Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Der reimende Bauer

Es war einmal ein armer Bauer, der fand kein Weib unter den Menschen Er machte sich zuviel Gedanken über allerhand schöne holde und unholde Wesen, die er mitunter auf der Heide sah, und hatte wohl auch zuviel Verlangen nach den Liedern, die er sie oft in der Ferne singen hörte. An langen Abenden dichtete er mancherlei, das sich zu jenen Weisen reimte.

Nun kam in der Sonntagsfrühe oft eine Hagefrau von den Wäldern und Ödlanden herüber, zwischen denen das Dorf des Bauern lag. Die hatte die Kinder der Menschen gern und lockte sie, während die Eltern in der Kirche waren, zusammen, kämmte sie, wusch sie und spielte mit ihnen. Und der Mann geriet ins Gespräch mit der Fremden und gewann sie lieb.

Die Frau wurde indes traurig, als er es ihr sagte, und riet ihm, sie nicht wieder aufzusuchen. Ach, unter den Menschen könne sie nicht bleiben, da müsse sie bald sterben, und zu ihrem Hof gehe ein schlimmer Weg, Mel böses Volk träte denen entgegen, die ihr zu folgen wagten, und wer nicht gleich auf die Sprüche der Begegnenden Bescheid zu geben wüßte, der verlöre sein Leben.

Er werde es wagen, sagte der arme Liebende.

Aber die Frau wollte es nicht dulden. Zuallerletzt, klagte sie, keime der Verlocker selbst, um eine Frage zu tun, und fehle da nur ein Kleines an der Antwort, würde des Mannes Leib zu Stein. So sei es in diesen tausend Jahren schon vielen ergangen.

Der Bauer ließ sich einmal und noch ein zweites und drittes Wal abschrecken. Schließlich aber gewann er die Frau so gern, er verschwur sich, daß er folgen wolle. Er wisse so viele Sprüche und Weisen, tröstete er



113 H.F. Blunck Märchen -- Der reimende Bauer Flip arpa

sie, das er auch vor dem Teufel keine Furcht habe. Da lieg die Hagefrau die Kindchen, mit denen sie gespielt hatte, der Mann verkaufte, was er hatte, packte seine Habseligkeiten, und die beiden begannen einen weiten Weg über die Heide. Und sie schritten ihn auch da, wo ein alter Mail das Land der Irdischen von dem der Unirdischen trennt und der Bauer mit zwei Sprüngen ins andere Feld hinübersetzen mußte.

Als sie schon viele Stunden gegangen waren, trafen sie auf einige riesige Wächter, die im Sand mit goldenen Kugeln spielten. Die traten drohend auf den Bauer zu und fragten ihn nach der Losung. Und einer sagte laut: "Wiede Weg un wiede Heid!"

"Hew keen Bang, wa mien Leewste geit! antwortete der Mann.

Da mußten die drei sich zufrieden geben, die zwei Liebenden konnten weiterwandern und kamen an cian großen Fluß, über den ein kleines Boot ohne Fährmann her und hinüber fuhr. Sie stiegen ein und waren schon fast in der Mitte des Stromes, als plötzlich ein riesiger Wasserkerl auftauchte. Der sah den Mann und fragte zornig: "Boot is lütt, un See is groot!



114 H.F. Blunck Märchen -- Der reimende Bauer Flip arpa

"Leew is grötter, Leeuw gifft Moot", bekam er zur Antwort.

Da mußte der aus der Tiefe sie weiterfahren lassen, und die Hagefrau gewann Glauben und wunderte sich über ihren Mann, der so gute Sprüche wußte.

Kam auch bald ein hoher Hügel, durch den ein dunkler Gang führte. In seiner Mitte stand ein Unterirdischer, der flüsterte dem Reimer zu: "Root uns' Gold, un deep de Eer.

Aber der Bauer schüttelte den Kopf: "Hew mien Leew un will ni meer.

Das Hageweib freute sich sehr und sprach dem Mann Mut zu, solange die Dunkelheit währte. Aber als sie jenseits des Berges heraustraten, lag drüben der Hof, auf dem die Frau wohnte, und vor ihm im Tor wartete ein anderer auf ihren Vertrauten. Und je näher sie kam, desto deutlicher sah sie, daß der riesige Verlocker selbst den Mann ansprechen wollte, und sie bangte um ihn. Aber der Bauer schritt mutig fürbaß und bak nur einmal Gott, ihm ein gutes Wort einzugeben.

Da trat der Locker zur Seite, er blickte die Frau an und sagte beschwörend:

Geit de Mann an mi vörbi,
Is he Steen un dood vor di.

Der Bauer hörte es, er sah vier große Felsen — an jeder Seite des Weges zwei —, die glichen verwunschenen Menschen, und ihre Gesichter waren traurig wie der Tod. Aber er nahm allen Mut zusammen und antwortete dem Bösen:

"Leew is sööt, du kennst eer ni,
Steen is koolt, ik ga oörbi,
ik ok mien Huus opbu,
Gott is meer as Dood un du!

Da mußte der Locker ihn mit einem Fluch vorüberlassen, und das Antlitz der Frau wurde fröhlich wie das eines Kindes; sie nahm den Bauer an der Hand und führte ihn als ihren liebsten Mann unterm Tor hindurch.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt