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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Drei Jäger wetten

Beim Kulenkröger — ja so, ihr wißt nicht, wo der Kulenkröger wohnt? Irgendwo in Stormarn liegt eine alte ausgegrabene Kieskule, unten voll Wasser, die Wände voll rissigem Sand und mancherlei wildem Gestrüpp. An ihrem Ausgang ruht ein riesengroßer Stein, halb im Wasser, halb im Lehm vergraben. Wenn man den dreimal geheimnisvoll beklopft — wie, will ich euch nicht sagen —, öffnet er sich wie eine Tür, und man kommt zum Kulenwirt hinab.

Also bei diesem Kulenkröger, bei dem sich oft mancherlei verlaufenes Volk anfindet, saßen einmal der Jäger, der Fuchs und der Uhu zusammen und redeten übers Weidwerk. Und sie lobten zu dritt die Jagd, jeder in seiner Art: der Fuchs prahlte mit seiner List, der Uhu mit dem nächtlichen Flug und der Jäger mit seinem Feuerrohr. Weil der Kulenkerl ihnen aber allerhand schwere Getränke vorsetzte, sprachen sie auch über andere Dinge, weltliche und geistliche, und schließlich schwur jeder, seinem Schutz: patron zu Ehren ein gottgefälliges Leben zu führen, falls es einmal not kate.

Der Kulenkröger, der bei ihnen saß und von ihren hohen Reden nicht viel verstand, widersprach mitunter, um nicht überhört zu werden. Und er widersprach gerade wieder, als diese Gäste sich eines gottgefälligen Lebens vermaßen.

"Das ist ja wohl nicht möglich", knurrte er. Er hatte sich nichts dabei gedacht und es nur so ebenhin gesagt. Man hätte aber einmal den Auf: ruhr sehen sollen! Das hätte ihnen noch niemand geboten, riefen die drei Herren durcheinander, und solche Anzweifelung würden sie sich auch nicht gefallen lassen. Gut, daß noch mehr Wirtshäuser am Weg stünden, schrie der Jäger und schlug auf den Tisch.

Der Kulenkröger mußte klein beigeben, er hätte es sonst mit seinen besten Gästen verdorben. Um sie aber rasch zu versöhnen, setzte er eine



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wirkliche Flasche Branntwein auf den Tisch. Die sollten die Herren haben, sagte er, wenn sie sich mit einem jagdbaren Tier drei Meilen auf Wanderung begeben könnten, ohne ihm etwas anzutun.

Nun, die Gäste machten große Augen bei dem Versprechen! Sie vermaßen sich auch, sogleich aufzubrechen, und als gerade der Hase vorsichtig beim Kulenwirt einschaute, um die Post vorzubringen — das ist ja sein Amt —, riefen sie ihn an, redeten höflich auf ihn ein und erzählten ihm, was vorhatten.

Der kleine Hase war mißtrauisch gegen die neue Freundschaft, das ist begreiflich. Alls aber der Kröger sich verschwur, er werde Mütze und Jacke der Herren als Pfand dabehalten, und als alle Leute ihm gut zuredeten und insbesondere der Fuchs sagte, wahrscheinlich begänne die Welt von nun an überall freundlicher gegen seinesgleichen zu werden, nahm Meister Lampe die Begleitung an.

So machten sich die Wettenden also brüderlich auf, um dem kleinen Postboten auf seiner Wanderung drei Meilen weit Gesellschaft zu leisten. Es war ein wunderschöner Tag, recht voll tiefen Friedens. Man war froh und guter Dinge, fragte einander nach Frau und Kindeskind, und der Fuchs erinnerte den Hasen schalkhaft an gefährliche Stunden. Der antwortete, und wie es oft ist, wenn hohe Herren mit einem einfachen Mann zusammenkommen, sie waren überrascht von seiner einfältigen Weisheit und seinem klaren Verstand. Hätten sie ihn früher gekannt, versicherten die drei ein über das andere Mal, sie hätten ihm und seinesgleichen niemals ein Leid angetan.

Als sie nun ein Stück gegangen waren, kam dem Fuchs der Gedanke, ob man dem Kulenkröger wohl auch trauen könne. Er hatte ja seinen Mantelsack zurücklassen müssen und hatte einen guten Zehrpfennig darin, um den er sich Sorgen machte. Er hatte sich s kaum überlegt, da befiel die andern Herren schon das gleiche Mißtrauen. Jeder von ihnen hatte seine Heimlichkeiten in Joppe und Tasche, die nicht für den Kulenkröger taugten. Weil die drei sich aber voreinander schämten, kamen sie auf diese und jene Ausflucht; der Uhu behauptete auf einmal, er habe sein



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Weib rufen hören, der Fuchs wollte einer Wildente den Weg zeigen, und der Jäger mußte schnupfen. Jeder versicherte dem Hasen, er werde gleich wieder dasein, und rannte auf Seitenwegen spornstreichs zum Kulenkröger, um seinen Kock zu erleichtern.

Alls nun der kleine Hase voll neuen Vertrauens zu dieser schönen Welt von den Kräutern am Wegrand äste, kam ihm ein hungriger Fuhrmann entgegen, der sollte mit seinem alten Klepper Sand holen und wußte nichts von der Wette noch von der neuen schönen Welt. Er sah aber Meister Lampe, der, statt das Weite zu suchen, höflich ein Männchen vor ihm machte.

Nunu, dachte der auf dem Bock, hier wartet wohl einer auf die Pfanne? Er hielt den Wagen an, stieg ab, als hätte er eine Bestellung aufzugeben, packte plötzlich die beiden Hasenlöffel und versteckte den zappelnden Fang eiligst unter Mantel und Leibriemen. Denn im gleichen Augenblick kamen von drei verschiedenen Seiten ein Jäger, ein Fuchs und ein Uhu des Weges.

Dem Fuhrmann wurde heiß und kalt wegen des Jagdfrevels. Er wollte sich beeilen, wurde aber angehalten und gefragt, ob er keinen Hasen gesehen hätte. "I, wie sollt' ich", sagte er so freundlich wie möglich, um bald weiterzukommen. Da begannen die drei Herren sich untereinander scheel anzuschauen, Mantelsack und Schnauzwerk zu prüfen und jeder des andern Leumund und ehrliches Sori anzuzweifeln. Und sie liegen den Fuhrmann nicht vorbei, verhörten vielmehr ihn und sein Tier noch einmal, ob sie gewiß nicht einen Jäger oder einen Fuchs oder einen Uhu beim Hasenmahl gesehen hätten.

Dem Fuhrmann kratzte währenddessen der arme Gefangene das Brust- fell so arg daß er es kaum aushalten konnte. Aber vor den Herren schüttelte er dreist sein schiefes Gesicht und sagte, er sei ein einfacher Sandfahrer, und die Jagd ginge ihn den Kuckuck an. Dann wollte er schleunigst weiter. Die drei schwangen sich aber hinten auf seinen Wagen und verlangten, er solle sie nun wenigstens zum Kulenkröger bringen. Und obwohl die Sache dem Fuhrmann unheimlich war und er vor Schmerzen kaum an sich halten konnte, muste er mit seinem schlechten Gewissen dem



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Wunsch folgen. Er hörte auch den ganzen Weg, wie die Herren sich noch über den Hasen zankten, der ihm die Joppe zerkratzte, und wie sie sich gegenseitig anbliesen und einer des andern Wort in Staub und Schmutz zog.

Als sie schon dicht vor der Kiesgrube waren, konnte der Fuhrmann das Scharren und Zerren auf seinem Leib nicht mehr ertragen, er mußte sich erklären und herauslügen, so elend war ihm zumut. Er blähte sich also auf, winkte die Jäger heran und wies auf den alten Gaul, den er treiben mußte. "Dann will ich's euch nur verraten", schrie er, das Pferd hat den Hasen gefressen, es wollt' wieder laufen lernen.

Der Fuhrmann meinte ja nichts anderes, als daß die drei Herren nun das arme Tier anfallen würden. Aber er irrte sich. Kaum hatten sie seine falschen Worte gehört, kümmerten sie sich nicht mehr um den Hasen, nicht um den Fuhrmann, noch um das Pferd, das den Hasen gefressen
sondern sprangen lärmend Wagen, der Jäger allen Wenn's keiner von uns frohlockte er, dann hat Kulenkerl doch den Branntwein verloren! "Und der Fuchs mit hoher Rute hinter ihm und der Uhu, der bei dem hatte, vom voran: war", der setzte drein,



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klaren Wetter den Weg schlecht sichtete, fuhr quer durch alle Büsche auf den dicken Stein zu. "Gewiß", schrie er, "der Kulenkerl muß bezahlen."

Dann waren die Gesellen auf einmal im Sand hinterm großen Stein verschwunden. Und es war alles so schnell geschehen, der Fuhrmann mußte vor Erstaunen den Altem ausblasen.

Er hätte besser achtgeben sollen. Während er sich nämlich voll Verwunderung vornüber beugte, bekam der kleine Hase unterm Leibriemen Luft und Platz. Mit einem Satz war er vom Wagen herab und in die Hecken. Und ehe der schlimme Mann sich noch recht besann, setzte sich auch sein Pferd in Trab, es wollte ja zeigen, daß es, ohne Hasen zu fressen, laufen konnte. Und es hat sich solche Mühe gegeben, der Fuhrmann ist mit Holterdiepolter und böser Not ans Haus gekommen. Als die drei Jäger noch einmal vor das Kulentor traten, um ihn zum Mittrinken einzuladen, war er längst über Stock und Stein.


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