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Die Kormorane von Ut-Röst


Norwegische Märchen


Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Däumeling

Es war einmal eine Frau, die hatte einen einzigen Sohn, der war nicht größer als ein Daumen, deshalb nannte sie ihn auch Däumeling.

Als er volljährig wurde, sagte die Mutter zu ihm, er müsse nun hinausgehen und freien, denn es erschien ihr an der Zeit zu sein, daß er ans Heiraten denke. Als Däumeling das hörte, wurde er froh. Da machten sie den Reisewagen und das Gespann zurecht und verließen den Hof. Die Mutter nahm ihn auf den Schoß. Sie wollten zu einem Königshof reisen, wo eine Prinzessin wohnte, die genau so groß war wie er. Kaum waren sie ein Stück unterwegs, so war Däumeling plötzlich verschwunden. Sie suchte nach ihm und rief nach ihm, dann weinte sie, weil er verschwunden war und sie ihn nicht wiederfinden konnte. »Piep, piep«, sagte Däumeling. Er hatte sich in der Mähne des Pferdes verborgen. Er



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kam hervor und mußte versprechen, das nicht noch einmal zu tun.

Als sie wieder ein Stück weiterreisten, war Däumeling wieder weg. Die Mutter suchte ihn, rief nach ihm und weinte, aber er blieb verschwunden. »Piep, piep«, sagte Däumeling, und sie hörte, daß er lachte und kicherte, aber sie konnte ihn durchaus nicht wiederfinden. »Piep, piep, hier bin ich doch!« sagte Däumeling und kam aus dem Pferdeohr heraus. So mußte er versprechen, er solle sich nicht noch öfters verstecken.

Aber als sie wieder ein Stück weiterfuhren, war er wieder weg, er konnte nicht anders. Die Mutter suchte und weinte und rief nach ihm, aber weg war er und weg blieb er, und obgleich sie ihn suchte, konnte sie ihn nirgends wiederfinden. »Piep, piep, hier bin ich doch«, sagte Däumeling, aber sie konnte nicht entdecken, wo er war, denn es klang so undeutlich. Sie suchte und er sagte: »Piep, piep, hier bin ich!«und lachte und ergötzte sich, daß sie ihn nicht wiederfinden konnte. Aber da geschah es, daß das Pferd niesen mußte, und so nieste es Däumeling heraus, denn er hatte sich in dem einen Nasenloch festgesetzt. Die Mutter nahm ihn nun und tat ihn in eine Tüte. Sie wußte sich nicht mehr anders zu helfen, als ihn in dieser Art zu verwahren.

Als sie zum Königshof kamen, wurde gleich Verlobung gefeiert, denn der Prinzessin gefiel der hübsche kleine Bursch, und sie wollte auch nicht mehr lang damit warten, Hochzeit mit ihm zu feiern.

Als sie im Hochzeitsfestsaal zu Mittag speisten, saß Däumeling an der Tafel, der Prinzessin zur Seite. Doch da war es schlimm um ihn bestellt, denn als er anfangen wollte zu essen, konnte er das Essen nicht erreichen, und wenn ihm die Prinzessin nicht zum Tisch hinaufgeholfen hätte, so hätte er keinen Bissen bekommen. Nun ging das eine Weile gut, so lange sie von Tellern essen konnten. Aber als eine große Grützeschüssel hereingetragen wurde, konnte er nicht hinlangen. Aber Däumeling wußte sich zu helfen, er setzte sich auf den Rand der Schüssel. Doch da war ein Fettauge mitten in der Schüssel, das konnte er nicht erreichen, und so mußte er sich an den Rand des Fettauges setzen. Doch zu seinem Unglück geschah es, daß die Königin mit einem großen Löffel kam und einen tüchtigen Grützebrocken in das Fett tauchte, da kam sie dem Däumeling zu nahe, daß er herabplumpste und in dem Fettauge ertrank.


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