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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Der Teufel fängt sich selbst

Ein alter, weiser Hund hatte einmal eine Mühle geerbt und verlebte da zufrieden und glücklich seine Tage. Er war gegen jedermann hilfreich und freundlich, tat viel Gutes und sammelte auch einige Freunde um sich, die ihm seine Muße teilen halfen.

Da war zum Beispiel der Dachs, der als Schneidergeselle von Heide zu Heide zog und jedes Jahr für einige Tage bei dem Hund hauste, bis er ihm einen neuen Rock zurechtgeschnitten hatte. Der Hase, der in der Frühe die Post brachte, blieb meist gleich bis zum Frühstück, sogar Biber und Schildkröte aus dem Mühlenwehr wohnten bei ihm, und ein alter Bock hatte sich so sehr mit dem Müller angefreundet, daß man die beiden kaum noch anders als mit der Pfeife im Mund auf der Bank sitzen und über dieses und jenes beratschlagen sah.

Eines Tages kam nun auch eine Henne des Wegs; sie hatte sich von



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ihrem Hof, wo sie in jedem Frühling einen Satz Eier ausbrütete, verirrt und war sehr unglücklich und einsam.

Als sie das schöne Schild "Fremdenheim zur Mühle"sah, bat sie, sich einige Zeit erholen zu dürfen.

Der alte Hund nickte, nahm höflich seine Pfeife aus dem Mund, ließ sich erzählen, wie es der armen Verirrten ergangen war, und forderte sie auf, das gemeinsame Mahl zu teilen. Die Henne folgte der Einladung gern. Aber wie es leicht geschieht, sie fühlte sich ein wenig fremd bei den hagestolzen Herren, sprach zuviel von sich selbst und verdarb dadurch sich und den Gästen die Laune. Der Herbergswirt merkte es, er war indes ein gutmütiger Kerl und meinte, das würde sich schon ändern.

Die Henne hatte auch bald Grund zur Beschwer. Als das Wetter immer schöner wurde und die Herren sich noch einmal recht jugendlich fühlten, setzten sich, wie sie es zu tun pflegten, ohne Kock und Weste an den Mühlenweiher. Dem neuen Gast gefiel es schlecht, und es gehörte sich wohl auch nicht. Der warme Himmel hat aber für die Henne sein Gutes gebracht. Mitten in die gelehrten Gespräche ist ihr einmal ein sonderbares Wort eingeflossen. "Gackgack.

"Wie bitte? sagte der kleine Hase und lachte.

Die Henne wollte ärgerlich tun. "Was wünschen Sie, Herr", fragte sie gereizt. "Worüber lachen Sie? —Gackgack!" mußte sie hinzufügen. Und es ist sie noch am gleichen Nchmittag überkommen, daß sie sich draußen im Torfkorb ein Mess hat ausscharren und mit wiederholtem Gackern ein wunderschönes weißes Ei hat ankünden müssen.

Die Geschichte mit der Kakelei und ihrem Voran und Hinterher ist der Henne noch drei- oder viermal zugestoßen, meist bei der gemeinsamen Mittagstafel. Die Gäste haben die Hand vor den Mund gehalten, und der Herbergswirt hat laut über seine Reisen zu erzählen begonnen. Nur der Hase hat mit einem Knippauge die Neue so lange angegrinst — gagagagack —, bis sie den Tisch der alten Junggesellen verließ.

Wider Sitte und Notwendigkeit soll niemand streiten. Aus dem ersten Kakeln ist allmählich ein sanfteres Zureden geworden, die Henne hat eine



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mütterliche Liebe zu ihren weißen Eiern bekommen, und eines Abends ist sie, statt ihre schöne Kammer aufzusuchen, die ganze .Nacht im Torfnest geblieben.

Das gab nun wieder allerhand Bedenken bei den weisen Herren. Einige Gäste, die es gut mit ihr meinten, haben lächelnd untereinander beraten, wie man der Frau die Zwecklosigkeit ihrer treuen Sorge beibringen könnte. Und der alte Hund hat sie so nebenbei gefragt, wo der Herr Gemahl denn sei und wie der sich freuen würde, wenn er sie so fleißig sich üben sähe.

Die Brütende hat den Kopf abgewandt, sie wußte wohl, worauf der Nachbar hinauswollte. Aber Hennen glauben ja an Wunder, wenn sie nur auf Eiern sitzen.

Es ist denn auch ein Tag nach dem andern vergangen, eine Woche um die andere. Endlich sogar der armen Glucke das Brüten überständig erschienen, sie hat ein Ei angeblickt. Da war es faul. Sie hat deshalb das nächste aufgetan, das hat arg gerochen, aber ein Kücken war nicht dabei. Da ist sie zornig geworden, hat alles zerhackt und zertreten, und es ist nur schlimme Luft herausgefahren.

"Dor Belp de Düwel", hat sie gewünscht, so ärgerlich war sie.

Kaum hatte sie das gesagt, kam ein fürnehmer Hahnemann aus dem Busch angestelzt, — ihr könnt euch denken, wer es war, inan nennt den Namen nicht gern. Der Fremde hat aber solch prachtvolles Gewand angehabt und war so freundlich gegen die Glucke, sie hat zu allem nur ja zu sagen brauchen. Sie hat es auch nicht lassen können, sich bald mit dem neuen Bräutigam zu zeigen, und ist mit ihm in der .Mühle zu Tisch gekommen. Die Gäste haben sich besorgt angesehen, und der kleine Hase ist sofort durch das Fenster ausgerissen. Zu den anderen ist der Fremde leutselig gewesen, hat sich einen ganz alten Namen gegeben und die Herren gebeten, seine Freunde zu werden. Und als sie, wie es nun einmal üblich war, nach dem Mittagessen die Röcke auszogen und ihre Angeln im Mühlenteich auswarfen, hat auch er sein prächtiges Hahnenkleid ein wenig längs des Weges gebreitet.



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Aber der Schlimme hat, ehe er den Rock niederlegte, einen bösen Wunsch hineingesprochen. Er wußte, daß, wer auch vorbeikam, Mensch oder Tier, sich das Ding am Weg anschauen und die Augen dran ausgucken mußte, so golden und edelsteinübernäht hat es ausgesehen. Immer jedoch, wenn jemand es nur eben hat anproben wollen, weil es doch herrenlos schien, war er schon dem Bösen verfallen und ist mit Feuer an allen Gliedern schnurstracks in die Tiefe hinuntergefahren. Der Kock aber hat gleich wieder dagelegen, sein Herr hat von neuem einen Spruch hineingemurmelt, und dem nächsten Besucher ist es nicht besser ergangen.

Die Glucke hat's gemerkt und bittersüß gelächelt; ihr ist der Gemahl unheimlich big ins Herz gewesen, und doch hat sie ihren Stolz vor den Leuten und das Gefallen an seinem schönen Tuch nicht bändigen können. —

Eines Nachmittags aber ist wie alljährlich Grimbart der Dachs die Straße gekommen, um sich bei seinem Vetter vom Wandern ein wenig zu erholen und ihm zum Dank einen neuen Kock zu schneidern. Auch er sieht die Hahnenjacke auf dem Weg liegen, sie ist so herrlich, daß er gleich davor stehenbleibt. Aber er ist ein Mann vom Fach. Er hebt das Zeug auf und besieht es sich von allen Seiten. Der Böse meint schon, daß er wieder jemand in seiner Falle hat. Aber der Dachs zieht das Wams nicht an, runzelt nur die Stirn. Sonderbarer Schnitt, denkt er, möcht' doch mal wissen, was für ein Kerl hineingehört.

Der Düwel ist enttäuscht, gerade den Dachs könnte er da unten brauchen und hätte ihn gern eingefangen. Er geht also wie von ungefähr bei ihm entlang.

"Ach, meine alte Jacke", sagt er leutselig, "gefällt sie Ihm, Schneidergesell?" "Das ist gewiß ein schönes Stück", knurrt Grimbart ehrlich.

"Ich bin ihrer leid", lächelt der Böse großmütig, "behalt Er sie nur, wenn Er will!

Der Dachs wendet das Ding noch einmal nach außen und innen und ärgert sich über den Protz, der solche Jacken verschenkt. Umsonst nähme er nichts, murrt er endlich, und dergleichen könnte er sich auch selbst schneidern.



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"Fein!" sagt der Locker, — er möchte ja, daß der Dachs das Mama überzöge. "Fein, solchen Schneider brauche ich gerade. Da muß Er mir eine neue Jacke nähen, als Lohn kriegt Er die alte.

Im Handumdrehen hat der Böse die prächtigsten Federn und Tuche für den zweiten Rock bereit und reicht sie dem Dachs.

Sonderbar! denkt Grimbart wieder — er ist eins der mißtrauischsten Wesen, die es gibt —, warum soll ich durchaus das Zeug behalten? Auch tut es ihm leid um die herrlichen Sachen für solchen Geck. Immerhin nimmt er beides, alte Jacke und neues Tuch, über den Arm und setzt sich in der Mühle auf seinen Schneidertisch. Und er tut, als wenn er drei Stunden lang nichts als zu nähen, zu prünen und zu säumen hätte. Am Ende aber hat der Schlingel all die schönen Federn und das feine Tuch des Bösen unter den Tisch fallen lassen und hat nur den Rock aufgeputzt und das Futter gekehrt. Er denkt, solch Ding sei für diesen Fremden immer noch gut genug.

Wie es nun dämmerig wird, tut Grimbart, als habe er die neue Jacke fertig. Ob der Herr jetzt einmal anproben wolle, ruft er aus dem Fenster. Der Böse kommt nickend und lächelnd zu Schneider Dachs, er schiebt das Becken schon nach hinten für das neue Hahnenkleid. Grimbart aber legt ihm das alte Wams über, das noch den Spruch vom höllischen Feuer trägt. Und er streicht dem Fremden den Rock so recht eng an den Leib.

Nun, Bellhorn gefällt s erst herrlich, er redet von vereinbartem Lohn und denkt, jetzt werde Grimbart so eitel sein und bald das andere Wams einmal überwerfen. Auch die Glucke steht dabei und findet ihren Bräutigam schöner als je. Und alle Tiere müssen kommen und zusehen. Aber nach einer Weile wird der Rock selbst für den Bösen verwünscht heiß. Und noch etwas später beginnt er an der Jacke zu rücken und zu zerren und hüpft und kriegt Glotzaugen und wedelt mit dein Schwanz gegen die Hitze. Und, heia, jetzt tanzt er, daß die Gäste ängstlich verziehen, und, hoho, da brüllt er und schnaubt etwas von Verrat, und, huihui, da rast er mit glühenden Lichtern an den Wänden entlang, fletscht die Zähne wie Schwefelzapfen und will dem Dachs an die Kehle, Aber ehe es soweit kommt, kann er das



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Feuer an den Gliedern nicht mehr vertragen, mit einem Satz geht er durch die Fensterscheiben und in den zischenden Mühlenteich. —

Die arme Glucke hat erst viel Kummer gehabt, sie hat die Flügel geschwungen und ist jammernd am Ufer auf und ab gelaufen. Aber die alten Herren, die mehr von Gut und Böse verstehen als ein einfältiges Weibsbild, haben dem Dachs Glück gewünscht. Sie haben am Abend einen großen Umtrunk gehalten vor Freude, daß sie den unheimlichen Gast wieder loswaren, und schließlich haben sie sogar die trauernde Glucke geholt und ihr gut zugeredet und einen neuen Mann versprochen. Da hat sie sich besonnen und vor Rührung mit jedermann einen Tanz über Tische und Stühle versucht.


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