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Die Kormorane von Ut-Röst


Norwegische Märchen


Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


Die sieben Fohlen

Es waren einmal ganz arme Leute, die wohnten in einer elenden Hütte weit draußen im Walde, sie lebten nur so von der Hand in den Mund, und auch das nur mit Mühe und Not. Aber sie hatten drei Söhne, und der Jüngste von ihnen war Askeladden, denn er tat nichts anderes als in der Asche liegen und nach der Glut graben.

Eines Tages sagte der älteste Knabe, er wolle hinaus und dienen. Dazu bekam er gleich Erlaubnis, und so zog er hinaus in die Welt. Er wanderte den ganzen Tag lang und als es gegen Abend zu ging, kam er zu einem Königshof. Da stand der König draußen auf der Treppe und fragte ihn, wo er hinwolle.



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»Ach, ich geh nur und höre, wo ich dienen könnte, Vater«, sagte der Knabe.

»Willst du bei mir dienen und meine sieben Fohlen weiden?«fragte der König. »Wenn du sie einen ganzen Tag lang hüten kannst und mir am Abend sagst, was sie essen und trinken, so sollst du die Prinzessin bekommen und das halbe Reich dazu. Kannst du es aber nicht, so schneide ich drei rote Riemen aus deinem Rücken.«Das schien dem Knaben eine leichte Arbeit zu sein, das würde er schon fertig bringen, meinte er.

Am Morgen, als der Tag graute, ließ der Stallmeister die sieben Fohlen los, sie sprangen davon und der Knabe sprang ihnen nach. Man kann sich ja denken, das ging über Berg und Tal, durch Buschwerk und Dickicht. Als der Knabe so eine gute Stunde gesprungen war, wurde er müde und als er noch ein Stück Weges zurückgelegt hatte, machte ihm das Fohlenweiden nicht mehr so viel Spaß, und so kam er zu einer Felsenkluft. Da saß ein altes Weib, das spann mit einer Handspindel. Als sie den Jungen erblickte, der den Fohlen nachsprang, daß der Schweiß ihm nur so rann, rief ihm die Alte zu:

»Komm her, komm her, mein lieber Sohn,
ich lause und ich kraul dich schon.«

Das wollte der Junge gerne. Er setzte sich in die Bergschlucht zu dem alten Weib, legte seinen Kopf in ihren Schoß, und so lauste und kraulte sie ihn den ganzen Tag während er lag und faulenzte. - Als der Abend sich neigte, wollte der Junge gehen. »Ich werde lieber direkt nach Hause schlendern«, sagte er, »denn es lohnt sich nicht, zum Königshof zu kommen.«

»Warte ein wenig bis zur Dämmerung«, sagte das alte Weib, »so kommen die Fohlen des Königs hier wieder vorbei und du kannst mit ihnen nach Haus springen, niemand weiß, daß du hier den ganzen Tag gelegen hast, anstatt die Fohlen zu hüten.«

Als sie nun kamen, gab das alte Weib dem Jungen einen Wasserkrug und ein Moosbüschel, das solle er dem König zeigen und sagen, das sei es, was die sieben Fohlen essen und trinken.

»Hast du sie den ganzen Tag treu und gut gehütet?«fragte der König, als der Junge am Abend zu ihm kam. »Ja, das habe ich«, sagte der Junge. »So kannst du mir auch sagen, was meine sieben Fohlen essen und trinken?«fragte der König.

Der Junge zeigte Wasserkrug und Moosbüschel, welche ihm das alte Weib gegeben: »Da siehst du ihr Essen und da siehst du ihr Trinken«, sagte der Junge.



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Aber da wußte der König genug, wie er sie gehütet hatte. Er wurde zornig und befahl, ihn sofort wegzujagen. Aber erst sollten sie ihm drei rote Riemen aus dem Rücken schneiden und Salz hineinstreuen.

Als der Junge wieder nach Hause kam, kannst du dir denken, wie ihm zu Mute war. Einmal sei er ausgezogen, um Dienste zu nehmen, sagte er, aber das würde er nie wieder tun.

Am nächsten Tag sagte der andere Sohn, daß er in die weite Welt wolle und sein Glück versuchen. Die Eltern sagten nein und baten ihn, den Rücken des Bruders zu betrachten. Aber der Junge gab sich nicht zufrieden, sein Wunsch blieb wach, und nach einiger Zeit bekam er doch die Erlaubnis. Und er machte sich auf den Weg.

Als er den ganzen Tag gegangen war, kam er auch zum Königshof. Da stand der König draußen auf der Treppe und fragte ihn, wohin er wolle, und als der Junge antwortete, daß er nur so ginge, um zu hören, wo er dienen könne, sagte der König, er könne bei ihm dienen und seine sieben Fohlen weiden. Und dann setzte der König denselben Lohn und dieselbe Strafe fest wie für seinen Bruder. Ja, der Junge willigte sofort ein, er stellte sich in den Dienst des Königs; er wolle gut auf die Fohlen acht geben und ihm sagen, was sie essen und trinken, meinte er.

Im Morgendämmern band der Stallmeister die sieben Fohlen los. Wieder ging es über Berg und Tal und der Junge sprang hinterdrein. Aber es erging ihm genau so wie seinem Bruder. Als er den Fohlen eine lange Zeit nachgesprungen war, wurde er müde und kam zu der Felskluft. Da saß das alte Weib, spann mit einer Handspindel und rief ihm zu:

»Komm her, komm her, mein lieber Sohn,
ich lause und ich kraul dich schon.«

Das schien dem Jungen gut zu sein, er ließ die Fohlen ihren Weg rennen und setzte sich in die Felskluft zu dem alten Weib. Da lag er und ließ sich den ganzen Tag kraulen.

Als die Fohlen am Abend zurückkamen, bekam er auch ein Moosbüschel und einen Wasserkrug von dem alten Weib, die solle er dem König zeigen. Der König fragte den Jungen: »Kannst du mir sagen, was meine sieben Fohlen essen und trinken?« Der Junge streckte Moosbüschel und Wasserkrug vor und sagte: »Da siehst du das Essen, da siehst du das Trinken«, da wurde der König wieder böse und befahl, ihm drei rote Riemen aus dem Rücken zu schneiden und Salz hineinzustreuen und ihn heimzujagen. Als der Junge so wieder nach Hause gekommen war, erzählte er, wie es ihm ergangen war, und sagte, einmal



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sei er in die Welt hinausgegangen, um Dienste zu nehmen, aber das täte er gewiß nie mehr.

Am dritten Tage wollte Askeladden hinaus, er hätte Lust zu versuchen, die sieben Fohlen gut zu hüten, sagte er.

Die anderen lachten und verspotteten ihn, »wenn es uns so ergangen ist, wird es dir auch nicht besser gehen, du wirst es auch nicht schaffen, du hast niemals etwas anderes getan, als in der Asche gelegen und das Feuer geschürt«, sagten sie.

»Ich will mich trotzdem auf den Weg machen«, sagte Askeladden, »ich habe es mir nun einmal in den Kopf gesetzt«, und obgleich die anderen lachten und die Eltern baten, so half das alles nichts, - Askeladden machte sich auf den Weg.

Als er den ganzen Tag gegangen war und es schon dämmerte, kam er auch zum Königshof. Da stand der König auf der Treppe und fragte, wohin er wolle.

»Ich gehe und höre, wo ich dienen kann«, sagte Askeladden.

»Woher kommst du?« fragte der König, denn er wollte ihn besser vorher kennen lernen, ehe er jemanden in seine Dienste nahm. Askeladd erzählte, woher er komme und sagte, daß er der Bruder von den beiden Jungen sei, die kürzlich seine sieben Fohlen gehütet hätten. Er fragte, ob er es am nächsten Tage auch einmal probieren dürfe.

»Zum Teufel nochmal«, sagte der König - er wurde ganz böse, wenn er nur daran dachte - »bist du der Bruder von den beiden, so taugst du auch nicht viel, ich habe genug von euch.«

»Aber wenn ich nun einmal hergekommen bin, möchte ich doch die Erlaubnis haben, es zu versuchen«, sagte Askeladden.

»Nun ja, du willst also auch deinen Rücken zerschunden haben, von mir aus, gern«, sagte der König.

»Ich will schon lieber die Königstochter haben«, sagte Askeladden. Am Morgen im Dämmern band der Stallmeister die Fohlen los und fort ging es, über Berg und Tal, durch Buschwerk und Dickicht, und Askeladden immer hinterdrein.

Als er so eine gute Weile gesprungen war, kam er auch zur Felsenkluft. Da saß das alte Weib und spann mit einer Handspindel und rief Askeladden zu:

»Komm her, komm her, mein lieber Sohn,
ich lause und ich kraul dich schon.«

»Bleib mir vom Leibe«, sagte Askeladden, sprang weg und hielt sich dicht zu den Fohlen.

Als er so gut bei der Felskluft vorbeigekommen war, sagte das jüngste



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Fohlen: »Setze dich auf meinen Rücken, denn wir haben noch einen langen Weg vor uns.«Und das tat er auch.

So ritt er ein langes, langes Stück Weges weiter. »Siehst du etwas?« fragte das Fohlen. »Nein«, sagte Askeladden.

Da ritt er wieder ein gutes Stück vorwärts. »Siehst du nun etwas?« fragte das Fohlen, »ach nein«, sagte der Junge.

Als er wieder eine lange Zeit geritten war, fragte das Fohlen wieder: »Siehst du da nun etwas?« - »Ja, da erscheint etwas Weißes«, sagte Askeladden, »es sieht aus wie ein großer, dicker Birkenbaumstumpf.« »Ja, da müssen wir hinein«, sagte das Fohlen. Als sie zu dem Baumstumpf kamen, schob das älteste Fohlen ihn beiseite, da erschien eine Tür, wo der Baumstumpf gestanden hatte. Die Tür führte zu einer kleinen Stube, in der nichts weiter war, als ein kleiner Herd und ein paar hölzerne Stühle und Schemel. Aber hinter der Tür hing ein großes rostiges Schwert und ein kleiner Krug.

»Kannst du das Schwert schwingen?«fragte das Fohlen.

Askeladden versuchte es, aber er vermochte es nicht. So mußte er einen Schluck aus dem Krug nehmen, erst einmal, dann nochmal, dann noch einmal -jetzt konnte er das Schwert handhaben wie gar nichts. »Ja, nun mußt du das Schwert mit dir nehmen«, sagte das Fohlen. »Mit diesem mußt du an deinem Hochzeitstage uns allen sieben den Kopf abschlagen, so werden wir wieder zu Prinzen, die wir vorher waren. Denn wir sind die Brüder der Prinzessin, die du bekommen sollst, wenn du dem König sagen kannst, was wir essen und trinken. Ein häßlicher Troll hat diesen Bann auf uns geworfen. Wenn du uns allen sieben die Köpfe abgeschlagen haben wirst, mußt du darauf achten, daß du jeden Kopf an den Schwanz desjenigen Leibes legst, zu dem er gehört. Dann hat der Trollbann keine Macht mehr über uns.« Das versprach Askeladden. Und so reisten sie noch eine gute Weile. »Aber nun«, fragte das Fohlen, »siehst du nun etwas?« »Ach nein«, sagte Askeladden. Und so ritten sie wieder viele, viele Meilen, über Berge und Täler.

»Aber nun«, fragte das Fohlen, »siehst du immer noch nichts?« -»Ja«, sagte Askeladden, »ich sehe so etwas wie einen blauen Streifen, weit weit weg.« -»Ja, das ist ein Fluß«, sagte das Fohlen, »über den müssen wir hinüber.«

Über den Fluß führte eine lange goldene Brücke, und als sie ans andere Ufer kamen, ritten sie wieder lange, lange Zeit. Da fragte das Fohlen wieder, ob er nichts sehen könne. Ja, diesmal sah er etwas Schwarzes weit weit weg, gleichsam wie ein Kirchturm.

»Ja, da müssen wir hinein«, sagte das Fohlen.



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Als die Fohlen in den, Kirchgarten kamen, wurden sie wieder zu Menschen und sahen wie Königssöhne aus mit so prächtigen Kleidern, daß sie nur so leuchteten. Als sie in die Kirche hineingingen, empfingen sie Brot und Wein vom Priester, der vor dem Altar stand. Askeladden ging auch hinein. Und als der Priester die Hände auf die Prinzen gelegt und sie gesegnet hatte, gingen sie wieder hinaus aus der Kirche, und Askeladden auch, aber er nahm eine Weinflasche und ein Altarbrot mit sich. Sowie die Königssöhne aus dem Kirchgarten hinaustraten, wurden sie wieder zu Fohlen. Da setzte sich Askeladden wieder auf den Rücken des Jüngsten und hurtig ging es denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, nur viel, viel schneller. Zuerst ritten sie über die Brücke, dann an dem Birkenbaumstumpf und ebenso an dem alten Weib vorbei, welches in der Felsspalte saß und spann.

Das ging alles so schnell, daß Askeladden gar nicht verstehen konnte, was sie hinter ihm her rief, aber so viel hörte er heraus, daß sie schrecklich böse war.

Es war beinah dunkel, als sie am Abend zurück zum Königshof kamen, und der König selbst stand im Hof und erwartete sie.

»Hast du sie nun den ganzen Tag treu und gut gehütet?«fragte der König.

»Ich habe es getan, so gut ich es konnte«, antwortete Askeladden.

»So kannst du mir wohl sagen, was meine sieben Fohlen essen und trinken«, fragte der König.

Askeladden zog Altarbrot und Wein hervor und zeigte es dem König. »Da siehst du ihre Speise und da siehst du ihren Trank«, sagte er.

»Ja, du hast sie treu und gut gehütet«, sagte der König, »du sollst die Prinzessin haben und das halbe Reich dazu.«

Nun wurde die Hochzeit vorbereitet, und die sollte so prächtig und festlich werden, daß sie hören und staunen würden, sagte der König.

Aber als alle am Brauttisch saßen, erhob sich der Bräutigam und ging hinunter zum Stall. Er habe dort etwas vergessen, das müsse erst noch getan werden, sagte er.

Als er hinunterkam, tat er, worum ihn die Fohlen gebeten hatten. Er schlug allen sieben den Kopf ab, zuerst dem ältesten, dann den anderen, immer dem Alter nach. Dann gab er acht, daß er immer den Kopf an den Schwanz desjenigen Fohlens legte, dem er ihn abgeschlagen hatte. Nachdem er das getan, wurden sie wieder zu Prinzen.

Als er nun mit den sieben Prinzen zum Brauttisch kam, war der König so glücklich, daß er Askeladden immer wieder küßte und streichelte. Und die Braut hatte ihn noch viel lieber als vorher.



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»Das halbe Reich hast du nun bekommen«, sagte der König, »und die andere Hälfte sollst du nach meinem Tode bekommen, denn meine Söhne, die schaffen sich Land und Reich selbst, nun sie wieder Prinzen geworden sind.« So kann man sich wohl denken, daß Freude und Glück bei der Hochzeit herrschten.

Ich war mit dabei, aber niemand kümmerte sich so recht um mich, ich bekam nur einen Kuchenrand mit Butter drauf, den legte ich auf den Ofen. Der Kuchen verbrannte, die Butter zerrann, und ich habe kein Krümchen davon bekommen.


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