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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Der Teufel hält Winterschlaf

Einmal hat der Igel Stickelpickel Unglück gehabt Er steht sich nicht gut mit dem Teufel —ich erzählte euch schon, warum das so ist: er hatte ihm ja einst einen Klumpen Gold abgenommen. Seitdem meidet er ihn, wie jeder Gerechte ihn meiden sollte. Aber der Böse — Bellhorn heißt er — hat einen Hof irgendwo in unserem Land, und dem kleinen Stickelpickel stößt es zu, daß er sich eines Tages, gerade als er sich einen Schlafplatz für den Winter sucht, schnaufend und polternd zwischen des andern Scheunen verirrt. — Hui, ist Bellhorn über ihm und freut sich, daß er den Igel, mit dem er doch eine lange Rechnung hat, in seine Gewalt bekam.

Stickelpickel weiß auch gleich, um was es geht. Aber er faßt sich, ist höflich, sosehr der Böse grinst, sagt, er sei aus Versehen hier, und fragt so nebenhin nach dem Weg zum nächsten Pfarramt.

Bellhorn lacht schadenfroh; er freut sich auf den Klumpen Gold, den er an den Igel verwettet hat und den er jetzt wiedergewinnen wird. Vorher aber will er sich an der Angst des armen Gefangenen weiden.

Eigentlich wundert er sich noch, daß der Kleine nichts von seinem Schreck merken läßt. Stickelpickel tut, als sei es die allereinfachste Sache der Welt, über des Teufels Hof zu laufen.

Ja, mehr als das: "Du hast es hier ganz gut", sagt er zum Bösen, recht wie ein alter Gönner, "und ich finde, man bietet seinen Freunden etwas an, wenn man es danach hat.

Entschuldige sehr", antwortet Bellhorn verblüfft, öffnet eine Tür und lädt den Gast in seine Stube. Weil aber bekannt ist, daß Stickelpickel gern einen Schluck aus der Flasche nimmt, zaubert der Arge ihm, während der andere über die Schwelle tritt, rasch eine Butte mit Schnaps vor die Füße. Der arme Gast fällt mit der Nase mitten hinein. Aber er kann ja allerhand vertragen. "Hoppla", sagt er, steht auf und schluckt und schluckt.

"Schmeckt gut, danke schön!



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Das hat Bellhorn ja nicht erwartet. "Du bist doch ein Baskerl, Stickelpickel", brummt er neidisch. "Wie hältst du dich nur so fein bei Gesundheit?"

Oh, knurrt der kleine Igel, geht an des Teufels Brotschrank und findet auch noch einen Zipfel Wurst. Gut essen, trinken und gründlich schlafen, damit bleibe man jung. Er grinst ein wenig, er schläft nämlich den halben Winter, und der Böse hat es zu arg mit seinem Gewissen und ist meist ohne Schlummer.

Alm Essen und Trinken lasse er es nicht fehlen, sagt Bellhorn. "Aber wann kommt unsereins wohl zum Schlafen! Hätte ich nicht selbst die Augen aufgehabt, wärst du mir unbesehen über den Hof gelaufen."Zugleich bietet er Stickelpickel Tabak an und reißt Feuer für seine Pfeife. Der Kleine muß einige Male niesen, das kommt wohl von des Teufels starkem Knaster oder aber von dem Unfall mit dem klaren Wasser. Dazwischen nickt er höflich zu allem, was der andere an Klagen vorbringt. Gut essen, trinken und schlafen", rät er wieder. Dann sieht er sich noch einmal neugierig in der guten Stube um und tut, als möchte er mit einem Kratzfuß zu Tür hinaus.

Aber so leicht geht das nicht. man nun grade beieinander sei, beginnt Bellhorn, könne man ja über einige alte Wünsche reden. Er zum Beispiel hätte drei davon auf dem Herzen. Ob er sie aussprechen dürfe?

"Gewiss", sagt Stickelpickel, und es tut ihm leid um den Klumpen Gold, den der Böse jetzt zurückverlangen wird. Um die Sache indes hinzuhalten, fängt er nach der Art kleiner Leute zu handeln an. Zwei Wünsche täten es vielleicht auch, meint er so obenhin; ja, gern möchte er selbst eine Bitte anmelden, und was der Sorte mehr sind.

Der Böse antwortet nicht, er weidet sich an Stickelpickels Ausflüchten, und dem armen Gast wird doch heiß und kalt zumut.

Nun, wenn er keinen Wunsch tun dürfe, so sei's ihm auch recht, sagt er. Er habe ja, was er wolle, nämlich gut essen, gut trinken und gut schlafen. Und ob es nicht am besten sei, jetzt nach dem Essen ein Nickerchen zu machen?



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Stickelpickel hat das Gespräch eigentlich nur hinziehen wollen. Alls der Teufel aber wieder vom ruhigen Schlafen hört, schwillt ihm der Neid so sehr, daß Tisch und Uhr in seiner Kammer zu schwelen und zu rauchen beginnen. Und er meint, daß er den Goldklumpen ja immer noch verlangen könne. "Als erstes wünsche ich mir", brüllt er, "daß wir für den Winter unsern Schlaf tauschen." Und er stößt das Fenster auf, weil das Zimmer nach seinem Jähzorn riecht.

Der kleine Stickelpickel ist traurig, er gibt viel auf seine Gesundheit. Was bleibt ihm indes anderes übrig? "Nun", sagt er, "es ist schade drum, aber wenn du durchaus willst, sollst du meinen Schlaf haben." Und er gähnt und streckt sich seufzend, da muß auch der Böse gähnen und sich strecken und merkt, daß ihm schon erfüllt wurde, was er wollte. Rasch versucht er noch, den zweiten und den dritten Wunsch wegen des Goldklumpens auszusprechen.

Aber er kommt nicht mehr dazu; Bellhorn kann sich auf nichts Rechtes besinnen und hat nur das Bedürfnis, noch einmal lang aufzuseufzen und es sich auf der Ofenbank warm und bequem zu machen. —

Erst im Frühling hat ihn die Sonne geweckt, und er hat sich unter furchtbarem Zorn an alles erinnert. Dabei ist ihm auch eingefallen, daß er noch zwei Wünsche an den Igel hatte, er ist mit einem Wutgebrüll aufgesprungen und hat gemeint, der Nachbar sei eben erst aus der Tür.

Aber der war ja schon seit Wintersanfang über alle Berge. Und er hat sich wohl gehütet, dem Bösen wieder über den Hof zu laufen. Er hat sich vielmehr gemütlich in meinem Stall eingerichtet, und ich stehe mich gut mit Stickelpickel. Wenn ich indes die Rede einmal auf seinen versteckten Schatz bringe, kriecht er rasch ins Stroh, als sei ich's selbst, dem er den großen Goldklumpen abgewettet hat, Aber so viel hab ich nie beisammen gehabt, und wenn ich's hätte, würde unsereins ja nicht so dumm wie der Teufel sein und die Wette mit Stickelpickel verlieren. Oho, das kann mir gar nicht zustoßen!


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