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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Drei Reiter und die Hollentochter

Es war einmal eine Hollentochter, die hatte eines Tages hochmütig ihr weißes Brot den Fischen vorgestreut. Das hat aber ihre strenge Mutter gesehen und hat ihr zugewünscht, ein Menschenleben lang als Bäuerin zu verbringen, damit sie lerne, was ein einfältiger Laib Brot für Mühe und Sorge macht.

Die schöne Hollentochter hat sich also, kaum daß das Wort gefallen war, als Magd bei einem Bauernvogt im Dienst befunden; dort sollte sie warten, bis jemand käme und sie nähme. Aber sie hat bei allem Kummer und bei aller Beschwer doch ihren Hochmut nicht verleugnet. Die meisten Burschen, die um die edle Fremde werben wollten, ließ sie schlimm abfahren.

Nun ist meine Geschichte schon lange her, sie spielt in der Zeit, als Feinde aus aller Welt in unserm Lande gehaust hatten und alle Wege voll abgedankter Soldaten waren, die sich als Bettler und Plünderer umhertrieben. So kamen eines Tages auch drei Reiter am Dorf vorbei, in das die Hollentochter verdungen war. Gerade als sie zum Wald lief, um Wurzeln das Abendessen zu graben, umritten die Schelme das Mädchen und verlangten, daß es einen von ihnen zum Schatz wählte, so wie es damals nach Kriegsrecht herging.

Der Hollentochter war gar nicht danach zu Sinn. Was half es, einem Reiter zu gehören, wenn sie, ohne einer Bäuerin Leben geführt zu haben,



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doch nicht zu ihrer Mutter heimkehren durfte. Weil die Herren indes höflich waren und nur aufpaßten, daß sie nicht entkam, gefiel es dem Mädchen in seiner Eitelkeit, daß man ihm nachstellte.

Die Räuber waren inzwischen auch gewahr geworden, daß sie einen seltsam schönen Vogel gefangen hatten. Und weil sie wußten, wie übel das ausgehen konnte, und Streit untereinander fürchteten, meinte der älteste von ihnen, daß es unter Reitern am besten sei, nicht die Jungfer wählen zu lassen, sondern ehrlich um sie zu würfeln. Gleich holte er auch schon den Würfelbecher heraus, schüttelte ihn über den Weg aus und warf unter viel Schelten dreimal eine Eins. Als die andern das sahen, lachten schallend, sie meinten, einem von ihnen müsse die Beute jetzt zufallen. Und der zweite tat einen guten Wunsch und stülpte den Becher ina Moos.

Aber er warf nur dreimal das gleiche, lauter blanke Einsen, es war wohl schon Zauberei des Fräuleins dabei.

Der dritte glaubte ja noch, er brauche gar nicht erst zu würfeln. Er war der jüngste der Reiter, hatte die beste Zucht bewahrt und fragte das schöne Mädchen freundlich, ob es ihm nicht freiwillig in seine Heimat folgen wolle, er werde ehrlich mit ihm sein und es gewiß zu seiner Ehefrau machen. Aber die beiden andern ließen sich nicht darauf ein, sie verlangten, daß auch er den Becher umstürze. Und sieh da, es gelang ihm nicht besser als den Freunden, da lagen wieder drei Einsen im grünen Moos. Mit der Heirat war es nichts, und das Mädchen huschte von dannen, ehe die Reiter sich recht besonnen hatten.

Als die drei sich nun verdutzt anblickten und vielleicht auch merkten, mit wem sie es zu tun gehabt hatten, kam da ein alter Kulenkerl des Wega, der hatte gerochen, daß etwas um die Hollentochter im Gange war. Er hatte es selbst auf sie abgesehen, war Gift und Galle, daß drei Reiter sich um mühten, polterte gleich gegen die Gesellen los und wollte ihnen zu Leibe. Der Verwunschene ist aber schlecht dabei gefahren. Denn so wenig die drei gegen die schöne Hollentochter ausrichten konnten, mit ihm wurden schnell fertig. Kaum stieß er blasend nach dem ersten, da hieb ihm schon der zweite mit der Plempe übers Maul, und als er den mit seinen riesigen



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Fangarmen umschlang, hackte ihm der dritte wie einer Krake die Glieder ab, und der erste schoß ihm das Pistol in den Hals. Das war zuviel, selbst für einen Kulenkerl. Aber ehe er das Leben lassen mußte, spielte er den Landsknechten rasch einen Schabernack, indem er sich in den Menschen zurückwandelte, aus dem er einst zum Unhold geworden war.

Die drei wurden des kaum noch gewahr, sie hatten genug mit sich selbst zu tun. Da kamen nämlich gerade reitende Bauern des Wega, die mit plündernden Soldaten abrechneten. Sie kamen so rasch, daß die Freunde sich nicht mehr wehren konnten; im Nu waren sie unter den Pferden, wurden gebunden und gezwungen, den Roßschweifen zu folgen. Ja, einer von ihnen mußte auch noch den schlimmen Kulenkerl auf den Rücken nehmen, damit er gleich ein Zeugnis gegen sich mit zur Richtstätte brächte.

Als die Reiter dann mit dem Erschlagenen vor den Bauernvogt geführt wurden, brauchte der für seinen Urteilsspruch nicht viel Zeit, obschon die drei bis zuletzt leugneten und behaupteten, der Tote habe sie als böser Unhold angefallen. Der Schein sprach gegen sie, niemand hat es ihnen geglaubt.

Nun war aber in jener Zeit das Land menschenarm, und es fehlten Hände, um das Korn einzubringen. Als die Schelme schon unterm Galgen standen und noch immer leugneten, sagte der Bauernvogt deshalb, es genüge ihm, wenn zwei von ihnen gerichtet würden, der dritte könne als Knecht bei ihm dienen. Sie sollten würfeln, befahl er, und wer die höchsten Augen hätte, der könne bei ihm bleiben.

Wie die drei armen Sünder sich nun umschauen, erblicken sie unter dem neugierigen Volk auch das Mädchen, um dessentwillen sie so sehr in Bedrängnis gekommen sind. Und als sie seine Anmut sehen, hat ja jeder ein heftiges Verlangen, den besten Wurf zu tun. Als erster versucht es der älteste. Was glaubt ihr? Er, der vorher drei Einsen gewonnen hat, würfelt die große Sechs. Die Bauern meinen schon, es sei Gottes Zeichen, daß dieser am unschuldigsten sei, obschon er gewiß am ruppigsten aus den Augen blickt. Sie dürfen indes den beiden anderen nicht verwehren, auch ihr Glück zu versuchen. Da wirft zu ihrem Erstaunen der zweite Reiter



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drei Sechsen wie der erste, und als der jüngste daran kommt — es ist der, um den es den Leuten noch am ehesten leid tun könnte —, da geht es wie mit einem Wunder zu: die Knöchel rollen und rollen wie unter einem verhexten Hauch, bis nichts als die höchsten Zahlen oben liegen. Und der Richter und die Bauern und alle Knechte schütteln die Köpfe und besehen sich die Würfel. Aber es ist nichts Böses daran, es scheint fast wie ein Gotteszeichen.

So sehr deshalb die Reiter, die unsere Schelme gefangen hatten, zum Hängen raten, der Bauernvogt sagt, ein Wort sei ein Wort, und er habe kein Recht, zwei von den Männern zu richten, wenn er dem höchsten Wurf das Leben zugesprochen habe. So wird es nichts mit dem Galgen, die drei dürfen auf Schusters Rappen ihres Weges ziehen, nur ihre Pferde und ihr Packzeug müssen sie bei den Bauern lassen.

Während sie nun traurig am letzten und größten Haus vorübertrotten, tritt da auf einmal das Mädchen, das sie hatten gefangennehmen wollen, vor die Tür und lacht über die geplünderten Landsknechte.

Die wagen nicht noch einmal, nach ihr zu greifen; es kommt ihnen vor, als sei beim Würfeln nicht alles mit rechten Dingen zugegangen und als hätten sie einen Dank abzutragen. Aber während die andern nicht gut wissen, wie sie auf das Lachen antworten sollen, wagt es der jüngste — den drückt es trotz aller Plage am schwersten, daß er das Dorf eingängig verlassen muß. Und er ruft lustig, nun hätten sie fast vergessen, daß die Jungfer doch den Besten von ihnen zum Schatz wählen wollte. Die andern beiden knurren, sie mögen nichts mehr davon hören. Aber ihr Freund fragt gleich noch einmal und fügt hinzu: wo das Fräulein ihnen zweimal ihren Zauber gewiesen habe, möge sie's auch noch ein drittes Mal tun, und sicher werde sie keinen andern als ihn wählen.

Seine Genossen denken, er werde für solche Worte am Ende doch noch den Kopf verspielen. Aber was glaubt ihr wohl, was geschieht? Auf einmal laufen zwei der Pferde, die sie haben dalassen müssen, des Wegs, traben auf die beiden älteren Gesellen zu, heben sie am Gesäß hoch und werfen sie kopfüber in die Sättel. Und dann auf und davon!



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Dem dritten tut es leid, daß er sein Pferd nicht gekriegt hat, er hat schon auf der Zunge, den beiden ein böses Wort nachzurufen. Da sieht er die Hollentochter winken; er besinnt sich, hält den Mund ganz still und bedenkt nur, wie er am raschesten zu ihr über den Graben gelangen kann.

Und ich glaube nicht, daß das Bleiben ihm am schlechtesten bekommen, noch daß er mit dem Eheweib, das der Bauernvogt ihm schließlich hat zusprechen müssen, weniger zufrieden gewesen ist als mit jenen zwei rauhbackigen Gesellen, die ihn verlassen hatten. Ich weiß nur, daß die Hollentochter ihr bäuerliches Leben, wie es ihr auferlegt war, guter Dinge zu Ende gebracht hat. Und man sagt, daß der Reiter es ihr bald abgeguckt hat, wie man die Einsen und Sechsen wirft, und ihr zuletzt sogar über- gekommen ist.

Das ist gewiß auch nötig gewesen, denn es taugt nicht, daß die Frauen zu klug werden — das heißt, die klugen lassen sich's nicht merken, das erkennt unsereins ja meist erst hinterher.


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