht gibt es unter ihnen einen, der den Ring Salomos, des Sohnes Davids -über beiden sei Heil! —, an seinem Finger trägt; der möchte hierher kommen und seine Hand mit diesem Ringe auf die Fläche des Wassers legen und sprechen: ,Bei der Kraft dieser Namen, die Seele Desunddes komme hervor!' Dann wird sich der Schrein an die Oberfläche heben, und er wird ihn aufbrechen, desgleichen auch die Truhen und Kästen, bis er gar den Vogel aus der Schachtel hervorholt und erdrosselt, so daß ich sterbe.' In diesem Augenblick rief Saifel-Mulûk: ,Ich bin ja dieser Königssohn!



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Hier ist dieser Ring Salomos, des Sohnes Davids -über beiden sei Heil! —, an meinem Finger! Auf, laß uns zur Küste dieses Meeres gehen, damit wir schauen, ob seine Worte falsch oder wahr sind!' Alsbald machten die beiden sich auf und schritten dahin, bis sie zum Meere kamen. Und Daulat Chatûn blieb an der Meeresküste stehen, während Saif el-Mulûk bis zum Gürtel in das Wasser watete und sprach: ,Bei der Kraft der Namen und Talismane, die auf diesem Ringe geschrieben stehen, und bei der Macht Salomos -Heil sei über ihm! —die Seele Desunddes, des Sohnes des Blauen Königs, des Dämonen, komme hervor!' Da geriet das Meer in Wallung und der Schrein stieg an die Oberfläche. Saifel-Mulûk aber nahm ihn und schlug ilm gegen den Felsen; so zerbrach er ihn und die Truhen und Kästen, und er holte den Vogel aus der Schachtel hervor. Darauf begaben die beiden sich zum Schlosse und setzten sich auf den Thron; aber plötzlich stieg eine furchtbare Staubwolke auf, und ein riesenhaftes Etwas kam dahergeflogen, das schrie: ,Schone mich, o Königssohn! Töte mich nicht! Mache mich zu deinem Freigelassenen, und ich will dir zu deinem Ziele verhelfen!' Doch Daulat Chatûn rief: ,Der Dämon ist da! Töte den Vogel, damit dieser Verfluchte nicht ins Schloß eindringt und ihn dir entreißt und dich tötet und nach dir auch mich!' Und sogleich erdrosselte Saifel-Mulûk den Vogel, und der starb; da fiel auch der Dämon auf der Schwelle des Palastes nieder und wurde zu einem Häuflein schwarzer Asche. Dann sprach Daulat Chatûn: ,Nun sind wir aus der Hand dieses Verruchten befreit. Was wollen wir jetzt beginnen?' Saifel-Mulûk erwiderte ihr: ,Wir müssen Hilfe erflehen von Allah dem Erhabenen, der uns heimgesucht hat; denn er wird unsere Wege leiten und uns zur Rettung aus unserer Not verhelfen.' Darauf ging er hin und hob etwa zehn Türen des Schlosses aus den



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Angeln; jene Türen aber waren aus Sandelholz und Aloeholz, und die Nägel darin waren aus Gold und aus Silber. Dann nahm er Stricke aus Seide von verschiedener Art, die sich dort befanden, und band damit die Türen zusammen; und nachdem er ein Floß daraus gemacht hatte, trugen er und Daulat Chatûn, die ihm ihre Hilfe lieh, es fort, bis sie zum Strande kamen, warfen es ins Meer und banden es am Ufer fest. Noch einmal kehrten sie ins Schloß zurück und holten von dort die goldenen und silbernen Schüsseln, desgleichen auch die Juwelen und Hyazinthe und Edelmetalle. Alles das, was nicht beschwert und doch von hohem Wert, trugen sie aus dem Schlosse fort und legten es auf jenes Floß. Und schließlich stiegen sie selbst hinauf, indem sie ihr Vertrauen auf Allah den Erhabenen setzten, auf Ihn, der alle, die auf Ihn vertrauen, schützt und nicht im Stiche läßt. Nachdem sie sich auch noch zwei Planken als Ruder zurechtgemacht hatten, lösten sie die Stricke und ließen das Floß mit ihnen ins Meer hinaustreiben. In dieser Weise fuhren sie vier Monate lang dahin, bis ihre Zehrung zu Ende ging; da kam schweres Leid über sie, das Herz ward ihnen beengt, und sie baten Allah, er möchte ihnen Befreiung aus ihrer Not gewähren. Auf ihrer ganzen Fahrt aber pflegte Saif el-Mulûk, wenn er sich zum Schlafen niederlegte, Daulat Chatûn den Platz hinter seinem Rücken zu geben, und wenn er sich umwandte, so lag sein Schwert zwischen ihnen beiden. Während sie nun in ihrer Not dahinfuhren, geschah es eines Nachts, als Saifel-Mulûk schlief, Daulat Chatûn aber wachte, daß ihr Floß dem Lande zutrieb und in einen Hafen kam, in dem Schiffe lagen. Daulat Chatûn erblickte die Schiffe und hörte, wie ein Mann mit den Seeleuten redete; jener Mann aber, der da sprach, war der Oberste und der Älteste der Schiffsführer. Wie also die Prinzessin des Kapitäns Stimme vernahm, erkannte



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sie, daß hier am Lande sich der Hafen einer Stadt befand und daß sie nun eine bewohnte Gegend erreicht hatten; darüber war sie hocherfreut. Alsbald weckte sie Saif el-Mulûk aus seinem Schlafe und sprach zu ihm: ,Auf, befrage diesen Kapitän über den Namen dieser Stadt und über diesen Hafen!' Voller Freuden erhob jener sich und rief: ,Bruder, wie heißt diese Stadt? Wie nennt man diesen Hafen? Und wie heißt ihr König?' Aber der Kapitän erwiderte ihm: ,Du Narrengesicht, du Dummbart, wenn du den Namen dieses Hafens und dieser Stadt nicht kennst, wie bist du dann hierher gekommen?' Saif el-Mulûk gab zur Antwort: ,Ich bin ein Fremdling; ich war auf einem Kauffahrteischiffe; aber das Schiff zerschellte und ging mit Mann und Maus unter; nur ich konnte noch auf eine Planke klettern und bin nun hierher geraten. Darum fragte ich dich, und im Fragen ist doch nichts Arges.' Und der Kapitän fuhr fort: ,Dies ist die Stadt 'Amarîje, und dieser Hafen heißt Kamin el-Bahrain.' Als Daulat Chatûn diese Worte hörte, freute sie sich gar sehr, und sie rief: ,Preis sei Allah!' ,Was gibt es?' fragte Saifel-Mulûk; und sie erwiderte: ,O Saifel-Mulûk, freue dich der nahen Rettung! Der König dieser Stadt ist mein Oheim, der Bruder meines Vaters.' —

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 771. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Daulat Chatûn zu Saif el-Mulûk sprach: ,Freue dich der nahen Rettung! Der König dieser Stadt ist mein Oheim, der Bruder meines Vaters, und er heißt 'Âh el-Mulûk.' Und dann fügte sie hinzu: ,Frage doch den Kapitän: Ist der Sultan dieser Stadt, 'Âh el-Mulûk, wohlauf?' Als aber jener danach fragte, schrie der Kapitän ihn



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zornig an: ,Du sagst, du seiest in deinem ganzen Leben noch nicht hierher gekommen und du seiest ein Fremdling; wer hat dir denn den Namen des Herrn dieser Stadt kundgetan?' Nun freute sich Daulat Chatûn, da sie den Kapitän erkannte; er hieß nämlich Mu'în ed-Dîn, und er war einer der Kapitäne ihres Vaters, und er war ausgefahren, um sie zu suchen, als sie verschwunden war, hatte sie aber nicht gefunden, und war immer weiter umhergefahren, bis er die Stadt ihres Oheims erreicht hatte. Und sie sprach zu Saif el-Mulûk: ,Sag ihm: He, Mu'în ed-Dîn, komm, folge dem Rufe deiner Herrin!' Da rief er ihm diese Worte zu; doch wie der Kapitän sie von ihm vernahm, ward er sehr zornig und erwiderte: ,Du Hund, wer bist du und woher kennst du mich?' Einigen Seeleuten aber rief er zu: ,Reicht mir einen Eschenstab; ich will hingehen und dem elenden Kerl da den Schädel einschlagen!' Man gab ihm den Stab, und er eilte dorthin, wo Saif el-Mulûk war; er sah das Floß. auf ihm sah er etwas Wunderbares, Herrliches, und sein Sinn ward berückt. Dann schaute er genauer hin und ließ seinen Blick verweilen, und er sah Daulat Chatûn, die dasaß, schön gleich der Mondscheibe; und er sprach zu dem Jüngling: ,Wer ist dort bei dir?' Der antwortete ihm: ,Bei mir ist eine Jungfrau, Daulat Chatûn geheißen.' Als der Kapitän diese Worte vernahm, sank er ohnmächtig zu Boden; denn er hatte ja den Namen gehört und erfahren, daß sie seine Herrin war und die Tochter seines Königs. Und als er wieder zu sich kam, ließ er das Floß mit denen, die auf ihm waren, allein und eilte in die Stadt; und weiter eilte er zum Schlosse des Königs und bat um Einlaß. Der Kammerherr trat zum König ein und sprach: ,Kapitän Mu'în ed-Dîn ist gekommen, um dir gute Nachricht zu bringen.' Der König gab Befehl, ihn vorzulassen; und so trat der Kapitän ein, küßte den Boden vor ihm und sprach zu ihm:



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,O König, Lohn für frohe Botschaft ist mir von dir gewiß! Denn deines Bruders Tochter Daulat Chatûn ist zu dieser Stadt gekommen, gesund und wohlbehalten; sie ist auf einem Floße, zusammen mit einem Jüngling, der dem Monde in der Nacht seiner Fülle gleicht.' Als der König diese Kunde von seines Bruders Tochter vernahm, freute er sich und verlieh dem Kapitän ein kostbares Ehrengewand. Ferner befahl er sogleich, die Stadt solle geschmückt werden zu Ehren der wohlbehaltenen Ankunft seiner Bruderstochter. Auch entsandte er Boten zu ihr und ließ sie und Saifel-Mulûk zu sich kommen; dann begrüßte er sie und wünschte ihnen Glück zu ihrer Rettung. Und schließlich schickte er Boten zu seinem Bruder, um ihm zu melden, daß seine Tochter gefunden sei und bei ihm weile. Sobald diese Boten bei Tâdsch el-Mulûk, dem Vater von Daulat Chatûn, eingetroffen waren, rüstete er sich, versammelte seine Truppen und machte sich auf den Weg, bis er bei seinem Bruder 'Âli el-Mulûk ankam und wieder mit seiner Tochter Daulat Chatûn vereint war; da waren sie hocherfreut. Eine Woche lang blieb er bei seinem Bruder; dann nahm er seine Tochter und desgleichen auch Saifel-Mulûk und machte sich mit ihnen auf den Heimweg, bis sie in Ceylon ankamen. Das war ja das Vaterland der Prinzessin, und als sie dort auch mit ihrer Mutter wieder vereint war, freuten sich alle über ihre glückliche Heimkehr, und Freudenfeste wurden gefeiert; das war damals ein herrlicher Tag, wie man ihn noch nie erlebt hatte. Der König aber erwies Saif el-Mulûk hohe Ehren und sprach zu ihm: ,O Saif el-Mulûk, du hast mir und meiner Tochter all dies Gute getan, und ich kann es dir nie vergelten; nur der Herr der Welten kann es dir lohnen! Doch ich wünsche, daß du an meiner Statt den Thron besteigest und im Lande Indien herrschest; sieh, ich schenke dir mein Reich und



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meinen Thron, meine Schätze und meine Diener -all das soll eine Gabe von mir an dich sein.' Da küßte Saifel-Mulûk den Boden vor dem König und dankte ihm und sprach zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, ich nehme alles an, was du mir geschenkt hast; doch ich gebe es dir zurück als ein Geschenk von mir. Denn ich, o größter König unserer Zeit, strebe nicht nach Herrschaft und Sultanswürde, ich wünsche nur ganz allein, daß Allah der Erhabene mich an mein Ziel führe.' Nun fuhr der König fort: ,Meine Schätze hier stehen zu deiner Verfügung, o Saifel-Mulûk; was du nur willst, entnimm aus ihnen, ohne mich darüber zu befragen; und Allah möge dich statt meiner mit allem Guten belohnen!' Hierauf erwiderte Saifel-Mulûk: ,Allah stärke die Macht des Königs! Ich habe keine Freude an der Herrschaft noch an Geld und Gut, bis mir mein Wunsch erfüllt ist. Jetzt aber möchte ich mich in dieser Stadt ergehen und mir ihre Straßen und Märkte anschauen.' Da befahl Tâdsch el-Mulûk, ihm eins der edelsten Rosse zu bringen; und nachdem man ein solches edles Tier, mit Sattel und Zaum versehen, vor ihn geführt hatte, bestieg er es und ritt hinaus auf den Markt und zog in den Straßen der Stadt umher. Und wie er dort nach rechts und nach links hin Ausschau hielt, erblickte er einen Jüngling, der ein Obergewand im Arme trug und es um fünfzehn Dinare feilbot. Er schaute genauer hin und entdeckte, daß er seinem Bruder Sâ'id glich. In Wirklichkeit war er es auch selbst, aber seine Farbe und seine Gestalt sahen jetzt anders aus, da er schon so lange in der Fremde weilte und so viele Mühsale der Reise durchgemacht hatte; deshalb erkannte Saifel-Mulûk ihn nicht genau. Doch er sprach zu seinen Begleitern: ,Bringt mir den Jüngling, ich will ihn befragen!' Sie führten ilm zu ihm, und er fuhr fort: ,Nehmt ihn und führt ihn in das Schloß, in dem ich wohne;



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dort behaltet ihn bei euch, bis ich von dem Ausritt heimkehre.' Jene aber verstanden ihn so, als ob er zu ihnen gesagt hätte: ,Nehmt ihn und führt ihn ins Gefängnis', und sie sagten sich: ,Vielleicht ist er einer von seinen Mamluken, der ihm entlaufen ist.' Also nahmen sie den Jüngling, führten ihn ins Gefängnis, legten ihm Fesseln an und ließen ihn dort sitzen. Darauf kehrte Saifel-Mulûk von seinem Ritt heim und begab sich ins Schloß; aber er vergaß seines Bruders Sâ'id, und keiner erinnerte ihn mehr an ihn. So blieb denn Sâ'id im Gefängnis, und wenn man die Gefangenen zu den Bauarbeiten hinausführte, so ward auch Sâ'id mitgenommen, und er mußte mit den Sträflingen arbeiten, so daß er bald ganz mit Schmutz bedeckt war. Einen ganzen Monat lang blieb er in dieser elenden Lage; und er sann über sein Los nach und fragte sich: ,Was mag wohl der Grund meiner Gefangenschaft seine' Saif el-Mulûk aber gab sich ganz den Freuden und Zerstreuungen hin, die ihm zuteil wurden. Doch eines Tages geschah es, daß Saifel-Mulûk, während er dasaß, sich an seinen Bruder Sâ'id erinnerte, und sofort fragte er die Mamluken, die bei ihm waren: ,Wo ist der Mamluk, der an demunddem Tage bei euch war?' Sie antworteten: ,Hast du uns nicht gesagt, wir sollten ihn ins Gefängnis bringen?' ,Das hab ich euch nicht gesagt,' erwiderte Saif el-Mulûk, ,ich hab euch doch gesagt, ihr solltet ihn in das Schloß bringen, in dem ich wohne.' Darauf schickte er die Kammerherren zu Sâ'id, und die brachten ihn her, gefesselt wie er war; dann lösten sie ihm die Fesseln und führten ihn vor Saifel-Mulûk. Der fragte ihn: ,O jüngling, aus welchem Lande bist du?' Und jener antwortete ihm: ,Ich bin aus Ägypten, und mein Name ist Sâ'id, Sohn des Wesirs Fâris.' Kaum hatte Saifel-Mulûk diese Worte von ihm vernommen. so sprang er vom Thron herunter und warf sich dem Freunde



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entgegen, hängte sich an seinen Hals und begann vor Freuden heftig zu weinen. Dann sprach er: ,Lieber Bruder Sâ'id, Preis sei Allah, daß du noch lebst und ich dich sehe! Ich bin ja dein Bruder Saifel-Mulûk, der Sohn des Königs 'Âsim!' Wie Sâ'id diese Worte hörte und ihn erkannte, umarmten beide sich und weinten miteinander; und alle, die zugegen waren, schauten den beiden voll Verwunderung zu. Darauf befahl Saifel-Mulûk, man solle Sâ'id nehmen und ins Bad führen; und es geschah also. Nachdem er dann das Bad verlassen hatte. kleideten die Diener ihn in prächtige Gewänder und führten ihn in den Saal zu Saifel-Mulûk zurück; und der ließ ihn neben sich auf dem Throne sitzen. Als nun Tâdsch el-Mulûk die Kunde vernahm, freute er sich gar sehr, daß Saif el-Mulûk mit seinem Bruder Sâ'id wieder vereinigt war, und kam zu ihnen, und die drei saßen beisammen und begannen über alles zu plaudern, was ihnen von Anfang bis zu Ende widerfahren war. Da erzählte Sâ'id:

,O mein Bruder, o Saif el-Mulûk, als das Schiff unterging und die Mamluken im Meere versanken, kletterte ich mit einer Anzahl von ihnen auf eine Planke, und die trieb mit uns einen vollen Monat auf dem Meere dahin. Darauf warf der Wind uns nach dem Willen Allahs des Erhabenen an eine Insel, und wir gingen auf ihr an Land, hungrig wie wir waren. Bald schritten wir zwischen den Bäumen einher und begannen von den Früchten zu essen. Während wir nun mit dem Essen beschäftig warten, kamen plötzlich, ehe wir uns dessen versahen. Leute auf uns zu, die wie Dämonen aussahen, und die sprangen auf uns und ritten auf unsern Schultern und schrieen uns an: ,Vorwärts, marsch! Ihr seid jetzt unsere Esel.' Ich aber sprach zu dem, der auf mir saß: ,Was bist du? Und weshalb reitest du auf mir?' Als er mich so reden hörte, wand



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er sein Bein mir so fest um den Hals. daß ich fast erstickte, und er schlug mir mit seinem anderen Bein so heftig auf den Rücken, daß ich glaubte, er hätte mir das Rückgrat zerbrochen. Da fiel ich nieder auf mein Gesicht, denn Hunger und Durst hatten mir alle Kraft genommen. Als ich zu Boden sank, erkannte er, daß ich hungrig war, und er nahm mich bei der Hand und führte mich zu einem Baume, der voller Früchte hing; das war ein Birnbaum. Dann sprach er zu mir: ,Iß von diesem Baume, bis du satt bist!' Ich aß also von jenen Früchten, bis ich gesättigt war; und schließlich machte ich mich auf und schritt wider Willen weiter. Aber ich hatte kaum ein paar Schritte getan, da wandte jener Kerl sich um und sprang mir von neuem auf die Schultern; bald ging ich im Schritt, bald rannte ich, bald lief ich im Paßgang, während er auf mir ritt und lachte und rief: ,Nie in meinem Leben habe ich einen solchen Esel gesehen wie dich!' Doch eines Tages begab es sich, daß wir Weintrauben sammelten; die legten wir in eine Grube und traten darauf mit unseren Füßen. Bald wurde jene Grube zu einem großen Teich, und nachdem wir eine Weile gewartet hatten, kehrten wir zu ihr zurück. Da fanden wir, daß die Sonne den Saft bestrahlt hatte und daß er zu Wein geworden war. Nun tranken wir immer davon und wurden trunken, so daß unsere Gesichter sich töteten und wir in fröhlichem Rausche sangen und tanzten. Unsere Peiniger aber fragten: ,Was macht eure Gesichter so rot und läßt euch tanzen und singen ?' Wir antworteten ihnen: ,Fragt nicht danach! Was wollt ihr mit dieser Frage?' Doch sie bestanden darauf: ,Sagt es uns, damit wir die Wahrheit erfahren!' Endlich sagten wir ihnen: ,Es ist Traubensaft.' Darauf trieben sie uns in ein Tal. von dem wir nicht erkennen konnten, wie lang und wie breit es war. An jenem Tale zogen sich Weinberge hin, so weit, daß man



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ihren Anfang und ihr Ende nicht übersehen konnte; und eine jede von den Trauben, die dort hingen, wog zwanzig Pfund und war leicht zu pflücken. Die Teufel riefen uns zu: ,Sammelt von diesen!' Und nun sammelten wir von ihnen eine gewaltige Menge; und da wir dort auch eine große Grube fanden, die noch größer war als ein weiter Teich, so füllten wir sie mit Trauben an, zertraten sie mit unseren Füßen und taten wie das erste Mal, so daß der Saft zu Wein ward. Dann sprachen wir zu ihnen: ,Jetzt ist er ganz fertig. Aber woraus wollt ihr ihn trinken?' Sie antworteten uns: ,Wir hatten schon früher Esel gleich euch; die haben wir aufgegessen, doch ihre Köpfe sind uns geblieben, nun gebt uns aus ihren Schädeln zu trinken.' Wir gaben ihnen also zu trinken, und sie wurden berauscht und legten sich nieder; es waren ihrer aber an die zweihundert. Darauf sagten wir zueinander: ,Ist es diesen Kerlen nicht genug, daß sie uns reiten? Müssen sie uns denn auch noch auffressen? Doch es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen! Jetzt wollen wir sie aber schwer berauscht machen und sie umbringen, damit wir Ruhe haben vor ihnen und ihren Händen entrinnen!' Dann weckten wir sie auf und füllten ihnen von neuem jene Schädel und gaben ihnen zu trinken. Sie sagten: ,Das ist bitter!' Doch wir antworteten:, Warum sagt ihr, dies sei bitter? Jeder, der das sagt, muß noch am selben Tage sterben, wenn er nicht zehnmal davon trinkt.' Da hatten sie Angst vor dem Tode und sprachen zu uns: ,Gebt uns volle zehnmal zu trinken!' Und als sie bis zum zehnten Male getrunken hatten, kam ein so schwerer Rausch über sie, daß ihre Kraft erlosch und wir sie an den Armen schleppen konnten. Darauf sammelten wir Brennholz von den Weinbergen, eine große Menge, und legten es um sie und auf sie; und nachdem wir das Holz in Brand



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gesteckt hatten, blieben wir in der Ferne stehen, um zu schauen, was aus ihnen werden würde.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 772. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Sâ'id des weiteren erzählte: ,Nachdem ich mit meinen Gefährten, den Mamluken, das Brennholz in Brand gesteckt hatte, während die Dämonen mitten darin lagen, blieben wir in der Ferne stehen, um zu schauen, was aus ihnen werden würde. Dann aber, als das Feuer ausgebrannt war, gingen wir wieder nahe an sie heran und sahen, daß sie zu einem Haufen Asche geworden waren. So priesen wir denn Allah den Erhabenen, der uns von ihnen befreit hatte, gingen von der Mitte der Insel fort und begaben uns wieder zum Meeresstrande. Dort trennten wir uns voneinander, und ich zog mit zweien von den Mamluken weiter, bis wir zu einem großen Hain mit vielen Bäumen gelangten, und wir machten uns daran, von den Früchten zu essen. Doch da trat plötzlich ein Kerl auf uns zu, der war gewaltig groß, hatte einen langen Bart und lange Ohren und Augen, die wie Fackeln glühten. Vor sich hatte er eine große Schafherde, die er weidete, und bei ihm war eine Schar ähnlicher Wesen wie er. Als er uns erblickte, zeigte er unverhohlene Freude und empfing uns freundlich, indem er sprach: ,Herzlich willkommen! Kommt zu mir, ich will euch ein Schaf aus dieser Herde schlachten und rösten und euch zu essen geben.' Wir fragten ihn: ,Wo ist deine Heimstätte?' Und er antwortete: ,Nahe bei diesem Berge. Geht weiter in dieser Richtung, bis ihr eine Höhle sehet; in die geht hinein, denn dort werdet ihr viele Gäste finden gleich euch! Tretet hin und setzt euch zu ihnen, während wir euch das Gastmahl bereiten!' Wir



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glaubten, seine Worte seien wahr, und so gingen wir in jener Richtung weiter und traten in die Höhle dort ein. Wohl sahen wir die Gäste, die in ihr weilten; aber sie waren alle blind. Und wie wir zu ihnen hereinkamen, sprach einer von ihnen: ,Ich bin krank', und ein anderer: ,Ich bin schwach.' Wir riefen ihnen zu: ,Was sagt ihr da? Wodurch seid ihr krank und schwach geworden?' Doch sie fragten uns: ,Wer seid ihr?' Und wir gaben ihnen zur Antwort: ,Wir sind Gäste.' Da fuhren sie fort: ,Was hat euch denn diesem Verfluchten in die Hände fallen lassen? Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen! Dies ist ein Ghûl, der die Menschenkinder frißt; und er hat uns schon geblendet und will uns auch verschlingen.' ,Wie hat dieser Ghûl euch denn blind gemacht?' fragten wir; und sie erwiderten: ,Jetzt wird er euch auch gleich uns blind machen.' ,Aber wie wird er uns blenden?' fragten wir weiter; und da sagten sie: ,Er wird euch Becher voll Milch bringen und zu euch sprechen: ,Ihr seid müde von der Reise; da habt ihr Milch. trinkt von ihr!' Und wenn ihr davon trinkt, so werdet ihr gleich uns.' Nun sprach ich bei mir selber: ,Wir können uns nur noch durch eine List retten', und ich grub ein Loch in die Erde und setzte mich darüber. Nach einer Weile kam dann der verfluchte Ghûl zu uns herein mit Bechern voll Milch; er reichte mir einen Becher und auch jedem meiner beiden Gefährten, indem er sprach: ,Ihr seid durstig aus der Steppe gekommen; da habt ihr Milch, trinket von ihr, dieweil ich euch das Fleisch röste!' Was mich betrifft, so nahm ich den Becher, führte ihn an den Mund, goß aber die Milch in das Loch und schrie: ,Weh! mein Augenlicht ist geschwunden, ich bin blind.' Und ich griff mit der Hand nach meinem Auge und begann zu weinen und zu klagen, während er lachte und sprach: ,Sei



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nur nicht bange!' Doch was meine beiden Gefährten angeht, so tranken sie die Milch wirklich und erblindeten. Sofort machte der Ghûl sich auf, schloß die Tür der Höhle und kam auf mich zu; er befühlte meine Rippen, doch er fand, daß ich mager war und kein Fleisch an mir hatte. Dann betastete er einen anderen, und als er fühlte, daß der fett war, freute er sich. Darauf schlachtete er drei Schafe, häutete sie ab, holte Eisenspieße und hielt sie über das Feuer, um das Fleisch zu rösten; das brachte er meinen Gefährten, und sie aßen, während er mit den beiden aß. Schließlich holte er noch einen Schlauch voll Wein, trank ihn aus und warf sich aufs Gesicht nieder und schnarchte. Ich aber sprach bei mir selber: ,Jetzt ist er in Schlaf versunken; wie kann ich ihn also umbringen?' Da dachte ich an die Bratspieße, nahm zwei von ihnen, legte sie ins Feuer und wartete, bis sie wie Kohlen glühten; dann machte ich mich ans Werk, gürtete mich, sprang auf, nahm je einen Spieß in jede Hand und trat auf den Verruchten zu; dem stieß ich die beiden Spieße in seine Augen und stemmte mich mit aller Kraft auf sie. Er sprang um das liebe Leben auf die Füße und wollte mich greifen; doch da er blind war, so floh ich vor ihm in das Innere der Höhle, während er hinter mir hertappte. Den Blinden jedoch, die dort waren, rief ich zu: ,Was soll ich mit diesem Verfluchten tun?' Und einer von ihnen antwortete: ,O Sâ'id, auf, steig zu jener Fensternische dort empor; dort wirst du ein gewetztes Schwert finden. Nimm es und komm zu mir, dann will ich dir sagen, was du tun sollst!' Ich stieg also zu der Nische hinauf, holte das Schwert und ging zu jenem Mann; der sagte mir: ,Schwing es und triff ihn damit auf den Rumpf; dann wird er sofort sterben!' Da machte ich mich auf und eilte hinter ihm her, während er schon des Umherlaufens müde war und nach den Blinden tappte, um



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sie zu töten. Und ich stürzte mich auf ihn und traf ilm mit dem Schwerte auf den Rumpf, so daß er in zwei Teile gespalten ward. Er aber schrie mich an und sprach: ,Mann, da du mich töten willst, so gib mir noch einen zweiten Streich!' Schon holte ich zu einem zweiten Streiche wider ihn aus, da rief jener Mann, der mich zu dem Schwerte gewiesen hatte: ,Triff ihn nicht zum zweiten Male, sonst stirbt er nicht, nein, dann wird er am Leben bleiben und uns umbringen!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 773. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Sâ'id des weiteren erzählte: ,Als ich den Ghûl mit dem Schwerte getroffen hatte, rief er mir zu: ,Mann, da du mich getroffen hast und mich töten willst, so gib mir noch einen zweiten Streich!' Und schon holte ich zum Streiche wider ihn aus, da rief jener Mann, der mich zu dem Schwerte gewiesen hatte: ,Triff ihn nicht zum zweiten Male; sonst stirbt er nicht, nein, dann wird er am Leben bleiben und uns umbringen!' Ich gehorchte dem Befehl jenes Mannes und schlug nicht zu; und sd verendete der Verfluchte. Nun sprach der Mann zu mir: ,Wohlan, öffne die Höhle und laß uns hinausgehen; vielleicht wird Allah uns helfen und uns Ruhe geben vor dieser Stätte.' Doch ich erwiderte ihm: ,Jetzt kann uns kein Leid mehr widerfahren; drum wollen wir lieber uns ausruhen und von diesen Schafen schlachten und von diesem Weine trinken; denn das Festland ist weit.' So blieben wir denn zwei Monate lang an jener Stätte, indem wir von den Schafen dort und den Früchten dort aßen. Da begab es sich eines Tages, als wir am Meeresstrande saßen, daß wir ein großes Schiff erblickten, wie es in der Ferne auf



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dem Meere auftauchte. Wir gaben alsbald den Schiffsleuten Zeichen und riefen ihnen zu; aber sie fürchteten sich vor jenem Ghûl. denn sie wußten, daß auf dieser Insel der menschenfressende Ghûl wohnte. Schon wollten sie sich davonmachen, aber wir winkten ihnen mit den Enden unserer Turbantücher und suchten ihnen näher zu kommen und schrieen ihnen laut zu. Und nun sprach einer von den Seefahrern, der ein scharfes Auge hatte: ,O ihr Fahrtgenossen, ich sehe, die Gestalten dort sind menschliche Wesen gleich uns; die sehen nicht wie Ghûle aus.' Dann fuhren sie ganz langsam auf uns zu, bis sie in unsere Nähe kamen, und als sie sich überzeugt hatten, daß wir wirklich menschliche Wesen waren, riefen sie uns den Friedensgruß zu, und wir erwiderten ihn und teilten ihnen die frohe Botschaft mit, daß der verfluchte Ghûl tot war; da lobten sie uns. Nachdem wir dann noch Zehrung von der Insel herbeigeholt hatten, und zwar von den Früchten, die dort wuchsen, bestiegen wir das Schiff, und es segelte mit uns bei günstigem Winde drei Tage lang dahin. Dann aber erhob sich ein widriger Wind über uns, und der Himmel wurde ganz finster; und es dauerte kaum noch eine Stunde, da warf der Wind das Schiff gegen einen Felsen, und es zerbrach, so daß seine Planken auseinanderfielen. Doch Gott der Allmächtige hatte es so bestimmt, daß ich mich an eine der Planken anklammern konnte und mich rittlings auf sie setzen; zwei Tage lang trieb sie mit mir dahin, da war der Wind auch wieder günstiger geworden, und ich saß auf der Planke, indem ich mit meinen Füßen ruderte, nur noch eine Weile, bis Allah der Erhabene mich wohlbehalten zum Festlande gelangen ließ. Bei dieser Stadt ging ich an Land, ein Fremdling, einsam und verlassen, und wußte nicht, was ich tun sollte; auch quälte mich der Hunger, und ich war in ärgster Not. So ging ich denn auf den



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Markt dieser Stadt, und nachdem ich mir in der Verborgenheit dies Obergewand ausgezogen hatte, sagte ich mir: ,Ich will es verkaufen und von dem Erlös leben, bis Allah erfüllt, was Er beschlossen hat.' Und nun, mein Bruder, hielt ich das Gewand in meiner Hand, während die Leute es anschauten und darauf boten, bis du vorüberkamst und mich anschautest und den Befehl gabst, mich in das Schloß zu führen. Doch die Diener nahmen mich und brachten mich ins Gefängnis; und die Tage vergingen, bis du dich meiner erinnertest und mich zu dir kommen ließest. Nun habe ich dir berichtet. was mir widerfahren ist, und Preis sei Allah, der uns wieder vereinigt hat!'

Als Saifel-Mulûk und Tâdsch el-Mulûk, der Vater von Daulat Chatûn, die Geschichte des Wesirs Sâ'id vernommen hatten, verwunderten sie sich gar sehr. Der König Tâdsch el-Mulûk aber hatte eine schöne Wohnstätte für Saifel-Mulûk und seinen Bruder Sâ'id herrichten lassen, und dort pflegte Daulat Chatûn ihren Retter zu besuchen, ihm zu danken und mit ihm über seine Heldentat zu plaudern. Eines Tages aber sprach der Wesir Sâ'id zu ihr: ,O Prinzessin, ich möchte, du wollest behilflich sein, daß er sein Ziel erreicht.' Da gab sie zur Antwort: ,Ja, ich will mich um das bemühen, was er wünscht, auf daß er sein Ziel erreiche, so Allah der Erhabene will.' Und sie wandte sich zu Saif el-Mulûk und sprach zu ihm: ,Hab Zuversicht und quäl dich nicht!' Also stand es um Saifel-Mulûk und den Wesir Sâ'id.

Sehen wir aber nunmehr, was die Prinzessin Badî'at el-Dschamâl tat! Zu ihr war die Kunde gedrungen, daß ihre Schwester Daulat Chatûn zu ihrem Vater in ihre Heimat zurückgekehrt sei. Und sie sprach: ,Ich muß sie doch besuchen und sie begrüßen, schön gekleidet in Schmuck und Prachtgewänder."



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Dann begab sie sich zu ihr, und als Prinzessin Daulat Chatûn sie nahen sah, eilte sie ihr entgegen, begrüßte sie und umarmte sie und küßte sie auf die Stirn; die Prinzessin Badî'at el-Dschamâl aber wünschte ihr Glück zur sicheren Heimkehr. Darauf setzten die beiden sich nieder, um zu plaudern, und Badî'at ei Dschamâl sprach zu ihrer Pflegeschwester: ,Was ist dir in der Fremde widerfahren?' Jene antwortete ihr: ,Liebe Schwester, frage mich nicht nach den Dingen, die mir widerfahren sind! O, welche Mühsale müssen doch die Sterblichen erdulden!' ,Wieso?' fragte Badî'at el-Dschamâl; und Daulat Chatûn erwiderte: ,Liebe Schwester, ich war in dem Hochragenden Schlosse, und dort hatte der Sohn des Blauen Königs mich in seiner Gewalt'; und dann erzählte sie ihr ihre ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, desgleichen auch die Geschichte von Saif el-Mulûk und wie es ihm in dem Schlosse ergangen war, welche Mühsale und Schrecken er hatte erdulden müssen, bis er zu dem Hochragenden Schlosse kam, wie er den Sohn des Blauen Königs tötete, wie er die Türen aus den Angeln hob und zu einem Floße machte, wie er Ruder dafür herstellte und schließlich hierher kam. Badî'at ei Dschamâl hatte mit Staunen zugehört, und nun sprach sie: ,Bei Allah, meine Schwester, dies ist eins der seltsamsten Wunder! [Dieser Saif el-Mulûk ist wirklich ein Mann. Aber weshalb hat er Vater und Mutter verlassen und sich auf die Reise begeben und solchen Gefahren ausgesetzt? ]" Da sagte



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Daulat Chatûn: ,Ich möchte dir wohl den Anlaß zu seinen Erlebnissen erzählen, aber die Scham hindert mich daran.' Doch Badî'at el-Dschamâl entgegnete ihr: ,Wo wäre ein Grund zur Scham, da du doch meine Schwester und meine Vertraute bist und zwischen mir und dir so innige Bande bestehen und ich weiß, daß du mir nur Gutes wünschest? Wie solltest du dich da vor mir schämen? Sage mir, was du weißt, schäme dich nicht vor mir und verbirg nichts von alledem vor mir!' Da begann Daulat Chatûn zu berichten: ,Er sah dein Bild auf dem Gewand, das dein Vater an Salomo, den Sohn Davids -über beiden sei Heil! —geschickt hat; der hatte das Gewand nicht aufgetan und nicht gesehen, was darinnen war, sondern hatte es an den König 'Asim ibn Safwân, den Herrscher von Ägypten, geschickt mit anderen Geschenken und Kostbarkeiten, die er ihm sandte. Und König 'Âsim hatte es, immer noch uneröffnet, seinem Sohn Saifel-Mulûk gegeben. Doch wie der es erhalten hatte, entfaltete er es, um es anzulegen; da erblickte er dein Bild in ihm, und alsbald machte er sich, von Liebe zu dem Bilde ergriffen, auf den Weg, um dich zu suchen, und erduldete all diese Mühsale um deinetwillen.'——«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 774. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Daulat Chatûn der Prinzessin Badî'at el-Dschamâl erzählte, wie es kam, daß Saif el-Mulûk von Liebe und Leidenschaft zu ihr erfüllt wurde, wie nämlich der Anlaß dazu das Gewand war, das ihr Bildnis enthielt; wie er dann alsbald, nachdem er das Bild gesehen, sein Königtum verlassen hatte, von Leidenschaft verstört, und den Seinen um ihretwillen ferngeblieben war. Und



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sie schloß mit den Worten: ,Was er an Drangsalen durchgemacht hat, das hat er alles nur um deinetwillen erduldet.' Da errötete Badî'at el-Dschamâl und schämte sich vor Daulat Chatûn, und sie sprach: ,Fürwahr, dies ist etwas, das nimmermehr geschehen kann! Denn die Menschen passen nicht zu den Geistern.' Doch Daulat Chatûn begann vor ihr Saif el-Mulûk zu rühmen, wie er so schön gestaltet und edel gesinnt und ritterlich sei; und sie pries ihn lange und nannte ihr all seine trefflichen Eigenschaften, bis sie mit den Worten schloß: ,Liebe Schwester, um Allahs des Erhabenen willen und um meinetwillen, komm, sprich mit ihm, wäre es auch nur ein einziges Wort!' Dennoch rief Badî'at el-Dschamâl: ,Was du da sagst, das will ich nicht hören, ich werde dir darin auch nicht willfahren.' Und es war, als hätte sie nichts davon gehört und als hätte ihr Herz von der Liebe zu Saifel-Mulûk und zu seiner schönen Gestalt. zu seinem Edelmut und seiner Ritterlichkeit noch nichts empfunden. Da begann Daulat Chatûn sie anzuflehen und ihr die Füße zu küssen, und sie sprach: ,O Badî'at el-Dschamâl, bei der Milch, die wir getrunken haben, ich und du, und bei dem, was auf dem Siegelringe Salomos - Heil sei über ihm! —eingegraben steht, höre auf diese meine Worte! Ich habe mich ihm in dem Hochragenden Schlosse verbürgt, daß ich ihm dein Antlitz zeigen würde. Um Allahs willen, laß ihn dich ein einziges Mal sehen, aus Liebe zu mir, und schau auch du ihn an!' Dann weinte sie und fichte von neuem ihre Freundin an und küßte ihr Hände und Füße. bis sie einwilligte und sprach: ,üm deinetwillen will ich ihm mein Antlitz ein einziges Mal zeigen.' Da ward Daulat Chatûn frohen Mutes und küßte ihr wiederum Hände und Füße; dann ging sie fort und begab sich zu dem größten Pavillon, der sich in dem Garten befand. Dort befahl sie den Sklavinnen, ihn mit



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Teppichen auszulegen, ein goldenes Ruhelager aufzustellen und die Weingeräte aufzureihen. Dann ging sie zu Saif el-Mulûk und seinem Wesir Sâ'id hinein, während die beiden in ihrem Gemache saßen; sie brachte Saif el-Mulûk die frohe Botschaft, daß sein Ziel erreicht und sein Wunsch erfüllt sei. und sie fügte hinzu: ,Begebt euch beide, du und dein Bruder, in den Garten, tretet in den Pavillon ein und verbergt euch dort vor den Augen der Menschen, so daß euch niemand von all den Leuten in dem Gartenhause entdeckt, bis ich mit Badî'at el-Dschamâl zu euch komme!' Sofort erhoben sich die beiden und begaben sich zu der Stätte, die Daulat Chatûn ihnen angegeben hatte. Als sie dort eintraten, sahen sie ein goldenes Ruhelager aufgestellt, das mit Kissen belegt war; auch war dort Speise und Trank aufgetragen. Nachdem die beiden eine Weile gesessen hatten, gedachte Saifel-Mulûk seiner Geliebten; da ward ihm die Brust eng, und Sehnsucht und Leidenschaft stürmten auf ihn ein. Und er stand auf und schritt weiter, bis er aus der Vorhalle des Gartenhauses hinaustrat; sein Bruder Sâ'id wollte ihm folgen, doch er sprach zu ihm: ,Lieber Bruder, bleib du hier, wo du bist, und folge mir nicht, bis ich wieder zu dir komme!' So blieb denn Sâ'id sitzen, während Saif el-Mulûk hinausging und in den Garten trat, trunken vom Weine der Leidenschaft und verstört durch der sehnenden Liebe allgewaltige Kraft; ja, die Sehnsucht machte ihn zittern, und das Liebesweh überwältigte ihn, und er sprach diese Verse:

Badî'at el-Dschamâl, ich hab nur dich allein,
Bin deiner Liebe Sklave, ach, erbarm dich mein!
Du bist mein Ziel, mein Wunsch, bist meiner Freuden Zier;
Mein Herz kann keine lieben, keine außer dir.
Ach, wusst ich, ob zu dir von Tränen Kunde drang,
Die ich mit "'achern Lid vergieße Nächte lang! 297



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Befiehl dein Schlaf daß er auf meinem Lide weil'!
Vielleicht wird mir von dir ein Traumgesicht zuteil.
Sei huldvoll ihm, der ganz verstört von Liebes leid;
Befrei ihn von den Schrecken deiner Grausamkeit!
Dir mehre Gott die Schönheit und den frohen Sinn,
Und alle Menschheit geb für dich ihr Leben hin!
Der Liebe Volk soll unter meinem Banner sein
Am Jüngsten Tag, die Schönen bei dem Banner dein!

Dann weinte er und sprach auch diese beiden Verse:

Die Wunderschöne' ist mein Wunsch zu allen Zeiten;
Der ist im Innern meines Herzens tief verhüllt.
Und wenn ich rede, sprech ich nur von ihrer Schönheit;
Und schweig ich, ist mein Wesen ganz von ihr erfüllt.

Darauf weinte er bitterlich und sprach noch diese Verse:

In meinem Herzen glüht ein Feuer immer heißer;
Du bist mein Wunsch; die Sehnsucht quält mich, ach, so oft.
Ich neig mich nur zu dir, zu dir und keiner andren;
Ich hoff auf deine Huld; wer liebt, der harrt und hofft.
Erbarm dich meiner; denn die Liebe läßt mich siechen,
Sie hat mich aufgezehrt, mein krankes Herze bricht.
Sei huldvoll, edel, gnädig, zeige deine Güte:
Ich wich von dir noch niemals, und ich wanke nicht.

Und von neuem weinte er und sprach diese beiden Verse:

Es kam zu mir das Leid mit deiner Liebe:
Mich floh der Schlummer, grausam wie dein Herz.
Der Bote sagte mir, du seiest zornig;
Mich hüte Gott vor seiner Botschaft Schmerz.

Inzwischen war Sâ'id des Wartens auf ihn müde geworden, und so trat er aus dem Pavillon hinaus, um nach ihm in dem Garten zu suchen. Da fand er ihn, wie er verstört zwischen den Bäumen einherwandelte und diese beiden Verse sprach:



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Bei Gott, bei Gott, dem Herrn der Allmacht, und bei ihm.
Der aus dem heil'gen Buch die Schöpfersure' liest,
Nie weilt mein Blick auf Reizen derer, die ich seh,
Ohn daß dein Bild, du Schöne', mein Gefährte ist.

Da gesellte Sâ'id sich zu seinem Bruder Saifel-Mulûk, und die beiden ergingen sich im Garten und aßen von den Früchten.

Wenden wir uns nun von ihnen wieder zu Daulat Chatûn und Badî'at el-Dschamâl! Als die beiden Prinzessinnen zudem Gartenhause kamen, traten sie dort ein, nachdem die Diener es in schönster Weise geschmückt und ganz so hergerichtet hatten, wie Daulat Chatûn ihnen befohlen hatte; so hatten sie ja auch für Badî'at el-Dschamâl das goldene Ruhelager bereitet, auf daß sie darauf sitzen könnte. Und als Badî'at el-Dschamâl jenes Lager sah, setzte sie sich darauf, neben ihr aber war ein Fenster, das auf den Garten führte. Nun kamen die Eunuchen mit allerlei prächtigen Speisen, und die beiden Prinzessinnen aßen, während Daulat Chatûn ihrer Pflegeschwester die Bissen reichte, bis sie gesättigt war. Darauf ließ sie allerlei Süßigkeiten kommen; und als die Eunuchen sie gebracht hatten, aßen die beiden davon, soviel sie mochten, und wuschen sich dann die Hände. Schließlich machte Daulat Chatûn den Wein und das Trinkgerät bereit, indem sie die Kannen und Becher aufstellte; und sie begann einzuschenken und Badî'atel-Dschamâl den Trunk zu reichen; und nachher füllte sie den Becher für sich und trank selber. Badî'at el-Dschamâl aber schaute aus dem Fenster, das neben ihr war, in den Garten hinaus und sah dort die Früchte auf den Zweigen; und nun fiel ihr Blick auf Saifel-Mulûk, und sie sah, wie er in dem Garten umherging, während der Wesir Sâ'id ihm folgte. Auch hörte sie, wie Saifel-Mulûk die Verse sprach, während ein Tränenstrom



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aus seinen Augen brach. Und wie sie ihn so anschaute, ließ jener eine Blick tausend Seufzer in ihr zurück. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 775. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Badî'at el-Dschamâl, als sie Saif el-Mulûk im Garten umhergehen sah, ihn anschaute mit einem Blick. der ließ tausend Seufzer in ihr zurück. Da wandte sie sich zu Daulat Chatûn und sprach zu ihr, während der Wein schon mit ihren Sinnen sein Spiel trieb: ,Liebe Schwester, wer ist dieser Jüngling, den ich dort im Garten seh, verstört und erregt und erfüllt von bitterem Liebesweh?' Daulat Chatûn fragte: ,Willst du erlauben, daß er zu uns kommt, damit wir ihn betrachten können?' Die Geisterprinzessin erwiderte: ,Wenn du ihn bringen kannst, so bring ihn!' Nun rief Daulat Chatûn ihn, indem sie sprach: ,O Königssohn, komm herauf zu uns und zeige uns deine Schönheit und deine Anmut!' Saifel-Mulûk erkannte ihre Stimme und ging alsbald in das Gartenhaus hinauf. Doch als sein Blick auf Badî'at el-Dschamâl fiel, sank er ohnmächtig zu Boden. Da sprengte Daulat Chatûn etwas Rosenwasser auf ihn, und er wachte aus seiner Ohnmacht auf. Und nun küßte er den Boden vor Badî'at el-Dschamâl, während sie von seiner Schönheit und Lieblichkeit ganz bezaubert war. Daulat Chatûn aber sprach zu ihr: ,Wisse, o Prinzessin, dies ist Saif el-Mulûk, durch dessen Hand ich nach der Bestimmung Allahs des Erhabenen gerettet bin; er ist der, über den all die Mühsale um deinetwillen gekommen sind; drum möchte ich, daß du ihn huldvoll anschaust.' Doch Badî'atel-Dschamâl sprach lächelnd: ,Wer hält denn noch Treue, so daß gerade dieser Jüngling es tun sollte? Es gibt ja bei den Menschen keine echte Liebe.' Da



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rief Saif el-Mulûk: ,O Prinzessin, wahrlich, Treulosigkeit wird nie bei mir gefunden werden; nicht alle Menschen sind gleich auf Erden.' Dann begann er vor ihr zu weinen, und er sprach diese Verse:

Badî'at el-Dschamâl, sei huldvoll dem Betrübten!
Ein grausam Zauberblick gab Siechtum ihm und Not.
Bei all der Schönheit, die auf deinen Wangen weilet,
So weiß, und gleich der Anemone dunkelrot,
O, laß den Kranken nicht durch spröde Abkehr leiden!
Mein Leib verzehrt sich durch der Trennung lange Frist.
Dies ist mein Wunsch, dies ist mein letztes Ziel der Hoffnung:
Vereinigung ersehn' ich, so sie möglich ist!

Dann weinte er bitterlich, Liebe und Sehnsucht gewannen von neuem Gewalt über ihn, und er begrüßte sie mit diesen Versen:

O sei gegrüßt von ihm, den Liebe ganz verstört hat-
Von jedem Edlen wird dem Edlen Huld zuteil.
Sei mir gegrüßt! Möcht ich dein Traumbild niemals wissen;
So bist du stets bei mir, wo ich nur ruh und weil'.
Ich wache über dir: nie neun ich deinen Namen -
Ein jeder Freund erweist dem Freunde Freundlichkeit.
Drum lasse deine Huld dem, der dich liebt, nicht fehlen!
Er ist verzehrt von Trauer und des Siechtums Leid.
Ich schau die Sterne an, die hellen, die mich schrecken;
In meiner Sehnsucht hält die Nacht so lange an.
Mir schwindet die Geduld; kein Plan will sich mir bieten;
Und wenn mich jemand fragt, was sage ich ihm dann?
O sei gegrüßt vor Gott, wenn du auch grausam bist,
Gegrüßt vom Liebeskranken, der geduldig ist!

Dann sprach er im Übermaße seines Liebeswehs und seiner Sehnsucht noch diese Verse:

Begehr ich eine andre je als dich, o Herrin,
Erfülle niemals sich bei dir mein Wunsch und Ziel!
Wer ist wohl außer dir an Schönheit so vollkommen,



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Die mit des Jüngsten Tags Gewalt mich überfiel?
Daß ich der Liebe je vergäße -das sei f'ru!
Ich opfre dir mein Herz und meines Wesens Kern.

Als er diese Verse gesprochen hatte, weinte er bitterlich. Doch Badî'at el-Dschamâl sprach zu ihm: ,O Königssohn, ich fürchte, wenn ich mich dir ganz hingebe, so werde ich weder echte Neigung noch Liebe bei dir finden. Denn bei den Menschen ist meist das Gute gering, doch ihre Falschheit ist ein gewaltig Ding. Ich weiß auch, daß der Herr Salomo, der Sohn Davids -über beiden sei Heil! —, sich mit Bilkîs' aus Liebe vermählte; wie er aber eine Schönere sah als sie, wandte er sich von ihr ab und der anderen zu.' Da rief Saifel-Mulûk: ,O du mein Auge und meine Seele, Gott hat nicht alle Menschen gleich geschaffen! Ich werde, so Gott will, die Treue halten, ich werde unter deinen Füßen sterben, ja, du sollst sehen, wie ich gemäß dem, was ich sage, auch handeln werde. Und Allah ist Bürge für das, was ich sage!' Darauf sprach Badî'at el-Dschamâl zu ihm: ,Setz dich in Ruhe nieder und schwöre mir bei deinem Glauben; so laß uns einen Bund schließen, daß wir einander nie untreu werden wollen! Und wenn einer von uns die Treue gegen den anderen bricht, so möge Allah der Erhabene die Strafe an ihm vollstrecken!' Wie Saifel-Mulûk diese Worte aus ihrem Munde vernahm, setzte er sich nieder, und die beiden reichten einander die Hand und schworen einander, daß keiner von ihnen irgend jemanden seinem Gefährten vorziehen wolle, weder ein menschliches Wesen noch eines aus der Geisterwelt. Dann umarmten sie sich eine lange Weile und weinten heiße Freudentränen. Saif el-Mulûk aber sprach, von Leidenschaft überwältigt, diese Verse:



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Einst weinte ich in Liebe und in heißem Sehnen
Um sie, der ich mein Herz und Leben ganz geweiht.
Es wuchs in mir der Schmerz, so lang ihr fern zu weilen;
Nach meinem Ziel zugreifen war dein Arm zu weit.
Und meine Trauer, die ich kaum noch tragen konnte,
Erregte noch den Spott der Tadler für mein Leid.
Da wurde wahrlich eng, was vordem weit gewesen:
Mir schwanden Kraft und Stärke zur Beharrlichkeit.
Ich wußte nicht: Wird je uns Allah noch vereinen?
Und u'erd ich von dein Schmerz, der Not und Angst befreit?

Nachdem nun Badî'at el-Dschamâl und Saif el-Mulûk einander Treue geschworen hatten, erhob sich der Jüngling und ging in den Garten, auch die Prinzessin machte sich auf und trat hinaus, und ihr folgte eine Sklavin, die ein wenig Speise und eine Flasche voll Wein trug. Dann setzte Badî'at el-Dschamâl sich nieder, und die Sklavin stellte die Speisen und den Wein vor sie hin. Kaum aber waren sie eine kleine Weile dort gewesen, so kam auch schon Saif el-Mulûk; und nachdem die Prinzessin ihn mit dem Gruß empfangen hatte, umarmten die beiden einander und setzten sich nieder. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 776. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Badî'at el-Dschamâl, nachdem sie Speise und Wein hatte mitbringen lassen und Saifel-Mulûk, der zu ihr kam, mit dem Gruß empfangen hatte, mit ihm eine Weile bei Speise und Trank beisammen saß. Darauf hub die Prinzessin an: ,O Königssohn, wenn du in den Garten Trams kommst, so wirst du dort ein großes Zelt aufgeschlagen sehen; es ist aus rotem Atlas und von innen mit grüner Seide verkleidet. Tritt festen Herzens in das Zelt ein; dort wirst du eine alte Frau erblicken, wie sie auf



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einem Lager aus rotem Golde sitzt, das mit Perlen und Edelsteinen besetzt ist. Stehst du dann darinnen, so grüße sie mit ehrfurchtsvoller Höflichkeit! Darauf schau nach dem Lager hin, und du wirst unter ihm ein Paar Sandalen finden, die mit Goldfäden durchwirkt und mit Edelsteinen bestickt sind! Nimm jene Sandalen, küsse sie und lege sie auf dein Haupt; dann tu sie unter deine rechte Armhöhle und tritt schweigend und mit gesenktem Haupte vor die alte Frau! 'Wenn sie dich fragt: ,Woher kommst du? Wie bist du hierher gelangt? Wer hat dir den Weg zu dieser Stätte gezeigt? Und warum hast du diese Sandalen aufgenommen?' so schweig, bis diese meine Sklavin eintritt; die wird mit ihr reden und sie dir geneigt machen und sie mit ihren Worten günstig für dich stimmen. Vielleicht wird Allah der Erhabene dich dann ihr Herz gewinnen lassen, so daß sie dir gewährt, was du wünschest.' Darauf rief sie jene Sklavin, die den Namen Mardschâna trug, und sprach zu ihr: ,Bei meiner Liebe zu dir, führe heute diesen Auftrag, den ich dir gebe, aus und säume nicht, ihn zu erfüllen! Wenn du ihn heute ausführst, so sollst du frei sein vor dem Angesicht Allahs des Erhabenen, ich will dir hohe Ehren zuteil werden lassen, niemand soll mir lieber sein als du. und nur dich allein will ich zur Vertrauten meiner Geheimnisse machen.' Mardschâna gab ihr zur Antwort: ,O meine Herrin, du Licht meiner Augen, sage mir, wie dein Auftrag lautet, damit ich ihn dir mit der allergrößten Freude ausführe!' Da fuhr die Prinzessin fort: ,Heb diesen Sterblichen auf deine Schultern und bring ihn in den Garten Irams zu meiner Ahne, der Mutter meines Vaters, trag ihn in ihr Zelt und hüte ihn wohl! Wenn du dann mit ihm in das Zelt getreten bist und siehst, daß er die Sandalen genommen und ihnen Verehrung gezollt hat, und wenn die Ahne zu ihm sagt: ,Woher bist du?



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Auf welchem Wege bist du gekommen? Wer hat dich an diese Stätte gebracht? Warum hast du diese Sandalen genommen? Was ist dein Begehr, das ich dir erfüllen soll?' dann tritt eilig vor sie hin, biet ihr den Segensgruß und sprich zu ihr: ,Hohe Herrin, ich bin es, die ihn hierher gebracht hat. Er ist der Sohn des Königs von Ägypten; er ist es, der zu dem Hochragenden Schlosse vordrang, den Sohn des Blauen Königs tötete, die Prinzessin Daulat Chatûn rettete und sie wohlbehalten zu ihrem Vater brachte. Er ist mir anvertraut worden, und ich habe ihn zu dir gebracht, auf daß er dir berichte und dir frohe Botschaft von ihrer glücklichen Heimkehr melde; drum sei huldvoll gegen ihn!' Und danach sprich zu ihr: ,Ich beschwöre dich bei Allah, ist dieser Jüngling nicht schön, meine Herrin?' ,So ist es', wird sie zu dir sagen; dann fahr du fort: ,Hohe Herrin, er ist vollkommen an Ehre, Mannhaftigkeit und Tapferkeit, er ist der Herr und König von Ägypten und vereinigt in sich alle rühmlichen Tugenden.' Wenn sie dich fragt: ,Was ist sein Begehr?' so antworte ihr: ,Meine Herrin läßt dich grüßen und dir sagen: ,Wie lange noch soll ich als Jungfrau unvermählt zu Hause sitzen? Die Zeit wird mir lang; und was habt ihr im Sinne, daß ihr mich nicht vermählt? Ja, warum gebt ihr mir nicht einen Gatten, solange du noch lebst und meine Mutter lebt, gleich anderen Mädchen?' Und wenn sie dann fragt: ,Wie sollen wir es beginnen, sie zu vermählen? Wenn sie einen weiß oder wenn ihr einer in den Sinn kommt, so möge sie ihn uns nennen, und wir werden ihr den Willen tun, soweit es irgend möglich ist', so erwidere du ihr: ,Hohe Herrin, deine Tochter läßt dir sagen: ,Ihr wolltet mich einst mit Salomo -über ihm sei Heil! —vermählen, und ihr sticktet für ihn mein Bild in das Obergewand. Aber er war mir nicht bestimmt; denn er schickte das Gewand an den König



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von Ägypten, und der gab es seinem Sohne. Dieser aber sah mein Bildnis darin gewirkt und gewann mich lieb; und er verließ das Reich seines Vaters und seiner Mutter, er wandte sich ab von der Welt und ihren Gütern, er zog liebeverstört hinaus in die weite Welt überllhin und erduldete die größten Mühsale und Fährnisse um meinetwillen.' Da hob die Sklavin Saifel-Mulûk auf ihre Schultern und sprach zu ihm: ,Schließe deine Augen!' Er tat es, und sie flog mit ihm in die Lüfte davon; nach einer Weile sprach sie zu ihm: ,O Königssohn, öffne deine Augen!' Als er nun die Augen aufschlug, sah er den Garten; das war der Garten Trams. Dann fuhr die Sklavin Mardschâna fort: ,Tritt ein, o Saifel-Mulûk, in das Zelt dort!' Er sprach darauf den Namen Allahs aus und trat ein, und nachdem er noch einen Blick in den Garten geworfen hatte, schaute er die Alte an, wie sie auf dem Ruhelager saß, von dienenden Sklavinnen umgeben. Und er näherte sich ihr in ehrfurchtsvoller Höffichkeit, nahm die Sandalen, küßte sie und tat mit ihnen, wie Badî'at el-Dschamâl ihm geboten hatte. Da hub die Alte an: ,Wer bist du? Woher kommst du? Aus welchem Lande bist du? Wer hat dich an diese Stätte gebracht? Warum hast du diese Sandalen aufgehoben und geküßt? Und wann hättest du mir eine Bitte vorgetragen, die ich dir nicht erfüllt hätte?' In diesem Augenblicke trat die Sklavin Mardschâna vor und grüßte die Aime mit Achtung und Ehrerbietung; dann sprach sie zu ihr die Worte, die Badî'at el-Dschamâl ihr gesagt hatte. Wie aber die Alte diese Worte vernommen hatte, ergrimmte sie wider sie und schrie sie an mit den Worten: ,Wie kann zwischen Menschen und Geistern Einklang herrschen?' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 777



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Nacht anbrach, fuhr sic also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die alte Frau, wie sie die Worte der Sklavin vernommen hatte, wider sie ergrimmte und sprach: ,Wie sollte zwischen Menschen und Geistern Einklang sein können?' Da rief Saif el-Mulûk: ,Ich will mit dir im Einklang sein! Ich will dein Diener sein und in der Liebe zu dir sterben; ich will dir die Treue halten und niemanden ansehen als dich allein, dann wirst du sehen, wie ich wahrhaftig bin und ohne Falsch und von schöner und edler Gesinnung gegen dich, so Allah der Erhabene will.' Die alte Frau sann eine Weile nach, indem sie ihr Haupt senkte; dann hob sie den Kopf und sprach: ,O du schöner Jüngling, willst du Bund und Treue halten?' ,Ja,' erwiderte er, ,bei Ihm, der den Himmel hochreckte und die Erde auf dem Wasser ausstreckte, ich will die Treue wahren!' Nun sprach die Alte: ,Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, so Allah der Erhabene will. Doch geh jetzt in den Garten, schau dich dort um und iß von den Früchten, die ihresgleichen nicht haben und denen in der ganzen Welt nichts ähnlich ist! Ich will derweilen nach meinem Sohne Schahjâl' schicken, und wenn er kommt, will ich mit ihm darüber sprechen; daraus soll, so Allah der Erhabene will, nur Gutes ersprießen. Denn er wird mir nicht widersprechen noch meinem Befehle zuwiderhandeln; und so werde ich dich mit seiner Tochter Badî'at el-Dschamâl vermählen. Drum sei gutes Muts; sie wird deine Gemahlin werden, o Saifel-Mulûk!' Für diese Worte dankte ihr der Jüngling, und er küßte ihr die Hände und die Füße; dann verließ er sie und begab sich in den Garten. Die Alte aber wandte sich zu der Sklavin und sprach zu ihr: ,Geh hin und suche nach meinem Sohne Schahjâl; schau, in welchem Himmelsstrich und



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an welcher Stätte er weilt, und bring ihn zu mir!' Da eilte die Sklavin von dannen und suchte nach dem König Schahjâl, und als sie ihn getroffen hatte, brachte sie ihn zu seiner Mutter.

Wenden wir uns nun von ihr zu Saif el-Mulûk! Der hatte begonnen, in dem Garten zu lustwandeln, da plötzlich erblickten ilm fünf Dämonen, die zum Volke des Blauen Königs gehörten. Und sie sagten: ,Woher kommt der da? Wer hat ihn hierhergebracht? Vielleicht ist dieser es sogar, der den Sohn des Blauen Königs getötet hat!' Und weiter sagten sie zueinander: ,Wir wollen ihn überlisten und ihn fragen und ausforschen.' Darauf gingen sie ganz langsam weiter, bis sie zu Saifel-Mulûk kamen, der abseits im Garten saß; und sie setzten sich zu ihm und sprachen: ,Schöner Jüngling, du hast keinen Fehler gemacht, als du den Sohn des Blauen Königs tötetest und Daulat Chatûn von ihm befreitest; denn er war ein verräterischer Hund, der treulos an ihr gehandelt hatte. Wenn Allah dich ihr nicht gesandt hätte, so wäre sie nie und nimmer befreit worden. Doch wie hast du ihn zu Tode gebracht?' Saif el-Mulûk schaute sie an und sprach dann zu ihnen: ,Ich habe ihn durch diesen Ring getötet, der an meinem Finger ist.' Da ward es ihnen gewiß, daß er es war, der jenen getötet hatte, und sie packten ihn, zwei an den Händen, zwei an den Füßen, während einer ihm den Mund zuhielt, damit er nicht schrie. so daß die Leute des Königs Schahjâl ihn hätten hören und ihn aus ihren Händen hätten befreien können. Dann hoben sie ihn empor und flogen mit ihm fort; immer weiter eilten sie dahin, bis sie sich bei ihrem König hinabließen und ihren Gefangenen vor ihn brachten. Und sie sprachen: ,O größter König unserer Zeit, wir haben dir den Mörder deines Sohnes gebracht.' ,Wo ist er?' fragte der König; und sie antworteten: ,Dieser ist es!' Darauf schrie der Blaue König den Jüngling an:



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,Hast du meinen Sohn getötet, den Kern meines Herzens und das Licht meiner Augen, ohne Recht und ohne daß er sich an dir vergangen hat?' Saif el-Mulûk aber antwortete: ,Ja, ich habe ihn getötet, jedoch um seines grausamen und feindseligen Tuns willen. Denn er raubte Königskinder und brachte sie zu dem Verfallenen Brunnen und zu dem Hochragenden Schlosse; er entriß sie ihrem Volke und verging sich an ihnen. Ich habe ihn mit dem Siegelringe getötet, der an meinem Finger ist, und Allah ließ seine Seele ins höllische Feuer sausen, an die Stätte voller Grausen.' Als nun der Blaue König sich überzeugt hatte, daß jener Jüngling ohne Zweifel der Mörder seines Sohnes war, berief er alsbald seinen Wesir und sprach zu ihm: ,Dies ist der Mörder meines Sohnes. das ist sicher, ohne Zweifel. Was rätst du mir mit ihm zu tun? Soll ich ihn aufs schmählichste zu Tode bringen, oder soll ich ihn in grausamster Weise foltern, oder was soll ich sonst tun?' Da sprach der Großwesir: ,Hack ihm ein Glied nach dem anderen ab!' Und jemand anders rief: ,Laß ihn jeden Tag unbarmherzig schlagen!' Ein dritter: ,Schlagt ihn mitten durch!' Ein vierter: ,Schneidet ihm alle Finger ab und verbrennt ihn im Feuer!' Ein fünfter: ,Kreuzigt ihn!' Und ein jeder gab seinen Rat, so gut er es verstand. Nun hatte der Blaue König aber einen hochbetagten Emir, der war mit allen Dingen wohlbekannt, und wußte, wie es um die Wechselfälle der Zeitläufte stand, und er sprach: ,O größter König unserer Zeit, sieh, ich will dir etwas sagen; doch bei dir steht die Entscheidung darüber, ob du auf das hören willst, was ich dir rate.' Er war nämlich der Ratgeber seines Reiches und sein oberster Würdenträger, und der König pflegte auf seine Worte zu hören und nach seinem Rate zu handeln und sich ihm nie zu widersetzen. Der also erhob sich, küßte den Boden vor dem König und sprach zu ihm:



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,O größter König unserer Zeit, wenn ich dir in dieser Sache einen Rat gebe, wirst du ihn befolgen und mir Straflosigkeit gewähren?' Der König erwiderte ihm: ,Tu deinen Rat kund, und du sollst straflos sein!' Nun fuhr jener fort: ,O König, wenn du diesen Mann tötest, ohne meinen Rat anzunehmen und ohne auf mein Wort zu achten, so ist seine Hinrichtung zu dieser Zeit nicht das Rechte; er ist ja in deiner Gewalt und in dem Bereiche deiner Macht und ist dein Gefangener, du kannst ihn also jederzeit, wann du ihn haben willst, holen lassen und mit ihm tun, was dir beliebt. Doch gedulde dich, o größter König unserer Zeit; dieser da ist in den Garten Trams gekommen, er ist zum Gemahl bestimmt für Badî'at el-Dschamâl, die Tochter des Königs Schahjâl, und er ist einer der Ihrigen geworden. Deine Leute haben Hand an ihn gelegt und ihn vor dich geschleppt, und er hat weder vor ihnen noch vor dir verborgen, wer er ist. Wenn du ihn tötest, so wird König Schahjâl Blutrache für ihn an dir zu nehmen suchen, er wird wider dich zu Felde ziehen und mit seinen Kriegern über dich herfallen um seiner Tochter willen; aber du kannst es mit seinem Heere nicht aufnehmen und kannst dich mit ihm nicht messen.' Der König hörte auf seinen Rat und befahl, den Jüngling ins Gefängnis zu bringen. So stand es nun um Saif el-Mulûk.

Wenden wir uns jetzt wieder zu der alten Königin, der Großmutter Badî'at el-Dschamâls! Als sie ihren Sohn. den König Schahjâl, bei sich hatte, schickte sie die Sklavin aus, um nach Saifel-Mulûk zu suchen; doch die fand ihn nicht und kehrte zu ihrer Herrin zurück mit der Meldung: ,Ich habe ihn im Garten nicht gefunden.' Darauf sandte die Alte nach den Gärtnern und befragte sie über Saifel-Mulûk. Jene sagten aus: ,Wir haben ihn unter einem Baume sitzen sehen. Da kamen plötzlich fünf von den Leuten des Blauen Königs zu ihm hin



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und sprachen mit ihm; dann aber hoben sie ihn hoch, nachdem sie ihm den Mund geknebelt hatten, und flogen mit ihm auf und davon.' Als die alte Königin, die Großmutter Badî'at el-Dschamâls, diese Worte auch aus dem Munde der Sklavin vernahm, kam es sie hart an, und sie ergrimmte gewaltig; sie sprang auf und schrie ihrem Sohne, dem König Schahjâl, die Worte zu: ,Wie kannst du König sein, wenn die Leute des Blauen Königs in unseren Garten kommen dürfen und unseren Gast ergreifen und ungestraft fortschleppen, solange du noch am Leben bist?' So reizte seine Mutter ihn auf, und sie fügte noch hinzu: ,Es gebührt sich wirklich nicht, daß irgend jemand zu deinen Lebzeiten sich wider uns vergehe.' ,Liebe Mutter,' gab er ihr zur Antwort, ,dieser Mensch hat den Sohn des Blauen Königs getötet, der doch ein Dämon war, und nun hat Allah ihn jenem in die Hände gegeben. Wie kann ich jetzt hingehen und ihn befehden um eines Sterblichen willen?' Doch seine Mutter fuhr fort: ,Geh hin zu ihm und fordere von ihm unseren Gast; und wenn er noch am Leben ist und jener ilm dir ausliefert, so nimm ihn und kehre zurück! Hat er ihn aber bereits getötet, so ergreife den Blauen König lebendig, ihn und seine Kinder und seine Frauen und alle seine Diener. die unter seinem Schutze stehen; bring sie alle lebendig zu mir, auf daß ich ihnen mit eigener Hand die Köpfe abschlage und sein Reich ausrotte! Tust du aber nicht, was ich dir gebiete, so nehme ich dir das Recht, das meine Milch dir gab, und die Erziehung, die dir von mir zuteil geworden ist, soll nicht mehr zu Rechte bestehen!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 778. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Großmutter



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Badî'at ei Dschamâls zu ihrem Sohne Schahjâl sprach: ,Geh hin zum Blauen König und schau nach Saif el-Mulûk; wenn er noch am Leben ist, so hole ihn und kehre zurück! Hat jener ihn aber bereits getötet, so ergreife ihn und seine Kinder und seine Frauen und alle, die unter seinem Schutze stehen; bring sie alle lebendig zu mir, auf daß ich ihnen mit eigener Hand die Köpfe abschlage und sein Reich ausrotte! Gehst du aber nicht hin zu ihm und tust nicht, was ich dir gebiete, so nehme ich dir das Recht, das meine Milch dir gab, und deine Erziehung soll nicht mehr zu Rechte bestehen!' Sofort machte König Schahjâl sich auf, gab seinem Heere Befehl zum Aufbruch und zog wider den Blauen König zu Felde, seiner Mutter zuliebe, und um ihr und ihren Lieben eine Freude zu bereiten, freilich auch, weil das alles schon von Ewigkeit her bestimmt war. König Schahjâl also machte sich mit seinem Heere auf den Weg, und sie zogen dahin, bis sie den Blauen König erreichten. Da prallten die beiden Heere aufeinander und kämpften; der Blaue König und sein Heer aber wurden besiegt. Nun ergriffen die Sieger seine Kinder, groß und klein, und die Herren und Vornehmen seines Reiches, banden sie und schleppten sie vor König Schahjâl. Und der sprach: ,O Blauer, wo ist Saif el-Mulûk, der Sterbliche, der mein Gast ware' Der Blaue König erwiderte: ,O Schahjâl, du bist ein Dämon, und ich bin ein Dämon, und um eines Sterblichen willen, der meinen Sohn getötet hat, verübst du all diese Taten? Er hat meinen Sohn, den Kern meines Herzens, den Trost meiner Seele. ermordet: wie konntest du all diese Dinge tun und das Blut von soundso viel tausend Dämonen vergießen?' Doch Schahjâl entgegnete ihm: ,Laß dies Gerede!' Wenn er noch am Leben ist, so bring



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ihn her! Dann will ich dich freilassen und alle deine Söhne. die ich gefangen genommen habe. Wenn du ihn aber schon getötet hast, so will ich dich und deine Söhne hinrichten lassen.' ,O König,' sagte darauf der Blaue König, ,ist dieser dir mehr wert als mein Sohn?' Und König Schahjâl antwortete ihm: ,Dein Sohn war doch ein Übeltäter. der die Kinder der Leute und die Töchter der Könige raubte und sie in dem Hochragenden Schlosse und dem Verlassenen Brunnen einschloß und sich an ihnen verging.' Da sagte der Blaue König: ,Er ist noch bei mir; doch nun stifte Frieden zwischen uns und ihm!' Darauf stiftete Schahjâl Frieden zwischen ihnen und verlieh ihnen Ehrengewänder; auch ließ er einen Vertrag zwischen dem Blauen König und Saifel-Mulûk niederschreiben, durch den der Tod des Sohnes gesühnt wurde, und König Schahjâl nahm Saif el-Mulûk zu sich. Dann bewirtete er die Fremden in trefflicher Weise; drei Tage lang blieben der Blaue König und seine Krieger bei ihm. Und schließlich nahm er Saifel-Mulûk mit sich und brachte ihn seiner Mutter; da freute sie sich über die Maßen. Schahjâl aber staunte ob der Schönheit des Jünglings, ob seiner Vollkommenheit und Lieblichkeit. Dann erzählte ihm Saifel-Mulûk seine Geschichte von Anfang bis zu Ende, insonderheit auch, was er mit Badî'at el-Dschamâl erlebt hatte. Darauf sagte Schahjâl: ,Liebe Mutter, da du solches wünschest, so höre und gehorche ich jedem Befehle, der dir beliebt. Nimm ihn hin und bring ihn nach Ceylon und rüste ihm dort ein prächtiges Hochzeitsfest; denn er ist ein schöner Jüngling, und er hat um ihretwillen Schrecknisse erdulden müssen!' Und alsbald machte sie sich mit ihren Dienerinnen auf den Weg, bis sie nach Ceylon gelangten und in den Garten kamen, der das Eigentum der Mutter von Daulat Chatûn war; wie sie dort zu dem Zelte kamen, freute sich Badî'at el-Dschamâl ob seiner



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Wiederkunft. Als nun alle wieder vereinigt waren, erzählte ihnen die alte Königin, was ihm von dem Blauen König widerfahren war, und wie er in der Gefangenschaft jenes Königs dem Tode nahe gewesen war; doch zweimal erzählen würde die Hörer nur quälen. Dann versammelte König Tâdsch el-Mulûk, der Vater von Daulat Chatûn, die Großen seines Reiches und ließ den Ehevertrag zwischen Badî'at el-Dschamâl und Saifel-Mulûk vollziehen; und er verteilte kostbare Ehrengewänder und ließ Festmahle herrichten für alles Volk. Nun ging Saifel-Mulûk hin, küßte den Boden vor Tâdsch el-Mulûk und sprach zu ihm: ,O König, vergib! Ich möchte dich um etwas bitten; doch ich fürchte, du wirst es mir versagen, sodaß ich enttäuscht werde.' ,Bei Allah,' erwiderte der König, ,wenn du meine Seele von mir verlangtest, ich würde sie dir nicht verweigern, da du so viel Gutes getan hast.' Und Saifel-Mulûk fuhr fort: ,Ich möchte, daß du die Prinzessin Daulat Chatûn mit meinem Bruder Sâ'id vermählest; dann wollen wir beide deine Diener sein.' ,Ich höre und gewähre!' erwiderte Tâdsch el-Mulûk; dann berief er die Großen seines Reiches zum zweiten Male und ließ nun den Ehevertrag zwischen seiner Tochter Daulat Chatûn und Sâ'id vollziehen und die Urkunde von den Kadis aufzeichnen. Und nachdem dies geschehen war, streuten sie Gold und Silber unter das Volk, und der König befahl, die Stadt zu schmücken. So ward denn die Hochzeit gefeiert; Saif el-Mulûk ging ein zu Badî'at el-Dschamâl, und in der gleichen Nacht ging auch Sâ'id zu Daulat Chatûn ein. Nachdem aber Saifel-Mulûk vierzig Tage mit Badî'atel-Dschamâl allein geblieben war, sprach sie zu ihm eines Tages: ,O Königssohn, ist in deinem Herzen noch die Sehnsucht nach irgend etwas geblieben?' ,Das sei ferne!' erwiderte Saifel-Mulûk, ,ich habe mein Ziel erreicht, und in meinem Herzen ist keinerlei Sehnsucht



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geblieben. Dennoch möchte ich gern einmal wieder bei meinem Vater und meiner Mutter im Lande Ägypten sein, um zu sehen, ob es ihnen immer noch wohl ergeht oder nicht.' Alsbald befahl sie einer Schar ihrer Diener, Saifel-Mulûk und Sâ'id nach Ägyptenland zu tragen. Da konnte Saifel-Mulûk seinen Vater und seine Mutter wiedersehen, und ebenso auch Sâ'id seine Eltern; und nachdem sie eine Woche lang bei ihnen geblieben waren, nahmen beide Abschied von Vater und Mutter und kehrten nach der Hauptstadt von Ceylon zurück. Doch immer, wenn sie Sehnsucht nach den Ihren empfanden, pflegten die beiden zu ihnen zu reisen und heimzukehren. Und Saif el-Mulûk lebte mit Badî'at el-Dschamâl herrlich und in Freuden, und desgleichen auch Sâ'id mit Daulat Chatûn, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und der die Freundesbande zerreißt. Preis aber sei dein Lebendigen, der nie stirbt, der die Geschöpfe geschaffen und ihnen den Tod bestimmt hat, der ohne Anfang der Erste ist und ohne Ende der Letzte ist!

Dies ist alles, was uns von der Geschichte von Saifel-Mulûk und Badî'at ei Dschamâl überliefert ist. Doch Allah kennt die Wahrheit und das Rechte am besten!

Ferner wird erzählt


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