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Die Kormorane von Ut-Röst


Norwegische Märchen


Übersetzt von Käthe Wolf-Feurer

J. CH. MELLINGER-VERLAG STUTTGART


VORWORT

Die Eigenart der norwegischen Märchen ist geprägt durch eine großartige, elementargewaltige Landschaft. Stürmendes Meer, nackte Felsen, wilder Wald und stürzende Wasserfälle bilden ihren natürlichen Hintergrund. Die Stille und Weite des Landes, die langen, dunklen, schneereichen Winter und die hellen Sommernächte spielen überall mit hinein und geben ihnen Farbe und Leben.

Gesammelt wurden sie von zwei jungen Studenten, die auf alt-nordische Weise Blutsbrüderschaft schlossen und sie lebenslang hielten in getreuer, gemeinsamer Arbeit und inniger Liebe zum norwegischen Volksmärchenschatz. Der eine war Jörgen Moe (1813-1882); er studierte Theologie, wurde Lehrer und Pfarrer und zuletzt Bischof. Der andere, Christen Asbjörnsen (1812-1885), studierte Medizin und Naturwissenschaften, wurde Journalist und Verfasser populärer naturwissenschaftlicher Werke - neben seiner regen Sammler- und Herausgeber-Tätigkeit zusammen mit seinem Freunde Jörgen Moe. Asbjörnsen lebt im Volksbewußtsein als »Märchenkönig«.

Gewiß haben die norwegischen Märchen ähnliche Motive wie die deutschen. So entspricht das Märchen »Die Tochter des Mannes und die Tochter der Frau« unserem von der Goldmarie und Pechmarie und die »Drei Schwestern der Mutter« dem deutschen Märchen von den drei Spinnerinnen. Wodurch sich aber manche norwegischen Märchen von anderen Volksmärchen unterscheiden, ist in dem Einbeziehen von tiefreligiösen Motiven, wie z. B. das Heilige Abendmahl (Die sieben Fohlen) oder »stellvertretendes Leiden« (Die drei Prinzessinnen vom weißen Land), zu erkennen.

Auch ist die Welt des »Kleinen Volkes« viel mannigfaltiger durch das stärkere Hereinwirken der Naturkräfte, der Elementarwesen. Die beiden in den Lofoten erzählten Sagen »Die Kormorane von Ut-Röst« und »Die Wichtelmännchen auf Sandfiesa«berichten von einer Art Klabautermännchen, die der Binnenländer nicht so kennt. Auch die Welt der Trolle tritt ungeheuer vielgestaltig auf in den norwegischen Märchen, wie sie in den Bergen leben, im Wald oder im Wasser. Sie erzählen von riesengroßen und von zwergenhaft kleinen Trollen, von Trollweibern und Trollkindern.



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Das Motiv von den drei Brüdern kehrt in den Märchen aller Völker immer wieder. Wenn man aber bedenkt, daß in den norwegischen Märchen der erste der Brüder stets Per (Peter), der zweite Paul, der dritte Kienspanhans oder Askeladden heißt, so liegt die Vermutung nahe, daß damit die Epochen des petrinischen, paulinischen und des johanneischen Christentums angedeutet werden sollen. Der Name Askeladden ist von mir nicht ins Deutsche übertragen worden, weil er klanglich sehr schön und mit einem Wort nicht zu übersetzen ist. Der Name sagt, daß der Jüngste es für das wichtigste hält, in der Asche zu stochern und darüber zu wachen, daß die Glut nicht verlöscht, ebenso wie der Kienspanhans in dem Märchen von den »Drei Zitronen« einen Kienspan nach dem anderen entzündet, um dem Wohnraum das Licht zu erhalten.

Eigenartig ist ja auch der ganz andere norwegische Humor, der in manchen Märchen, so in »Peik« und »Klein-Frikk mit der Fiedel«aufleuchtet; er ist derb, saftig und knapp.

Zu der Übersetzung sei noch gesagt, daß man eine romantisch erzählende, märchenhaft beschauliche Sprache wie bei den Brüdern Grimm vermissen wird. Der Stil der norwegischen Märchen ist knapper, herber, manches wird nur skizziert, nur angedeutet, ein einziges Wort für gewisse Zustände gebraucht, das im Norwegischen treffend, aber unübersetzbar ist und im Deutschen nur in einem ganzen Satz wiedergegeben werden kann.

Im »Vogel Dam« sollte inmitten der erzählenden Prosa eine rhythmisch gebundene Sprache in der Übersetzung darauf hinweisen, daß sich das Erlebnis des jüngsten der zwölf Prinzen als dem einzig wachenden in einer höheren Bewußtseinsebene abspielt. Während die anderen schlafen, wird er in zukünftiges Geschehen eingeweiht.

Ich danke an dieser Stelle Herrn und Frau Hertzberg, Herrn Krohn-Nilsen, Herrn Ernst Sörensen und Frau Arnika Friele sowie Herrn Terje Haukland herzlich für ihre Hilfe.

Hamburg, im Juli1965 Käthe Wolf-Feurer


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