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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Der betrogene Fuchs

Da war einmal ein Fuchs bei einem klugen Zauberer eingeladen und ass und trank gut. Als er sich nun verabschiedete, hieß er einiges mitgehen, was ihm gerade vor die Hand kam, ohne daß der andere es gleich gewahr wurde.

Reineke freute sich über den Gewinn. Er wollte aber auch wissen, was er ergattert hatte, und erprobte dies und das. Alls erstes kam die Zipfelmütze des alten Mannes an die Reihe, die hatte die Eigenschaft, sich in einen großen Teich mit Fischen zu verwandeln, wenn man sie nur umdrehte.

Das gefiel dem Fuchs gut; er hielt viel von Fastenkost und machte häufig Gebrauch von der Mütze. Immer aber, wenn er genug gefangen hatte, Karauschen, Schleie und, ich weiß nicht, was alles, schüttete er die Mütze wieder um; kein Mensch und kein Tier begriff, wo der See geblieben war, der eben doch mitten in der Heide gelegen, noch woher der Reineke die vielen Fische hatte.

Eines Nachts kam aber ein junger Waterkerl —ich meine ein Wasser



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mann — vom großen Fluß herüber. Der wollte umziehen und hatte munkeln hören, daß in der Heide ein neuer See gewachsen sei.

Er fand ihn auch bald — der Fuchs hatte gerade in jener Nacht vergessen, die Mütze umzuwenden — und ging rasch auf den Grund. Anderntags, als Reineke die Angel auswarf, zog er voll Verwunderung gleich die erste Schnur ohne Wurm wieder hoch. Danach tauchte der Schwimmer unter, und ein alter Ast hing daran, kurz, sein schöner Teich war voll von

Schabernack. Da wollte der Fuchs die Mütze umdrehen, um nachzusehen, was mit ihr sei. Aber sie war schwer geworden, er vermochte sie nicht mehr aufzuheben. Und er begriff, da war jemand über Nacht gekommen, der nicht hineingehörte. Wie sollte er den Gast nun wieder loswerden? Das war eine schlimme Geschichte!

Reineke ging also zu Nachbarn, um sich Rat zu holen, aber niemand konnte ihm Bescheid geben. Er mußte schon weit laufen und kam endlich vor das Haus des Hagemanns. Das war ein listiger alter Waldkerl, aber auch ein Geizhals, der für einige Groschen hämmerte und klopfte und für die Bauern arbeitete. Er saß gerade vor der Tür und besohlte Schuhe, die die Leute ihm hingetragen hatten.



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"Nun", meinte der Hagemann, als der Fuchs ihm alles erzählt hage, "ich könnte dir wohl beibringen, wie du den Wassermann wieder loswirst, aber du mußt von nun an die Hälfte aller Fische an mich abgeben.

Dem Fuchs blieb ja nichts anderes übrig, er sagte zu.

"Allso hör", riet der Hagemann, "hier kommt jeden Sonntag eine Nixe entlang, die wandert zu den Menschen zum Tanz. Lade einmal zu dir ein und geh mit ihr zum Teich. Wenn der Unhold die gewahr wird und sie fangen will, kannst du die Mütze ja rasch umdrehen.

Der Fuchs verstand, worauf der andere hinauswollte, und als sonntags das Nixenmädchen vorüberkam — es sieht aus wie ein Fräulein aus einem fremden Dorf, nur daß es einen nassen Saum am Kleid hat —, stand Reineke am Weg, lud die Jungfer höflich zu einem Spaziergang ein und wandelte mit ihr am Rand des Teiches auf und ab, so daß ihr Spiegelbild im Wasser zu sehen war.

Aber der Wasserkerl hatte es viel zu gut da unten, er kam wegen solch dummen Weibsbildes nicht hoch. Und die Nixe hatte auch nicht viel Zeit, sie wollte rechtzeitig beim Tanz sein und ging bald ihres Weges.

Am anderen Sonntag hielt der Fuchs sie wiederum an. Er hätte kleine Vögel zu Gast geladen, erzählte er, so sanft er es vermochte. Und er bäte die Nixe, sie möge doch eben einmal zuhören, der Zeisig hätte ein neues Lied erdacht. Als sie wieder zum Teich gelangten, hatte Reineke, der sonst ein Geizhals war, den alten Waldkerl zum Aufspielen bestellt. Der hatte noch den Mund voller Hagebutten, aber als der Fuchs kam, setzte er gleich die Geige unters Kinn, die Vögel schlugen dazu, und die Nixe hatte beim drittenmal das Lied behalten und stimmte mit ein. Es war wirklich schön anzuhören, viele Leute horchten.

Aber der Wassermann steckte nur ein Ohr nach oben, er hatte es gut im See und wußte, daß er kein geladener Nachbar war.

Da wollte der Fuchs ihn eifersüchtig machen. Er wußte nicht, wie er solchen Grünen wohl sonst herauflocken sollte, und bat die Nixe deshalb, mit ihm zu tanzen. Alm Teichufer ging es auf und ab, und der aus der Tiefe hob wahrhaftig den Kopf und pruschte einen ganzen Mund voll



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blauer Vergißmeinnicht, Froschlöffel, und mag er gerade zwischen den Zähnen hatte, auf die beiden Tanzenden. Aber weiter brachten sie ihn nicht, er grinste und ließ sich wieder untersinken.

"Du bist kein rechter Tänzer sagte der Hagemann endlich, er hätte ja gar zu gern den Vertrag über die Fische in der Tasche. "Diz hifi kein rechter Tänzer, ,Reineke", sagte er. Und er gab dem Fuchs die Fiedel zum Aufspielen, obschon es nichts als ein altes Gekrächze wurde, nahm das Wasserfräulein in den Arm und tanzte mit ihm einen "Windmüller" big zum Waldrand und wieder zurück; so etwas hatte die arme Heide lange nicht gesehen. "Goos op'n Diek, Goos op'n Diek, Ganter darbi", sang er dazu und schwang die Nixe rund um den Teich, sie berührte kaum nech den Boden mit den Füßen. Die Büsche wehten zur Seite, wo sie entlang kamen; es war etwas so Schlimmes und Hexisches um den Tanz, daß sogar der Fuchs Furcht kriegte und der Wassermann bis zum Nabel aus dem See fuhr und vor Zorn und Entrüstung blökte.

"Kriedewiedewitt, meinen Schatz, den bin ich quitt", sang der Hagemann, um ihn zu ärgern, und sah, wie der Schlamm sich drehte und wie das Wasser wirbelte, — da wollte wohl einer ans Ufer und mit dem Waldkerl um das Fräulein fechten. Schon paßte der Fuchs auf, um gleich die Nachtmütze umzukehren.

Den Herren wäre die List beinahe geglückt, und sie wären den Nücker losgeworden, hätte der Hagemann etwas mehr Klugheit bewahrt. Er war jedoch mit dem Fräulein so sehr ins Tanzen geraten, daß ihm ein Funken unter den Hacken aufsprang, als sein Huf über die Kiesel schlug. Morin Feuer aber haben die aus dem Wasser ja solch grausame Angst: die Nixe hat sich, als sie nur den Funken sah, mitten im Tanz mit einem Schrei aus seinen Armen losgerissen. Und sie ist kopfüber in den kühlen See gefahren, gerade in die .Hände des dicken Wasserkerls, der noch eben um sie fechten wollte.

Nun wohnen zwei Leute in der schönen verzauberten Zipfelmütze, nun kann Reineke gar nichts mehr damit anfangen und wird die beiden wohl bis zu seinem Ende zu Gast behalten müssen. Einmal ging er noch zu dem



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Zauberer, sagte ihm, er habe sich die Mütze nur eben leihen wollen, und erzählte, was ihm damit zugestoßen sei. Aber der Alte wußte nichts Besseres, als Tag und Nacht am Ufer auf und ab zu schelten. Es half auch nichts, daß Reineke dem tanzenden Hagemann den Teich mit allen Fischen zu eigen versprach, wenn er nur die Gäste loswürde. Der Wald- kerl ließ die Arbeit beim Bauern, er legte sich ins Schilf und wollte das Wasser austrinken. Die Mütze lief indes immer wieder voll. Noch manchen Unholden gab der Fuchs Bescheid, und er sah gern, nun ihm selbst der Spaß verdorben war, wie viele Leute sich vergeblich bemühten.

Aber die rechte Freude hat der Bösewicht nicht daran gefunden. Er ärgert sich gar zu sehr, daß er in jener einen Nacht nicht aufgepaßt hat, und daß es zwei andere gibt, die sich an seiner schönen Diebesbeute vergnügen.


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