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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Verwandlung der Liebenden

Zu der Zeit, als die schöne Frau Holle noch mit buntem Hofstaat und klingendem Spiel über die Erde zog, traf sie mittsommers oft den milden Herrn Fro und wollte, daß er mit ihr reiste. Aber er erwiderte ihre Liebe nicht. Als er nun merkte, daß Frau Holle darüber traurig wurde und eifersüchtig jedem etwas antat, der ihm nahe kam, ging der große Sommer: könig aus dem Land; er hoffte wohl, daß die wilde Holdin ihn vergessen würde.

Lange blieb er damals in den Gärten nach Süden zu und bepflanzte und segnete sie. Zwei Blumen gewann er besonders gern, die Nrzisse im Frühling, die zu Ostern so rein und prächtig über die Wiesen läutet, und eine



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Herbstliebe, das ist die Dahlie, die hatte er um ihrer fremden bunten Farben willen gern.

Die Blumen spürten bald, wie sehr der Überirdische für sie sorgte. Sie waren ohne Eifersucht, die Monate ihres Prangens und ihrer Blüte lagen fern voneinander. So wurden sie gute Freundinnen und gewannen solche Liebe zu Herrn Fro, daß sie ihn nicht mehr lassen konnten. Als er lange Zeit da unten geweilt hatte und wieder heimkehren wollte, wünschten sie sich nichts anderes, als ihm gleich irdischen Mädchen folgen zu dürfen. Und so groß war ihr Verlangen: sie wurden leibhaftig, sie konnten Herrn Fro nachgehen, Tag um Tag, Weg um -aeg.

Nun verloren Osterglocke und Herbstliebe aber den Wanderer einmal aus den Augen, als sie schon weit nach Nrden in sein Land gekommen waren. Sie wußten nicht mehr, wohin er sich gewandt hatte, irrten hin und her und fragten viele Leute, aber niemand hatte den Gütigen gesehen.

Endlich, als es Abend wurde, kam ihnen Frau Holle als eine wunderschöne Königin vom Berg herab entgegen. Die Wanderinnen kannten sie nicht, und weil sie nicht ein noch aus wußten, gingen sie die hohe Fremde um Rat an, wo Herr Fro wohl geblieben sei.

Die Holdin blieb stehen und hörte sie an. Und als der Name fiel, um den sie viel Kummer gehabt hatte, und als sie die beiden Mädchen anschaute, die ihrem verlorenen Vertrauten folgten, stieg die alte Sehnsucht wieder auf, ihr Herz schlug voll Eifersucht.

Wann sie Herrn Fro zuletzt gesehen hätten, forschte Frau Holle. Sie tat dabei, als ginge es sie wenig an, und sie wolle es nur wissen, um einen Rat zu geben. Die Mädchen spürten indes etwas Arges in ihrem Wort, blickten einander an und antworteten nicht gleich. Strenger fragte Frau Holle: "Woher kommt ihr? Wo saht ihr den großen Gütigen zuletzt?

Es ging aber solch Verlangen von ihr aus, Herr Fro, der im andern Tal mit seinen Hirschen spielte, spürte es, horchte auf und war ebenso flink wie lautlos nahebei. Da gewahrte er der Königin Unmut und erkannte die zitternden Fräulein, die ihm nachfolgten. "Liebe Holle", rief er fröhlich, "hast du meine Blumen gefunden?



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"Deine Blumen?" fragte die und war glücklich, ihm zu begegnen.

"Sieh", erklärte Fro rasch, "Osterglocke entdeckte ich und werde sie in deinen Garten pflanzen, und Herbstliebe nenne ich die andere, die bunt und windbebend für dich blühen soll!"

Alls die beiden Mädchen nun Herrn Fro, den sie suchten, so nahe waren und spürten, daß er sie erkannte, war ihr Verlangen erfüllt; sie sanken gleich einem Entatmen in die Blätter und Blüten zurück, aus denen sie aufgebrochen waren.

Und Frau Holle merkte, wie sich die Wurzeln der Blumen wieder in die Erde senkten. Sie war traurig, daß der andere kein Wort für sie selbst fand; wunderschön sah sie in ihrer Betrübnis aus. Ihre langen Wimpern glänzten im Sonnenlicht, und die blauen zaubergefüllten Kränze von Vergißmeinnicht in ihren Armen zitterten, als spürten sie das Blut, das darunterhin schlug.

Dann hob sie die Hände, ohne zu Herrn Fro aufzublicken. Sanft strich sie über die rote Herbstliebe.

"Ich will sie gut in meinem Garten halten", seufzte sie. du sie findest, habe ich sie dir zur Freude gepflanzt!"


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