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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Olemann Puk

Wie Olemann Puk, so heißt der Knirps oben aus dem Eulenloch im Vierberger Doktorhaus, zu einer Frau gekommen ist, das ist eine drollige Geschichte und des Erzählens wert. Hört her!

Im Knick, just gegenüber dem Doktorgarten, wohnte einstmals ein kleines unterirdisches Fräulein, dem Olemann Puk gewogen war. Eines Tages jedoch hat ein Unhold sich das Mädchen zum Dienst einfangen wollen. Er warf seinen schwarzen Schattenmantel, gerade mit Sonnenuntergang, über das arme Ding, da hatte er es verzaubert, so daß es ein Jahr lang als Frosch oder als Schlange, aber immer in Tiergestalt, leben mußte.



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Ehe der Riese seinen Fang indes aufgehoben und gesichert hatte, ist Olemann Puk, der alles von fern angesehen hatte, hinzugefahren und hat mit einem riesigen Messer den Schlimmen in die Ferse gestochen. Der hat gemeint, er habe in Wespen getreten, hat nach hinten gekeilt und Olemanns Knie getroffen; währenddes ist seine Beute aber in Gestalt einer kleinen Ringelnatter davongeschlüpft.

Der Puk hat ein lahmes Bein behalten, dafür hatte er jetzt den Dank des verzauberten Fräuleins gewonnen. Jeden hellen Tag sind die beiden umeinander gewesen; über Nacht aber ist Olemann wie früher im Doktorhaus auf Wache gegangen, und das Mädchen hat sich, in einen Wasserfrosch verwandelt, unten in der Au in einem alten Kochtopf schlafen gelegt.

Nun ist die Kleine ja ein Schelm gewesen, und weil sie in ihrer Verzauberung zu den Ihren nicht heimkehren konnte, hat sie rund um den Kochtopf viel Schabernack getrieben. Wenn die Wagen die dunkle Heer



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straße zum Mondhagen fuhren, hat sie von den Bäumen als Schlange niedergelassen und Leute und Pferde erschreckt. Oder sie hat sich wie ein schönes Antlitz einem schlafenden Hagemann genähert. Wenn der aber schon die Lippen spitzte, ist sie ihm als stachlichter Igel übers Gesicht gerollt so daß der Unhold alle Winde vollschrie. Oft auch ist sie als piepende Maus oben im Doktorhof durch die Kammern geschlichen, so daß die arme Hausfrau schier verzweifelte, hat sich auf einmal zur Schlange gewandelt und hat unterm Herd gehaust und die Leute freundlich angezüngelt. Zur Nacht ist sie dann wieder in ihr Froschkleid geschlüpft und hat getreu geschlafen, solange ihr Vertrauter auf Wache ging.

Schließlich hat der Doktor, um dessen Haus der Spuk geschah —Fietebum hieß er —, die Geschichte herausgekriegt. Und er hat mit seinem klugen Weib beraten und mit ihr besprochen, daß man den beiden, dem Fräulein und Olemann Puk, ein geordnetes Hauswesen verschaffen müsse, da würde der Unfug hoffentlich ein Ende nehmen.

Er ist also eines Tages um die Dämmerung mit seiner Frau in guter Absicht zur Au geschlichen, die zwei haben sich Haselhaken geschnitten und vorsichtig die Henkel des alten Kochtopfes gefaßt; dann haben sie eing, zwei, drei gezählt und ihn flink hochgehoben.

Unten im Boden ist indes ein Loch gewesen; das Froschfräulein, das sich im grünen Rock gerade zum Schlafen gelegt hatte, ist mit erschrockenem Lachen hindurchgeschlüpft und auf den Grund des Baches gegangen.

Der Doktor Fietebum hat sich den Topf besehen, er hat das Loch gefunden und heimlich ein Stück Blech hineingeklemmt. Dann hat er ihn stillschweigend wieder ins Wasser versenkt.

Natürlich hat die Schelmin am nächsten Morgen die ganze Geschichte Olemann Puk erzählt, und der ist sehr böse gewesen. Nach einigem Über legen aber hat er das Froschfräulein getröstet und gesagt, zweimal mache sein Herr solche Dummheit nicht.

Weil die Jungfer aber den Menschen zum Schabernack den hellen Tag über in Keller und Küche alles durcheinanderwarf und hier als Ratte, da als Marder pfiff, dann wieder als riesige Fliege den Schreibtisch des



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Hausherrn umschwirrte, hat der an das Stück Blech im Kochtopf denken müssen. Und er ist am Abend, so eine Stunde vor Mitternacht, ganz allein zur Au hinuntergegangen, um noch einmal den alten Pott aufzuheben. Aber sei es nun, daß der Gelehrte abergläubisch war, oder daß Olemann auf der Lauer lag: als der Doktor den Kochtopf beinahe aus dem Wasser gehoben hatte, hat er sich über irgend etwas erschrocken, hat das Übergewicht bekommen und ist mit den Armen zuerst in die Au gefallen. Dabei schülpte der Topf über, und das Froschfräulein, das schon vergeblich nach dem Loch im Boden suchte, ist lachend über den Rand gehüpft.

Und es hat den beiden Menschen oben im Hügelhaus weiterhin wenig Frieden gelassen, hat vielmehr anderntags vom Dach bis zum Stall hin und her seinen Spuk getrieben. Solch ein Aufruhr ist es gewesen, daß der Mann den Puk gerufen und ihn gebeten hat, seine Braut zur Ruhe zu bewegen. Der Lümmel hat aber nur gegrinst und gefragt, wer denn den Streit angefangen hätte. In allen Ecken hat es dazu gelacht, und als die Hausfrau zur Versöhnung eine Schale Milch für das kleine Fräulein hinstellte, damit es sich als ordentliche Magd in ihren Dienst bequeme, hat jemand ihr den dicken Butterlöffel in die Suppe und die Erbsen in das Mehlfaß geworfen. Aber die Milch ist unangerührt geblieben.

Da haben der Doktor Fietebum und seine Frau sich nach dem Abendessen wieder zusammengesetzt, haben die Stirn kraus gezogen und nachgedacht was nun zu tun sei. Und der Mann hat nach seinem Hut gewiesen und ein Zeichen des Überstülpens gemacht. Die Frau aber hat stillschweigend einen Kochtopfdeckel aus der Küche geholt und unter der Schürze versteckt. Dann sind sie um Mitternacht zum drittenmal zur Alu hinuntergegangen.

Olemann hat in jener Nacht nicht rund um das Haus gewacht, wie es seine Pflicht gewesen wäre, sondern hat bei seiner Liebsten im Pott gesessen und große Reden über Recht und Gerechtigkeit gehalten. Er glaubte ja nicht, daß Menschen dreimal nacheinander sich um einen Kochtopf kümmern würden.



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Aber auf einmal hat das Wasser sonderbar geglückt, dann ist alles pechdüster geworden. Und als die beiden nach draußen wollten, sind sie mit dem Kopf gegen den Deckel gestoßen, und auch das Stück Blech hat immer noch im Loch gesteckt. Da sind die Gefangenen wie Quappen an der Wand entlang gefahren, haben keinen Ausschlupf entdecken können und haben sich endlich mit kläglichem Gewissen auf ihrem Sitz niedergelassen Der Topf aber hai geschwankt und geschwippt und einen langen Weg von der Au im Grund bis oben zum Haus auf der Höhe gemacht. ist er schließlich mit einem harten Schnurren auf den Herd gerückt worden.

Ihr könnt euch denken, in welche Angst die beiden geraten sind, als sie das Schurren hörten. "Hilfe, Hilfe! Hier sind Leute im Pott!" hat der Puk geschrien und laut an den Deckel geklopft. "Ja, zwei Leute im Pott! hat eine feine Stimme hinterhergerufen.

"Ist das nicht unser guter Olemann", hat der Doktor gefragt. "Frau, da kommt Besuch, hast du den Kaffee auf dem Herd?

"Und das kleine Fräulein von drüben ist wohl auch dabei", hat sein Weib gesagt, dann will ich nur gleich den Pastor holen!

Als sie vom Pastor hörten, haben Olemann und das arme Mädchen aber so kläglich durch den Kochtopf hindurch zu bitten und sich zu entschuldigen begonnen, daß sich bei Fietebum und Frau das Herz rührte. Sie haben den Deckel ein wenig angehoben, da hat es unterm Topfrand heraus geschrien und geschworen, vier kleine Hände und Pfoten haben sich nach draußen gestreckt und alle besten Dienste statt Unfug angeboten.

Die beiden Großen sind ja Schelme gewesen, sie haben immer noch getan, als wüßten sie nicht, was sie anfangen sollten und ob sie nicht doch zum Pastor müßten. Da hat Olemann in seiner Angst das heile Bein zwischen Topf und Deckel hinausgeschoben, hat dem Doktor gewinkt und heimlich und listig getan, als hätte er das Fräulein überhaupt nur um seiner Herrschaft willen zu sich gelockt. Und als die Hausfrau mit etwas Ziegenmilch näher kam- ihr wißt, damit geben sich die kleinen Wesen in unsern Dienst-, haben seine Braut und er gleich zu allem jaja gesagt, solche Furcht haben sie gehabt.



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Die beiden haben keinen schlechten Tausch gemacht; ich glaube sogar, daß dem Knirps Olemann im Grunde seines Herzens die Unruhe im Bach längst zuwider gewesen war und daß ihm das Leben heut besser gefällt. Er hat seine alte Kammer oben im Stall wie vordem, und wir wissen ja, wie sehr er seine Gemächlichkeit liebt.

Die neue Gesellin wird ihm die Stube kehren. Zumeist aber hilft sie der Hausfrau, der sie alles blitzblank putzt und das Geschirr besorgt und die Sobel stäubt und über Nacht heimlich die Wäsche wäscht, — oh, es lohnt sich wohl, solchen Geist zu fangen.


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