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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Kuhleback

Da war einmal ein Hexer bei Plön, Kuhleback mit Namen, der hatte im Wald ein Zauberei gefunden, in dem es sang und klang. Gleich wollte er eilig damit nach Haus, um es zu zerschlagen und nachzusehen, was es wohl für ein Wunder bürge. Und weil er über den großen See mußte, warf er seinen Hut ins Wasser. Das war ein rechter Hexenhut, er trug ihn wie ein Schiff, wohin sein Herr wollte.

Nun war um dieselbe Zeit ein Student unterwegs, der hätte eigentlich über den Büchern sitzen und die Heilkunde lernen sollen. Er hatte sich aber gerade ein neues Puckerboot gekauft und mußte damit den halben Tag hin und her fahren, solche Freude hatte er daran. Weil ihm indes wegen seiner Trägheit das Gewissen schlug, hat er allerhand Bücher an Bord genommen, dazu Schädel und Knochen, an denen er studieren wollte. — Es wurde nur wenig mit der Arbeit, der Junge hatte viel zuviel Freude an seinem Boot und an allem, was darauf kreuchte und wohnte. Da war zum Beispiel der kleine Klabautermann, den er an Deck hatte, da war Takkebuttbutt — das ist der Knirps in der Maschine. Wie er der beiden gewahr geworden ist? Nun, vielleicht hatte der Student aus alten Büchern erfahren, wie man übersichtig wird. Vielleicht war ihm auch nur bei allem Studieren ein fröhliches Herz geblieben, so daß der kleine Takkebuttbutt Zutrauen zu seinem Herrn gefaßt hatte.

Nun kommt den dreien, als sie wieder quer über den See sätzen und Takkebuttbutt nur so rattert und knastert, nun kommt ihnen auf einmal ein verrückter alter Hut entgegen, in dem reist ein fremder Mann fast ebenso schnell wie sie selbst. Das ist etwas so Sonderbares: Takkebuttbutt fährt aus der Maschine hoch und lehnt sich über Bord, um dem da drüben eing auszuwischen. Er ist dabei aber unvorsichtig und fällt, während sie den Filz ansteuern, kopfüber in das fremde Fahrzeug hinein, alle Vögel ziepen vor Schreck, und alle Wasserfrauen, die auch neugierig dem verhexten Hut folgen, meinen, es müsse dem Knirps schlecht ergehen. Das



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fürchtet insbesondere der Student; er hat sich über den Unfall des Freundes sehr erschrocken, rennt gleich mit dem Bootshaken nach vorn und will das sonderbare Schiff anhalten, um Takkebuttbutt wieder herauszuholen.

Aber der Hexer Kuhleback — der fuhr ja in dem Hut — ist dem Burschen weit über. Er lacht nur über den Vorwitz des Jungen, und weil ihm das Boot nicht schlecht gefällt, stülpt er es mit allein Drin und Dran in sein Fahrzeug hinein. Das Zauberding wächst einfach ein Stück, vielleicht kann es noch viel mehr Ladung tragen, ich weiß nicht wieviel.

Das haben sie nun von Takkebuttbutts Eile! Da sitzen sie mitsamt ihrem schönen Boot zuunterst in einem alten Hut, Student, Klabautermann und Takkebuttbutt. Und der Hut fährt schnell über das Wasser, niemand von ihnen weiß wohin.

Nun hat aber auch das Zauberei, das der Hexenmeister gefunden hatte, unten im Filz gelegen. Und die drei hören, während sie mausestill dasitzen oder bedrückt miteinander beraten, in dem sonderbaren Ding vielhundert Laute, Finkenruf und Starenpfiff, kläffende Hunde, brüllende Kühe, Hühnergekakel und wehende Bäume. Sie werden deshalb neugierig und schlagen ein winzig kleines Loch in die Schale, um nur eben einmal hineinzuschauen. Da sehen sie einen herrlichen Hof mit hohen Buchen rundum — gewiß kommt dem alten Hexer viel auf dies Zauberwerk an. Weil sie ihm aber gern einen Schaden täten, nimmt der Student sein Messer, schneidet ein Loch in den Filz und stößt das Ei nach draußen.

Kuhleback merkt sofort, was unten für ein Unfug geschehen ist; der Hut hält an, der Alte schilt entsetzlich und will nach dem Ei tauchen. Aber damit ist schon eine kleine Wasserfrau auf und davon; es ist ihr genau in die Hände gefallen — von oben in die Hände gefallen.

Der Hexenmeister muß also gewaltig schwimmen. Gerade bevor sie in ihr Haus schlüpfen kann, kriegt er die Nixe — das Wasserfräulein meine ich — zu fassen, und weil es ihm soviel Mühe gemacht hat, nimmt er's zur Strafe bei den Haaren und stopft es zuunterst in den Hut zu den anderen Gefangenen. Die wären in der Zwischenzeit gar zu gern auf und davon gegangen; aber sie haben es nicht fertiggebracht, ihr Boot so rasch



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über den Rand des Hutes zu heben, der Alte ist allzubald wieder dagewesen. Und jetzt haben sie auch gute Gesellschaft; der Student versucht die Nixe zu trösten, er fragt sie, woher sie komme, wo sie wohne und dergleichen. Das arme Ding schluchzt indes ohne Aufhören, solche Furcht hat es vor dem Zauberer, und auch den andern wird immer unheimlicher zumut.

Als sie nun wieder eine Weile gefahren sind und sich den Kopf zerbrechen, wie sie davonkommen sollen, meint der Klabauter, was mit dem Ei möglich sei, müsse doch auch mit ihnen angehen. Sie schneiden also von neuem ein Loch in die Filzwand, fassen sich bei den Händen, und der Klabauter zieht die Freunde nach draußen.

Kuhleback ist ihnen indes weit über. Er merkt, kaum daß sie durchgeschlüpft sind, daß etwas nicht in Ordnung ist, fischt die vier zwischen seinen fünf Fingern auf, streicht mit der Hand über den Schnitt im Hut, so daß kein Wasser mehr hineindringt, schilt abscheulich und tut alle Leute mit ihrem schlechten Gewissen wieder zuunterst in seinen Filz.

Da müssen sie beinahe verzagen; sie kommen gegen den schlimmen Alten nicht mehr an. Einmal noch bringen Takkebuttbutt und der Klabauter ihr Boot in Gang, das gleitet über den Hutrand hinaus, plumps ins Wasser und will von dannen fahren. Aber Kuhleback harkt es wieder herein, als sei's ein morscher Stock.

Endlich will der Student es ein letztes Mal versuchen. Er hat die Hoffnung aufgegeben, im guten davonzukommen, aber er will dem Zauberer wenigstens noch einen Schrecken einjagen, ehe der sie alle für immer in seiner Gewalt hat. Er tut also den Ölmantel um und setzt sich einen alten Pferdeschädel auf — den hatte er in der Bootskammer, um daran zu studieren. Und er leiht sich etwas Rauch von Takkebuttbutt, erbittet sich drei Strähnen vom grünen Haar der Nixe und vier vom weißen Bart des Klabautermanns und übt sich, alles zwischen den Pferdezähnen hinauszublasen. Dann hebt er sich auf einmal mit einem rauhen Blöken und Pusten gegen den Hexenmeister hoch.

Und er hat den schlimmen Kuhleback wahrhaftig da getroffen, wo ihm sein böses Gewissen am wenigsten Ruhe ließ. Der arge Geselle meint



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nämlich, der Teufel selbst steige aus der Tiefe empor, um ihn heimzuholen; er brüllt vor Schreck, als er den Pferdekopf sieht, heult noch furchtbarer als der Student, springt mit einem Satz auf den Rand des Hutes und streicht mit einem scheußlichen Schweif von Gestank vogelschnell über das Wasser von dannen.

Da sind die armen Gefangenen den bösen Kuhleback los. Der Zauberhut, der nun keinen Herrn mehr hat, kreiselt von selbst an einen Boots
steg; sie umarmen einander, Klabauter, Takkebuttbutt, Wasserjungfer und Student, und springen einer nach dem anderen an Land. Dabei läßt der Bursch, der vor Vergnügen über die gelungene List pfeift und tolpatschig tanzt, das Zauberei fallen. Was glaubt ihr? Das Ei zerplatzt mit lautem Knall, es wächst ein herrlicher Hof daraus hervor, viele Tiere und Knechte und Mägde stehen schon bereit, die neuen Herren zu empfangen.

Und sie bleiben alle beieinander und verraten niemandem etwas vom Erbe des Hexenmeisters. Wäre ich nicht eines Tages in die Bucht geschwommen, wobei mir eine alte Ente die ganze Geschichte erzählt hat, dann wüßte heute noch kein Mensch davon.


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